II

Der Vorkoster[295] 3

Es war einmal ein Schneider, der hatte eine Bauerndirne als Liebste, und sie hatten einander gern geheiratet; aber ihre Eltern wollten das nicht zugeben. – Ihr Anwesen sei allerdings nur klein, sagten sie, aber ihre Tochter sei doch eine Hüfnertochter und viel zu gut für den Schneider, der bloss von Gehöft zu Gehöft umherzöge und schneiderte; es könne daher nichts daraus werden. »Füge dich also in Geduld, sagte das Mädchen zu ihrem Geliebten; jedenfalls sei sicher, dass, wie es auch geht, und wen ich auch bekommen mag, du doch unter allen Umständen Vorkoster sein sollst.«

Nach einiger Zeit meldete sich auch wirklich ein Freier, dem die Eltern das Mädchen gaben und eine stattliche Hochzeit herrichteten, bei welcher sich auch der Schneider befand. Während aber die Kameraden des Bräutigams diesem tüchtig zutranken, und zwar dermassen, dass er am Ende seine fünf Sinne nicht mehr beisammen hatte, lag der Schneider bei der Braut in der Brautkammer[295] und erlustierte sich mit ihr aufs beste. Endlich jedoch vermisste sie der Bräutigam und kam taumelnd in die Kammer. »Bist du hier?« fragte er mit schwerer Zunge. – »Ja wol, antwortete sie; ich hab' mich ein Bischen aufs Bett gelegt; ich war so müde,« und zugleich liess sie sich auf der Wandseite vom Bette herab. Der Bräutigam kroch hierauf zu ihr (wie er dachte) und suchte auch bald nachher das Lustgärtlein, fand aber statt des Thales einen Berg, der ihm die ganze Hand anfüllte. »Kreuzdonnerwetter! rief er aus, wie bist denn du beschaffen? du hast ja gerade so ein Ding wie ich; wie soll denn das nu gehen?« – Ja, sie wäre nun einmal nicht anders, sagte die Braut hinter dem Bette; aber sie glaube wol, der Sache wäre abzuhelfen, obschon dazu Geld und Zeit gehöre. – Es möchte kosten was es wolle, meinte der Bräutigam, wenn er sie nur ordentlich in Stand bekäme. – Da sagte die Braut, sie kenne einen Schneider, der die Arbeit wohl übernehmen würde, aber er müsse sie drei Monat lang bei sich haben und zur Herstellung des Notwendigen 16 Bärenfelle, 16 Ellen rothes Tuch, 16 Tonnen Salz so wie überdies 100 Thaler Arbeitslohn erhalten; denn er müsse in ihrem[296] Leibe eine ganz neue Vorrichtung anbringen. – Es blieb nun nichts anderes übrig als auf die Forderung des Schneiders einzugehen, und als die drei Monate um waren, brachte dieser die junge Frau zurück und legte sie auf den Tisch. »Jetzt habe ich sie in Stand gesetzt, sagte er, und sie ist nun so gut wie neu. Komm her und sieh dir sie einmal an;« dabei hob er ihr die Röcke auf und zeigte sein Werk. »Ist von den 16 Bärenfellen nicht mehr übrig geblieben als der kleine Haarstreifen da?« sprach der Ehemann. »Nein, versetzte der Schneider, das ist alles.« – »Und von den 16 Ellen rothen Tuchs, fuhr jener fort, ist da nicht mehr übrig als das?« – »Nein, antwortete der Schneider, es ist alles draufgegangen.« Alsdann steckte der Mann den Finger hinein und hielt ihn darauf an die Zunge. »Ja, sagte er, das Salz ist da; das ist ausgemacht.«4[297]

Quelle:
[Asbjørnsen, P. C.:] Norwegische Märchen und Schwänke. In: Kryptádia 1 (1883), S. 293-332, S. 295-298.
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