XI

Der Hämmling

[319] Es war einmal ein Pastor, ein solcher Geizteufel, dass er seinem Hofknecht besonderes Bett einräumte und dieser bei der Tochter vom Hause schlafen musste, weshalb er auch immer nur einen Hämmling in Dienst nahm. So suchte er denn auch wieder einmal einen solchen und fand zwar viele junge Burschen, die gern bei ihm dienen wollten, allein wenn er sie fragte, ob sie hätten, was alle Männer haben, so antworteten sie natürlich nicht mit Nein, und es wurde deshalb nichts daraus, denn er konnte sie nicht brauchen, wie er sagte. Einer jedoch, der klüger war als die übrigen, merkte endlich, dass er hätte Nein sagen sollen; er lief deshalb bei Seite, drehte seinen Kittel um, und einen anderen Weg einschlagend, kam er dem Pastor von Neuem entgegen. Dieser erkannte ihn auch wirklich nicht, sondern fragte ihn wiederum, ob er sich zu ihm verdingen wollte, und weiter, ob er ein Hämmling wäre. »Ja freilich, das versteht sich,« versetzte der Bursche,[319] und alsbald war die Sache abgemacht, worauf er den Pastor stehenden Fusses nach Hause begleitete. Unterwegs fragte ihn der Pastor, wie er hiesse. »Ich muss mich fast meines Namens schämen,« antwortete der Bursche. – »Seines Namens braucht sich Niemand zu schämen,« erwiderte der Pastor. – »Das habe ich wol auch sonst schon gehört, sprach jener, und da der Herr Pastor es durchaus wissen will, so muss ich es ihm freilich sagen, obwol es gerade kein hübscher Name ist; ich heisse Pint.« – »Das ist allerdings kein hübscher Name, bemerkte der Pastor; aber wir brauchen ihn ja nicht zu Jedermanns Kenntniss zu bringen, und man wird dich im Hause bloss ›den Knecht‹ nennen.«

Als nun der Bursche in die Küche kam, fragte ihn die Pastorin vor allen Dingen, wie er hiesse. »Ich muss mich meines Namens schämen,« antwortete jener. – »Seines Namens braucht sich Niemand zu schämen, versetzte die Pastorin, und wir müssen wissen, wie du heissest, wann wir dich zum Essen rufen sollen.« – »Freilich hübsch ist mein Name nicht,« sprach der Bursche; da aber die Frau Pastorin es durchaus wissen will, so muss ich ihr wol sagen, dass ich ›Meinefut‹ [320] (Meine Fut) heisse. – »Du hast allerdings Recht, bemerkte die Pastorin; es ist gerade kein schöner Name, doch können wir dich ja für gewöhnlich ›den Knecht‹ nennen.«

Nachdem die Mutter fortgegangen war, kam die Tochter vom Hause in die Küche gerannt, um sich den neuen Knecht anzusehen und seinen Namen zu erfahren; auch kann man sich über ihre Neugier nicht wundern, denn sie war es ja, die ihn zum Bettgenossen haben sollte. Ja nun, der Bursche sagte zu ihr, was er zu den Andern gesagt hatte: er schäme sich seines Namens; bis es endlich herauskam, dass er hiesse ›Vaterkriechaufdiemutter‹ (Vater, kriech auf die Mutter). Es dauerte nun nicht lange, so lagen Bursch und Haustochter oben auf dem Boden bei einander, und kaum hatten sie sich gelegt, so fing auch alsbald das Bett zu krachen14 an, so dass der Pastor aufhorchte; denn er lag gerade in der Stube darunter. »Was geht denn da oben vor, Tochter?« rief er hinauf. – »Nichts, antwortete sie; es ist bloss Vaterkriechaufdiemutter;« und der Pastor mochte fragen so viel er wollte, so bekam er immer dieselbe Antwort. »Dummes Zeug! sagte er endlich,[321] geh du doch einmal hinauf, Mutter, und sieh was los ist.«

»Meinefut liegt auf unserer Tochter,« sprach die Pastorin, als sie auf den Boden hinaufkam. – »Ja, Vaterkriechaufdiemutter kraut mir meine Fut aufs allerbeste,« sagte die Tochter. – »Kein Wunder, dass sie dich in deinem Alter kraut,« sprach der Pastor. – »Nicht doch, nicht doch, Vater, es ist ja Meinefut wovon die Rede ist,« rief die Pastorin. – »Ich will doch einmal sehen, ob ich dir deinen Rand nicht stopfen kann,« brummte der Bursche vor sich hin und warf die Mutter aufs Bett, worauf er es mit ihr ebenso machte, wie er es mit der Tochter gemacht hatte. »Aber was ist denn das für ein Tummeln und Stossen?« rief der Pastor. – »Meinefut kraut mich gar zu prächtig,« versetzte die Pastorin. – »Schämst du dich denn gar nicht, du altes Mensch, dass du im Beisein deines Kindes so sprichst?« sprach der Pastor. Allein es wurde mit dem Stossen und Krachen immer ärger, so dass der Pastor endlich aus dem Bette sprang und im Schlafrock auf den Boden hinaufeilte. Er war aber noch auf der Treppe, so sprang auch schon der Bursche zum Fenster hinaus und weg war er.[322]

Als nun am darauffolgenden Sonntag die Pastorin und ihre Tochter in der Kirche waren und der Predigt zuhörten, da geschah es, dass letztere den Burschen hinter dem Altar erblickte und darob mit einem Male ganz froh und fröhlich wurde. »Vaterkriechaufdiemutter steht da hinter dem Altar,« sagte sie. – »Seht, seht, jetzt ist es nicht Zeit solche Reden zu fuhren,« flüsterte der Pastor und dabei winkte er mit der Hand. Sie jedoch wies auf die Stelle hin, wo der Knecht stand, so dass ihn jener zu sehen bekam und alsbald auf die Kanzel schlug, indem er rief: »Raus mit dem Pint, ihr Männer alle!« so dass diese ganz verwundert die Augen aufsperrten und nicht wussten, was der Pastor meinte. Wiederum aber donnerte dieser mit der Faust auf die Kanzel und schrie noch lauter, bis endlich die männlichen Glieder der Gemeinde thaten, was sie glaubten, dass sie thun sollten. Da nun hierüber der Bursche hinter dem Altar eine laute Lache aufschlug, sprach die Pastorin: »Jetzt lacht Meinefut«, worauf jener antwortete: »Lacht sie jetzt nicht, dann lacht sie wol nimmer!«15[323]

Quelle:
[Asbjørnsen, P. C.:] Norwegische Märchen und Schwänke. In: Kryptádia 1 (1883), S. 293-332, S. 319-324.
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