IV

Der Pint und die Schuhsohle

[301] Ein Pint und eine Schuhsohle kamen einmal mit einander ins Gespräch, und die Schuhsohle fing an zu klagen. »Es kann wol Niemand mit mehr Verachtung behandelt werden als ich, sagte sie. Man heftet mich den Leuten unter die Füsse, und diese treten mit mir in allen Dreck und Koth, so dass ich so nass werde wie ein Wischlappen; nicht selten auch tritt man mit mir auf Scherben oder spitze Steine; nicht minder schmiert man mich an der Seite mit Schuhwichse und Theerschmiere ein. Am härtesten aber ist es, dass ich in[301] Frost und Hitze heraus muss, ohne dass mir jemals etwas Gutes zu Theil wird, es sei denn, dass hin und wieder, aber nur selten, ein armer Teufel, der sich wund gelaufen, mir einen Schluck Branntwein zukommen lässt. Du aber, liebster Freund, du hast es viel besser als ich; du sitzest in den Hosen und hast ein warmes Haus, und nehmen sie dich einmal heraus so geht es dir nicht minder gut. Du wirst von zarten Händen gestreichelt und schöne Frauen spielen mit dir.«

Als der Pint dies horte, lachte er laut auf und meinte, den Teufel auch hätte er es so gut, wie die Schuhsohle glaubte, vielmehr viel schlimmer, und es schiene ein Wunder, dass er nicht schon längst aufgerieben wäre; wenn er auch aus Stahl und Eisen gewesen wäre, so könnte er doch nicht länger das ausstehen, was er bisher ausgestanden. Er müsse zu jeder Zeit wach sein und gerade stehen und paradiren und die Mütze abziehen vor einer jeden lumpigen Bettelliese, der ihn sein Herr in den Leib schieben wolle, und das schlimmste dabei wäre, dass er ihn hin und her fahren lasse in einem Loche, welches sich dicht beim Hintern befände; auch sässe da drinnen[302] Einer, der mit einer Hufzange klemmé, und ein ganz verteufelter Marksauger, der da festpacke und sauge, so dass er (der Pint) dermassen wirr im Kopfe und schwach im Magen werde, dass er alles Nasse, was er im Leibe habe, ausspeien müsse und sich dann so matt und übel befinde, dass er hinterher wie ein nasser Lappen herabhänge.

Quelle:
[Asbjørnsen, P. C.:] Norwegische Märchen und Schwänke. In: Kryptádia 1 (1883), S. 293-332, S. 301-303.
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