2.

[33] Eine Hexe verliebte sich einmal in einen jungen Burschen, doch es gelang ihr nicht, seine Gegenliebe zu erwecken. Endlich schwur das böse Weib, an ihm furchtbare Rache zu nehmen.

Bald darauf traf sie den hübschen Knecht und sagte spottend: »O warte nur! Sobald Du in den Wald gehst, verwandelst Du Dich beim ersten Schlage Deiner Axt in einen grausamen Werwolf!«

Aber der leichtsinnige Bursche achtete der Drohung nur wenig, spannte seine Ochsen vor den Wagen und fuhr ins Holz. Kaum hatte er die Axt zum ersten Schlage erhoben, als sie seiner kraftlosen Hand entfiel. Ganz erschrocken besieht er sich, – seine Hände haben sich schon in Wolfsklauen verwandelt. Besinnungslos rennt er im Walde umher. Er kommt zu einer Quelle[33] und sieht nun mit Grausen: er ist von Kopf zu Fuß ein wirklicher Wolf geworden. Nur paar Lappen seiner Kleider hängen ihm noch am Leibe.

Er eilt zu seinen Ochsen hin; aber diese geraten bei seinem Anblick in Furcht und laufen fort. Noch eins will er versuchen: seine bekannte Stimme soll ihnen freundlich Stillstand gebieten. Doch ach! statt eines menschlichen Wortes kommt rauhes Wolfsgeheul aus seiner Kehle. Nun muß er einsehen, daß der Hexe Drohungswort an ihm erfüllt sei.

Doch auch in der Wolfsgestalt war es ihm unmöglich, sich von seinem heimatlichen Dorfe ganz zu trennen; er blieb immer in der Gegend. Nie konnt' er sich an rohes Fleisch gewöhnen, und der Gedanke nur an Menschenfleisch erregte Grausen in ihm. Deshalb begann er die Hirten und Schnitter zu schrecken und sie von der Arbeit zu verjagen; dann fraß er ihnen gierig Milch und Brot und ihre andern Speisen auf.

Nachdem der arme Wolf schon viele Jahre auf diese Weise zugebracht hatte, empfand er einmal einen mächtigen Drang zum Schlafen. Er warf sich also auf eine Wiese und schlief ein. Wie groß war seine Verwunderung, als er sich beim Erwachen wieder in einen Menschen verwandelt sah!

In seiner Freude dachte er nicht daran, daß er ganz unbekleidet war, und so schnell wie möglich lief er nach seiner lieben Hütte.

Aber kein Glück ist dauerhaft, sagt das Sprichwort. Das mußte auch unser Knecht erfahren: seine Eltern waren gestorben, Katharina, seine Geliebte, hatte sich einen andern genommen, und schon vier Kinder balgten[34] sich vor ihrer Hütte. Seine Freunde waren entweder gestorben oder in fremde Länder gezogen.

Der arme Bauer trug alle diese Nachrichten mit festem Mute, aber ihm blutete das Herz dabei. Im Schweiße seines Angesichts bearbeitete er sein kleines Feld, und wenn er am Sonntag mit den andern Männern im Gasthause saß, so erzählte er ihnen sein Leiden und sein Unglück, in das ihn die Rache der verschmähten Zauberin gestürzt hatte.

Quelle:
Volkssagen und Märchen aus Polen von K. W. Woycicki. Breslau: Verlag von Priebatschs Buchhandlung, 1920, S. 33-35.
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