Der goldene Apfel.

[139] Es war einmal ein Wirth, der hatte drei Söhne, zwei kluge und einen dummen. Auch hatte er einen goldenen Apfelbaum, von dem aber jede Nacht ein Apfel verschwand. Da sagte der Vater zu dem ältesten seiner Söhne, er sollte in der nächsten Nacht Wache halten neben dem Baume und sehen, wer der Dieb sei. Der ging auch hin, als es aber Abend wurde, schlief er ein, und morgens war wieder ein Apfel fort. Da sagte der zweite Sohn: Nun werde ich wachen gehn. Er machte es aber ebenso, wie sein Bruder, schlief ein, und – des Morgens fehlte wieder ein Apfel. Da sagte der Jüngste, der Dumme: Nun werde ich Wache halten gehen, ich werde den Dieb schon fangen. Er ging hin, setzte sich unter den Baum und blieb auch wirklich wach und munter. Um zwölf Uhr in der Mitternacht kommt ein schwarzes Schwein mit zwei Hörnern, das war der Teufel. Der aber springt zu und schlägt es todt. Seine Brüder aber standen auf der Lauer und wollten doch sehen, wie es ihm gehen würde. Als sie nun sahen, daß er das Schwein getödet hatte, fielen sie über ihn her, tödteten ihn und vergruben den Leichnam in ein Bruch. Auf der Stelle, wo der Leichnam vergraben war, wuchs ein Rohr. Ein alter Hirte, welcher dort seine Schafe weidete, schnitt sich das Schilfrohr ab und machte sich daraus eine Flöte. Die Flöte aber spielte folgenden Vers: »Spiele, liebe Flöte, ich habe einen Stein auf meinem Herzen, der älteste Bruder hat mich erschlagen, der zweite hat ihm dazu gerathen, und ich habe dem Vater ein Schwein getödtet.« Da verbrannte der Hirte die Flöte, es wuchs aber auf der Stelle ein Apfelbaum mit goldenen Aepfeln. Die Aepfel konnte Niemand[139] anders erreichen als der Hirte: denn wenn ein andrer sie pflücken wollte, wuchs der Baum gleich so hoch, daß er sie nicht berühren konnte. Nun kam einmal eine kleine Katze angelaufen, die sagte zu dem Hirten, er möchte den größten und schönsten der Aepfel abpflücken und verwahren. Das that der Hirte, und als er den Apfel abgepflückt hatte, fing der Apfel auch an zu singen und sang dasselbe Liedchen. Er legte den Apfel in einen Kasten, die Katze setzte sich auf diesen und wollte auch nicht mehr fortgehen. Sie sagte zu dem Hirten, er solle die schönste Prinzessin holen, die es gebe, die solle den Apfel aufessen. Da fuhr er denn hin zum Könige und holte die schönste Prinzessin, und die mußte den Apfel aufessen. Und als sie den Stengel fortschmiß, da geschah ein Knall und der Dumme von den drei Brüdern stand vor ihr, aus dem Stengel. Die Beiden heiratheten einander. Auf der Hochzeit bin ich auch gewesen und habe da Bierchen getrunken; das lief aber alles aufs Kinn, im Mund ist nichts geblieben.33

Aus Klein-Jerutten.

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Vgl. das Mährchen vom goldenen Vogel bei Grimm, Kinder- und Hausmährchen, Bd. 1, S. 290. Das Lied der Flöte und des Apfels erinnert an den singenden Knochen, ebenda Bd. 1, S. 149. Zu dem gehörnten Schwein vgl. die Sage von den Goldbergen.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 139-140.
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