Die Froschprinzessin.

[158] Ein Wirth hatte drei Söhne, zwei kluge und einen dummen; die klugen Söhne wurden gut gekleidet und gut behandelt, der dumme, welcher Hans hieß, mußte nur immer das Vieh hüten. Als nun die Söhne erwachsen waren, sagten die beiden klugen zu den Eltern: »Liebe Eltern, ihr müßt uns in die Welt schicken, denn wir lernen hier zu Hause doch nichts und möchten doch gerne etwas rechtes werden.« Der eine wollte die Müllerei und der andere das Fleischerhandwerk lernen. »Ja ja,« sagten die Eltern, »das sollt ihr, lieben Söhne,« und fingen auch gleich mit der Ausrüstung an. Als der Dumme davon hörte, sagte er: »Wie ihr in die Welt geht, so gehe ich auch, ich will auch was lernen.« Das wurde aber von den Andern gar nicht beachtet, auch wurde zu seiner Ausstattung nichts besorgt. So sammelte er sich denn selbst alle Brodüberreste, die er nicht aufaß, in einen Sack, und als die beiden Brüder ihre Wanderschaft antraten, ging er mit. Im nächsten Walde kamen sie an einen Kreuzweg, die klugen Brüder gingen nach der einen Seite, der Dumme nach der andern. Nun ging er denn im Walde und ging immer weiter, ohne hinauszukommen, sein Vorrath an Brod ging ihm aus, daß er sich Beeren lesen mußte, aber das reichte nicht hin, seinen Hunger zu stillen, und er fing schon an, vor Hunger und Beschwerden zu weinen, da sieht er in der Ferne ein Lichtchen schimmern, nimmt noch die letzte Kraft zusammen und erreicht das Hüttchen, aus dem der Lichtschein kam. Er geht hinein und sagt seinen Gruß, so wie er es von andern Leuten gehört hat. Es war aber Niemand darin als ein Frosch, der ihm denn auf seinen Gruß dankte und ihn fragte, was er haben wollte. »Ach,« sagt er, »meine Brüder sind in die Welt gegangen, etwas zu lernen und ihr Glück zu machen, sie hofften auch, reiche Bräute zu gewinnen, und versprachen, der Mutter von denselben schöne Geschenke mitzubringen; da bin ich denn auch gegangen und wollte sehen, ob es mir nicht auch so gelingen möchte.« »Wenn du willst,« sagt der Frosch, »so kannst du auch bei mir dienen[158] du sollst ein gutes Leben und leichte Arbeit haben; ich verlange von dir nichts weiter, als daß du mich nur immer auf einem weißen Atlaskissen herumträgst.« Das gefiel dem Dummen und er dachte: »Warum sollt ich nicht bleiben?« So blieb er denn und trug den Frosch immer ganz sanft auf dem Kissen herum und hatte immer gutes Essen und Trinken. Als er nun zwei Jahre dort gewesen war, wurde er still und traurig, und der Frosch fragte ihn: »Dummes Hänschen, was fehlt dir?« »Ja,« sagte er, »nun kommen meine Brüder wahrscheinlich aus der Welt zurück und bringen der Mutter von ihren Bräuten schöne Geschenke mit, und ich habe keine Braut, und habe gar nichts, kann auch gar nicht nach Hause.« »Dafür kann ja Rath geschafft werden,« sagte der Frosch, »gehe nur heute noch ruhig schlafen, morgen wird sich alles finden.« Das thut denn Hänschen auch, und am Morgen giebt ihm der Frosch eine Ruthe und sagt: »Geh' nur an den Pferdestall und schlage mit der Ruthe dreimal auf die Thür, da wird dann ein schönes Pferd herausstürzen, auf das du steigen und nach Hause reiten kannst. Aber an deines Vaters Grenze mußt du absteigen und zu Fuß gehen.« Auch gab ihm der Frosch ein Packetchen mit, das sollte das Geschenk von seiner Braut sein. Der dumme Hans nahm die Ruthe, klopfte drei Mal auf die Thür des Pferdestalles, und ein sehr schönes Pferd kam heraus und blieb vor ihm stehen. Er bestieg es sogleich, ritt nach Hause, vergaß auch nicht, an der Grenze des Vaters abzusteigen. Da sah er, daß auch seine Brüder gerade ankamen, fein gekleidet und mit stolzem Gang. Die Eltern freuten sich sehr, daß ihre Söhne wieder da waren. Die klugen Söhne sind richtig, der eine Müllergeselle, der andere Fleischergeselle, haben auch schöne reiche Bräute und haben von denselben für die Mutter auch schöne Geschenke mitgebracht. »Nun, liebe Mutter,« sagte der Dumme, »nimm auch das Geschenk von meiner Braut.« Da lachten ihn die andern aus und sagten: »Du wirst da was Schönes mitgebracht haben! Du hast gewiß auch nichts gelernt, sondern nur irgendwo gehütet, denn du bist ja noch in denselben Kleidern, in denen du von hier fortgingst!« Als aber die Mutter das Packet öffnete, fand sie darin ein sehr schönes Kleid, mit Gold gestickt und mit Diamantenknöpfen besetzt. Anstatt sich nun darüber zu freuen, wird sie und der Vater sehr böse auf ihn, und sie schelten ihn aus: »Das ist nicht möglich, daß du das Kleid auf ehrliche Weise erworben hast; gewiß hast du eine Prinzessin erschlagen und es ihr weggenommen.« Nach ein Paar Wochen, als sie sich mit ihren Eltern befreut hatten, sagten die klugen Söhne: »Nun müssen wir wieder zurück zu unsern Meistern; übers Jahr kommen wir wieder und bringen auch unsere Bräute mit. Sie reisten dann ab, und der Dumme ging auch zu seinem Frosch. An der Grenze stand schon das Pferd und erwartete ihn und er bestieg dasselbe und war sehr bald an Ort und Stelle. Der Frosch fragte ihn, wie es ihm gegangen sei, und er erzählte alles, auch daß die Brüder übers Jahr mit ihren Bräuten nach[159] Hause kommen wollten, »und ich«, sagte er, »mit wem soll ich nach Hause fahren? ich habe ja Niemand als dich, und du bist ein Frosch!« »Na sei nur ruhig«, antwortete der Frosch, »das wird sich alles finden.« Nach einem Jahre sagte der Frosch: »Nun kannst du auch mit deiner Braut nach Hause fahren.« »Ja, wo ist sie?« fragte der Dumme. »Geh' nur wieder mit dieser Ruthe nach dem Pferdestalle und klopfe dreimal auf die Thür, da wird ein Wagen herauskommen, in den steige ein, dann wird auch die Braut zu dir kommen.« Er gehorcht dem Befehle, und es kommt eine sehr schöne Kutsche, mit vier Pferden bespannt vorgefahren. Wie er eingestiegen ist, sieht er auch ein sehr schönes Fräulein neben sich sitzen, und das war seine Braut. Er ist nun sehr vergnügt, und sie sagt ihm, daß sie Niemand anders wäre, als der Frosch. »Du mußt aber,« sagte sie, »wenn wir an deines Vaters Grenze kommen, absteigen und zu Fuß nach Hause gehen und so thun, als wenn du von mir nichts weißt, und wenn ihr mich dann ankommen seht, dann komm heraus und schlage mir die Fenster im Wagen ein; und nachher, wenn ich in deiner Eltern Hause bin und mich um Essen hinsetze, so laß du mich nichts in den Mund bringen, sondern schlage mir immer in den Löffel.« Das geschah denn auch alles. Die Brüder waren gerade mit ihren Bräuten angekommen, da sahen sie den schönen Wagen vorfahren. »Wer wird das wohl sein?« fragten sie, »gewiß ein reicher Herr.« Da lief der Dumme an den Wagen und schlug mit einem Stocke alle Fensterscheiben ein. Die schöne Prinzessin steigt aus und fragt, ob sie hier wohl bleiben könne. »Wir sind ja aber so arm, Prinzessin, wie können wir Sie anständig aufnehmen?« »Es wird für mich alles gut sein«, antwortet sie, »was ihr esset, das wird auch mir schmecken.« So wurde denn gleich Mittag besorgt, und Alle setzten sich um den Tisch; und der Dumme wurde nicht herangerufen; der saß auf seinem gewöhnlichen Plätzchen hinter dem Ofen. Aber die Prinzessin litt das nicht, sondern verlangte, daß er auch an den Tisch kommen und mitessen sollte. »Ach«, sagte der Vater, das ist ja so ein dummer Tölpel, lassen Sie den doch dort hinter dem Ofen sitzen, er hat Ihnen ohnehin schon Schaden gethan.« Aber sie ließ nicht nach, sondern sagte: »Das schadet nichts, komm nur her, dummes Hänschen.« Er kam auch und setzte sich neben die Prinzessin welche ein weißes Atlaskleid anhatte und so wie sie einen Löffel voll Blaubeerensuppe an den Mund bringen wollte, so stieß er sie an den Arm, daß die Blaubeeren auf Kleid und Tischtuch verschüttet wurden. Die Eltern schalten ihn und entschuldigten ihn bei der Prinzessin, aber es half alles nicht, die Prinzessin konnte nichts essen. Da ging sie denn in das Oberzimmer und nahm den Dummen auch mit. Dort sprach sie nur ein Paar Worte, so waren Diener da, welche den Dummen wuschen und reinigten, und ihm königliche Kleider, mit Orden geschmückt, anzogen; auch stand eine gedeckte Tafel mit schönen Speisen da, und Beide setzten sich daran und aßen. Inzwischen sagte einer von den klugen Söhnen, ich will doch gehen und sehen,[160] was die da oben machen, und als er herunterkam, erzählte er, was er gesehen hatte, die Prinzessin sitze da mit einem schönen Könige an einer Tafel, der Dumme aber sei nicht da. »Na«, sagte der Vater, »dich hielt ich doch für klug, aber du bist ebenso dumm als der Hans. Wie kann das sein? Dann hätten wir doch auch etwas von der Ankunft des Königs und der Zurichtung der Tafel sehen müssen.« Indem kommt der König mit der Prinzessin herunter, und sie stellt ihn als den dummen Hans vor und sagte: »Ihr haltet ihn alle für dumm, aber er ist ebenso klug, wie ihr alle, und hat das meiste Glück.«

Nun fuhren denn die Söhne mit ihren Bräuten wieder weg, und der dumme Hans auch mit seiner schönen Braut. Als sie in dem Waldhäuschen angelangt sind, und er einen Augenblick sich entfernt hat, da ist die schöne Prinzessin wieder verschwunden, und an ihrer Stelle ist wieder der Frosch da. Wie er um sie weint und klagt, sagt der Frosch: »Dummes Hänschen, denkst du denn so ganz ohne Sorgen zu einer Frau zu kommen? Du mußt noch einige Proben bestehen, dann bekommst du deine schöne Prinzessin auf immer. Ich werde dir jetzt für drei Tage verschwinden, und über dich werden Versuchungen kommen, daß du sprechen sollst, sprich aber kein Wort, sonst kommen wir beide um. In der ersten Nacht wird eine Musik ertönen und schöne Fräuleins werden zu dir kommen und mit dir tanzen und sich unterhalten wollen, aber sprich du kein Wort. Die zweite Nacht werden Grafen und Prinzen kommen und dich zum Könige machen wollen, aber sei klug und achte nicht darauf. In der dritten Nacht werden Henker kommen und dich tödten wollen, sie werden dir auch schon die Füße abhauen, auch eine Hand, und immer sagen, wenn du ein Wort sprichst, so solle alles wieder gut sein, aber halte dich standhaft und sprich kein einziges Wort, sonst sind wir verloren.« Den andern Tag war der Frosch richtig verschwunden. Die Nacht darauf kamen die Damen und wollten mit ihm tanzen und sprechen, er aber hielt aus, sagte kein Wort, und als die Uhr zwölf schlug, war alles vorbei und die Gefahr vorüber, und er bemerkte den andern Tag einen hellen Streifen durch das ganze Haus. Die zweite Nacht kamen die Grafen und Prinzen und wollten ihn zum König machen, aber er hielt aus und sprach kein Wort. Den Tag darauf war der helle Streifen schon viel größer. Die dritte Nacht erging es ebenso. Die Henker kamen und wollten ihn köpfen, dafür, daß er die Nacht zuvor sich geweigert hatte, König zu werden, hieben ihm auch schon beide Füße und eine Hand ab, aber er hielt bis Mitternacht aus, wo Alles verschwand. Da schlief er ruhig ein und schlief bis an den Morgen. Wie er erwacht, sieht er Menschen so geschäftig und auf den Zehen hin und herlaufen; er denkt erst, es seien noch die Henker, die ihm jetzt den Kopf abhauen wollen, aber er fühlt, daß er die Hand noch hat, auch einen, auch den andern Fuß und richtet sich im Bette auf. Da kommt sogleich ein Diener und zieht ihm prächtige Kleider an; der Kaffee dampft schon auf dem Tische;[161] er sieht zum Fenster hinaus, da sieht er, ist aus dem Walde ein schönes Land mit vielen Städten und Dörfern geworden, und das Hüttchen ist in ein prächtiges Schloß verwandelt. Da kommt denn auch die Prinzessin in ihrer vorigen Gestalt herein und sagt: »Na, Hänschen, nun hast du mich erlöst, und nun bin ich dafür deine Frau, und dir gehört das ganze Königreich.« Von der Zeit an lebten sie sehr glücklich bis an ihr Ende.

(Aus Klein-Jerutten.)

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 158-162.
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