Herr und Diener.

[162] Es war einmal ein Herr, der war sehr geizig; es war ihm lieber, Jemanden zu betrügen, als ihm etwas zu geben. Kein Dienstbote konnte bei ihm zu Ende dienen, da er ihm entweder zu viel aß und zu wenig verrichtete oder zu viel schlief und zu viel Lohn verlangte. Deshalb hüteten sich die Leute, bei ihm in Dienst zu treten; wodurch er in große Noth kam. Um diese Zeit aber fand sich bei ihm ein solcher Knecht ein, der sehr die Unreinlichkeit hegte, sich weder putzte, noch wusch, noch kämmte, noch seine Nase wischte. In solchem Aufzuge und dazu noch in einem zerrissenen Rock fand er sich bei jenem Herrn ein und erbot sich, in seinen Dienst zu treten. Dabei fragte ihn der Herr: Wie viel Lohn verlangst du auf ein Jahr? Darauf antwortete ihm der Knecht: Ich will Euch 7 Jahre lang dienen und will dafür nichts weiter, als nur ein Pferd mit seinem Sattel, und daß Ihr mir einen Tag dienet. Als der Herr das hörte, freute er sich sehr darüber, daß er so wohlfeil für eine so lange Zeit einen Diener bekomme, indem er dachte, daß es ihm schon leicht sein würde, diesen einen Tag für dessen sieben Dienstjahre auszuhalten, und daß sein Diener diese Zeit nicht aushalten würde. Aber siehe da! Dieser Knecht erfüllte sein Versprechen; als er um Dienst zu seinem Herrn gekommen war, diente er ihm aufrichtig, wiewohl es ihm kühl und hungrig wurde; obwohl er aussah, wie ein Wilder oder ein Affe, so arbeitete er doch früh und spät. Und als die sieben Jahre zu Ende gingen, kam er des Abends in die Stube seines Herrn, setzte sich hinter den Tisch und rief zu ihm: Mein Dienst ist heute zu Ende, jetzt bin ich Dein Herr und Du mein Diener, wie Dir bekannt ist. Sogleich sattle mir und Dir ein Pferd und führe es mir vor die Thüre und nimm mit Dir einen Sack.

Wenn auch dem, der bis dahin Herr war, diese Worte wunderlich ins Ohr klangen, dennoch mußte er, sich dabei den Kopf kratzend, dieses ausführen. Jetzt wurde der, der bis dahin Diener war und in seinem zerrissenen Rocke wie ein Unmensch aussah, Herr, und der frühere Herr im prächtigen Kleide und schönem Aussehen Diener. Nachdem sie Nachts sich auf die Pferde gesetzt hatten, rief der jetzige Herr zu seinem Diener scharf: Reite hinter mir! und sagte[162] nicht: wohin? auch nicht: wozu?, was den Diener mit großer Sorge und Furcht erfüllte. Und nachdem sie in fremden Gegenden über Berg und Thal, Feld und Wald geritten waren, trafen sie in der Finsterniß einen Galgen an, an dem ein Todter hing, der schon sehr stank. Hier hielt der Herr sein Pferd an und rief seinem Diener schroff zu: Krieche sogleich vom Pferde, schneide den Hangenden ab, stecke ihn in den Sack und nimm ihn mit Dir; selbstverständlich ging es ihm übel und schwer an, diesen hoch Hangenden abzuschneiden; aber dennoch mußte es geschehen. Als er darauf mit ihm weiter ritt, kamen sie weit in eine Haide. Endlich erblickten sie in ihr ein Licht in der Nacht, zu dem sie hineilten. Als sie dasselbe erreichten, sahen sie, daß es in einem Hause war. Hier machte der Herr Halt, indem er seinem Diener sagte: Gehe hier in die Stube, und erkundige dich bei den Leuten, ob sie mich nicht auf die Nacht behalten wollten, damit ich mein Abendbrod bereiten kann. Der Diener gehorchte, ging in die Stube hinein und fand dort 24 Mann, hinter einem Tisch sitzend, essen und trinken, und er wußte nicht, daß dies Mörder waren. Als sie diesen Kutscher sahen, sagten sie zu sich: »Wenn ein Herrschaftskutscher einen so schönen Anzug hat, dann muß sein Herr von Silber und Gold starren«, und sie erlaubten ihm, bei ihnen zu nächtigen. Aber als nun der Herr in die Stube trat, wurden sie alle starr und steif vor Staunen, da noch keiner von ihnen in seinem Leben eine solche Gestalt gesehen hatte, und sie sahen ihn nicht als einen Menschen an. Er ging erst hin und her von dem Tische zur Schwelle und sprach eine ganze Weile kein Wort.

Darauf ertönte sehr barsch sein erstes Wort zum Kutscher: Bring sogleich den Sack hierher in die Stube und brate mir im Kamin zum Abendbrod, was in demselben ist.

Der arme Unglückssohn fing an seine Nase zu krausen, aber dennoch that er es und schüttete den Todten auf die Diele und ein großer Gestank verbreitete sich im Zimmer.

Nun nahm er all' seine Kraft zusammen und warf ihn in den Kamin ins Feuer und briet ihn. Als es ihm aber übel wurde, fing er an gewaltig zu schreien: Herr, es stinkt, mir wird schlimm, ich falle um! Aber der Herr erwiederte ihm darauf: Ich sage dir: Backe. Die Mörder, die hinter dem Tisch saßen, wurden schwarz, als sie das sahen. Als der Diener zum dritten Male dieselben Worte ausstieß, da schrie ihm der Herr ganz fürchterlich zu: Wirf ihn auf die Erde und schiebe einen von denen hinter dem Tisch hinein. Da meinten die am Tisch, der wäre der Leibhaftige, und entflohen alle durch das Fenster in die Haide. Nun suchte jener Herr in ihrem Hause ihre großen Schätze auf und nahm sie nach Hause. Aus Freude, daß er dadurch ein reicher Mann geworden war, beschenkte er auch seinen Diener und entließ ihn nach der Heimath.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 162-163.
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