7. Vergrabene Schätze.

[98] Schatzsagen sind in der Provinz Posen ausserordentlich zahlreich. Die nachfolgenden Mitteilungen aus Kujawien, die allgemeinen Inhalts sind, dürften daher für diese Art von Sagen von besonderer Bedeutung sein.[98]

Werden Schätze vergraben und stirbt derjenige, der es getan hat, so bleibt sein Geist der Beschützer dieser Schätze. Ist es ein guter Geist, so zeigt er das Bestreben, jemandem von dem Vorhandensein der Schätze Mitteilung zu machen; ist es aber ein böser Geist, so sucht er das Ausgraben der Schätze zu hindern.

Mit der Zeit werden die Schätze, wie es bei Münzen geschieht, von der sie umgebenden Erde verunreinigt. Deshalb unterzieht sich der ganze Schatz einem Reinigungsbrand. Dadurch werden die Münzen wie neugeschlagen. Der Reinigungsbrand giebt sich an der Oberfläche der Erde durch eine helllodernde Flammen zu erkennen, deren Farbe von der Farbe des vergrabenen Metalls abhängt. Diese Farbe ist auch insofern von Wichtigkeit, als sie durch ihre Höhe und Ausdehnung die Tiefe und die Ausdehnung des vergrabenen Schatzes anzeigt. Dieser Reinigungsbrand findet alle sieben Jahre statt, und zwar zu derselben Stunde und Minute, in welcher der Schatz der Erde anvertraut wurde. Bei jedem Brande kommen einige der gereinigten Münzen, wenigstens eine, an die Erdoberfläche.

Nach dem Tage, an welchem der Reinigungsbrand stattfand, kann man sehen, ob es leicht ist, den Schatz zu heben. Geschieht dies an einem Sonnabend, dem Tage, welcher der Verehrung der Maria geweiht ist, so hat der böse Geist keine Gewalt über die Schätze, obgleich er auch da das Ausgraben derselben zu hindern sucht. Die schlechteste Zeit dazu ist die Mittagsstunde, und die schlimmste Zeit zum Heben ist Sonntag mittags um 12 Uhr.

Sieht man einen Reinigungsbrand, so soll man sogleich ein Erkennungszeichen in das Feuer werfen, etwa einen Stein oder ein Rasenstück. Besonders gut dazu ist jedes Kleidungsstück. Ein Verbrennen desselben ist völlig ausgeschlossen, da dieses Feuer nicht angreift. Das Erkennungszeichen ist von grosser Wichtigkeit; nicht nur, dass man alsdann den Ort leicht wieder auffindet, sondern es bewirkt auch, dass der Schatz auf der Stelle bleibt, wo er sich zur Zeit des Brandes befand. Denn die bösen Geister suchen nach dem Brande den Schatz, der zum Reinigen fast bis an die Erdoberfläche gekommen war, in unermessliche Tiefe zu bringen. Ist der Schatz einem bösen Geiste anvertraut, so erscheint derselbe beim Legen des Erkennungszeichens in seiner Gestalt und sucht dasselbe fortzuwerfen. Er wirft auch mit Feuer nach dem Menschen. Die Flamme brennt nicht lange, sondern lodert blos dreimal aus der Erde hervor.

Hat man glücklich einen Schatz gehoben, so darf man doch den Behälter nicht mitnehmen, sondern man muss ihn zerschlagen und in die Grube werfen und da liegen lassen. Tut man das nicht, so stirbt man bald. Auch soll man die Grube nicht zuschütten, sonst schüttet man sich selbst, d.i. sein eigenes Grab zu.

Quelle:
Knoop, Otto: Sagen aus Kujawien. In: Zeitschrift für Volkskunde 16 (1906) 96-100, Berlin: Behrend & Co, S. 98-99.
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