35. Das Fräulein von Ruchenberg und das goldene Kegelspiel.

[95] Die fromme und mildthätige Gemahlin Cuno's, des Ritters von Ruchenberg, hatte der im Innern des Gebirges thronenden Elfenkönigin bei ihrer Entbindung beigestanden und zum Lohne dafür ein goldenes Kegelspiel erhalten, mit dem sie die guten Berggeister zu ihren Diensten heraufbeschwören konnte. –

Als aber ein Urenkel der frommen Frau, ein wilder wüster Geselle, das Elfengeschenk dazu mißbrauchte, um im Uebermuthe immer neue Schätze zu erpressen, erschienen zuletzt auf seinen Frevelruf statt der Kegel neun entsetzliche Riesen, und unter fürchterlichem Getöse stürzte die Burg zusammen. – Der Ritter und seine Gesellen verschwanden mit gräßlichem Geheule; nur des Frevlers fromme Tochter wurde von den Elfen gerettet, bei denen sie seither im Schoße der Berge in stiller Wehmuth ihr Leben vertrauert.

In jedem Jahrhundert kehrt sie ein Mal nach der Oberwelt zurück, erscheint im Brautschmucke und in weißem Gewande, schwermüthig durch die dunkeln Tannen dahinschwebend, und späht von den verwitterten Trümmern der väterlichen Burg nach dem glücklichen Jünglinge, der sie erlöse, und mit ihrer Hand das goldene Kegelspiel der Elfen wieder gewinne. –

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 95.
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