»Helf' dir Gott«.

[133] Die Straße, welche heut zu Tage von Cur nach Mayenfeld führt, hatte vor dem Baue der Bahnlinie zum Theile eine andere Richtung als jetzt. Vordem führte sie etwa eine halbe Stunde westwärts vom Städtlein über eine kleine, steinerne, gewölbte Brücke, die jetzt ganz nahe der Bahnlinie liegt. – Unter dieser Brücke soll lange Zeit ein Geist sich aufgehalten haben, der durch sein immerwährendes Nießen am Abend und in der Nacht Vorübergehende erschreckte und plagte.

Nun kam auch einmal Nachts ein Betrunkener dieses Weges und ruhte auf der Brückenmauer von seiner Zickzackwanderung ein wenig aus. Da fing der Geist (ein Brücken-Butz) auch wieder an, zu nießen, worauf der Weinselige, in der Beglaubigung, einen Menschen in der Nähe zu hören, rief: »Helf' dir Gott!« – Wie erstaunte er aber, statt eines Menschen, eine weiße Gestalt urplötzlich vor sich zu sehen, die ihm höflich dankte, und ihn ihren Retter und Erlöser nannte. –

Seit dieser Zeit hörte nun auch das Nießen unter der Brücke auf.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 133.
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