Die Fuchsenjagd.

[138] Vor einigen Jahren ging ein Jäger von Villasur eines Abends hinunter an die Albula auf die Fuchsenjagd. Lange wollte kein Fuchs kommen. Endlich, um Mitternacht, kam eine ganze Schaar Füchse, und er wollte schießen. Das Gewehr ging aber nie los, so oft er auch neues Pulver aufschütten mochte; das ärgerte ihn, mehr aber noch der Umstand, daß die Bestien das Aas rein wegfraßen und zuletzt beim Weggehen ganz gemüthlich mit der rechten Tatze die Schnauze säuberten und Einer nach dem Andern hart an ihm vorbei in bedächtigstem Schritte wegging.

Der Aerger des Jägers war zu mächtig, als daß er dem Pfarrer, seinem Busenfreunde, nicht sein Ungemach mittheilte. Der Pfarrer aber wußte Rath und versprach, in dieser Sache ihm zu helfen.

Am folgenden Abende gingen sie Beide auf den Anstand. Punkt die Zwölfe kam ein Fuchs, gleich darauf ein Zweiter, dann ein Dritter, so fort, bis daß deren etwa 30 beisammen waren, die nun am Aase sich gütlich thaten.[138]

»Diesmal will ich schießen«, bat der Pfarrer den Jäger, und schoß mitten in die Schaar hinein. – Wie wenn Nichts umher gewesen, waren plötzlich alle Füchse »verstoben« und anscheinend keine Beute gemacht worden. – Pfarrer und Jäger gingen hin zur Stelle, wo sie die Füchse gesehen, fanden aber weder Haare noch »Schweiß«. Das nahm sie groß Wunder, und doch war die Flinte so »schön« losgegangen. – Sie zogen heimwärts.

Am Morgen schon in der Frühe kam ein armes Knäblein zum Pfarrer und bat Denselben um ein Brod, die Mutter sei »bös« krank, sie sei Mitte der Nacht in das Kellerloch hinunter gefallen und auf einen Stein, der ihr ein Loch in den Kopf geschlagen habe.

Der Pfarrer wußte nun, wo er mit der Fuchsenjagd und mit der Frau d'ran war, die längst schon weit und breit für eine Hexe gegolten, und lächelte; gab aber doch dem Knaben das Brod. – Nach einigen Stunden starb die arme Frau und nun mußte der Pfarrer einer Hexe die Grabrede »thun«, die er selber erschossen hatte. –

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 138-139.
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