Die »Gotte« als Hexe.

[139] Eines Abends ging ein Jäger von Peist hinauf oberhalb das Dorf, um den Füchsen zu »passen«. Es war natürlich Winter und sehr kalt, weßhalb er beschloß, das Aas vor seinen Stall droben zu legen; von einem Fensterlein im »Gmach« schaute er hinaus und harrte des Wildes.

Endlich kam ein Fuchs geschlichen; der machte sich an die Mahlzeit.

Der Jäger legte an, um zu schießen; der Schuß versagte; er zog wieder auf, das Pulver zündete abermals nicht, und so ging's noch mehrere Male nach einander.

Endlich kam dem Manne, der von der »schwarzen Kunst« doch Etwas verstand, ein »Pfiff« in den Sinn: er zog das Schrot heraus, schüttete einige »Brodbros'men«, die er in der Tasche hatte, in den Lauf, und das Schrot wieder darauf, zielte nochmals und der Schuß fiel.

Er ging hinaus und hob zu seinem Erstaunen – einen Weiberzopf auf, den er voll Unwillen am Morgen mit sich nach Hause nahm.[139]

Als er in's Dorf kam, vernahm er bald, daß seine eigene »Gotte« (Pathin) in der vergangenen Nacht den Zopf verloren habe, aber Niemand wisse, auf welche Weise. – Bald darauf starb die Gotte, und nun erzählte der Jäger, wie er zu deren Zopf gelangt sei.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 139-140.
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