Die wilden Mannli bei Lüen.

[127] Im sogen. »Glassauer-Walde« waren s.Z. auch viele »wilde Lütli«, die aber mit den Bauern keinen Verkehr haben wollten, im Gegentheil Denselben noch Schaden zufügten, wo sie nur konnten und mochten; das machte die Thalbewohner auch böse und hart gegen die Bewohner von Höhle und Wald.

Einmal war auch ein Mann von Pagig im benannten Walde, um für einen Zaun Latten zu spalten. Die Wilden hörten das Hacken, und wie auch die guten Waldweiblein neugierig waren, kam bald ein »Holz-Mueterli« dahergeschlichen, zu sehen, was es da gebe. – Der Pagiger bemerkte das Weiblein, ließ sich aber durch dessen wundriges Thun in der Arbeit nicht stören. Das Weiblein lachte und höhnte ihn aus; der Mann ließ es gewähren. Eben war er wieder d'ran, eine neue Latte zu spalten, als ihn der Schalk ankam, das Weiblein herzurufen, daß es ihm die Latten aus einander halte. Die kleine Wilde folgte dem Geheiße, worauf der Bauer den Keil aus dem Holze herauszog und so das Weiblein einklemmte, das nun ein solches Geschrei ausstieß, daß alle Fänggen im ganzen Glassauer-Walde und -Tobel herbeiliefen und den Bauer verfolgten. Der lief nun eine Zeit lang, umringt von den ergrimmten Wilden, im Walde herum, bis daß er den Heimweg auffand und[127] einschlug. Beinahe hatten die Verfolger ihn erreicht, als es in St. Peter zu Mittag läutete, und auf das hin die Fänggen, die das Glockengeläute nicht vertragen können, grollend in den Wald zurück eilten.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 127-128.
Lizenz:
Kategorien: