Der schwarze Pudel.

[42] Eine blühende Weide mit einer stattlichen Alphütte war einst da, wo jetzt auf dem Heinzenberge der Bischoler-See liegt. – Diese schöne Trift gehörte einem reichen, geizigen Sennen.

Zu dem kam eines Tages ein armer Mann müde über den Berg her, matt von der drückenden Hitze, und bat ihn um einen Trunk Milch. Der Ruchlose gab ihm mit »Lab« durchsäuerte Milch, dessen der Durstige erstlich nicht gewahrte, und dankend weiter ging. Aber bald verursachte die genossene Labe dem Armen die heftigsten Schmerzen.

Alsbald kam auf das Jammern des armen Mannes ein großer, schwarzer Pudel mit feurigen Augen aus dem Boden hervor, nahte sich dem Bewußtlosen, leckte ihm die Hand, und die heftigsten Schmerzen verloren sich augenblicklich; dann sprang das zottige Thier zur Sennhütte, riß den unbarmherzigen Sennen heraus und drehte ihn an der Stelle, wo er dem Armen den übeln Trunk gegeben, so lange im Kreise herum, bis unterirdisches Wasser überall hervorquellte, und Sennen, Hütte und Weide verschlang.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 42.
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