Die Hexen auf Urden.

[74] Es war in einem Herbste, als die Maladerser ihre Alpe unterhalb Urden wegen schlechtem Wetter früh verlassen hatten. Das »Molchen« (der Molken, Alpnutzen) konnte auf den darauf folgenden Tag (Sonntag) nicht »z'Thal« geführt werden, weßhalb der Senn mit dem »Zu-Sennen« droben blieben, um am Montag die Ladung zu bewerkstelligen.[74]

So blieben sie also am Sonntag Abend in der Alpe, hatten bereits das einfache Nachtessen verzehrt, auf die »Pritsche« sich gelegt und ein »Davoser-Pfîfli« angefüllt, als auf einmal die lieblichen Töne einer Geige sich vernehmen ließen. Diese Töne kamen näher und näher, und lange ging es nicht, so klopfte es an der Thüre. Der Zu-Senn erwiderte: »nu ine«, und Beide wunderten sich nicht wenig, als eine ganze Tanzgesellschaft herein kam, dem Geiger nach. »Isch erlaubt?« fragte Eins von der Gesellschaft; der Senn antworte: »Jo frîli.«

Und nun ging's an ein Tanzen, und die Beiden sahen zu, wie die Hexen, denn es waren Alles solche, so schön tanzten, wie der Geiger, der der Teufel selber war, auf einer Geige ihnen vorspielte.

Das ging nun ganz ordentlich, bis der Senn näher aufschaute und bemerkte, daß der Musikant keine rechte Geige hatte, sondern ein Todtenbein war seine Geige und der Zopf von einem Weibe war der Geigenbogen. Auch konnte er, was er anfänglich nicht gesehen, unterscheiden, daß der eine Fuß des Musikanten ein Roßfuß war. Er zeigte das dem Zu-Sennen, worauf sie sich bekreuzten. Kaum hatten sie das gethan, verstummte die schöne Musik; Alles stürzte in größter Eile und mit furchtbarem Lärmen zur Hüttenthüre hinaus –

Am Morgen lag hoher Schnee auf der Alpe. Hätten sie aber die Gesellschaft austanzen lassen, wäre das Wetter gut geblieben.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 74-75.
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