1. Die Nachtschaar zu Tiefencastel.

[32] Zur Fastenzeit gingen zu Tiefencastel zwei Knaben eines Abends in ein Bauernhaus, um mit einigen Mädchen in Demselben, trotz des Fastengebotes, zu tanzen. Nach einiger Zeit peinigte sie das Gewissen, und ein seltsames Geräusch erschreckte sie, daß sie für gut fanden, aus dem Hause zu fliehen.

Als sie der Gefahr einer Entdeckung glücklich entronnen zu sein glaubten, begannen sie, laut zu jauchzen, und zu jodeln. Da hörten sie von der andern Seite, von Mons her, auch jodeln.

In der Meinung, es seien Kameraden, setzten sie eine Weile das Jodeln fort, und erhielten immer Antwort, bis auf einmal die Andern verstummten.

Aber alsobalde entstand plötzlich vor ihnen ein sonderbares Geräusche, und sie sahen und hörten eine große Gesellschaft von tanzenden und springenden Leuten unter herrlicher Musik vorbeiziehen. Stutzig wichen sie dem Zuge aus, obwohl sie Einige aus der Nachtschaar zu erkennen glaubten. Der Zug aber verschwand in größter Eile, unter Geräusche und Musik, wie er gekommen war.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 32.
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