5. Christus in der Bauershütte.

[471] Christus ging einmal mit Petrus auf die wanderschaft und da gerade nacht war, sprachen beide in eine arme bauershütte ein. dort fanden sie ein junges weib mit mehreren kleinen kindern. der bauer selbst war nicht zu hause. da bat Christus die bauersfrau um ein nachtlager, aber die bauersfrau zuckte die achseln und sprach: »lieber bürger, gern wollte ich euch geben was ihr verlangt. aber mein mann ist ein großer säufer und wenn er kommen und euch hier finden wird, dann wird er euch schlagen.« »seid getrost liebe bürgerin, euer mann wird mich nicht schlagen,« sagte Christus. er legte sich hierauf mit Petrus auf eine breite bank, und schlief ein.

Bald darauf kam der bauer nach hause und verlangte von seinem weibe brod und käse. Aber die bauersfrau hatte weder dieses noch jenes und weil sie nichts hergab, schlug er sie. als er sich in der hütte umsah, bemerkte er zwei schlafende männer, aber er wußte nicht, eben so wie sein weib nicht wußte, wer sie waren. da wurde er böse und schlug Petrus mit seinem stocke, weil er ihm am nächsten war. dann ging er hinaus, einen andern stock zu holen um auch Christus zu schlagen. aber der herr hatte[471] auf Petrus bitten dessen stelle eingenommen und so bekam dieser noch einmal schläge. die bauersfrau merkte bald, daß Christus verschont geblieben, und wunderte sich sehr darüber. sie dachte bei sich selbst, dieser mann müsse entweder Gott oder der Teufel sein. Petrus schrie aber so stark, daß er die kleinen kinder des bauern aus dem schlafe weckte. da schrieen die kinder nach brod und der armen bauersfrau weinte im inneren das herz, daß sie keinen bissen hatte. Sie machte ein großes feuer im backofen, und holte von draußen ein großes stück kuhmist (:baliga:). dieses schob sie in den ofen, um damit ihren kindern den hunger zu stillen. nach einer halben stunde nahm sie das stück aus dem ofen, aber der kuhmist war in ein schönes laib brod verwandelt. da erstaunte aufs neue die bauersfrau, doch ließ sie nichts davon merken. sie brach ein stückchen ab und gab es den kindern, aber wie viel sie auch vom ganzen laib abbrach, eben so viel wuchs wieder zu. jetzt konnte die bauersfrau nicht länger mehr im zweifel sein, daß der mann, welcher verschont geblieben war, Christus selbst sein müsse. sie fiel dem herrn zu füßen und dankte unter vielen thränen. doch Christus hob sie von der erde auf und sprach zu ihr: »liebe bürgerin! ihr seit eine gute mutter und ein liebes weib; ich will für euch sorgen, ihr werdet glücklich sein und eure kinder auch. aber euer mann da, wird lange zeit nicht glücklich sein, denn er ist ein schlechter vater und ein schlechter mann für euch und jede gute bürgerin1.

Fußnoten

1 Ich habe dies merkwürdige märchen in meinen deutschen märchen und sagen 145 zuerst mitgetheilt und zwar aus den Niederlanden. Stöber folgte mit einer elsässischen fassung in seinem sagenbuch 221, W. von Ploennies mit einer aus dem Odenwald (s.o. 41). das wunderbare brod findet sich bei Stöber 216 und von Ploennies als korn wieder, welches durch feuer aus den ähren gelöst wird, es gehört wesentlich zu der sage und bestätigt so meine deutung in den beiträgen I, 95 (cf. 71.) die Christus = Donar ergab und das ganze märchen zum eingang von Hŷmisquiđa der edda stellte. die kesselholung ist unerwähnt, auch der schluß ein anderer, aber Donar steht fest und so hätten wir in ihm einen eigenthümlich deutschen wandermythos, der bei Stöber am weitesten ausgebildet ist.

Wf.

Quelle:
Staufe, L. A.: Romanische Märchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 1 (1853) 42-50, 469-472, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 471-472.
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