7. Der Märchenerzähler.

[201] Vor mehr als hundert jahren hatte ein mann drei söhne, die schon hübsch erwachsen waren. und weil dieser mann nichts besaß an gütern, sagte er ihnen eines tages, sie sollten ihr brod in der welt suchen. da gingen denn die drei brüder und kamen in einen großen, schönen wald. dort machten sie jagd auf allerlei thiere, und erlegten mehre davon. als es nacht wurde, verspürten sie hunger und sie wollten die erlegten thiere zum mahl bereiten. aber sie hatten kein feuer dazu, und als sie lange vergeblich darnach suchten, gewahrten sie tief im walde licht. dort waren zwölf drachen um ein großes, großes feuer gelagert, aber die drei brüder zögerten zu den drachen um einige kohlen zu gehen, denn sie ängstigten sich nicht wenig. da gab der jüngste den rath, daß sie vom ältesten angefangen der reihe nach gehen sollten. so mußte also der älteste zuerst gehen. er ging und bat die drachen um einige kohlen. aber einer von ihnen sagte: ›wenn du mir ein märchen erzählen wirst, welches nicht lüge und nicht wahrheit ist, dann kriegst du kohlen, und du darfst mir die haut abziehen; wenn du aber mir kein solches erzählen kannst, so kriegst du keine kohlen und ich werde dir die haut vom kopf bis zu den füßen abziehen.‹ der bursche wußte aber kein solches märchen zu erzählen und der drache zog ihm die haut ab. er ging dann zu seinen brüdern, aber er sagte nichts von dem, was ihm geschehen war, und brachte auch keine kohlen mit sich. er sagte nur seinen brüdern, er habe das feuer nicht finden können. drauf ging der zweite bruder; aber ihm geschah, ganz so[201] wie dem ersten. endlich ging der dritte bruder und der drache sagte ihm auch: ›wenn du mir ein märchen erzählen wirst, welches nicht lüge und nicht wahrheit ist, dann kriegst du kohlen, und du darfst mir die haut abziehen; wenn du aber mir kein solches erzählen kannst, so kriegst du keine kohlen, und ich werde dir die haut vom kopfe bis zu den füßen abziehen.‹

Der bursche aber sagte: ›warum nicht! ich will dir schon ein märlein erzählen. höre also: als ich noch in meiner mutter leib war, da verlangte sie eine meise zu essen. ich besann mich nicht lange und ging selbst in den wald. im wald stund ein großer, großer baum und darin war ein loch, darein war die meise geflogen. ich steckte die hand in's loch, aber die ging nicht hinein, drauf steckte ich den ganzen arm in's loch, aber auch der wollte nicht hinein, denn das loch war gar zu enge. was that ich dann? ich sprang mit dem ganzen körper ins loch und stack darinnen. aber heraus konnte ich mit der meise nicht wieder, darum lief ich nach hause und holte mir meine hacke. mit der hacke machte ich dann ein großes, großes loch und sprang mit der meise glücklich heraus. darauf ging ich nach hause, aber unterwegs sah ich einen großen, großen teich und auf dem teich sah ich ein paar schöne, wilde enten. ich wollte diese haben und schlug sie mit meiner hacke todt. drauf schwamm die hacke mit den enten auf dem teiche, aber ich vermochte nicht, sie wieder zur hand zu bekommen, und um meine hacke grämte ich mich sehr. da legte ich dem teich feuer an, und der teich brannte und brannte wol mehr als eine gute stunde. aber meine hacke schmolz im feuer zusammen, und der hölzerne stock blieb allein. ich ging dann weg, und brachte meiner mutter die meise. drei monate darauf ward ich geboren.‹

Der drache verwunderte sich über den burschen, aber der bursche zog ihm die haut ab vom kopf bis zu den füßen und nahm dann kohlen, so viel er nur wollte. hierauf ging er weg von den zwölf drachen und brachte die kohlen seinen brüdern.[202]


ich bin auf einem sattel geritten

und hab' es dir so gesagt;

dann bin ich geritten auf einem stock

und hab' dir gesagt eine lüge.

Quelle:
Staufe, L. A.: Volksmärchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 2 (1855) 197-212, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 201-203.
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