8. Der Mann unter den Drachen.

[203] Vor alter, alter zeit gab es einen mann, der hatte wol weib und kinder, aber keinen verdienst. er ging einmal weit weg von seinem hause und kam zu einem brunnen. dort saßen auf einem holze sieben fliegen. diese tödtete er alle auf einen schlag und kratzte darunter in das holz: ›sieben seelen auf einmal.‹ dann legte er sich neben den brunnen zur erde, und machte als ob er schliefe. darauf kam ein drache und der las die schrift ›sieben seelen auf einmal.‹ dann schaute er den mann, der neben dem brunnen lag, und er erschrack nun sehr über ihn, denn er dachte, daß dieser mann so stark sein müße, um sieben menschen auf einmal todt schlagen zu können. er ging langsam zu ihm und weckte ihn ganz sachte auf. der mann aber der nicht schlief, schrie als ob er sehr böse wäre: ›was willst du?‹ der drache that einige schritte entsetzt zurück, dann kam er wieder sehr leise näher und sagte gar ängstlich zum manne: ›du hast hier sieben aus einmal todtgeschlagen, haft du nicht lust, zu uns zu kommen, und bei uns zu dienen, denn wir sieben drachen brauchen einen so starken mann.‹

›O ja,‹ sagte der mann und ging in den dienst zu den sieben drachen.

Einmal schickten ihn die sieben drachen um wasser und gaben ihm einen großen, großen ledernen zuber mit. darein sollte der mann wasser holen, aber er war viel zu schwach dazu, und vermochte den zuber allein kaum zu heben. was that er aber, um die drachen doch glauben zu machen, er sei wirklich so sehr stark. er nahm eine schaufel und grub damit den ganzen brunnen um. so verging der halbe tag; darauf kam ein drache und fragte, was er hier so lange mache, da man ihn nur um einen zuber wasser geschickt habe. aber der mann antwortete:[203] ›glaubst du dummer drache, daß ich wie ihr nur mit einem zuber wasser hole. der zuber ist mir zu leicht; ich will den ganzen brunnen auf einmal mitnehmen.‹ darüber verwunderte sich der drache sehr und sagte zu dem mann: ›laß die arbeit, ich werde den zuber allein schleppen, weil er dir zu gering ist.‹ der drache nahm den zuber voller wasser und ging, und der mann lachte heimlich über seine list. zu hause erzählte der drache von der schrecklichen kraft des mannes und die übrigen drachen konnten sich nicht genug verwundern.

Ein andermal schickten die sieben drachen den mann um eine fuhre holz in den wald. aber sie gaben ihm keinen wagen mit, und die fuhre sollte der mann auf dem buckel nach hause tragen. dazu war er freilich wieder nicht gewachsen; aber was that er, um wie früher sehr stark zu scheinen. er hieb einen ganzen baum im walde um, davon schälte er die rinde ab und machte daraus eine sehr dicke und eine sehr lange schnur, so lang, daß er damit den ganzen wald umschloß. darauf kam ein drache und fragte ihn, was er hier so lange mache, da man ihn nur um eine fuhre holz schickte. aber der mann stellte sich sehr böse darüber und sagte dem drachen: ›glaubst du dummer drache, daß ich wie ihr nur eine fuhre holz auf den buckel lade. ich will den ganzen wald auf einmal mitnehmen.‹

Der drache verwunderte sich höchlich über die stärke des mannes und sagte: ›laß die viele arbeit, ich will die fuhre allein mitnehmen, wenn sie dir zu gering ist.‹

Darauf kam der drache nach hause und sagte zur nachtzeit, als sie sich schon schlafen legten, zu den übrigen: ›hört, hört! wir müssen den mann tödten, denn er wird uns noch allesammt todtschlagen. er ist so stark, daß er den ganzen wald auf einmal auf den buckel nehmen wollte, und er sagte, eine fuhr holz sei ihm zu gering.‹ die übrigen öffneten vor staunen die mäuler und sagten: ›ja, wir müssen ihn noch heute nachts tödten.‹

Das hörte aber der mann, denn er hatte sein bett draußen nahe am drachenhause und er schlief noch nicht.[204] was that er? er stund aus und legte an seiner statt ein stück hartes holz, und darauf warf er seine kleider. er selbst legte sich anders wo. in der nacht kamen die drachen und schlugen mit schweren klötzen in das holz, welches er an seiner statt gelegt hatte. darauf gingen sie wieder schlafen, denn sie meinten, der mann müsse schon todt sein. aber der ging in aller frühe wieder an seine vorige schlafstelle, warf das stück holz weg und legte sich nieder. da stunden die sieben drachen auf und schauten nach dem mann; aber wie erschracken sie alle, als sie den mann lebend fanden. da fragten sie: ›hast du heute gut geschlafen?‹ – ›sehr gut, nur haben mich flöhe gezwickt,‹ gab er zur antwort. – ›was, nur flöhe haben dich gezwickt?‹ fragten sie verwundert. – ›ja,‹ meinte der mann.

Nun wußten die drachen nicht, was sie mit ihm thun sollten, um seiner los zu werden, sie schenkten ihm viel, viel geld, er sollte nur dahin wieder gehen, woher er früher gekommen. das viele geld legten sie in einen großen, großen ledernen zuber, und wollten, er solle sich das nach hause tragen. aber weil er dazu nicht gewachsen war, stellte er sich gar sehr beleidigt und sagte dem drachen: ›wenn ich so viel geld habe, so bin ich ein herr. ein jeder reiche herr muß auch einen knecht haben. einer von euch muß also mein knecht sein, und mir das geld nach hause tragen. denn was möchten mein weib und meine kinder sagen, wenn ich so allein nach hause käme.‹

Ein drache nahm den zuber voller dukaten und ging mit dem mann. aber unterwegs schnaufte der drache sehr und sein starker athem trieb den schwachen mann bald weit hin vor sich, und bald knapp vor seinen rachen wieder. der drache konnte nicht begreifen, woher das kommen mochte, und befragte darüber den mann. aber dieser antwortete: ›das kommt daher, weil ich an mein weib und an meine kinder denke, und wenn ich das thue, so möchte ich nur schneller nach hause laufen, oder dich beißen, weil du so langsam gehst.‹

Jetzt kam der mann nach hause und sagte seinen kindern: ›wenn der drache jetzt zum hause kommt, so verlangt[205] drachenfleisch zu essen.‹ da kam er denn zum hause und stellte den zuber voller dukaten auf die erde. aber die kinder, welche nackt und bloß waren, schrieen: ›lieber vater! gebt uns ein stück drachenfleisch.‹ das hörte der drache und lief mit siebenmeilenstiefeln davon, und das wollte der pfiffige mann, denn sonst hätte der drache verweilt und bald gemerkt, daß der mann mit seinem weibe und mit seinen kindern nicht so stark wären, als es die drachen glauben mochten.

Von dieser zeit an, war der schwache mann ein gar reicher, reicher herr.

Quelle:
Staufe, L. A.: Volksmärchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 2 (1855) 197-212, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 203-206.
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