[221] XII. Das Schloß, welches auf Goldpfeilern stand.

[221] Aus Westmannland.


Es war einmal ein Hintersasse, der wohnte mit seinem alten Weibe weit, weit im Walde. Er hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Sonst war er sehr arm, denn eine Kuh und eine Katze machten seinen ganzen Reichthum aus.

Der Hintersasse und sein Weib lebten im beständigen Hader, und man konnte dessen gewiß sein, daß wenn der Greis das Eine, das Weib immer das Andere wollte. Da ereignete es sich eines Tages, daß das alte Weib zum Abendmahl Brei gekocht hatte, und als der Brei zubereitet war, und jedes seinen Antheil erhalten hatte, wollte zuletzt der Greis den Topf ausscheren. Das Weib aber stemmte sich sehr dagegen, und behauptete ganz fest, daß sie und Niemand anderer das Recht hätte, ihn auszuscheren. Sie geriethen nun in einem heftigen Zank, und keines wollte dem anderen nachgeben. Das Ende davon war, daß das alte Weib den Topf sammt dem Löffel ergriff, und damit forteilte. Der Hintersasse aber ergriff[222] den Quirl, und sprang nach. So ging es über Wald und Feld, die Alte voraus, und der Greis hinten nach. Die Sage aber erzählt nicht, wer den Topf zum Ausscheren erhielt.

Als nun einige Zeit verstrichen, und man von den Eltern nichts vernahm, wußten die Kinder keinen anderen Rath, als sich in die Welt hinaus zu begeben, und jedes für sich das Glück in der Ferne zu versuchen. Sie kamen daher überein, das Erbe zu theilen, und jedes seinen Erbtheil zu nehmen. Wie es aber zu gehen pflegt, war die Erbtheilung eine schwere Sache, denn nichts fand sich zu theilen, außer einer Kuh und einer Katze, und beide Kinder wollten die Kuh besitzen. Als die Geschwister hierüber sich beriethen, wie es am besten anzustellen sei, ging der Kater zu der jungen Hintersassentochter, zeigte sich sehr einschmeichelnd, rieb sich an ihren Knieen und miaute: »Nimm mich, Nimm mich!« Als nun der Knabe von der Kuh nicht abstehen wollte, gab das Mädchen nach, und begnügte sich mit der Katze. Die Geschwister trennten sich hiemit von einander. Der Knabe nahm die Kuh, und zog seines Weges. Das Mädchen aber und ihr Kater wanderten den Steig hinauf durch den Wald, und nichts ist mir von ihrer Reise erzählt worden, bis sie zu einem großen und prächtigen Königshof gekommen, der weithin sich erstreckte.

Als die beiden Reisegefährten sich dem schönen Königshofe näherten, begann der Kater mit seiner Herrin zu reden, und sagte: »Wenn du jetzt meinem Rathe folgen willst, soll es dir Glück bringen.« Das Mädchen[223] setzte großes Vertrauen auf die Klugheit ihres Begleiters, und versprach daher nach seinem Verlangen zu handeln.

Da sagte der Kater, daß sie ihre alten Kleider nehmen, und auf einen hohen Baum hinaufsteigen solle, er aber wolle zum Königshof gehen, und sagen, daß dort eine Königstochter wäre, die von Weglagerern überfallen, und sowol ihrer Habe, als ihrer Kleider beraubt worden sei. Das Hintersassenmädchen that, wie ihr gesagt worden, sie kleidete sich in ihre alten Lumpen, und stieg auf den Baum hinauf. Hierauf lief der Kater seines Weges; das Mädchen aber wartete mit großer Angst ab, wie ihr Rathschlag glücken werde.

Als der König, der über das Land herrschte, erfuhr, daß eine fremde Prinzessin solche Noth und Gewaltthätigkeit erlitten, that es ihm sehr leid, und er schickte seine Diener, daß sie sie zu Gaste laden sollten. Die junge Maid wurde nun reichlich mit Kleidern versehen, und Allem, dessen sie sonst bedurfte, und folgte hierauf der Gesandtschaft des Königs. Als sie nun zum Königshofe kam, wurden Alle von ihrer Schönheit und ihrem höflichen Benehmen eingenommen, und des Königs Sohn huldigte ihr am allermeisten, so daß er ohne ihr nicht mehr leben wollte. Die Königin aber ahnte Unrath, und fragte, wo die schöne Prinzessin ihren Königshof habe. Das Mädchen antwortete, wie es sie der Kater gelehrt: »Ich wohne weit, weit von hier, auf einem Schlosse, daß Katzenburg heißt.«

Die alte Königin war jedoch nicht zufrieden gestellt, sondern setzte es sich in den Sinn, auszuforschen,[224] ob die fremde Prinzessin wirklich eine Königstochter sei, oder nicht.

In solchen Gedanken ging sie am Abend zur Gaststube, machte das Bett des Hintersassenmädchens mit weichen Seidenpolstern, legte aber heimlich eine Bohne unter das Bettuch, denn dachte sie, ist es eine Prinzessin, entgeht es ihr nicht, dies zu merken. Die junge Maid wurde hierauf in das Schlafgemach mit großen Ehrenbezeugungen begleitet.

Der Kater aber merkte die List der Königin, und machte seine Herrin darauf aufmerksam. Als es Morgen wurde, kam die alte Königin herein, und fragte, wie ihr Gast Nachts geschlafen habe. Das Mädchen antwortete, wie es sie der Kater gelehrt hatte: »Ach! ich habe zwar wol geschlafen, denn ich war von der Wanderung sehr müde. Ich habe es aber doch gefühlt, daß ich einen großen Berg unter mir hatte. Etwas besser schlief ich doch in meinem Bette in der Katzenburg.«

Die Königin dachte nun, daß die Jungfrau von sehr vornehmer Herkunft sein müsse, aber sie beschloß bei sich, noch einmal die Wahrheit ihrer Aussage zu prüfen.

Den andern Abend ging die Königin wieder in die Gaststube, machte das Bett des Hintersassenmädchens mit weichen Seidenpolstern, und legte einige Erbsen unter den ersten Polster; denn dachte sie, wenn es wirklich eine Königstochter ist, wie sie sagt, wird sie es sicherlich merken. Die junge Maid wurde hierauf in ihr Schlafgemach mit großen Ehrenbezeugungen geleitet. Der Kater aber merkte den Kunstgriff der Königin, und machte seine Herrin[225] darauf aufmerksam. Als es nun gegen Morgen kam, erschien die Königin wieder, und fragte ihren Gast, wie er Nachts geschlafen habe. Das Mädchen antwortete, wie es sie der Kater gelehrt hatte: »Nun, ich habe zwar wol geschlafen, denn ich war sehr müde; aber ich fühlte es doch, daß ich große Steine unter mir hatte. Etwas besser schlief ich doch in meinem Bette auf der Katzenburg.« Die alte Königin dachte nun, daß die Jungfrau ihre Probe gut bestanden habe. Sie wollte aber ihren Argwohn doch nicht fahren lassen, sondern setzte sich es in den Sinn, noch einmal auszuforschen, ob die fremde Jungfrau so vornehm wäre, wie sie selbst sagte.

Als nun der dritte Abend kam, ging die Königin wieder in die Gaststube, machte das Bett des Hintersassenmädchens mit weichen Seidenpolstern, und legte einen Strohhalm unter den zweiten Polster; denn dachte sie, wenn es eine Königstochter ist, entgeht es ihr nicht, es zu merken. Die junge Maid wurde hierauf in ihr Schlafgemach mit großen Ehrenbezeugungen geleitet. Der Kater aber merkte die List der Königin, und warnte daher im Voraus seine Herrin. Als es gegen Morgen kam, trat die Königin herein, und fragte ihren Gast, wie er Nachts geschlafen habe. Das Mädchen antwortete, wie es der Kater sie gelehrt: »Je nun, ich habe wol geschlafen, denn ich war sehr müde; ich fühlte es aber doch, daß ich einen großen Baum unter mir hatte. Etwas besser ging es mir doch, als ich in meinem Bette auf der Katzenburg lag. Die Königin konnte nun wol merken, daß sie auf diese Art nie die Wahrheit ergründen werde, und beschloß[226] daher auf ihrer Hut zu sein, wie die fremde Jungfrau sich in allem Anderen zeigen werde.«

Den Tag darauf schickte die Königin zu ihrem Gast einen schönen Rock, der mit Seide gestickt war, und einen langen, langen Schlepp hatte, wie er von vornehmen Frauen getragen wurde. Das Hintersassenmädchen dankte für dies Geschenk, und dachte dabei an nichts weiter. Der Kater aber war zugegen, und machte seine Herrin aufmerksam, daß die alte Königin sie von Neuem versuchen wolle. Als es eine Weile gedauert hatte, fragte die Königin, ob nicht die Prinzessin sie auf einer Lustwanderung begleiten wolle. Das Hintersassenmädchen willigte in ihr Begehren; und sie gingen in die Stadt. Als sie nun in einen Park gekommen, waren die Hoffräuleins sehr besorgt, ihren Rocksaum nicht zu beschmutzen, denn es hatte über Nacht geregnet; die fremde Jungfrau aber wanderte ihren Weg, ohne sich zu bekümmern, ob ihr langes, langes Kleid auf dem Boden geschleift werde.

Da sagte die Königin: »Liebe Prinzessin, habt Acht auf euren Rock.« Das Hintersassenmädchen antwortete stolz: »Ei, hat man denn hier sonst keine Kleider, als diese? Viel schönere hatte ich, als ich auf meinem Schlosse in Katzenburg war.« Nun konnte die alte Königin nicht anders denken, als daß die Jungfrau seidengenähte Kleider zu tragen gewohnt war, und schloß hieraus, daß sie eine Königstochter sein müsse. Die Königin legte daher der Werbung ihres Sohnes kein weiteres Hinderniß in den Weg, und das Hintersassenmädchen gab auch zuletzt ihr Jawort, und willigte ein.[227]

Einst ereignete es sich, daß der Prinz und seine Liebste beisammen saßen, und mit einander plauderten. Da guckte die Jungfrau durch das Windauge, und sah, wie ihre Eltern aus dem Walde gelaufen kamen; das Weib voran mit dem Topfe, und der Greis hintennach mit dem Quirl. Da konnte das Mädchen sich nicht enthalten, in ein großes Gelächter auszubrechen. Der Prinz fragte, warum sie so herzlich lache, worauf die Jungfrau antwortete, wie sie der Kater gelehrt. »Muß ich denn nicht lachen, wenn ich denke, daß euer Schloß auf Steinpfeilern, mein Schloß aber auf Goldpfeilern steht.« Als der Prinz dies hörte, wunderte er sich sehr, und sagte: »Immer denkst du an das schöne Katzenburg, und vielleicht hast du dort Alles reicher und besser, als hier bei uns. Wir wollen fortziehen, und dein schönes Königsschloß aufsuchen, wäre der Weg auch noch so weit.« Bei dieser Rede ward der Hintersassentochter so zu Muthe, daß sie in die Erde hätte sinken mögen; denn sie wußte wol, daß sie keinen Hof hatte, noch weniger ein Schloß. Der Sache aber war nicht abzuhelfen; sie ließ sich daher nichts merken, sondern sagte, daß sie nachdenken wolle, auf welchen Tag sie am besten ihre Abreise festsetzen könnten.

Als nun die Jungfrau allein war, gab sie ihrer Betrübniß freien Lauf, und weinte bitterlich; denn sie dachte an all den Schimpf, der sie treffen würde, weil sie mit List und Falschheit gehandelt habe. Als sie so saß und weinte, kam der weise Kater herein, rieb sich an ihren Knieen, und fragte, warum sie so traurig wäre. Die[228] Hintersassentochter antwortete: »Ich muß wol traurig sein, denn der Königssohn verlangt, daß wir zur Katzenburg fahren, und jetzt muß ich dafür büßen, daß ich deinem Rathe folgte.« Der Kater aber bat sie guten Muthes zu sein, er wolle es so veranstalten, daß Alles besser enden werde, als sie denke. Zugleich unterwies er seine Herrin, wie sie sich in die Stadt begeben müsse, und zwar je früher desto besser.

Da die Jungfrau so manche Probe von der Klugheit des Katers gesehen, willigte sie in sein Begehren; diesmal aber war sie traurig, denn sie konnte nichts Anderes glauben, als daß ihre Fahrt einen schlechten Ausgang nehmen werde.

Zeitlich am Morgen ließ der Königssohn die Wagen und die Fuhrleute, und alles Andere ausrüsten, was für die weite Reise nach Katzenburg nöthig war. Hierauf setzte sich der Zug in Bewegung. Der Prinz und seine Braut fuhren zuerst in einem vergoldeten Wagen, viele Ritter und Jünglinge begleiteten sie, und der Kater sprang voraus, den Weg zu zeigen, wie er selbst verlangt hatte.

Als sie so eine Weile gereis't waren, sah der Kater, wie einige Hirten auf das Feld gingen, und eine große Schaar von den allerschönsten Ziegen hüteten. Da ging er zu den Hirten hin, grüßte höflich, und sagte: »Guten Tag, ihr Hirten! Wenn der Königssohn vorbeifährt, und fragt, wer Herr der schönen Ziegen sei, sollt ihr antworten, daß sie der jungen Prinzessin auf Katzenburg gehören, die an der Seite des Prinzen fährt. Wenn ihr dies thut, sollt ihr gut belohnt werden; thut ihr es aber nicht,[229] werde ich euch Alle zerreißen.« Als die Hirten dies hörten, erschraken sie sehr, und versprachen, nach dem Begehren des Katers zu handeln. Er lief aber fort voraus. Nach einer Weile kam nun der Königssohn mit seinem ganzen Gefolge des Weges gefahren. Als er nun die schönen Ziegen sah, die dort weideten, hielt er mit seinem Wagen an, und fragte die Hirten, wer Herr der schönen Herde sei. Die Ziegenhirten antworteten, wie es der Kater sie gelehrt: »Die Ziegen gehören der jungen Prinzessin auf Katzenburg, die an eurer Seite fährt.« Nun verwunderte sich der Königssohn, und dachte, daß seine Braut eine reiche Prinzessin sein müsse; das Hintersassenmädchen aber ward frohen Sinnes, und glaubte, daß sie bei dem Tausche nicht verloren, als sie mit ihrem Bruder das Erbe getheilt.

Sie reis'ten nun weiter, und der Kater lief voraus, wie er gewohnt war. Als sie so eine Weile gefahren, kamen sie zu einer Schaar Leute, die auf einer schönen Wiese Heu einbrachten. Da ging der Kater hin, grüßte höflich, und sagte: »Guten Tag! ihr guten Leute. Wenn der Königssohn vorbeifährt, und fragt, wer Herr der schönen Wiese sei, sollt ihr antworten, daß sie der Prinzessin auf Katzenburg gehöre, die an der Seite des Prinzen fährt. Wenn ihr es thut, sollt ihr gut belohnt werden, wenn ihr aber nicht thut, was ich gesagt habe, so werde ich euch in viele tausend Stücke zerreißen.« Als die Leute dieses hörten, erschraken sie sehr, und versprachen, zu sagen, was der Kater verlangt hatte. Er aber setzte seinen Weg fort. Nach einer Weile kam der Königssohn mit seinem Gefolge des Weges gefahren. Als er nun die[230] fruchtbaren Wiesen und die vielen Leute sah, ließ er seinen Wagen anhalten, und fragte, wer über das Land herrsche. Die Leute antworteten, wie es sie der Kater gelehrt: »Die Wiese gehört der jungen Prinzessin auf Katzenburg, die an eurer Seite fährt.« Nun wunderte sich der Königssohn noch mehr, und dachte, daß seine Braut über die Maßen reich sein müsse, da ihr so schöne Wiesen gehörten.

Sie reis'ten nun weiter, und der Kater lief voraus, wie es seine Gewohnheit war. Als sie nun eine Weile gefahren, kamen sie zu einem sehr großen Ackerfeld; auf dem Acker aber wimmelte es von Männern und Weibern, die Getreideernte hielten. Da ging der Kater zu den Schnittern hin, grüßte sie, und sagte: »Guten Tag meine Freunde! Glück zur guten Arbeit. In einer Weile kommt der Königssohn hier vorbeigefahren, und wird fragen, wem die großen Getreidefelder gehören; dann sollt ihr antworten, daß sie der Prinzessin auf Katzenburg gehören, die an der Seite des Prinzen fährt. Wenn ihr dies sagen wollt, sollt ihr gut belohnt werden, wenn ihr aber gegen mein Wort handelt, will ich euch so in kleine Stücke zerreißen, wie das Laub, wenn es in der Herbstzeit am Boden liegt.« Als die Schnitter dies hörten, erschraken sie sehr, und versprachen, zu sagen, wie der Kater verlangt hatte. Hierauf lief er voraus fort. Nach einer Weile aber kam der Königssohn mit seinem Gefolge des Weges gefahren. Als er nun die großen Felder sah, hielt er mit seinem Wagen an, und fragte, wer Herr des schönen Ackerlandes sei. Die Schnitter antworteten, wie der Kater[231] sie gelehrt: »Die Getreidefelder gehören der jungen Prinzessin auf Katzenburg, die an eurer Seite fährt.« Nun freute sich der Königssohn über die Maßen; das Hintersassenmädchen aber wußte nicht recht, was sie von dem Allen denken sollte, was ihr auf der Reise widerfahren.

Es war nun spät am Abend, und der Prinz hielt mit seinem Gefolge an, um in der Nacht Rast zu halten. Der Kater aber ruhte nicht, sondern lief beständig fort, bis er eine schöne Burg sah, die mit Thurm und Zinnen aufgebaut war, und auf goldenen Pfeilern stand. Die prächtige Burg gehörte einem wilden Riesen, der über die ganze Gegend herrschte; der Riese aber war nicht daheim. Der Kater ging daher durch das Schloßthor hinein, und verwandelte sich in einen großen, dicken Laib Brot. Hierauf legte er sich vor das Schlüsselloch, und wartete, bis der Riese wieder heimkomme.

Früh am Morgen, ehe der Tag graute, kam der grimmige Riese langsam trabend aus dem Walde; er war aber so groß und schwer, daß die ganze Erde unter ihm erbebte, wenn er ging. Als er nun zum Schloßthore kam, konnte er wegen des großen Brotlaibes nicht öffnen, der vorm Schlüsselloch lag. Da wurde er heftig erzürnt, und rief: »Schließ auf! Schließ auf!« Der Kater entgegnete: »Warte blos eine kleine, kleine Weile, während ich meine Abenteuer erzähle:

›Zuerst kneteten sie mich, so konnten sie mich todtkneten.‹«

»Schließ auf! Schließ auf!« schrie wieder der Riese;[232] der Kater aber antwortete, wie früher: »Warte blos eine kleine, kleine Weile, während ich meine Abenteuer erzähle:

›Zuerst kneteten sie mich, so konnten sie mich todtkneten; sie bestreuten mich dann mit Mehl, so konnten sie mich mit Mehl zu Tode bestreuen.‹«

»Schließ auf! Schließ auf!« rief der Riese erzürnt. Der Kater aber setzte von Neuem fort: »Warte blos eine kleine Weile, während ich meine Abenteuer erzähle:

›Zuerst kneteten sie mich, so konnten sie mich todtkneten; sodann bestreuten sie mich mit Mehl, so konnten sie mich mit Mehl zu Tode bestreuen; sodann spießten sie mich, so konnten sie mich todtspießen.‹«

Nun wurde der Riese sehr erzürnt, und schrie, daß die ganze Burg erschüttert wurde: »Schließ auf! Schließ auf!« Der Kater aber ließ sich nicht irre machen, sondern antwortete, wie früher: »Warte blos eine kleine Weile, während ich meine Abenteuer erzähle:

›Zuerst kneteten sie mich, so konnten sie mich todtkneten; sodann bestreuten sie mich mit Mehl, so konnten sie mich mit Mehl zu Tode bestreuen; sodann spießten sie mich, so konnten sie mich todtspießen; sodann bucken sie mich, so konnten sie mich todtbacken.‹«

Da wurde der Riese ängstlich, und bat so schön, so schön: »Schließ auf! Schließ auf!« es half aber nichts. Der Laib Brot lag vor dem Schlüsselloch, wie früher. In demselben Augenblicke rief der Kater: »Sieh! schon reitet die schöne Jungfrau am Himmel herauf!« Als nun der Riese sich umkehrte, ging die Sonne über dem Wald auf.[233] Als der Riese aber die Sonne sah, fiel er rücklings, und barst, und dies war sein Ende.

Der Laib Brot verwandelte sich nun wieder in einen Kater, und er eilte, für seine Gäste Alles in Ordnung zu bringen. Nach einer Weile kam der Königssohn mit seiner jungen Braut und all seinem Gefolge gefahren. Der Kater ging ihnen entgegen, und hieß sie auf Katzenburg willkommen. Sie wurden auf das Allervortrefflichste empfangen, und es mangelte weder an Speise und Trank, noch sonst an köstlicher Bewirthung. Das schöne Schloß aber war angefüllt mit Gold, Silber und allerhand theuren Schätzen, dergleichen Niemand weder früher noch seitdem gesehen. Kurz darauf fand die Hochzeit des Prinzen mit der schöne Jungfrau statt, und Alle, die ihren Reichthum sahen, dachten, daß sie vollkommen Recht hatte, als sie sagte: »Anders habe ich's auf meinem Schlosse auf Katzenburg.« Der Königssohn und die Hintersassentochter lebten nun glücklich, viele, viele Jahre.

Ich habe aber nicht gehört, wie es dem Kater erging, obschon man wol errathen kann, daß er keine Noth litt. Und so weiß ich nichts weiter zu erzählen.

Quelle:
Hyltén-Cavallius, Gunnar/Stephens, George: Schwedische Volkssagen und Märchen. Wien: Haas, 1848, S. 221-234.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon