293. Der vierblättrige Klee.

[200] Einst kehrten zwei Meitli miteinander vom Felde heim, jedes mit einer Schürze voll Heu. Auf einmal zieht eines mit beiden Händen seinen Rock in die Höhe, soweit es nur darf, und macht Bewegungen, als ob es durch einen mächtigen Bach waten müsste. Alles lacht; besonders ein junger Bursche, der hinter den Mädchen hergeht, lacht sich halbtot. »Was hast du?« fragt die Begleiterin, »bist du nicht recht bei Sinnen?« »E, siehst du den Bach nicht, der da kommt?« »A pah, Dummheiten; hänge du deinen Arm in den meinen!« Sie tat es, und jetzt sah sie den Bach nicht mehr. Die andere hatte eben ein vierblättriges Kleeblatt unter ihrem Heu, und, wer ein solches bei sich trägt, dem können Zauber und Verblendung nichts antun. Der Bursche, der so lachte und hinter den zwei Mädchen herging, war jedenfalls ein Zauberer. Auch meine Erzählerin hat, als sie vor einigen Jahren in das Tellenspiel nach Altdorf ging, ein solches Kleeblatt in den Sack genommen. »Diä miäm-mi de nu nitt verbländä,« dachte sie. In den Komödien sollen nämlich oft solche Verblendereien vorkommen.


Fr. Wipfli-Herger, 80 J. alt; Josefa Muoser, Bürglen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 200.
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