295. Der Chriäsibüeb wird hingerichtet.

[201] Wieder wurde er gepackt und sollte hingerichtet werden. Doch wollten sie sein Leben schonen, wenn er ein einziges »Heilige Maria, Mutter Gottes!« bete. Er aber wollte nicht und sagte: »Ich ha vor zächä Jahrä-n-äs Vatter Unser 'pättet, und das tüet mi jetz nu im Hals unnä brennä.« Der Scharfrichter[201] war im Begriffe, seines Amtes zu walten, und holte zum Streiche aus. Da erblickte er auf einmal drei Köpfe am Halse des Schelms. In der Verlegenheit fragte er den Landammann, was zu tun sei. Der aber wusste auch keinen Rat. Jetzt rief jemand aus dem Volke: »Werfet einen Apfel in die Luft, und, wenn ihr diesen im Herunterfallen mit dem Schwerte entzwei hauen könnt, so werdet ihr den richtigen Kopf treffen!« Der Scharfrichter handelte nach diesem Rat, und, als er den herabfallenden Apfel wirklich in der Mitte entzwei schnitt, da fiel auch der mittlere Kopf des armen Sünders, und sein abenteuerliches Leben hatte ein Ende.


M. Josefa Aschwanden, 75 J. alt, Sisikon; Marie Gisler, 52 J. alt, Spiringen.


Im Maderanertal erzählte man vom Chriäsibüeb auch Urispiegel-Geschichten, d.h. Schalksnarrenstreiche.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 201-202.
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