333. Der alte Neapolitäner.

[232] Im Bristenberg lebte ein ehemaliger Neapolitäner Soldat. Syg lang i Napel innä gsy. Der wanderte eines Abends spät mit einem Kameraden durch den Wassnerwald. Da kamen die Räuber und forderten »Geld oder Blut!« Der Neapolitäner zog seinen Geldgurt ab, warf ihn den Räubern vor die Füsse und sagte: »Da nehmet ihn!« Aber keiner beugte sich, ihn zu packen; bocksteif standen sie da. Endlich las der Neapolitäner selber den Gurt wieder auf mit dem Bemerken: »Gut, wenn ihr nicht wollt, so nehme ich ihn wieder zuhanden.« Dann marschierten die beiden weiter. Nach einer Weile fragte der Kamerad: »Du kannst scheint's allerlei. Würdest du es mich nicht auch lehren?« »Nein,« meinte der ehemalige Soldat, »nein, so etwas tut man nur in der äussersten Not.« Erst, als er in sicherer Entfernung war, liess er die gebannten Räuber wieder laufen. Einst brannte sein Häuslein im Bristenberg. Sein Bruder im Ried bemerkte das und lief eiligst bergan, um zu helfen. Als er den sogenannten Donnderchlapf unter dem Hirrenbiechli erreichte, meinte der Bruder im Bristenberg: »Ah, mein Bruder läuft sich zu Tode,« und brachte ihn sofort zum Stehen. Der Brand war schon gelöscht.


Jos. M. Baumann, Gurtnellen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 232.
Lizenz:
Kategorien: