371. Der goldene Baum im Bristenstock.

[265] 1. Zwei Männer aus der Riedmatt arbeiteten bei ihrem Hause am Holz, als ein fremdes Mandli auf dem Saumwege daherkam. Die beiden Riedmatter betrachteten es schon von ferne, und einer sagte zum andern: »Dü, isch das ächt nid ä fahrädä Schüeler?« Als das Mandli an ihnen vorbeigehen wollte, redeten sie es an und teilten ihm ihre Vermutung mit. »Das bin ich,« erwiderte es, »und jetzt möchte ich euch etwas zeigen. Im Bristenstock, an den ihr täglich hinaufschauet, ist ein Baum aus lauter Gold. Schauet über meiner rechten Achsel über meinen Arm und gucket hinauf und saget mir, was ihr sehet.« Und er streckte den rechten Arm aus, und sie schauten beide, einer nach dem andern, darüber hinweg an den Bristenstock hinauf, und beide erklärten, sie sehen einen glänzenden goldenen Ast. Aber, obwohl sie beide die Stelle sich genau gemerkt hatten, so sahen und fanden sie doch, sobald sie nicht mehr über den Arm des fahrenden Schülers guckten, keine Spur von dem goldenen Ast.


Joh. Jos. Jauch, 80 J. alt, Maderanertal.


2. Ein fahrender Schüler offenbarte, im Bristenstock sei eine Buche aus lauter klarem Gold, deren Wurzeln bis in die Reuss und deren Äste bis an den »Höchsten Bristen«, d.h. bis an die höchste Spitze des Bristenstockes reichen.


Fr. Walker-Furger, 85 J. alt, Amsteg.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 265.
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