1497. Das Licht und die gespenstigen Mädchen im Eggäbergli.

[283] Hoch über dem Wallfahrtsort Riedertal am Abhang der Wengikulm dehnen und recken sich an sonniger Halde die zwei Berggüter Eggäbergli. Gute Pfade führen dorthin vom Riedertal her und von Spiringen sowohl über die Oberschwandberge und das Eggätal als auch durch den Ruolisberg, ein[283] schmaler, stellenweise schwindliger Steig aber von Bürglen her über den Felsen »Vierschröt«, wo früher eine böse Hexe gehaust und den Bergsteiger mit Steinen beworfen hat. Seiner Rundsicht wegen diente das Eggäbergli von jeher als Signalposten und Hochwacht zu Kriegszeiten, zuletzt noch im Sonderbundskriege. – Aber »umghyrig« ist's daselbst auch. Wie oft haben die Leute in den Bürgler- und Spiringerbergen da droben im Hause des Obern Eggäbergleins nachts Licht gesehen zu Zeiten, da doch niemand dort wohnte! Und das Schwein, das dort zu heiliger Zeit vorbeiwanderte, und das schwarze Schaf, das nachts zum Fenster hineinschaute, wenn die Leute plaudernd beieinander sassen, ja, ja, das alles ging nicht mit rechten Dingen zu! N. Gisler von Wytterschwanden, ein junger Lediger, hatte da oben seinen Schatz. Eines Abends wollte er zu ihr z'Stubeten gehen; er wusste ja nicht, dass die Leute schon zu Boden gefahren. Jauchzend und johlend schritt er bergan, denn von weitem schon winkte ihm das helle Lichtlein im Eggäberglihaus und schien ihm zu sagen, dass sein Besuch erwartet und genehm sei. Er stieg hinauf vor's Fenster und erblickte drinnen zwei Mädchen, die aber mitsamt dem Licht sofort verschwanden und nun aus dem Stübli ihr helles Lachen erschallen liessen. Auch dort stieg der kecke Bursche hinauf; doch jetzt hörte er die zwei Jumpfern wieder in der Stube kichern. Als er dort zum zweiten Mal hinaufstieg, da fiel er bewusstlos zu Boden und kam erst am Morgen, als zu Spiringen die Betglocke ertönte, wieder zu sich (19. Jahrhundert).


Mitgeteilt von Pfarrer Jos. Arnold.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 283-284.
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