1542. Nicht fluchen über den Föhn.

[304] Als die Urner immer wieder über den Föhn fluchten, geschah es endlich, dass er ausblieb; viele Jahre mied er das Urnerländchen, und der Schnee fing an, die Schluchten und Täler auszufüllen; immer näher rückte er den Häusern. Jetzt[304] wurde es den Urnern doch angst, und an einer Landsgemeinde beschlossen sie, mit Kreuz und Fahnen auf den Gotthard zu ziehen und den Föhn herbeizubitten. In Prozession zogen sie auf den St. Gotthard, knieten dort nieder und beteten mit ausgespannten Armen: »O Fehn, o Fehn, komm doch wieder!« Und wirklich, nach langem, inständigem Gebet fühlten sie wieder seinen Hauch; immer stärker wehte er, und endlich ergoss er sich in rasendem Sturm über den St. Gotthard und durch die Schellenen ins Urnerland.


David Imhof, 50 Jahre alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 304-305.
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