1596. Geist im Heutor.

[330] Der alte Beeseler von Meien, ein Zimmermann, der nämliche, der mit dem Wyggämüetterli Bekanntschaft gemacht, zimmerte in der Göscheneralp und übernachtete jeweilen in einem Obergaden im Heu. Eines Abends konnte er gar nicht einschlafen. Da kam »Eines« um 10 Uhr und setzte sich mitten in das Heutor und schaute ihn unverwandt an. Der Beeseler bekam einen furchtbaren Durst, der ständig zunahm. Gerne hätte er den Gaden verlassen, um Wasser zu trinken. »Ä, dä gahsch!« sagte er zu sich. »Nei, dä darfisch doch nit gah!«[330] meinte er wieder, »mä weiss nit, wie's der chennt gah.« Auf einmal nahm er all sein Guräschi zusammen, erhob sich von seinem Heulager und entfernte sich durch das Heutor. Und siehe, es hielt sich zur Seite und liess ihn vorbei. Ungestört konnte er seinen Durst stillen, und auf der Rückkehr machte es ihm wieder Platz. Jetzt konnte er auch bald einschlafen.


Emil Baumann-Mutter.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 330-331.
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