29. Die drei Aalfische.

[174] Es war ein Fischer, der konnte einst drei Tage nach einander nichts anderes in sein Netz bekommen, als immerzu einen Aal. Wie er am dritten Morgen den dritten Aal fing, ward er zornig und sprach: »Möge der Teufel solch ein fischen holen, wenn man nichts mehr fängt als den Tag über[174] einen einzigen Aal.« Da hub einer von den drei Aalen zu reden an und sprach: »Fluche nicht so, elender, armseliger Mensch! Du ahnst ja gar nicht, was du an uns besitzest und zu deinem großen Glücke gefangen hast. Tödte einen von uns dreien, und schneid ihn in vier Stücke, davon gieb eines deinem Weibe zu essen, das zweite der Hündin, das dritte der Stute, das vierte aber grab in deinem Hause ein. Da wird dein Weib dir Zwillinge gebären, die Hündin zwei Hunde, die Stute zwei Füllen werfen, und über deinem Hause werden zwei goldne Schwerter aufsprießen.« Der Mann befolgte das Geheiß des Fisches, und that Alles genau wie er ihm gesagt hatte, in der That traf schon im ersten Jahre Alles ein. Die Frau gebar ihm Zwillinge, die Hündin warf zwei Junge, die Stute zwei Füllen und über dem Hause entsprossen zwei goldne Schwerter der Erde. Als die Zwillinge herangewachsen waren, da sprach der eine zum Vater: »Väterchen, ich sehe, daß du arm bist, und uns nur mit Mühe ernähren kannst, ich will daher ein Pferd, einen Hund und ein Schwert nehmen und in die Welt gehen, ich bin jung, bin blühend und wo mein Haupt ist, wird sich auch Nahrung finden.« Und nachdem er so zum Vater gesprochen hatte, wandte er sich zu seinem Bruder und sprach: »Bruder, Gott behüte dich! ich zieh nun in die Welt, hüte du das Haus, wirtschafte gut, ehre den Vater, und was du arbeitest, möge dir gedeihen. Hier gebe ich dir ein Fläschchen voll Wasser, das du beständig bei dir tragen sollst, und wenn du siehst, daß sich das Wasser trübt, dann wisse, daß ich umgekommen[175] bin.« Und mit diesen Worten machte er sich auf den Weg. Und wie er so durch die Welt zog, da kam er in eine große Stadt, und in derselben sich ergehend, ward er von der Tochter des Kaisers erblickt, die sich alsbald sterblich in ihn verliebte und den Kaiser ihren Vater bat, ihn aufs Schloß zu rufen, was dieser auch that. Als der Jüngling das kaiserliche Schloß betrat, und das Mädchen, ihn näher betrachtend, das prächtige Schwert gewahrte, und dann seinen Hund und das Pferd, alles so schön, wie man es in der Welt zum zweiten Male nicht wieder findet, gefiel er ihr noch desto mehr, so daß sie zuletzt zum Kaiser sprach: »Väterchen, mit diesem Jünglinge möchte ich mich vermählen.« Der Kaiser willigte ein, der Jüngling sträubte sich auch nicht dagegen, die Sache war abgemacht, und sie wurden nach Recht und Sitte vermählt.

Eines Abends nun, als er mit seiner Frau am Fenster stand, bemerkte er in weiter Ferne einen hohen Berg, der ganz in Flammen zu stehen schien, da fragte er seine Gemahlin, was dies wohl sei, worauf sie ihm aber antwortete: »Ach frage mich nicht, mein Gebieter! es ist dies ein verwunschner Berg, der den Tag über leuchtet und in der Nacht brennt, und wer immer noch hingegangen ist zu sehen, was es sei, der ward zur Stelle dort versteinert und blieb stumm.« Kaum hatte er dies vernommen, so bestieg er schon sein Roß, umgürtete sich mit seinem goldnen Schwerte, nahm auch seinen Hund mit sich und begab sich zu dem Berge. Als er in das Gebirge kam, bemerkte er eine Alte, die auf einem bemoosten Steine saß, und in der einen Hand einen Stab,[176] in der andern aber ein Büschel Kräuter hielt. Ihr näher kommend fragte er sie, weshalb wohl der Berg so wunderbar sei, worauf ihm die Alte erwiederte, er möge nur weiter gehen, da werde er es schon erfahren. Er setzte seinen Weg fort, und die Alte führte ihn in einen Hof, der mit Knochen von Helden umzäunt und mit lauter stummen zu Stein gewordenen Menschen angefüllt war. Kaum hatte er diesen Hof betreten, so ward auch er mit seinem Pferde und Hunde stumm und an der Stelle, wo er eben stand, zu Stein. In demselben Augenblicke aber trübte sich auch das Wasser in dem Fläschchen, das er seinem Bruder gelassen hatte, welcher nun sofort dem Vater und der Mutter mittheilte, daß ihr Sohn, sein Bruder, umgekommen sei, und er ihn suchen wolle. Und er machte sich auf und ging von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt, bis auch ihn das Glück in jene Stadt und vor den Pallast des Kaisers führte. Als ihn der Kaiser erblickte, rief er seine Tochter und sprach zu ihr: »Da kommt dein Gemahl!« sie eilte hinaus, und wie sie den Schwager sah, der seinem Bruder so ähnlich war, wie die Hälfte eines entzweigeschnittenen Apfels der andern, und auch dasselbe Pferd, denselben Hund, dasselbe Schwert an ihm gewahrte, da eilte sie und der Kaiser, ihr Vater, auf ihn zu, küßten ihn und führten ihn ins Haus, der Kaiser in dem Wahne es sei der Schwiegersohn, die Tochter es sei ihr Mann. Der Jüngling wunderte sich wohl ihrer Liebkosungen, doch fiel ihm gleich bei, daß sie ihn für seinen Bruder hielten, demnach stellte er sich auch an, als sei er des Kaisers Schwiegersohn[177] und der Gemahl seiner Tochter. Nachdem sie zu Abend gegessen hatten und sich zur Ruhe begeben wollten, wies ihm die Frau, als ihrem Gemahl, neben sich ein Lager an, da zog er sein Schwert aus der Scheide, legte es zwischen sich und sie. Sie wunderte sich seines Beginnens, er aber sagte ihr ausweichend, daß ihm aller Schlaf vergangen sei, stand wieder auf und trat ans Fenster, und wie auch er den wunderbaren Berg erblickte, fragte er: »Sage mir, meine Frau, warum jener Berg brennt?« Und sie antwortete ihm: »aber um Gottes Willen habe ich dir nicht an jenem Abende schon gesagt, was das für ein Berg ist.« »Ach wiederhole mir, was es damit für ein Bewandtniß habe?« fragte er sie wieder, und da sagte sie ihm: »Jeder der dort hingeht, wird zur Stelle stumm und zu Stein, und jüngst schon war ich in großer Besorgniß, daß du etwa hin gegangen seiest.« Wie nun der Schwager dies vernahm, ward ihm wohl das Unheil klar, das seinen Bruder getroffen hatte, und konnte kaum erwarten, daß es Tag würde. Mit dem Frühroth aber bestieg er sein Roß, schnallte sich das Schwert um, nahm auch den Hund mit und begab sich zu dem Berge, und als er die Alte erblickte, da zog er das Schwert, hetzte den Hund und stürmte mit dem Pferde auf sie ein, ohne ein Wort zu sprechen. Die Alte erschrak und flehte, er möge sie nicht zusammen hauen. »Gieb mir gleich meinen Bruder wieder,« rief er ihr zu, da brachte sie den Bruder in der That herbei, und gab ihm Leben und Sprache zurück. Und nachdem sich die Brüder wiedergesehen und sich gegenseitig befragt[178] hatten, wie es ihnen sonst noch ergangen sei, kehrten sie beide heim. Unterwegs sprach aber der von den Brüdern, welcher versteinert gewesen war: »Ach bei Gott mein Bruder! Laß uns nochmals umkehren und all die Leute erlösen, welche noch verwunschen sind, wie ich es war.« Gesagt, gethan, sie kehrten zurück, fingen die Alte, nahmen ihr das Kraut, das sie in der Hand hielt, weg, und huben hierauf an, damit alle versteinerten Menschen zu bestreichen, bis sie sich bewegten und zu sprechen begannen. Und nachdem auf diese Art Alle, die verzaubert waren, wieder belebt wurden, tödteten sie die Alte, und Jeder ging nach seinem Hause, die zwei Brüder aber kehrten zurück in das Schloß des Kaisers.

Wie ich das Märchen gehört habe, so erzähle ich es wieder, und dir verleihe Gott Freude!

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 174-179.
Lizenz:
Kategorien: