Der Zauberspiegel.

[87] Es giebt Spiegel, mit denen kann man die Spitzbuben sehen. Dazu soll man einen Spiegel kaufen, nichts abhandeln und den unter einen Galgen, wo schon Menschen erhängt wurden, neun Nächte lang eingraben und zwar[87] jede Nacht an einer verschiedenen Stelle. Die letzte Nacht, wenn man den Spiegel abholen will, kommt der čert und hält ein Buch hin, in dem muss man sich unterschreiben. Dann hat man den Zauberspiegel. Einen solchen hatte früher ein Mann in Schleife.

Auch in »Tschentsch«, Sćenśa (Steinitz) hatte ein kluger Mann einen. Zu dem ging ein Schäfer aus Schleife, um in den Spiegel zu sehen, weil ihm eine Hexe am Vieh und sonst vielen Schaden that. Aber der kluge Mann wollte dem Schäfer den Spiegel nicht zeigen, weil, wer hineinsieht, einen grossen Schreck kriegt. Denn der Böse hält die Hexe [im Spiegel] vor sich und sieht ihr über die Schulter. Der kluge Mann kam aber selbst mit nach Schleife und machte vor Sonnenaufgang alles, was zur Vertreibung der Hexe nöthig war. Das half auch dem Vieh, aber die Hexe kriegte auch etwas »ab«. Neun Tage lang lag sie mit steifem Haare krank im Bette, und nach neun Tagen kam sie zum Schäfer heran und fragte: ob der Lumpensammler dagewesen. Wahrscheinlich hat sie dabei etwas vom Miste oder dergleichen genommen. S.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 87-88.
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