Des Kohlenbrenners Sohn.

[17] Es war ein Kohlenbrenner65, der hatte zwei Söhne; die hiessen Hanso und Juro. Juro musste immer mit den Kohlen nach der Stadt fahren und hatte immer Geld. Wenn der Sonntag kam, konnte er sich Schnaps kaufen und Hans hatte kein Geld und musste im Trocknen66 sitzen. Da wurde er bald sehr unzufrieden und wollte sich vermiethen. Sagte der Vater: »Ihr müsst abwechselnd mit den Kohlen fahren, dass ihr beide Verdienst habt«. So kam Hans mit den Kohlen nach der Stadt gefahren und wunderte sich über die hübschen Leute in der Stadt, die so gut angezogen waren. Solche hatte er noch nicht gesehen und dachte: hier möchtest du immer bleiben. Dann verkaufte er seine Kohlen auf dem Schlosse und wie er den Herrn des Schlosses sah, war er verwundert über den herrlichen Herrn, und sagte zum Diener: »Mir gefällt es zu sehr, hier möchte ich bleiben«. Und der Diener meldete ihn und der Herr nahm den Hans an, weil er so hübsch »ausgewachsen«67 war. Und gab ihm zwei Thaler Miethsgeld und schickte ihn nach Hause, dass er fragte, ob er sich vermiethen könnte.

Hans ging aber nicht nach Hause, sondern in eine Kneipe und war sehr lustig. Da war ein Bauer, der fragte ihn, was er für das Handpferd68 haben wollte. Hans wollte nicht, aber der Bauer bestand darauf, er müsste ihm[17] alles, Pferd wie Wagen verkaufen. »Was willst du haben? – Was willst du geben? – Was du giebst, kriegst du«. Und Hans kriegte das Geld für Pferd und Wagen, war sehr lustig und meldete dem Herrn, dass er dienen könnte. Und der Herr nahm ihn an, kleidete ihn hübsch und schickte ihn in die Schule. Und so lernte Hans Lesen und Schreiben und Benehmen gegen anständige Leute. Und er lernte gut, und wie er ausgelernt hatte, nahm ihn der Herr wieder und Hans blieb bei ihm viele Jahre als Leibdiener.

Mal war der Herr weg und übergab Hans alles, auch sämmtliche Schlüssel; sagte, alles könnte er durchgehen, nur einen Schrank sollte er nicht mit einem Schlüssel aufschliessen. Aber wie der Herr weg war, schloss Hans den verbotenen Schrank auf und fand darin verschiedene Sachen und ein kleines Kästchen; das schloss er auch auf. Da sprang ein kleines weisses Mäuschen heraus und lief weg, und Hans war sehr ängstlich, was nun werden würde.

In der Zeit kam der Herr zu Hause und wusste schon alles, was geschehen war. Er zählte Hans sein Lohn ab, nahm ihm die schönen Kleider weg und gab ihm seine alten Kohlenkleider und seinen Brotbeutel.69

Nun dachte Hans, nach Hause darfst nicht; – hast ein paar Thaler Geld, gehst in die freie Welt. So kam er in einen Wald, verirrte sich, wurde hungrig wie ein Hund und fand keinen Steg und keinen Weg. Endlich sah er von weitem ein Licht schimmern. Wie er näher kam, war es ein grosses Schloss; das war in allen Fenstern erleuchtet. Aber er konnte nicht herankommen, denn ein Graben ging rund herum, und wollte doch gern, denn er war sehr hungrig. Zuletzt fand er eine kleine Brücke und kam an das Thor. Er klopfte an, aber niemand machte auf. So machte er allein auf und sah im Hause furchtbar viele Lampen angezündet. Allein er hatte bloss Hunger und öffnete eine Stubenthüre. Innen war ein Tisch gedeckt. Er setzte sich nieder und dachte: käme doch jemand und hiesse dich essen, und ass aus grossem Hunger ohne Erlaubniss von dem Essen. Nach dem Essen setzte er sich auf einen Polsterstuhl, dachte: könntest du so sitzen, und schlief ein, weil er müde war. Wie er wieder aufwachte, machte er eine Thüre auf und sah in der Nebenkammer viele Betten, legte sich nieder und schlief ein im Bette.

Am anderen Morgen fand er alles, was er bedurfte, bei sich, aber kein Mensch war da. Wie er sich gewaschen, war auch der Tisch wieder zum Frühstück gedeckt. Nach dem Essen suchte er dann überall herum, ob er jemand finden könnte. So kam er in eine Stube und fand darin einen königlichen Anzug, und zog den an, weil er so schlecht gekleidet war. In einer anderen Stube fand er mehrere Haufen Geld, Diamanten, Perlen und dergleichen mehr. Deren Werth hatte er bei seinem Herrn kennen gelernt und stopfte, so viel er schleppen konnte, in seinen Hechselsack70, Edelsteine und Gold, und machte, dass er aus dem Schlosse fort kam.

Nach einer Weile sah er nichts mehr als Wasser und Wiesen; darum nannte er sich selbst: Fürst von grünen Wiesen71. Zuletzt kam er in eine Stadt und suchte sich ein Unterkommen, schaffte sich Wagen und Kutschpferde an und nahm einen Leibjäger. Wie er Geld brauchte, verkaufte er einen Diamanten und erhielt dafür achtzig tausend Thaler. Wie das Geld[18] weg war, schlug er einen anderen Diamanten in Stücke und kriegte für jede Hälfte achtzig tausend Thaler.

Nun war in der Nachbarschaft ein König, der hatte eine sehr schöne Tochter; die wurde bald des fremden Fürsten gewahr. Sie erkundete, wo er wohnte, und besuchte ihn, fand ihn aber nicht zu Hause. Dann forschte sie aus, wann er zur Kirche ginge, und ging ebenfalls zur Kirche. Da grüssten sich beide, wie es Sitte unter hohen Leuten und besuchten sich gegenseitig. Zuletzt verlobten sich beide und sie versprach ihm das halbe Königreich.

Wie sie nun lange Zeit zusammen waren, wollte sie gern wissen, wo er her wäre und sein Schloss Grünerwiesen läge. Und weil er sie so sehr lieb hatte, erzählte er ihr alles und zuletzt auch, dass er eines Kohlenbrenners Sohn sei. Da sprach sie: »Warum lässt Du Deine Eltern so im Elend sitzen und sich mit den schwarzen Kohlen »herumsielen«72; sie könnten doch bei uns wohnen«; und schickte ihn mit Gewalt, seine Eltern zu holen. So nahm er sich zwölf Dragoner und zog in seiner Eltern Heimath. Nach mehreren Tagen kamen sie in einen Wald, wurden von einem furchtbaren Gewitter und Regen überrascht und suchten Unterkommen in einer Waldschenke. Allda konnten sie übernachten und kriegten zum Abendbrot, was sie nur wünschten. Abends kamen noch mehrere fremde Gäste und spielten Karte mit dem Fürsten von Grünerwiesen, aber was er gewonnen, gab er ihnen wieder zurück. Dann verlangte er für sich und seinen Bedienten besondere Schlafzimmer und erhielt auch allein eine Schlafstube. Nach einer Weile entstand grosses Gerumpel, es wurde gegen die Thüre geschlagen und geschrieen: »Aufmachen, aufmachen«. Der Bediente ging an die Thüre und fragte: »Wer ist da? Was wollt Ihr?« »Aufmachen! wir wollen hinein«, schrieen draussen die Räuber. Da liess der Fürst öffnen. Und ein Räuberhauptmann mit zwei verdeckten Schüsseln trat vor ihn und sagte: »Jetzt kriegst Du Braten, der wird nicht so wie das Abendbrot schmecken, und mit zugebundenen Augen sollst Du ihn essen«. Aber der Fürst bat sich aus, mit offnen Augen essen zu dürfen. Da wurden ihm die Schüsseln vorgehalten und in jeder lag eine geladene Pistole. Und der Fürst sagte, er wollte alles zurücklassen, nur das Leben sollten sie ihm schenken. So liessen sie ihn gänzlich auskleiden, gaben ihm einen alten Anzug und liessen ihn laufen; die Dragoner aber wurden gefangen genommen und eingesperrt.

Mehrere Tage ging nun Hans seines Weges, suchte und fand seine Eltern. Doch sie nahmen ihn nicht auf, weil er früher die Pferde verkauft hatte, und weil ihn die Noth zwang, musste er beim Schulzen die Schweine hüten.

Die Prinzessin aber hatte einen schlechten schrecklichen Traum, erzählte ihn morgens dem Könige, ihrem Vater und sagte: »Mit dem Fürsten muss es schlimm stehen.« Sie nahm ein tausend fünf hundert Soldaten, zog selbst mit ihnen mit und fragte von Dorf zu Dorf, wo der Fürst mit den Dragonern marschirt wäre. Sie kamen in den grossen Wald und wurden von einem Unwetter überrascht. Doch die Prinzessin wollte weiter durch den Wald, aber die Offiziere waren einstimmig dagegen. Zuletzt willigte sie ein und es wurde ein Lager aufgeschlagen. Dann suchten sie weiter im Walde und kamen zuletzt an die Waldschenke. In der Stube sah die Prinzessin ein Stück von den seidenen Kleidern des Fürsten, und theilte es sogleich dem Oberbefehlshaber mit. Und der sandte sofort nach der nächsten Stadt um fünfhundert Mann Verstärkung und liess inzwischen die Schenke bewachen. Dann wurde alles durchsucht und noch etliche von den Dragonern am Leben[19] gefunden. Sie wurden befreit und erzählten die ganze Geschichte, und alle Räuber, gegen neunhundert Mann stark, wurden niedergehauen. Und in der Räuberhöhle fanden sich viele Fuder Gold und andere Schätze. Dann wurde weitermarschirt, Dragoner voraus, bis zum Dorfe, wo die Schwiegereltern lebten. Fouriere gingen vor und kamen beim Schweinehirten vorbei. Wie der sie sah, musste er vor Freude weinen, traute sich aber nichts zu sagen, weil er so lumpig angezogen war. Nach den Fourieren rückte auch die Prinzessin mit den Soldaten in's Dorf ein. Die Mannschaften wurden in ihre Quartiere vertheilt und die Prinzessin selbst meldete sich beim Kohlenbrenner und seiner Frau als einquartiert. Die aber waren arme Leute und wollten sie nicht nehmen, weil sie nicht viel zu essen hätten, bloss Sauerkraut und Kartoffeln. Doch die Prinzessin wollte nichts haben, beköstigte selbst alle und blieb im Quartiere. Da frug die Prinzessin die alten Leute: »Habt Ihr keine Kinder? und der Mann sagte: »Wir haben zwei Kinder, aber der eine ist ein Taugenichts und hat mich zeitlebens geärgert; er hat mir auch ein paar Pferde mit dem Wagen verkauft«. Und die Prinzessin fragte: »Wo mag der sein?« und das Mütterchen sprach: »Der hütet die Gemeinde-Schweine«. Da sagte die Prinzessin: »Wenn er ein schöner Mensch ist, kann er einen anderen Dienst kriegen und braucht nicht Schweine zu hüten«.

So wurde ein Bote zum Schweinehirten geschickt, er sollte gleich nach Hause kommen; der kam aber nicht. Da sagte das Mütterchen: Ten šindluder, ten b'źo Wam nasrać a ćić, ten lubej swinje paso! Das Schindluder, der wird Euch was sch ... ssen und kommen, der hütet lieber Schweine.«

Weil er nun nicht kommen wollte, wurde er zwangsweise herbeigeholt; dann kam er. Wie er in die Stube trat, stand auf dem Tische eine Flasche mit Wein und die Prinzessin wollte ihm ein Glas Wein einschenken. Der griff aber gleich nach der Flasche, »kluckerte«73 sie in einem Zuge aus. Da sagte die Mutter: »Nun seht, was für ein grober Kerl das ist!« Die Prinzessin sagte: »Das schadet nichts; ich habe mehr Wein. Geh' mal zur Probe die Stube entlang, ob Du wohl zum Soldaten passt«. Und weil er so stramm durch die Stube marschirte, sagte die Prinzessin: »Das wird ein tüchtiger Soldat. Er soll sich gleich anziehen und Posten stehen.« So ward er eingekleidet und kam auf Doppelposten; der andere Posten aber kriegte einen Schlaftrunk. Wie er nun sah: der Nebenposten war eingeschlafen, kriegte er grosses Verlangen nach der Prinzessin und wollte ihr erzählen, wie es ihm alles ergangen war. Da fielen sich beide aus grosser Freude um den Hals, erzählten sich alles und waren wieder wie früher Mann und Weib. Und ihm wurden Königskleider gebracht und ward herrlicher denn je gekleidet. Und am anderen Morgen früh wurde die Mutter hereingerufen und die Prinzessin fragte: »Hier waren zwei Posten vorm Hause, wo ist der andere geblieben?« Da sagte die Mutter: »Ich habe Euch vorher gesagt, der wird lieber die Schweine hüten« und wie die Mutter den Hans so recht gescholten hatte, sagte er, denn er sass hinter dem Kaffetisch mit der Prinzessin: »Mutter, schimpft nicht, ich bin Euer Sohn«. Da fiel die Mutter auf die Knie und er hob sie auf und es war grosse Freude. Die Eltern aber wollten nicht mitziehen in des Königs Land, und kriegten im Dorfe ein schönes Haus gebaut, und das ganze Dorf wurde so reich beschenkt, dass sie noch heute daran denken können, an den Fürst von der grünen Wiese.

65

Huglaŕ, palaŕ.

66

Mit trockner Kehle.

67

Grade und kräftig gewachsen.

68

Brozny kón.

69

Taraša.

70

Sykanjowy měch.

71

Auch wendisch so.

72

Hokoło walać.

73

Ein alter Wende in Burg, der viel und stets aus der Flasche trank, sagte immer: »Ich mach' mir aus dem Trinken nicht viel, aber das Kluckern hör' ich so gern«. –

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 17-20.
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