11. Wie der arme Schäfer des Kaisers Tochter gewonnen hat.

[118] Also, es war einmal, ich weiss nicht wo, da war ein alter Schäfer, und der hatte einen kleinen Knaben. Doch den hatten sie im Maisfeld gefunden; er hatte weder Vater noch Mutter. Als er so weit herangewachsen war, zog er in die weite Welt. Er dachte bei sich, dass er wohl irgendwo ein Gehöft bekommen könnte. Er machte sich auf und wanderte. Auf seiner Wanderung kam er zu einem König. Der König sagte ihm, er habe ein silbernes Schaf, und wenn er das hütete, dann würde er ihm die jüngste von seinen drei Töchtern, oder welche er liebte, geben. Doch es wurde ausbedungen, dass er das Schaf ein Jahr lang hüten müsste. Der Schäfer sagte, er würde jedenfalls das Schaf hüten, nur sollte er ihm die Tochter geben, die er liebte. Der alte König versprach, dass er sie ihm geben würde. Der Schäfer sagte, er würde das Schaf hüten.

Der König hatte drei silberne Wälder und drei goldene Wälder, und damals hatte jedes Jahr nur einen Tag, und die drei Jahre bestanden aus drei Tagen.

Er hatte einen Esel und eine Flöte; jene Flöte aber hatte die Kraft, dass sogar der Ast tanzte, wenn man sie blies. Doch das wusste der alte König nicht und sandte ihn in den Silberwald.

Im Silberwald war eine Brücke, unter der floss ein Wasser. Sobald er die Brücke überschritten hatte, spie der verwünschte, der zwölfköpfige Drache gleich Feuer über ihn aus. Schon begann das Fell seines Schafpelzes zu glimmen. Sprach der Schäfer bei sich:[118]

»Na, zum Donnerwetter noch eins, gleich wirst du mit mir ausgespielt haben. Ich werde meine Flöte blasen!«

Er zog seine kleine Flöte hervor und blies darauf. Sobald er darauf blies, sagte der zwölfköpfige Drache zu ihm:

»Ich werde schon mit dir fertig werden, du hundsföttischer Schuft. Blas du nur, bis dich der Teufel frisst!«

Doch schon war's so weit, dass die eine Schnurrbarthälfte heruntergebrannt war. Sprach der Schäfer bei sich: »Ich werde schon noch mit dir umspringen, wie's mir beliebt.«

Und er hub an, auf der Flöte zu spielen. Zuerst begann er mit dem langsamen Csardas. Hübsch sachte blies er, doch lange. Doch der Schäfer blies nicht im Ernst, nur zum Spass die Flöte. Da sieht der Schäfer, dass der zwölfköpfige Drache nur so tut, als ob er tanzt. Da nimmt er den zwölfteiligen Csardas vor und bläst, dass der Drache atemlos weiter tanzt.

Sagt der Drache zum Schäfer:

»Du wirst blasen, bis dich der Teufel fortholt oder du müde wirst. Blase nicht weiter auf deiner Flöte!«

Dachte der Schäfer bei sich: Du wirst schon müde werden. Und wenn du gleich dreihundert Köpfe hättest, du wirst doch am Boden liegen!

Er hub an den Szirba1 aufzuspielen. Sagt der Drache zu ihm:

»Blas nur, wenn's dich gelüstet, Schäfer, ich werde schon mit dir fertig werden!«

Der Schäfer aber griff fest zu und blies, ei wie schnell blies er! Plötzlich stürzte der Drache zu Boden. Er sprach zum Schäfer:

»Blase nicht weiter, denn ich gebe dir meine Habe, nur lehre mich Flöte spielen!«

Der Schäfer sagte ihm:[119]

»Du Drache, ich lehre dich Flöte spielen und gebe dir auch meine Flöte; tu nur, was ich sage. Versprichst du mir etwas?«

Der Drache sprach zum Schäfer:

»Ich habe einen Silberwald, darinnen ist ein silbernes Ross, ein silberner Halfter und eine silberne Pfeife.«

»Wenn du mir das gibst, dann lasse ich dich frei.«

»Nun denn, so gebe ich dir auch noch die Silberpfeife, das silberne, kaiserliche Gewand und das silberne Schloss, wo ich wohne, nur lehre mich auf dieser Flöte blasen.«

»Her mit diesen Gütern, Drache!«

Da übergab der Drache ihm wohlgemut den silbernen Schlüssel zum Silberschloss, und wie er ihn übergeben, spricht der Schäfer zu ihm:

»Nun komm mit mir!«

Der Schäfer hatte ein Beil, und er schlug es in eine Buche, die Buche klaffte, und als sie ordentlich auseinander klaffte, sprach er zum Drachen:

»Nun steck deine Tatzen alle beide hinein!« Und der Schäfer sagte: »Hast du sie hineingetan?«

Der Drache sagte; »Ich stecke sie nicht hinein, bis ich probiert habe, wie meine Finger auf die Flöte passen.« Und damit legte er die Tatzen auf die Flöte. Sprach der Schäfer zu ihm:

»Deine Finger sind sehr rund; deine Fingerspitzen müssen abgeplattet werden.«

Unverweilt steckte sie der Drache in jenen Spalt, wo der Schäfer sein Beil eingeschlagen hatte. Drauf sprach der Drache:

»Ziehe dein Beil heraus, du Schäfer, damit meine Finger platt werden.«

Flugs zog der Schäfer das Beil aus der Buche, und da blieb nun der Drache mit seinen eingeklemmten Tatzen. Der Schäfer sprach zu ihm:[120]

»Kannst du von da loskommen?«

Der Drache erwiderte, er könne es auf keine Weise, wenn er ihn nicht freiliesse. Da nahm er sein Beil und hieb ihm alle zwölf Köpfe ab.

Mittlerweile war es schon Abend geworden, und der Schäfer machte sich mit dem Schaf auf den Heimweg.

Der Kaiser sah, wie er frohgemut heimwärts zog. Er dachte bei sich, was wohl der Grund sein könnte, dass der Drache ihn nicht umgebracht hatte. Das Schaf ging immer tanzend auf dem Heimweg, so lange der Schäfer auf dem Esel die Flöte blies. Das Schaf war frohgemut, weil der Schäfer Flöte spielte.

Das sah des Kaisers jüngste Tochter, und sie gewann den Schäfer sehr lieb. Sprach des Kaisers jüngste Tochter:

»Nun Schäfer, bald bist du mein und ich dein; nimm dich nur in Acht, denn morgen schickt dich mein Vater in den goldenen Wald.«

Der Schäfer treibt das Schaf heim, melkt es, und so lange er melkte, stand des Kaisers jüngste Tochter dort neben dem Schäfer. Der Schäfer aber, als er eine Flasche gemolken hatte, bot sie des Kaisers Tochter an. Drauf sprach das Mädchen:

»Ich werde dich für morgen ausrüsten.«

Der Schäfer trug die Milch hinauf. Er sprach zum Kaiser:

»Kaiserliche Majestät, hier ist die Milch, die vom Schaf.«

Die Kaiserin nahm sie dem Schäfer ab und seihte die Schafsmilch. Der Kaiser sprach zum Schäfer:

»Morgen schicke ich dich wo anders hin. Wenn du das besorgst, bleibt nur noch einmal übrig.«

Doch die Köchin tat ihm nur Ei in seinen Proviant. Er dachte bei sich, warum sie ihm nur Ei gegeben. Er dachte, sobald er heimkommt, wird er die Köchin fragen, warum sie ihm nur Ei in seinen Proviant getan.[121]

Drauf machte er sich anderntags auf in den Goldwald, und wie er ging, war dort eine goldene Brücke. Ein goldenes Gewässer floss unter der Brücke. Und der Schäfer dachte bei sich: Wozu ist diese Brücke? Denn bei der silbernen Brücke hatte er nicht nachgeschaut, warum sie dort aufgerichtet war. Als er ans Ende der Brücke gelangt war, erblickte er eine Tafel, und er las darauf: In jenem Walde ist der vierundzwanzigköpfige Drache. Und es stand darauf geschrieben, der brave Mann solle acht geben, dass ihn der vierundzwanzigköpfige Drache nicht verbrenne. Und wirklich, als er die Brücke überschritten hatte, kam auch schon der Drache, der vierundzwanzigköpfige.

Der Schäfer denkt bei sich: Ich werde schon mit dir umspringen, wie's mir beliebt! – Er zog die Flöte vor und begann zu blasen; doch schon brannte auch seine Schnurrbartspitze und zwar tüchtig. Der Schäfer dachte bei sich: Ich werde deinen auch schon verbrennen, komm nur näher! Ich werde dir schon ein Ende machen – dachte der Schäfer in seinem Zorn.

Damit schritt er weiter, und nun brannte sogar auch noch sein Schafpelz.

»Lass das lieber, meinen Schafpelz zu versengen, dann lass ich dich auch.«

Doch der Drache spie nur desto grössere Flammen auf ihn. Da konnte er nicht anders, nahm seine kleine Flöte vor und blies darauf. Der Drache schrie dem Schäfer zu:

»Du wirst die Flöte noch satt bekommen!«

Gab der Schäfer zurück:

»Nur wenn Ihr das Tanzen satt habt!«

Schrie der vierundzwanzigköpfige Drache zurück:

»Du kriegst nicht des Kaisers jüngste Tochter; die nehme ich zur Frau!«

Dachte der Schäfer bei sich: Dein wird sie nicht, davon werde ich dich schon wegpfeifen![122]

Er hub zuerst an, eine Polkamazurka auf seiner Flöte zu blasen. Da sprach der Drache zum Schäfer:

»Blase, denn ich habe jetzt Lust zum Tanz.«

Als der Schäfer vernahm, wie er sagte, dass er jetzt Lust zum Tanz habe, da verlegte er sich auf eine schnelle Polka. Er blies, ei wie er blies, so wild blies er, bis er sah, dass dem Drachen schon die Zunge heraushing. Da sprach der Drache zum Schäfer:

»Du Freund Schäfer, ich sehe, dass du ein geschickter Mann bist, lehre mich doch die Flöte blasen.«

»Ich würde es dich lehren, Freund Drache, doch du hast meinen Schnurrbart und meinen Schafpelz versengt.«

Und drauf sprach der Drache:

»Ich habe ein goldenes Schloss, und darin ist ein goldenes Pferd, und jenes goldene Pferd hat einen goldenen Halfter, an einem goldenen Nagel aufgehängt. Und jenes Pferd hat ein goldenes Horn, und wenn du da hinein bläst, dann rufst du alles Wild in jenem Wald zusammen.«

Drauf ging der Schäfer fort und sprach zum Drachen:

»Ich danke dir für deine Güte. Komm, ich werde dich Flöte blasen lehren. Ich gebe dir meine Flöte, und leg du deine Fingerspitzen drauf.«

Der Drache nahm die Flöte, und auch seine, des Drachen, Finger waren rund. Spricht der Schäfer:

»Ach, ich sehe, deine Finger sind sehr rund; komm, ich platte sie ab.«

»Wie wirst du sie abplatten, Schäfer?«

»Ich werde es dir schon zeigen.«

Damit holte er sein Beil vor, schlug es in eine Buche, klaffte die Buche auseinander.

Er sprach zum vierundzwanzigköpfigen Drachen:

»Wohlan, stecke deine Finger hinein!«

Der Drache steckte sie hinein, und da schloss sich der[123] Baum eng zusammen, mit all seinen Fingern hackte er dort im Baum. Da bat er den Schäfer:

»Du Schäfer, lass mich frei. All meine Habe gebe ich dir, nur lass mich los.«

Da holte der Schäfer sein Beil hervor, das er in den Baum geschlagen hatte, denn er hatte sein Beil heraus gerissen, ergriff es und hieb dem Drachen all seine Köpfe ab, die vierundzwanzig. Nun war auch der goldene Wald sein, denn er hatte den goldenen Schlüssel zum Schloss.

Diesmal war der Schäfer doch sehr müde geworden. Er sagte, länger könnte er es nicht aushalten, er würde heimgehen. Er setzte sich auf den Esel, und das Schaf ging tänzelnd heimwärts. Des Kaisers jüngste Tochter war schon in der Vorhalle, und schon von Weitem sah die jüngste Tochter des Kaisers, dass der Schäfer kam. Doch noch mehr erwartete ihn die Köchin.

Als er heimkam, machte er sich an das Schaf, es zu melken. Da ging des Kaisers jüngste Tochter zu ihm hinunter. Sie eilte hinab und fragte ihn:

»Wie ist's Euch ergangen, Schäfer?«

Der Schäfer sagte ihr: »Gut ist's mir gegangen.«

»Wart nur ein Weilchen; bald wirst du mein!«

Dann begann er das Schaf zu melken. Und wie er anfängt, das Schaf zu melken, gibt er die erste Schale ihr, der Kaisertochter. Sie sagt ihm:

»Morgen schon, übermorgen werde ich dein.«

Darauf spricht die Kaisertochter:

»Hab nur Acht, Schäfer, denn sonst verlierst du deine Ehre, und sie hängen dich auf.«

»Fürchte dich nicht, mein Lieb; denn mich hängen sie nicht.«

Dann trank des Kaisers Tochter die Milch und dankte dem Schäfer. Als sie die Milch getrunken, ging sie hinauf, und dicht hinter ihr kam die Köchin herunter. Doch die[124] Köchin sagte nicht, warum sie gekommen, sondern der Schäfer fragte sie:

»Was ist los?«

Der Schäfer wusste schon, was ihr Begehr war. Er fragte die Köchin, warum sie ihm nur Eier in die Kost gegeben. Sprach die Köchin:

»Darum, weil du mir niemals Fleisch gegeben hast.«

Der Schäfer wusste schon, was die Köchin begehrte. Nachts ging er hinauf zur Köchin und tat sich gütlich mit ihr. Wie er die Köchin nachts zufrieden gestellt hatte, so gab ihm die Köchin wirklich morgens Fleisch in die Kost.

In aller Frühe ging das kaiserliche Fräulein hinunter, sagte zum Schäfer:

»Ach Schäfer, nur noch ein Tag oder ein Jahr, dann bin ich Euer und Ihr seid mein.«

Dann hörte die kaiserliche Tochter den Worten des Schäfers zu. So sprach der Schäfer zur kaiserlichen Tochter, der jüngsten:

»Nun, am heutigen Tage werden Herz und Nieren geprüft werden.«

Und damit machte er sich auf mit dem Esel und mit dem Schaf.

Er war auch noch nicht in den Demantwald gelangt, da spie schon der Drache, der zweiunddreissigköpfige, ein grosses Feuer auf ihn, dass seines Schafpelzes einer Teil schon zu sengen begann. Sprach der Schäfer:

»Senge nicht, mein Freund, denn ich weiss, wer du bist. Ich nehm's mit dir auf.«

Immer näher kam der Drache auf ihn zu; schon war er ihm auf hundert Meilen nahe, sein Schnurrbart begann immer tüchtiger zu brennen. Sprach der Schäfer:

»Du Drache! Wie kannst du es wagen, meinen Schnurrbart abzusengen! Weist du nicht, dass ich nach Herzenslust mit dir umspringen kann, wie's mir gefällt!«

Damit holte er plötzlich seine Flöte vor und hub an zu[125] blasen. Nun wie er anhub zu blasen, sprach der Drache zum Schäfer:

»Du Schäfer! Blase nur, blase nur! Du wirst schon aufhören, ich werde schon mit dir zu Rande kommen.«

Der arme Schäfer blies. Zuerst begann er die schnelle Polka. Er sah schon, dass es mit dem zweiunddreissigköpfigen Drachen zu Ende ging. Da sprach der Drache zum Schäfer:

»Blase, wie's dir beliebt!«

Da hub der Schäfer an, den Briu2 zu spielen. Er blies, so wild blies er, dass dem Drachen die Zungen heraushingen, und wenn er gleich auch zweiunddreissig Köpfe hatte. Wahrlich plötzlich geschah's; er sagte zum Schäfer:

»Du, Freund Schäfer, blase nicht; lieber gebe ich dir diesen Demantwald, nur schenk mir mein Leben!«

Sprach der Schäfer zu ihm:

»Ich lasse dir dein Leben, gib mir nur deine Habe.«

Sprach der Drache zu ihm:

»Ich gebe dir meine Habe, nur lehre mich Flöte spielen.«

Drauf sprach der Schäfer:

»Ich werde dich's lehren; leg nur deine Finger auf meine Flöte!«

Damit gab der Schäfer ihm die Flöte und sprach zu ihm:

»Nun, du zweiunddreissigköpfiger Drache, ich sehe, dass du zwölf Finger hast; doch nicht einer passt auf mein Flötenloch, denn deine Finger sind sehr gross und rund. Ich werde sie schon abplatten, komm nur mit mir.«

Der Drache ging mit ihm, der zweiunddreissigköpfige. Er sprach zum Drachen:

»Weisst du was, Drache? Ich habe ein kurzes Beil, und das schlage ich in den Baum. Der Baum wird sich spalten, und du steckst deine beiden Tatzen hinein, wenn du gleich auch zwölf Finger hast.«[126]

Der Drache folgte dem Schäfer auf Schritt und Tritt. Der Schäfer ging fort; der Schäfer schlug das Beil in eine Eiche. Er sprach zu ihm:

»Wohlan, mein Freund! Bisher warst du ein grosser Herr, doch jetzt wirst du ein noch grösserer werden, wenn du deine beiden Tatzen da hinein steckst, wo es klafft.«

Der zweiunddreissigköpfige Drache freute sich über des Schäfers Worte. Sprach der Drache zum Schäfer:

»Nun, ich stecke sie hinein, nur wenn ich's sage, ziehe das Beil heraus.«

Der Drache steckte alle zwölf Finger in den Baumspalt; dann riss der Schäfer plötzlich das Beil heraus, und dort blieb der zweiunddreissigköpfige Drache eingeklemmt mit seinen Tatzen. Er nahm das Beil und schlug ihm alle zweiunddreissig Köpfe ab.

Doch diesmal hatte sich der Schäfer lange aufgehalten. Es dunkelte, als er sich auf den Heimweg machte. Doch das Fräulein harrte schon seiner in der Vorhalle. Die jüngste Tochter dachte, der Schäfer wäre schon tot, denn sie wusste, dass der zweiunddreissigköpfige Drache sehr stark war. Und jetzt freute sich des Kaisers jüngste Tochter doch in der Vorhalle, als sie schon von weitem sah, dass der Schäfer kam. Sie dachte bei sich, jetzt gehörte der Schäfer ihr an.

Der Schäfer langte auf des Kaisers Hof an. In der Vorhalle stand des Kaisers jüngste Tochter, und es war schon dunkel. Guten Abend wünschte der Schäfer dem Mädchen; das Mädchen dankte herzlich. Sie sprach:

»Nun, Schäfer, du bist mein, und ich bin dein!«

Dann band er den Esel im Stall an; dort übernachtete er bis zum Morgen. Abends aber ging die Köchin fort, rüstete dem Schäfer ein gutes Mahl, dachte, der Schäfer würde auch heute Abend zu ihr kommen. Doch dem Schäfer stand nicht der Sinn nach ihr, nur nach des Königs jüngster Tochter. Denn sie war die schönste und die beste und die behendeste.[127]

Früh morgens stand er auf und ging hinein zum Kaiser, dass er seinen Sold erhalte. Doch der Kaiser sprach zum Schäfer:

»Du, Schäfer, ich habe noch eine Bitte. Wenn du die erfüllst, gebe ich dir ganz gewiss meine jüngste Tochter.«

Spricht der Schäfer zum Kaiser:

»Kaiserliche Majestät, mein Leben, mein Tod steht in deiner Hand! Ich werde es tun; was befiehlst du mir?«

Drauf spricht der Kaiser:

»Ich lasse einen Ranzen machen. Damit hol vom Himmel den Mond, die Sonne und einen Stern herunter! Dann gebe ich dir meine Tochter.«

Der Kaiser liess einen Ranzen machen, gab ihn dem Schäfer, und der Schäfer machte sich mit dem Ranzen auf.

Wie der Schäfer wanderte, wanderte, schon vier Tage war er fort, da traf er einen Menschen, der neben einem Teich stand. Und in dem Teich strömte das Wasser unablässig, und dennoch starb er schier vor Durst. Der Schäfer wünschte ihm guten Tag. Er gab dem Schäfer »Gott grüss dich« zurück.

»Kommst du mit mir? Ich werde dir zu trinken geben.«

Und der Durstige schloss mit dem Schäfer ein Bündnis, und sie zogen fürbass.

Nach einer Woche trafen sie einen Menschen. Am Rande des Weges waren zweiunddreissig Öfen. In diesen zweiunddreissig Öfen buken in jedem Ofen zweiunddreissig Brote; dennoch knabberte der Mensch Brotrinden, dennoch starb er schier vor Hunger neben dem vielen Brot. Spricht der Schäfer zu jenem Menschen:

»Du, Freund, was machst du hier neben dem vielen Brot?«

Spricht jener grosse, essgierige Mensch:

»Schau, mein Freund, schau nur, neben so vielen Backöfen sterbe ich dennoch vor Hunger.«

Spricht der Schäfer zu ihm:

»Komm mit mir; ich werde dir zu essen geben.«[128]

Sie schlossen ein Bündnis, und der Vielesser zog auch mit ihm. Wie der Vielesser mit ihm von dannen zog, da reichte der Vielesser bis an den Himmel, und er fragte den Schäfer:

»Wohin gehst du, mein Freund?«

Spricht der Schäfer: »Ich gehe, die Sonne, den Mond und den Stern vom Himmel herunterzuholen.«

Drauf wanderten sie, wanderten sie. Schon fehlten nur noch vier Tage, dass sie zwei Wochen auf ihrer Wanderung zugebracht hätten. Sie langten auf der Spitze eines grossen Berges an, wo ein Mensch war: zwölf Feuer um ihn herum und mit vierunddreissig Schafpelzen angetan, und dennoch starb er schier vor Frost. Fragt ihn der Schäfer:

»Was fehlt dir, mein Freund?«

»Du siehst's ja, mein Freund. Schau, zwölf Feuer brennen um mich, und so viele Schafpelze habe ich an, und dennoch sterbe ich schier vor Frost.«

Drauf spricht der Schäfer:

»Das sehe ich, mein Freund, dass du vor Frost zitterst. Komm mit mir; ich werde dich schon versorgen.«

Drauf schlössen sie gleich ein Bündnis, und er erzählte, was ihm not tat, und sagte:

»Ich werde schon sehen, ob ihr die Sonne, den Stern und und den Mond herunterholen werdet.«

Die Männer alle drei beteuerten, dass sie ganz gewiss jene drei Wunschdinge herunterholen würden. Damit stiegen sie hinauf auf die Spitze des Berges. Es regnete ein bischen in jener Nacht. Da sprach der Frostige:

»Ach Freund, wie aufgeweicht ist der Morast auf dem Berg! Wir wollen nicht weiter gehen.«

Sprach der Schäfer:

»Warum sollten wir denn nicht weitergehen? Wir müssen diese drei Wunschdinge herunterholen.«

Sie zögerten auch nicht länger, sie machten sich auf und[129] bestiegen des Berges höchste Spitze, und warteten auf den Mond, bis er aufgestiegen war. Und dann langte jener zum Himmel ragende Mensch, der mit den zweiunddreissig Broten, danach und nahm den Mond herunter. Kaum hatte er den Mond heruntergenommen, da stiegen gleich die Sterne auf. Sie nahmen einen Stern herunter und steckten den auch in den Ranzen. Und jetzt warteten sie gleich, bis die Sonne kam, denn der Stern und der Mond waren schon im Ranzen. Kaum war die Sonne aufgegangen, da hatte der zum Himmel ragende Mensch sie auch schon heruntergeholt. Und sie steckten sie in den Ranzen und machten sich auf den Heimweg. Doch der Schäfer trug jene drei Wunschdinge bei sich, und nach drei Wochen langten sie zu Hause an.

Als sie zu Hause beim Kaiser angelangt waren, sprach der Schäfer zum Kaiser:

»Kaiserliche Majestät, mein Leben, mein Tod steht in deiner Hand. Ich brachte die Sonne, den Mond und den Stern.«

Drauf sprach der Kaiser zum Schäfer:

»Geh und lass sie heraus, denn schon drei Wochen sind's, dass meine Leute auf dem Felde nicht arbeiten und nicht sehen.«

Da ging der Schäfer mit dem Ranzen hinaus und band den Ranzen auf und liess die Sonne, den Mond und den Stern heraus. Er trat wieder beim Kaiser ein. Sprach der Schäfer zum Kaiser:

»Ich heische meinen Lohn!«

Aber wiederum entgegnete ihm drauf der Kaiser:

»Ich habe noch eine Forderung an dich, Schäfer. Ich werde noch eins sagen, und wenn du das vollbringst, dann gebe ich dir meine Tochter, die jüngste, die du liebst. Ich habe 330 Stück Ochsen, 330 Stück Pferde, 330 Stück Schafe und 330 Stück Lämmer. Wenn du die heute Nacht schlachtest, Gulasch bereitest und bis zum Morgen aufisst, dann gebe ich dir meine Tochter.«[130]

Da ging der Schäfer fort, und draussen am Tor standen seine drei Kameraden, die er mitgebracht hatte. Er sagte zu jenem Vielesser:

»Du, Freund, da ist eine Menge Vieh zum essen. Schlachte es, und koch dir geschmortes Fleisch, und iss die Unmenge Vieh auch bis morgen früh auf!«

Um Mitternacht trat der König hinaus in die Vorhalle, dem Schäfer das viele Vieh zu übergeben. Doch der Schäfer hatte es schon abends dem Vielesser übergeben. Als der Kaiser um Mitternacht hinausrief, da war das unzählige Vieh schon aufgegessen. Der Schäfer rief zurück, als der Kaiser ihn fragte:

»Wenn's auch noch mal so viel wäre, würde ich's bis morgen früh auch aufessen!«

Denn als der Schäfer jenem Vielesser alles übergeben hatte, da hatte er ihm gesagt, er solle es schlachten und kochen. Doch jener Vielesser hatte dem Schäfer gesagt:

»Du Freund, wozu? Traun, ich esse es mit Haut und Haaren. So wird's bis morgen früh nicht genug sein.«

Anderntags in der Frühe sagte der Kaiser zum Schäfer:

»Ich sehe, du bist ein tüchtiger Mann; das hast du auch vollbracht, doch ich habe noch eine kleine Bitte. Ich habe in meinem Keller, den du gut kennst, neun Millionen Eimer Wein, die verdorben sind. Wenn du die bis morgen früh austrinkst, dann gebe ich dir meine Tochter.«

»Wohlan, kaiserliche Majestät, mein Leben und Tod ist in deiner Hand; auch das werde ich vollbringen.«

Als der Abend nahte, übergab er dem Schäfer den Kellerschlüssel. Der Schäfer jedoch bestellte seinen durstigen Freund zu sich, der aus den zwei Teichen getrunken hatte. Und er sagte ihm:

»Na, mein Freund, hier ist so und so viel Wein. Sieh nur, wie schrecklich viel! Wenn du ihn bis morgen früh austrinkst, hier sind die Kannen, schöpf ihn dahinein aus.«[131]

Sagt der Durstige:

»Was sollen mir die Kannen? Ich zapfe ihn an und trinke ihn hintereinander aus.«

Es war noch nicht Mitternacht, da hatte der Durstige schon die Unmenge Wein ausgetrunken. Um Mitternacht rief schon der Kaiser dem Schäfer zu:

»Ist noch was da?«

Der Schäfer entgegnete dem Kaiser:

»Kaiserliche Majestät, mein Leben und Tod ist in deiner Hand, wenn's auch dreimal so viel wäre, bis morgen früh war's nicht genug.«

Erschrak der König, was das wohl für eine Bewandnis haben könnte. Er dachte bei sich, er würde seine Tochter dennoch nehmen.

Doch der Schäfer ging in jener Nacht fort in das goldene Schloss und rüstete das goldene Pferd. Einen goldenen Sattel legte er ihm auf, und als er den Goldsattel aufgelegt hatte, da trat ein Mann hervor. Er sprach zum Schäfer:

»Nun, mein Freund, du bist Schäfer, des Kaisers jüngste Tochter liebt dich. Doch der Kaiser wird ganz sicher drei Goldäpfel anfertigen lassen, und diese drei Goldäpfel gibt er seinen drei Töchtern. Und er, der Kaiser, rechnet darauf, wem sie sie zuwerfen, wenn er die Kaiser, die Herzöge, Barone und Grafen zusammenberufen hat, wem also des Kaisers Töchter den Apfel zuwerfen, die werden ihre Männer.«

Und die Kaiser versammelten sich alle, und als sie zusammen gekommen waren, wurde ein grosses Fest gegeben, zu dem versammelten sich all die Herzöge und Grafen im Schloss. Und wie sie versammelt waren, da nahmen die drei Mädchen die drei Äpfel, und die zwei älteren Töchter warfen sie zwei Kaisersöhnen zu. Doch die jüngste Tochter konnte ihn durchaus nicht werfen, denn der Schäfer war nicht eingeladen. Sprachen sie zur jüngsten Tochter:[132]

»Warum wirfst du nicht den Apfel zwischen so vielen schönen Jünglingen?«

Entgegnete das Mädchen:

»Der Meine ist nicht hier.«

Sprach der Kaiser:

»Geht, ruft den Schäfer herauf!«

Der Schäfer hatte den Raum noch nicht betreten, da warf ihm das Mädchen schon den Apfel zu. Sprach der Kaiser, ihr Vater:

»Nun, meine Tochter, da du dem Schäfer den Apfel zugeworfen hast, gebe ich dir nichts anderes; so mag der Hühnerstall euer sein.«

Da nahm der Schäfer des Kaisers jüngste Tochter beim Arm und führte sie hinunter in den Hühnerstall. Den Hühnerstall machten sie rein und sassen drin selbander.

Den beiden älteren Mädchen gab ihr Vater ein grosses Fest, doch der Schäfer und seine Frau wurden nicht geladen. Just als die vielen Gäste bei Tisch sassen und schon die vielen Speisen und die vielen Getränke alle auf dem Tisch waren, da sagte der Schäfer zu seiner Frau:

»Du, Frau, uns haben sie nicht eingeladen, dass wir auch essen sollen. Aber siehst du, drum sollen die Hochzeitsgäste auch weder essen noch von jenen Weinen trinken.«

Der Schäfer nahm seine Flöte und ging hinauf in das Festhaus. Neben der Tür blieb er stehen, plötzlich begann er die Flöte zu spielen. Da hub das ganze Volk zu tanzen an. Sie kamen gelaufen, wer das sei, der die Flöte spiele. Als der Schäfer sah, dass alle Speisen, alle Getränke in die Brüche gegangen waren, da lief er plötzlich von dannen. Er sagte zu seiner Frau:

»Siehst du, wir haben nichts von dem Essen gegessen, sie auch nicht.«

Dann lasen die Hochzeitsgäste die in die Brüche gegangenen[133] Sachen auf, und abends verliessen die Hochzeitsgäste das Hochzeitshaus.

Anderntags in der Frühe rüsteten sich die zwei Schwäger, des Kaisers zwei ältere Schwiegersöhne, im Silberwalde zu jagen. Sie rechneten drauf, sie wollten den Schäfer auch einladen, auch auf die Jagd zu gehen. Doch der Schäfer hatte kein Reitpferd, nur einen Esel. Rufen die beiden Schwäger früh morgens beim Schäfer hinein:

»He, Schwager, kommst du nicht jagen?«

»Nun, ihr zwei Schwäger, ich habe kein Pferd, ich reite auf dem Esel.«

Damit legte er den Sattelkopf auf des Esels Rücken, aber auch den legte er verkehrt auf; er nahm sein Gewehr auf die Schulter, doch auch das nahm er verkehrt; er setzte sich auf den Esel; aber er setzte sich auch nicht so, wie es sein muss, er setzte sich ganz verkehrt auf den Sattelkopf. Da lachten die beiden Schwäger laut, was für ein Narr der Schäfer sei. Sie fingen an ihm zu sagen:

»Schwager, heda, wie hast du denn diesen Sattelkopf auf den Esel gelegt, wie hast du dich denn draufgesetzt!«

Da sagte der Schäfer:

»Ach wahrhaftig, ich habe es ganz verkehrt gemacht.«

Und der Schäfer entschloss sich, sprang herunter vom Eselsrücken, band den Sattel los, und befestigte ihn ordentlich auf des Esels Rücken. Dann sass auch er auf, und sie ritten zum Tor hinaus.

Als sie den Silberwald betraten, siehe, da war dort eine Brücke, und das Wasser breitete sich an der silbernen Brücke aus, und ein grosser See war rings um sie. Die beiden Schwäger hatten schon die Brücke überschritten; doch des Schäfers Esel fürchtete sich sehr vor der Brücke, weil sie glänzend war. Da fasste sich der Schäfer ein Herz und zog dem Esel eins über, der Esel aber rannte in den Morast und konnte nicht heraus. Da ging der Schäfer hin und sagte:[134]

»Ach, Schwäger, kommt zurück, helft mir den Esel aus dem Morast ziehen.«

Die beiden Schwäger kehren um, binden die Pferde an den Baum, gehen hin zum Schäfer und helfen ihm aus dem Morast heraus. Dann bindet er den Sattel fest.

Unterdessen war eine Elster aufs jenseitige Ufer des Wassers geflogen, die schoss der Schäfer. Er nahm seine Flinte und schoss die Elster. Verwunderten sich die beiden Schwäger über des Schäfers Narrheit, und dann ging der Schäfer, hob die Elster auf und band sie dem Esel auf den Rücken. Die beiden Schwäger machten sich dran und riefen dem Schäfer, er sollte nicht dieses garstige Tier anbinden, diese Elster, sondern sie wollten Rehe und Hasen schiessen. Doch der Schäfer kam nicht, band nur die Elster dem Esel auf den Rücken. Die beiden Schwäger liessen den Schäfer stehen und ritten fort, in den Wald hinein.

Als der Schwager sah, dass sie schon tief in den Silberwald hineingeritten waren, raffte er sich auf und ging fort in das silberne Schloss. Er öffnete das Silberschloss, holte das Silberpferd heraus und legte das strahlende Gewand an. Dann schwang er sich aufs Ross, ritt in den Wald, stiess in das Horn. Dieses Horn hatte die Kraft, dass alles Wild im Walde sich zu ihm gesellte, wenn es geblasen wurde.

Und mittlerweile waren die zwei Schwäger den ganzen Tag im Wald geritten; doch sie sahen und hörten nichts, nicht mal ein Stück Wild zum Spott. Schon nahte der Abend, und die beiden Schwäger hatten noch nicht ein Stück geschossen; der Schäfer hingegen hatte aus der Menge etwa so fünfzehn geschossen. Die band er auf sein Silberross und ritt in den Wald hin zu den beiden Schwägern, zu sehen, ob sie ihn erkennten.

Wirklich trafen die beiden Schwäger mit dem Schäfer zusammen. Sie verbeugten sich vor ihm, grüssten und dachten, wer weiss was für ein König oder Kaiser in solch golden[135] Gewand gekleidet sei. Sprachen die beiden Schwäger zum Schäfer:

»Erlauchter Herr, verkauft Ihr nicht von diesem Wild?«

Er sagte, er würde alles verkaufen, wenn's sein müsste. Sagten die beiden Schwäger, was er dafür verlange. Der Schäfer verlangte nichts weiter als jene zwei Goldäpfel, die sie von ihren Gemahlinnen erhalten hatten. Und da sagten die beiden Schwäger einer zum andern:

»Na, Schwager, also, sollen wir jene Äpfel weggeben?«

Sprach der eine: »Wir wollen sie geben und sagen, wir hätten sie verloren, wenn danach gefragt wird.«

Damit übergaben sie die zwei Goldäpfel; der Schäfer gab ihnen alles Wild, das er geschossen hatte. Damit verabschiedete sich der Schäfer; doch die beiden Schwäger hatten noch nicht gemerkt, dass das der Schäfer gewesen war. Der Schäfer jedoch sprengte auf einem andern Wege zum Silberschloss, legte das kaiserliche Gewand ab, band das Goldross an, hing die Pfeife an einen Nagel. Dann verschloss er die Tür des Palastes und ging wieder fort zum Esel.

Die beiden Schwäger waren noch nicht dort angelangt; aber bis der Schäfer die Elster festgebunden hatte, waren auch schon die beiden Schwäger angelangt. Sprachen die beiden Schwäger zum Schäfer:

»Ei, Schwager, du bist nicht mit uns gekommen, wir haben so viel schönes Wild erlegt!«

Erwiderte ihnen der Schäfer:

»Ich habe auch geschossen, eine Elster. Schaut, was für ein schöner Vogel!«

Drauf sagten die beiden Schwäger zu ihm:

»Also kommst du nach Hause?«

Erwiderte der Schäfer den beiden Schwägern:

»Reitet ihr voran, ich komme nach.«

Drauf ritten die Schwäger stolz mit dem erlegten Wild heimwärts; der arme Schäfer jedoch trug die Elster. Als die[136] beiden Schwäger mit ihren Rossen beim Tor anlangten, fragte der Kaiser die zwei Schwäger:

»Und hat denn jener Hasenfuss was geschossen?«

Sprach sein ältester Schwiegersohn: »Ja, er hat eine Elster geschossen!«

Da befahl der Kaiser:

»Schliesst die Tore, lasst ihn nicht ein, damit er nicht dieses garstige Tier, dieses stinkige, hier hereinbringe!«

Drauf schlossen sie die Tore zu und liessen den Schäfer nicht ein. Sprach der Schäfer:

»Ich wusste, lieber Vater, dass Ihr sie nicht einlassen würdet, obgleich sie so schön buntscheckig ist! Gefällt denn Euer Majestät dieser schöne, buntscheckige Vogel kein bischen?«

»Während dieser Worte nahm er die Elster vom Rücken des Esels und warf sie fort. Dann befahl der Kaiser:

»Nun, jetzt öffnet das Tor, lasst diesen unglückseligen Kerl ein!«

Drauf öffneten sie das Tor, liessen den Schäfer ein; der Schäfer aber band den Esel an einen Baum. Ging der Schäfer hinein ins Haus, erzählte seiner Frau, dass das, was er geschossen, nicht gefallen habe. Dann bereitete seine Frau das Essen, und bis das Essen fertig war, unterdessen holte der Schäfer die Flöte vor, ging hinaus auf den Misthaufen, wo die Hühner scharrten, und hub an zu flöten, die Hühner aber huben an zu tanzen. Tanzten die Hühner, tanzten, und besonders der Hahn. Die beiden Schwäger sahen auch droben von der Vorhalle her, was für ein Narr der Schwager war; er liess die Hühner tanzen. Der Schwager liess die Hühner tanzen und ging hinein, setzte sich an den Tisch, ass. Er ass sich satt und legte sich dann gleich schlafen.

Anderntags in der Frühe kommen die beiden Schwäger wieder, rufen den Schäfer, sie gingen in den Goldwald jagen. Drauf erhebt sich auch der Schäfer, nimmt die Flinte auf die Schulter; sie ziehen hinaus in den Goldwald. Wie sie ihn[137] betreten, ist dort auch eine Brücke. Die beiden Schwäger ritten voran, der Schäfer ritt ihnen nach. Die Rosse scheuten nicht, aber der Esel scheute so, weil die Brücke sehr glänzend war. Begann der Schäfer den Esel zu misshandeln, weil er nicht über die Brücke gehen wollte. Da geht der Esel zur Seite und läuft in den Teich. Der Arme steckte so drin, dass er weder weiter gehen noch herauskommen konnte. Die beiden Schwäger sahen, in welcher Klemme der Schäfer war; sie kehrten um und halfen ihm aus dem Morast. Da flog eine Lerche auf die Brücke. Raffte sich der Schäfer zusammen, nahm die Flinte von der Schulter, puff, schoss er die Lerche. Er sagte zu den beiden Schwägern:

»Na, wenn ihm das auch nicht gefällt, was sollte ich dann wohl dem Kaiser schiessen!«

Der Schäfer ging hin und hob die Lerche auf, begann sie an den Sattelknopf zu binden. Wie er sie anband, riefen die beiden Schwäger unablässig, er sollte doch in den Wald reiten, doch er sagte, er täte keinen Schritt weiter, denn ihm sei das genug.

Da liessen ihn die beiden Schwäger dort und ritten fort in den Wald; der Schäfer jedoch raffte sich auf, band den Esel an einen Baum und ging in den goldenen Palast. Im goldenen Palast aber war ein Goldross, ein kaiserliches Gewand aus Gold und ein Halfter und eine Pfeife. Legte der Schäfer das Gewand an, steckte die goldene Pfeife in die Tasche, schwang sich auf das goldhaarige Ross und ritt tief in den Wald hinein. Dann stiess er ins Horn und allerlei Wild, was in jenem goldenen Wald war, alles lief zusammen. Da schoss er etwa fünfzehn Stück von ihnen, band sie auf sein silberhaariges Ross und begab sich auf jenen Weg, auf dem die beiden Schwäger jagen gegangen waren.

Die beiden Schwäger waren schier bis zum Abend im Walde herum geritten, aber sie hatten rein zum Spott auch noch nicht ein Stück Wild erblickt. Sie schlugen den Heimweg[138] ein. Wie sie heimwärts reiten, begegnen sie dem Schäfer. Von weitem berieten die zwei Schwäger mit einander, was für ein Kaiser das sein könnte in einem so schönen Gewand.

»Er hat so viel Wild geschossen, und wir haben nicht eins erwischt. Wir wollen versuchen, ob er davon verkauft; wir wollen ihn bitten und etwa vier bis fünf Stück von ihm abkaufen. Geld haben wir ja genug.«

So sprachen die beiden Schwäger. Als sie nahe herangekommen waren, verbeugten sie sich vor ihm und grüssten ihn tief, denn sie dachten, Gott weiss was für ein Kaiser er wäre. Sie sagten ihm:

»Kaiserliche Majestät, unser Leben und Tod steht in Eurer Hand, verkauft Ihr nicht vielleicht ein Stück?«

Sagt der Schäfer:

»Freilich. Wenn's sein muss, gebe ich auch alles.«

Fragten die beiden Schwäger, was er dafür fordere. Erwiderte ihnen der Schäfer:

»Ich habe Geld genug; für Geld gebe ich's nicht, aber ich habe ein Eselshufeisen bei mir; und macht Feuer, glüht es rot und erlaubt mir, wenn es am rötesten, am heissesten glüht, dass ich es auf euern Hintern drücke.«

Die beiden Schwager sahen sich an, sprachen:

»Wir erlauben es, denn wenn der Schäfer schon heimgekehrt ist, hat er doch wenigstens eine Lerche gebracht, wir aber garnichts.«

Der Schäfer zog das Eselshufeisen aus seiner Tasche; die beiden Schwäger machten Feuer, legten die beiden Hufeisen ins Feuer. Als es am tüchtigsten glühte, da sagte der Schäfer, sie sollten die Hosen abstreifen. Der ältere Schwäger streifte seine Hosen ab, der Schäfer aber brannte ihm das Eselshufeisen auf. Da sagte der ältere Schwager zum jüngeren Schwager:

»Halt ein, Schwager, lass es nicht aufdrücken, denn es tut sehr weh.«[139]

Sprach der jüngere Schwager:

»Wenn du's hast geschehen lassen, lass ich's auch geschehen.«

Damit streifte er die Hosen ab, und der Schwager drückte ihm das Hufeisen auf.

Dann übergab er den beiden Schwägern das Wild, verabschiedete sich von ihnen und ritt von dannen. Auf einem anderen Wege kehrte er um, brachte das Goldgewand, das Goldross, den goldenen Halfter und die goldene Pfeife in den goldenen Palast. Er ging zurück zum Esel, und wie er zurückgeht, kommen auch die beiden Schwäger, die Pferde mit Wild beladen. Sagen die beiden Schwäger zum Schäfer:

»Na, du bist nicht jagen gegangen. Wir haben so viele schöne Rehe und Hasen geschossen; wir sind auch ganz matt, so müde sind wir geworden.«

Dachte der Schäfer bei sich:

»Ei, wenn ihr wüsstet, wer mit euch ist, da würdet ihr anders mit mir reden!«

Dann riefen sie den Schäfer nach Hause. Die zwei Schwäger ritten heim, und er setzte sich auch auf den Esel und machte sich auf den Heimweg. Als die beiden Schwäger ins Tor geritten waren, fragt der Kaiser seine beiden älteren Schwiegersöhne:

»Nun, und was hat jener unglückselige Kerl geschossen?«

Erzählen des Kaisers ältere Schwiegersöhne, dass er eine Lerche geschossen hätte. Sagt drauf der Kaiser:

»Lasst ihn ein, schliesst das Tor nicht zu, denn das ist kein garstiger Kram.« Doch auch das sagte der Kaiser nur unwillig.

Rief der Schäfer, er sah, dass der Kaiser sehr zornig war, ob ihm vielleicht das wieder nicht gefalle, was er geschossen. Sagte der Kaiser:

»Nein, fürwahr, mir wahrlich nicht! Mit solchem Kram komm mir nicht!«[140]

Da band er die Lerche vom Rücken des Esels, aber sie war mit festen Stricken angebunden, trug sie hinein zu seiner Frau und sprach:

»Na, während ich die Hühner tanzen lasse, Frau, mache mir diese Lerche zum Nachtmahl zurecht!«

Er holte unterdessen die Flöte vor und ging wieder, die Hühner auf dem Misthaufen wieder tanzen zu lassen. Als die Hühner schon ein tüchtiges Stück getanzt hatten, da ging er hinein, sagte zu seiner Frau:

»Na, Frau, ich habe die Hühner tanzen lassen. Ist das Abendbrot fertig?«

Es war fertig, war auch schon angerichtet. Und wie es aufgetragen war, setzte er sich neben sie und ass. Wie er gegessen hatte, legte er sich gleich hin und schlief bis zum Morgen.

Früh kommen wieder die zwei Schwäger, machen sich wieder auf, im Demantwald zu jagen. Wieder versuchen sie, ob der Schäfer nicht mit ihnen jagen käme. Doch der Schäfer war kühn. Im Nu steht er auf, nimmt sein Gewehr, bindet den Esel vom Baum ab, sitzt auf und macht sich auf, im Demantwalde zu jagen. Im Demantwalde war auch solch eine Brücke wie im goldenen und silbernen. Auch dort rann das Wasser rings um die Brücke, die Brücke strahlte im Wasserspiegel, und der Esel wagte nicht, über die Brücke zu gehen, denn so glänzte die Brücke, dass auch des Menschen Auge davon geblendet wurde. Der arme Schäfer schlug zwar den Esel genug, doch der Esel wollte durchaus nicht über die Brücke gehen. Plötzlich lief der Esel wieder in den Teich, der Schäfer aber schrie aus vollem Halse:

»Kommt her, um Gotteswillen, Schwäger, denn der Esel ist wieder drinnen im Teich!«

Da kamen die beiden Schwäger herbei und halfen den Esel aus dem Teich holen. Noch hatten sie ihn nicht richtig herausgezogen, da flog ein mächtig grosser Geier auf die[141] Brücke. Doch er war fast so gross wie der Esel. Nimmt der Schäfer sein Gewehr, puff, schiesst den Geier. Sagen die beiden Schwäger zu ihm:

»Du kommst doch mit uns in den Wald jagen, nicht wahr?«

»Ich nicht, denn ich hab mein Glück schon frühzeitig erwischt,« entgegnete der Schäfer.

Da machten sich die beiden Schwäger auf den Weg, zogen hinein in den Wald. Der Schäfer aber raffte sich auf, band den jungen Geier dem Esel auf den Rücken. Drauf, er hatte ihn noch nicht ordentlich aufgebunden, raffte er sich auf, ging fort ins Demantschloss, legte das demantene kaiserliche Gewand an. Er nahm das Demantross und steckte die demantene Pfeife in die Tasche und ritt mitten in den Wald hin ein. Er blies in die Demantpfeife; die Demantpfeife aber hatte die Kraft, dass sie auch selbst das kleinste Wild im Demantwalde zusammenrief. Drauf schoss er einige zwanzig Stück davon, legte sie auf sein Demantross, machte sich in der Richtung auf, wohin die zwei Schwäger geritten waren.

Schon ging's zum Abend, als die beiden Schwäger umkehrten. Wie sie umkehrten, erblickten sie ihn schon von weitem. Sagte der eine zum andern:

»Was für ein Kaiser oder König mag das sein in eitel demantenem Kleide? Er hat so viel Wild geschossen und wir auch nicht ein Stück, nicht mal zum Spott eins.«

Sie beschlossen, irgendwie ihn wiederum zu bitten, und sei's auch nur um ein paar, denn der Schäfer hatte einen Geier geschossen, sie aber garnichts. Sie wollten es wieder diesem strahlenden Kaiser abkaufen. Schon von weitem verneigten sich die beiden Schwäger vor dem Schäfer und fragten, wo er so viel Wild geschossen habe. Er sagte, hier im Wald habe er es geschossen. Drauf fragten die beiden Schwäger, ob er nicht davon verkaufen würde. Sagte der[142] Schäfer, gewiss, wenn sie's brauchten, alles. Sie fragten, was er dafür verlange. Er sagte:

»Wenn ihr erlaubt, dass ich euch fünf Haare ausreisse, dann gebe ich euch alles.«

Dachten die beiden Schwäger, das wäre keine so schlimme Sache, das könnte geschehen. Drauf streifte der ältere Schwager seine Hose herunter, der Schäfer aber zog aus seiner Tasche eine Ahle und pikte sie an einer Stelle ein. Sprach der Schäfer:

»Na, ein Haar!« Drauf noch an einer Stelle, dann sagte er: »Zwei Haare!« An der dritten Stelle pikte er auch; doch das war schon nicht mehr zum Aushalten. Spricht der Schwager:

»Reiss nicht mehr aus, lass mich frei, kaiserliche Majestät!«

Doch der Schäfer entgegnete:

»Nur noch zwei Haare müssen ausgerissen werden.«

Dann stach er wieder und sagte: »Vier Haare!«

Sagte der ältere Schwäger, er möge nur gleich auch das fünfte Haar ausreissen, dass es mit einemmal aus sei. Doch das tat sehr bitter weh. Sagte der ältere Schwager zum jüngeren Schwager:

»Erlaub es nicht, Schwager, denn sonst können wir nicht mehr zu Pferde heim!«

Da ging der jüngere Schwager hin; er sagte:

»Wenn du's ausgehalten hast, dann werde ich's auch aushalten.«

Der Schäfer aber machte sich nun auch über den jüngeren her. Auch dem zog er fünf Haare aus. Dann dankten sie dem Kaiser, denn sie hielten ihn für einen Kaiser; es war aber der Schäfer.

Drauf ging der Schäfer fort, eilte schnurstracks auf einem andern Weg zurück und verwahrte das Demantross, das Demantgewand und die Demantpfeife. Als er die Demantpfeife verwahrt hatte, ging der Schäfer gleich zum Esel, band den jungen Geier ordentlich auf den Esel. Während er das Geierjunge[143] dem Esel auf den Rücken band, da kamen auch die beiden Schwäger. Doch zu Fuss, denn sie konnten nicht zu Pferde sitzen. Sie sagten zum Schäfer:

»Na, du bist nicht mit uns jagen gekommen! Wir sind so erschöpft, wir können nicht mehr auf dem Pferd sitzen.«

Dachte der Schäfer: Ei, wenn ihr wüsstet, wer mit euch ist, ihr würdet anders reden!

Drauf raffte sich der Schäfer auf, schwang sich auf des Esels Rücken und sprengte mit dem Esel heim. Als er ans Tor gelangt war, löste er den jungen Geier vom Eselsrücken. Niemand hatte drauf geachtet, und er nagelte den vor dem Tore an. Er nagelte ihn darum an, damit die Pferde der beiden Schwäger scheuen sollten. Der Schäfer ritt mit dem Esel hinein, band den Esel an den Baum und ging ins Haus hinein.

Kommen die beiden Schwäger, die Rosse beladen mit Wild. Als sie fast beim Tor angelangt waren, wollten die Rosse durchaus nicht hineingehen. Sie wussten nicht, was die Ursache sein könnte. Da erblickte der ältere Schwager den angenagelten, jungen Geier. Sie holten ihn vom Tor herunter und warfen den Geier fort. Dann gingen die beiden Schwäger hinein, nahmen das viele Wild herunter und gingen hinauf, erzählten dem Kaiser, dass sie so sehr müde wären.

Der Kaiser aber sorgte sich auch nicht weiter um sie, sagte ihnen nur, sie hätten gewiss grosse Mühe gehabt, bis sie so viel Wild zusammengebracht hätten. Fragt der Kaiser seine beiden älteren Schwiegersöhne:

»Hat denn mein jüngster Schwiegersohn etwas geschossen?«

Sie sagten: »Ja, er hat einen jungen Geier geschossen, den hatte er ans Tor genagelt; unsere Pferde wagten nicht hineinzugehen.«

Fragte der Kaiser:

»Und habt ihr jenes stinkige Tier fortwerfen lassen?«

Sprach der ältere:[144]

»Wir haben es heruntergenommen und fortgeworfen.«

An diesem Abend hatte der Schäfer vergessen, die Hühner tanzen zu lassen. Früh morgens stand er auf; da nahm er die Flöte und ging hinaus; die Hühner waren noch im Stall; er begann zu flöten und liess die Hühner tanzen. Nach einer Stunde machte er mit dem Flöten ein Ende, ging hinein und frühstückte.

Und es geschah just an dem Tage, dass ein guter Freund des Kaisers zum Besuch kam. Und der Kaiser erzählte seinem guten Freund, was für gute Männer er seinen Töchtern gegeben habe, allen dreien. Drauf sagte sein guter Freund, sie sollten jene Äpfel bringen, er möchte sie auch sehen. Er sagt seinem ältesten Schwiegersohn, er sollte die Äpfel holen, die seine Töchter ihnen gegeben hatten. Die beiden Schwäger schauen sich an, und sein ältester Schwiegersohn sagt ihm:

»Lieber Vater, als wir im Wald jagten, haben wir die Äpfel verloren.«

Fragt der Kaiser:

»Habt ihr denn alle beide sie verloren?«

»Ja, alle beide haben wir sie verloren.«

Sagt der Kaiser seinem jüngeren Schwiegersohn, er sollte einen Diener hinunterschicken, ob der Schäfer vielleicht seinen habe.

Sie schickten einen Diener zum Schäfer; der Diener sagte dem Schäfer, er sollte hinaufkommen, denn der Kaiser liesse ihn rufen. Entgegnete der Schäfer:

»Wenn er Lust hat, was zu reden, so möge seine kaiserliche Majestät selbst herunterkommen!«

Geht der Diener hinauf und bestellt dem Kaiser, der Schäfer habe gesagt, wenn er etwas zu besprechen habe, sollte er zu ihm hinunterkommen. Da wurde der Kaiser zornig, schickte auf der Stelle zwei Diener, sie sollten ihn heraufbringen, auch wenn er nicht heraufkommen wollte.

Gingen die beiden Diener hinunter in den Hühnerstall,[145] den Schäfer hinaufzuschleppen. Doch der Schäfer entgegnete, dass sie ihn nicht hinaufbringen könnten, und wenn auch das ganze Heer ausgeschickt würde. Da wollten sie den Schäfer greifen, der Schäfer aber nahm die Flöte und begann zu blasen, und die beiden Diener begannen zu tanzen, sie konnten nicht anders.

Plötzlich rafft sich der Kaiser auf und geht hinunter, was der Grund sei, dass die beiden Diener nicht kommen. Als der Kaiser unten anlangte, hatte er schon so viel geblasen, dass die beiden Diener umgefallen, waren. Wie der Kaiser hinein kam, hielt er mit flöten inne, blies nicht weiter. Fragt der Kaiser:

»Hat mein Schwiegersohn wohl den goldenen Apfel?«

Erwiderte der Schäfer, da er selbst gekommen wäre, hätte er auch geglaubt, dass er so was (nämlich den Goldapfel) brauche. Drauf steckte er alle drei Äpfel in die Tasche. Der Kaiser ging das Treppchen voran und er hinter ihm. Als sie oben im Schloss angelangt waren, sagte sein guter Freund:

»Lass sehen, mein Sohn, was das für ein Apfel ist.«

Sagt er, der Apfel sei so, dass er sich um zwei vermehrt habe. Drauf fragt er, wie sich diese Äpfel vermehrt hätten. Sagt drauf der Schäfer:

»Als wir im Silberwald jagen gingen, am ersten Tag, da, kauften diese meine beiden Schwäger erlegtes Wild von mir für die zwei Goldäpfel.«

Nun erschraken alle beiden Schwäger ob seiner Rede. Doch er wollte nicht schweigen, sondern fuhr fort. Er sprach:

»Am andern Tag, als wir im Goldwald jagten, da kauften sie Wild von mir mit diesem Eselshufeisen.« Und er zog das Eselshufeisen aus der Tasche.

Als er das Eselshufeisen aus der Tasche gezogen hatte, sagte er:

»Die beiden Schwäger hielten es ins Feuer und liessen es rotglühend werden. Als es am glühendsten war, da streiften[146] sie die Hosen ab, und ich drückte dieses Eselshufeisen auf ihren Hintern. Wenn Ihr's nicht glaubt, so lasst sie sich ausziehen und legt dieses Eselshufeisen auf. Wenn's nicht passt, dann erlaube ich, dass man mir fünf aufbrennt.«

Da blickten sich die beiden Schwäger in die Augen, liefen nur herunter aus des Kaisers Schloss; ihre Frauen aber rafften gleich Geld zusammen, und sie entflohen, Gott weiss wohin. Doch wohin sie geflohen sind, das konnte bis auf den heutigen Tag nicht entdeckt werden.

Der Schäfer aber fuhr mit der Erzählung fort:

»Am dritten Tag, als wir im Demantwald jagten, da kauften sie auch Wild von mir, aber ich zog dem einen und dem andern fünf Haare aus. Aber auf welche Weise, das werde ich gleich zeigen.«

Drauf holte er die Ahle aus der Tasche hervor und sagte zum Kaiser:

»Guck, Vater, mit dieser Ahle habe ich sie an fünf Stellen gestochen. Wegen dieser Ahle konnten sie nicht zu Pferde sitzen.«

Da sagte sein Vater zum Schäfer:

»Ich sehe, du bist ein geschickter Mann, Schäfer; ich habe dich auf alle Weise erprobt. Mein Reich soll dein sein, mir aber gib das, wo du wohnst, den Hühnerstall.«

Da nahm der Schäfer Urlaub vom Kaiser; er sprach zum Kaiser:

»Ich brauche dein Vermögen nicht, ich habe,« sagte der Schäfer, »mehr als du, mein Vater.«

Drauf ging er hinaus, band den Esel vom Baum, ritt fort in den Demantwald, trat in das Demantschloss, führte das Demantross heraus, legte das Demantkleid an, den Esel aber liess er dort, und er setzte sich auf das Demantross und ritt in den Goldwald. Im Goldwald ging er auch in das goldene Schloss, holte auch von da das Goldross heraus, für seine Frau aber ein goldenes Gewand. Dann setzte er sich[147] wieder auf das Demantross, neben sich aber führte er das Goldross und ritt hin zum Kaiser. Und wie er hinkam, da sagte er gleich:

»Gott befohlen, guter Kaiser, lieber Vater, Gott befohlen! Deine Tochter führe ich jetzt fort; lebe glücklich!«

Drauf legte er seiner Frau das goldene Gewand an, er aber setzte sich auf das Demantross, seine Frau auf das Goldross, sie nahmen Abschied vom Kaiser, ritten fort in das demantene Schloss, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie dort glücklich noch bis zum heutigen Tage.

1

ein walachischer Tanz.

2

ein walachischer Tanz.

Quelle:
Róna-Sklarek, Elisabet: Ungarische Volksmärchen. Neue Folge. Leipzig: Dieterich 1909, S. 118-148.
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