Die Entstehung des Llyn sa faddan oder Breknock-Sees.

[167] Es war einmal eine schöne und vornehme Frau. Der gehörte alles Land, welches heutzutage von dem Waßer des Brecknocksees bedeckt wird. Diese Frau, so reich und stolz, ward von einem jungen Manne geliebt, der wenig oder gar kein Gut besaß. Da er aber ihren Besitz nur durch Gold erlangen konnte, so war sein ganzes Sinnen und Trachten fortan nur darauf gerichtet, wie er solches erwerben möchte. Da traf nun einmal dieser junge Mann nicht weit von der Stelle, wo jetzt der See ist, einen Kärrner, den er beraubte, erschlug und vergrub. Dann gieng er zu der reichen Frau und wollte sie heirathen. Die aber wollte wißen, woher er das Geld habe, so daß er ihr die Geschichte endlich erzählte. Da sie nun aber mittlerweile auch vernahm, daß es an dem Orte, wo der Mann begraben liege, spuke; so wollte sie ihren Liebhaber nicht eher heirathen, als bis dieser in der Nacht an das Grab gienge und den Geist beruhigte. Als er nun um die Mitternacht an das Grab gieng, da hörte er eine Stimme laut rufen: »Gibt es keine[167] Rache für unschuldig vergoßnes Blut?« Worauf eine andre Stimme antwortete: »Nicht vor dem neunten Geschlecht!«

Darauf gieng der Liebhaber beruhigt nach Haus und auch seine Geliebte war damit zufrieden, da sie selber doch verschont bleiben würden. Sie heiratheten sich nun und wurden immer reicher. Kinder und Kindeskinder kamen, heiratheten immer untereinander und blieben alle in derselben Stadt, so daß zuletzt die beiden steinalten Leute die ganze Bevölkerung der Stadt als ihre eigenen Nachkommen bis ins neunte Geschlecht sahen.

Da sprachen sie: »wir sind vornehm, reich und mächtig, unser Stamm ist sehr zahlreich und die Rache, die dem neunten Geschlecht angedroht ist, haben wir nicht gesehn. Aber da wir schon so sehr alt sind, so können wir doch nicht mehr darauf rechnen, noch lange zu leben. Wir haben nach Herzenswunsch gelebt und genoßen, was das Leben bietet. Also wollen wir noch einmal vor unsrem Tode alle unsre Nachkommen, Kinder und Kindeskinder einladen, und ihnen ein großes und glänzendes Fest geben, um mit ihnen zum letzten Male fröhlich zu sein.«

Und so geschah denn. Alle Pracht und aller Aufwand wurden aufgeboten, um das Fest recht herrlich zu machen. Aber mitten in ihrer Lust brach ein Erdbeben aus, der Boden that sich auf, verschlang sie zusammen mit ihrer Stadt und Waßer bedeckte Alles, was da gewesen. Und das ist geschehn, wo jetzt der Brecknock-See liegt.[168]

Wegen dieses Ursprungs will auch der Fluß Llewenny, welcher hindurchfließt, seine gelben Wellen nicht mit dem Waßer des Sees vermischen.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 167-169.
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