I.

[170] In einer Wiese am See Cwellyn versammelten[170] sich – wie man erzählte – in schönen stillen Mondnächten die Feen, um daselbst zu tanzen. Eines Abends nun versteckte sich ein junger Mann, der Besitzer der Farm, zu welcher die Feenwiese gehörte, in einem Gebüsch dicht bei dem Orte, wo die Feen tanzen sollten. Und wirklich – mit dem Mond erschienen sie, als er, während sie sich mit Tanz und Gesang vergnügten, aus seinem Versteck hervorbrach und eine von ihnen festhielt, liefen die Andren sogleich fort und verschwanden. Ohne auf ihr Jammern und Weinen zu hören, nahm er sie mit sich nach Haus und behandelte sie so freundlich, daß sie's zufrieden war, als seine Magd bei ihm zu bleiben. Aber er konnte sie nicht dazu bewegen, ihm ihren Namen zu nennen. Einige Zeit nachher, da es sich wieder so traf, daß er die Feen auf seiner Wiese sah, hörte er eine von ihnen sagen: »Als wir zuletzt hier waren, da ward uns unsre Schwester Penelope von einem Sterblichen geraubt!«

Erfreut, daß er nun den Namen seiner Unbekannten wiße, kehrte er heim, und da sie sehr schön und äußerst fleißig war, so machte er ihr den Antrag,[171] sie zu heirathen, was sie jedoch eine lange Zeit ausschlug. Endlich jedoch willigte sie unter der Bedingung ein: »daß wenn er sie je mit Eisen berührte, sie ihn verlaßen und nie zu ihm zurückkehren würde!«

Viele Jahre lebten sie glücklich zusammen und er hatte von ihr einen Sohn und eine Tochter. Durch ihre thätige und weise Führung des Haushalts wurde er einer der reichsten Männer des Landes; zu seinem Gut erwarb er noch allen Boden bis an die Nordseite des Nant y Bettwys und vom Gipfel des Snowdon herab bis zum Llyn Berris: eine Fläche von ungefähr 5000 Aeckern oder mehr.

Da folgte Penelope eines Tages ihrem Manne ins Feld, um ein Pferd einzufangen; und er, in Wuth über das Thier, das ihm unter den Händen entwischte, warf den Zügel nach ihm und dieser fiel unglücklicherweise auf die arme Penelope. Sogleich verschwand sie und er sah sie nie wieder. Aber einst in der Nacht hörte er ihre Stimme durchs Kammerfenster folgende Worte singen, süß und klagend, als habe sie nach ihren Kindern, für deren Wol sie so besorgt war, die tiefste Sehnsucht:


Daß warm mein Herzenssöhnchen ruh',

Deck' ihn mit Vaters Mantel zu;

Daß es nicht frier' mein Töchterlein,

Hüll' es in's Kleid der Mutter ein.


Diese Kinder und ihre Nachkommen hießen »Pellings,« welchen Namen man von Penelope ableitet; und es lebt noch jetzt in der Gegend des Snowdon[172] eine reiche und ehrenwerthe Familie, welche von diesen Pellings abstammen soll.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 170-173.
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