Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[468] »Don Giovanni« verbesserte die äußere Lage seines Schöpfers so wenig wie »Figaro«. Im Gegenteil, die im Juni und Juli 1788 an Puchberg geschriebenen Briefe zeigen zur Genüge, daß es finanziell mehr und mehr mit ihm bergab ging1. Auch die Kompositionen weisen, so bedeutend sie zum Teil sind, das alte Bild auf: sie sind fast alle für den Unterricht oder sonstige äußere Anlässe geschrieben. Selbst die drei großen Sinfonien, die in drei Monaten des Sommers 1788 entstanden, waren für Subskriptionskonzerte bestimmt, die ursprünglich im Juni stattfinden sollten, dann aber immer weiter hinausgeschoben wurden und schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nicht zustandegekommen sind2. Es entstanden in der Zeit von der ersten Aufführung des »Don Giovanni« bis zu dem Antritt der Reise nach Norddeutschland außer den bereits erwähnten3 noch folgende Werke: drei Sinfonien in Es-Dur, g-Moll und C-Dur (26. Juni, 25. Juli, 10. August, K.-V. 543, 550, 551, S. VIII. 39–41), das Divertimento für Violine, Viola und Violoncello in Es-Dur (27. September, K.-V. 563, S. XV. 4), drei Trios (»Terzette«) für Klavier, Violine und Violoncello in E-, C- und G-Dur (22. Juni, 14. Juli und 27. Oktober, K.-V. 542, 548, 564, S. XVII. 9–11), das Adagio und die Bearbeitung der c-Moll-Fuge für zwei Klaviere für Streichquartett (26. Juni, K.-V. 5464, S. XIV. 27), eine Klaviersonate in C-Dur (um dieselbe Zeit, K.-V. 545, S. XX. 15), und eine Violinsonate in F-Dur (10. Juli, K.-V. 547, S. XVIII. 43) beide »für Anfänger«, eine Klaviersonate in B-Dur (Februar 1789, K.-V. 570, S. XX. 16), die Canzonetta a 2 Soprani e Basso »Più non si trovano« mit Begleitung von drei Bassetthörnern (16. Juli, K.-V. 549, S. VI. 41), die Arie »Un bacio di mano« in Anfossis »Gelosie fortunate« (Mai 1788 für Albertarelli, K.-V. 541, S. VI. 40), die deutsche Arie (verloren) »Ohne Zwang aus eignem Triebe« (K.-V. 569) und endlich ein gleichfalls verlorenes Lied »Beim Auszug ins Feld« (11. August 1788, K.-V. 552)5.[469]

Für den, der in den Kunstwerken großer Meister lediglich den Niederschlag äußerer Lebensschicksale erblickt, muß die Es-Dur-Sinfonie mit ihrer gesunden, sich bis zum Übermut steigernden Daseinsfreude geradezu ein Rätsel sein, denn sie ist zwischen den beiden verzweifeltsten Briefen an Puchberg entstanden6. Wir sehen hier ganz deutlich, wie wenig die Welt der Phantasie, die Mozarts eigentliche Welt war, mit der Sphäre des Alltags und seinen Sorgen zu schaffen hatte. Es kam ihm nicht in den Sinn, die Not seines äußeren Lebens »in Musik zu setzen« und, wie der beliebte Ausdruck lautet, »sich von der Seele zu schreiben«. Auch die g-Moll-Sinfonie hat damit nichts zu tun: die dunkeln Kräfte, die da am Werke sind, entstammen einer ganz anderen, höheren Wirklichkeit als der des Alltags, und haben sein Inneres weit tiefer erschüttert, als jene.

Es ist schon oft bemerkt worden, daß sich die Es-Dur-Sinfonie nach ihrer formalen Struktur und, besonders im Finale, auch ihrem Geiste nach am meisten von den dreien mit J. Haydn berührt. Dabei darf indessen nicht die wichtigere Tatsache vergessen werden, daß das Werk bei aller Verwandtschaft die Eigenart Mozarts ganz unmißverständlich zum Ausdruck bringt, ja, daß der Prozeß der Annäherung an Haydn, der 1782 begonnen hatte, hier, soweit die Sinfonie in Frage kommt, zur vollen geistigen Selbständigkeit Mozarts geführt hat. Und zwar ist es der Mozart des »Don Giovanni«, der hier zu uns spricht, wie es in der vorhergehenden D-Dur-Sinfonie der des »Figaro« gewesen war. Die Tonart Es-Dur entfaltet gleich zu Beginn, unterstützt von dem auch anderen Mozartschen Es-Dur-Stücken eigentümlichen, straff punktierten Rhythmus, die ganze dunkle Pracht, die für sie nach italienischem Vorbild bei Mozart charakteristisch ist. Dieses hochgestimmte, schwere Pathos7 hält das ganze Adagio fest und steigert es in seinem Verlauf bis ins Finstere und Unheimliche; dazwischen hinein mischen sich nach Mozarts Art kurze Augenblicke des Bangens und Zagens, die die ungewöhnliche Erscheinung im Menschenherzen hervorruft. Das sind zugleich die einzigen Stellen einer kantableren Melodik (auf eine ausgebildete Kantilene im Sinne früherer Einleitungen hat Mozart hier verzichtet); beide gemahnen zugleich deutlich an die Sphäre des »Don Giovanni« (T. 7–9 und 22 bis Schluß). Im übrigen bilden das einigende melodische Band die großen, schon auf Beethoven vorausweisenden Skalenmotive, die sich schließlich in der Gegenbewegung der Bässe zu wildem Trotz aufbäumen. Die eigentlichen Träger des Pathos in diesem Stücke sind aber Harmonik und Rhythmik. Jene strebt in energischem Stufenschritt des Basses auf den Dominantorgelpunkt los, kostet diesen mit echt Mozartschen, ineinandergleitenden Vorhaltsharmonien voll aus und wendet sich dann nochmals über die Tonika nach der Unterdominante, wobei[470] der Weg abermals über schneidende Vorhaltsdissonanzen führt, um schließlich in jener unsäglich müden und resignierten Schlußpartie die Haupttonart wieder zu erreichen. Sie trägt den untrüglichen Stempel des Schöpfers des »Don Giovanni«. Fällt sie doch unmittelbar mit einem jähen Umschlag auch des Rhythmus zusammen. Denn dessen feierlich punktierter Gang hatte sich beim Eintritt des Orgelpunktes zu der energischen Form Die Zeit der drei grossen Sinfonien verschärft und mit ihr gleichsam das ganze innere Leben des Satzes an sich gezogen – eine der mächtigsten rhythmischen Wirkungen in Mozarts Instrumentalmusik. Nachdem er jedoch die Erregung bis auf den Ausbruch des 21. Taktes hinaufgetrieben hat, bricht er jäh ab und verstärkt so auf seine Art den tiefen Pessimismus, der das stolze Stück beschließt.

Der ungewöhnlichen Vorbereitung entspricht die Lösung im Allegro. Der wesentlich streng instrumentalen Einleitung folgt ein ganz auffallend gesangsmäßig gehaltenes Allegrothema, als sei die Annäherung an den Gesang das einzige Mittel, aus der drückenden Stimmung des Vorhergehenden herauszukommen. So hat Mozart das ihm von Jugend auf8 vertraute »singende Allegro« hier besonders poetisch angewandt. Nicht als ob es ganz unvorbereitet käme: sein Beginn ist schon in dem Flötenmotiv (T. 9 ff.) und besonders dem schattenhaften Motiv:


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in T. 22 deutlich vorgebildet. Aber neu ist die Schärfe, mit der der Gesangscharakter des Themas betont, und die poetische Art, mit der es eingeführt wird. Die Melodie ist zunächst alles, die Harmonie wird nur ganz leicht angedeutet9. Ein besonders genialer und zugleich echt romantischer Einfall war es, dem Anfangsmotiv gleich seinen Nachhall in den Hörnern und dann in den Fagotten folgen und auch noch in die Fortsetzung des Themas hineinklingen zu lassen – ein solcher Allegrobeginn war damals bei keinem Sinfoniker, auch bei Haydn nicht, zu hören. Schon dieser romantische Anfang verbindet den Satz geistig mit dem Adagio, aber auch seinem ganzen Ausdruck nach ist das Thema alles eher als naiv heiter nach Haydns Art, sondern sentimentalisch im Schillerschen Sinne, der Träger einer aus übervollem Herzen quellenden Sehnsucht. Vollendet ist auch seine Gliederung: die von den Bläsern mit solcher Emphase festgehaltene Quinte b liegt genau in der Mitte der melodischen Linie, das erste Glied erhebt sich schwärmerisch bis zu dem g'' und sinkt dann in der weiblichen[471] Klausel zur Terz des Dominantakkords herab, das zweite erreicht jene Quinte von oben statt von unten und antwortet weiterhin mit der von unten her eingeführten weiblichen Terzklausel des tonalen Dreiklangs, eine Korresponsion, die bei Mozart häufig vorkommt. Der zweite Teil der Periode greift den Rhythmus des Schlußgliedes Die Zeit der drei grossen Sinfonien auf und steigert auf Grund dessen den Ausdruck melodisch, harmonisch und instrumental; zugleich wird das zweite Glied um einen Takt verkürzt. Die variierende Wiederholung des Themas ist gleichfalls außergewöhnlich: da beginnen plötzlich die Bässe jenen sehnsüchtigen Gesang anzustimmen, während der Nachhall nunmehr in Klarinetten und Flöten erfolgt! In der neuen, mit Chromatik reichlich durchsetzten Gegenmelodie der Geigen aber kommt die dem Hauptthema innewohnende elegische Stimmung unverhüllt zum Ausdruck; auch jetzt hat der Abschluß etwas Resigniertes und Fragendes. Da setzt das Haydnsche Tutti ein und nimmt die heroischen Töne der Einleitung auf; sogar die Geigenskalen erscheinen wieder. Vor allem aber wird die geschilderte Charakteristik der Tonart Es-Dur wieder scharf betont10. Mit unwirschem Pathos, nicht ohne einen Anklang an den lärmenden Festton der damaligen Zeit, zu dem besonders die Trommelbässe und die breit ausladenden Motive der Violinen beitragen, stürmt diese Partie daher, nachdrücklich in Es-Dur abschließend. Die folgende Übergangsgruppe wird von dem Skalenmotiv beherrscht, zu dem die Bläser ihre Akkorde in einem dem oben genannten verwandten Rhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien erklingen lassen. Sehr scharf, mit der für die Fortestellen des Satzes bezeichnenden Dreiklangsmelodik wird sodann die F-Dur-Harmonie betont. Nach den unisonen Schlußtakten:


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hätte der frühere Mozart wohl das Seitenthema eintreten lassen. Hier aber sind ihm diese Schlußtakte so wichtig, daß er mit ihnen und dem oben erwähnten Bläserrhythmus das ganze Quintenintervall von f'' bis b' herabsteigt und mit einem energischen Sforzato auf b' abschließt. Die punktierte Halbe bildet aber nicht nur den Schluß des Vorhergehenden, sondern zugleich einen »Vorhang« des Folgenden. Dieses Seitenthema greift in natürlicher Reaktion wieder auf den Stimmungskreis des Hauptthemas zurück, nur ist der elegische Grundton zarter und intimer geworden. In dem Orgelpunkt wirkt zunächst noch die vorhergehende Erregung nach; darüber entfaltet sich das konzertierende Spiel der Geigen und Bläser mit seiner zarten, halb verschwiegenen Wehmut. Auch hier ist die Metrik besonders[472] fesselnd. Denn die der zweiten Bläserantwort folgenden vier reinen Bläsertakte sind in eigentümlicher Weise sowohl mit dem Vorhergehenden als mit dem Folgenden verbunden11, das einen alten Mozartschen Lieblingsgedanken wiederbringt12. Das ganze Seitenthema aber steht wie in einem besonderen Rahmen innerhalb des Ganzen, denn mit seiner Schlußnote stellt sich auch sofort der alte streitbare Ton wieder ein, der sich sogar früherer Motive bedient und die Themengruppe mit der oben angeführten Übergangspartie abschließt13.

Die Durchführung, die bei weitem kürzeste der drei Sinfonien, ist zwar streng thematisch, geht aber mehr auf ein Aneinanderreihen der bisherigen Gegensätze auf engerem Raume als auf ein tieferes Ausschöpfen ihres Gefühlsgehaltes aus. Gleich der Beginn ist typisch dafür. Er läßt zunächst jenes Übergangsthema kleinlaut in g-Moll nachhallen und sich dann ganz unvermittelt auf dem unerwarteten Sekundakkord von As-Dur in erschreckendem Trotze emporrecken. Ebenso unverhofft, als wäre nichts geschehen, schaukelt sodann der schwärmerische Nachsatz des Seitenthemas heran, und zwar, von der Tonart As-Dur abgesehen, in seiner Urform, nur seine Schlußphrase treibt mit ihrer gefühlsschwelgerischen Fortspinnung schließlich nach c-Moll hinein, und kaum ist dies erreicht, da fährt plötzlich jenes unwirsche Übergangsthema wieder dazwischen, und zwar im konzertierenden Wechselspiel zweier Orchester über einem Streichertremolo (Bässe, Blechbläser und Pauke gegen erste Geigen und Holzbläser). Seine Melodik strebt, wie in der Themengruppe, stufenweise nach abwärts und weist dabei in ihrer Linienführung auf den Schluß des vorhergehenden Seitenthemas hin (vgl. in den Flöten as''' as''' g''' g''' f''' f''' fis''' g'''). Aber auch dieses Motiv behält seine Urgestalt und wird nicht etwa zerlegt. Das wichtigste ist sein unerwartetes Eintreten und die endgültige Wendung nach c-Moll, die es bringt. Der streitbare Trotz, der dieser Tonart bei Mozart stets zu eigen ist, tritt deutlich hervor, er steigert sich in der folgenden, gleichfalls der Themengruppe entstammenden Partie geradewegs ins Dämonische, namentlich dadurch, daß er den Wechsel zwischen tonaler und Dominantharmonie plötzlich durch Unterdominantklänge (sogar mit der erniedrigten zweiten Stufe) unterbricht – der frühere Mozart hätte sich da wahrscheinlich mit einem lärmenden Halbschluß auf der Dominante von c-Moll begnügt und dann gleich die Reprise folgen lassen. Der reife dagegen hat dem Schluß der Durchführung denselben persönlichen Stempel aufgedrückt wie dem Anfang. Mit der für den ganzen Satz[473] bezeichnenden elementaren Plötzlichkeit bricht er das schwere Pathos der c-Moll-Partie durch eine Generalpause jählings ab, drei Takte der Holzbläser auf ineinandergleitenden Septakkordharmonien mit herben Nonenvorhalten14 – und wir stehen vor der Reprise. Die Einführung des Hauptthemas erfolgt also genau wie zu Anfang aus dem Adagio heraus durch eine gewaltige Steigerung, die noch im letzten Augenblick plötzlich in ihr Gegenteil umschlägt, und typisch mozartisch ist beide Male die vielsagende Kürze dieser Übergangspartie. Die Reprise verläuft, von kleineren Varianten abgesehen, weit regelmäßiger als in den beiden folgenden Werken, und auch die knappe Coda, die abermals auf jene Skalengänge zurückgreift, dient nur der Bekräftigung der heroischen Seite des Satzes, die hier durch das Hervortreten der Blechbläser und Pauke einen besonders festlichen Glanz erhält.

Man hat die Sinfonie auf Grund dieses Satzes schon Mozarts Eroica genannt15. Allein abgesehen davon, daß dieser Titel die Durchführung eines Konfliktes voraussetzt, halten die sinnenden und elegischen Züge den heroischen doch die Waage, und vor allem ist für den Satz der schroffe Wechsel der Kontraste charakteristisch. Es gibt hier keinen regelmäßigen Gefühlsverlauf mit Übergängen, sondern nur impulsive Stimmungsumschläge, und deshalb könnte man das Werk mit weit größerem Recht Mozarts romantische Sinfonie nennen.

Das wird auch durch das Andante bestätigt. Es besteht aus zwei großen Teilen, denen dieselben drei Themenkomplexe zugrundeliegen; den Schluß bildet eine Coda mit dem Hauptthema. Dieses behauptet auch sonst insofern den Vorrang, als sich seine Hauptmotive auch in die übrigen Themen einschleichen und so dem Ganzen eine straffere Einheitlichkeit verleihen. Romantisch ist daran aber gleich der ganz ausgesprochene As-Dur-Klang mit seinem verträumten Wesen. Es knüpft mit seinem Marschrhythmus an Haydnsche, überhaupt an österreichische Muster an, ist aber doch von Anfang an weit zarter und intimer als sie. Der ganze Satz neigt überhaupt stark zur Kammermusik, und namentlich die Holzbläsergruppe ist mit einer wahrhaft klassischen Feinheit und Durchsichtigkeit behandelt. Charakteristisch ist für das Hauptthema das Fehlen aller empfindsamen Vorhalte in der Melodik; selbst die weiblichen Schlüsse des vierten und achten Taktes vermeiden die sonst hier üblichen schweren Vorhaltsharmonien und kadenzieren innerhalb der Stammakkorde. Das zweite Merkmal ist das starke Hervortreten der Kantilene und die Beschränkung der stützenden Harmonie auf das Allernotwendigste, die wir schon bei dem Hauptgedanken des Allegros fanden. Beides zusammen verleiht diesem Gebilde etwas Naiv-Rührendes und doch zugleich Vergeistigtes. So hat gleich nach dem frommen[474] plagalen Anfang der Aufstieg der ersten Geige mit dem Schluß über der allein durch hohe Celli statt der Bässe gestützten, abermals plagal gefärbten Harmonie etwas Ätherisches, Verklärtes. Der Mittelsatz des Hauptthemas kombiniert über dem in den Bratschen leise hämmernden Orgelpunkt auf es' in genialer Weise die beiden Grundmotive der ersten Satzglieder miteinander. In dem Aufsteigen der Bässe liegt eine leise Spannung, aber sie findet in der schönen punktierten Kantilene der ersten Geige eine Lösung im Sinne zarten Glücksgefühls. Nun folgt die Wiederholung des Anfangs, aber in seinem zweiten Teil stellt sich plötzlich, ein letzter Nachhall des alten beliebten Wechsels zwischen Dur und Moll und zugleich ein Vorklang Schuberts, das trübe as-Moll ein, das freilich gleich darauf durch einen Aufschwung von wundervoller Schwärmerei wieder gebannt wird.

Wiederum taucht ein Übergangsmotiv von lakonischer Kürze in den Bläsern auf, das man zunächst nur als Verbindungsglied empfindet, bis es sich später als der dritte Hauptgedanke des Satzes herausstellt. Zunächst bringt freilich das zweite Thema in f-Moll einen Ausbruch desselben leidenschaftlichen Wesens, dem wir schon im ersten Satze begegneten, aber noch durch echt Mozartsche Mittel, wie Schleifermotive und Synkopenbegleitung, verschärft. Mit großer Energie wird schließlich B-Dur erreicht, da erscheint plötzlich der Beginn des zweiten Teils des Hauptsatzes wieder, aber mit völlig vertauschten Rollen: der Orgelpunkt ist in die Geigen hinaufgewandert, das Hauptmotiv in Klarinetten und Fagotte, die Antwort dagegen in die Bässe. Und diesmal führt die geheime Spannung nicht zur Befreiung, sondern zu einem neuen Ausbruch des Pathos, bei dem besonders das im Basse festgehaltene zweite Themenmotiv sich durch seine Dissonanzen als Hauptstörer des Friedens erweist. Denn die Harmonik wird hier im Gegensatz zum Hauptthema von den Bläsern in gestoßenen Sechzehnteln16 scharf betont. Erst im Munde der Geigen gewinnt jenes Motiv seinen schwebenden Charakter zurück, und zwar in einer Partie, die ganz auffallend an Takt 7–8 des einleitenden Adagios erinnert. Noch scheint die Stimmung zu erregt, als daß das Hauptthema eintreten könnte. Deshalb greift Mozart auf jenes Übergangsthema der Bläser zurück, das das zweite Thema eingeführt hatte. Fest auf dem Orgelpunkt auf Es ruhend, sehr wirksam mit einer Dissonanz eingeführt und imitatorisch von den Fagotten bis zu den Flöten aufsteigend, ist es vorzüglich geeignet, das vorangehende Pathos abzudämpfen und in die verträumte Stimmung des Anfangs zurückzuleiten. Psychologisch besonders fein ist dabei der Ausdruck kräftiger Zuversicht nach vier Takten in den Streichern, gleichsam das erste Ergebnis des Eintritts der neuen Erscheinung. Dann gleiten wir mit demselben Thema auf ausgesprochen Mozartschen Orgelpunktharmonien ins Hauptthema zurück. Diese Wiederholung zeigt dieselbe kontrapunktische[475] Variation, die wir schon in der Figaro-Ouvertüre antrafen, und zwar treten die neuen Gegenmelodien, die das Thema aus sich herauslockt, in den Streichern auf, wenn die Bläser das Thema haben, und umgekehrt. So entfaltet sich ein reich gesteigertes Leben, das den romantischen Gehalt des Themas sowohl nach der Seite des sehnsüchtig Schwärmerischen als des Pittoresken steigert. Das hat nun aber eine höchst bedeutsame Erweiterung des Schlusses zur Folge. Das as-Moll des Themas bleibt jetzt nicht mehr bloße Episode, wie vorher, sondern führt in den Bläsern nach H-Dur (Ces-Dur) hinüber und weiterhin zu dem nunmehr ohne Vorbereitung in h-Moll (ces-Moll) eintretenden zweiten Thema17. Auch dieses erfährt eine erhebliche harmonische Steigerung; die weitere Entwicklung dagegen vollzieht sich, von einzelnen Varianten und der veränderten Modulationsordnung abgesehen, dem Vorhergehenden entsprechend. Auch das dritte Thema wird nur am Schlusse durch eine schöne thematische Zwiesprache der Streicher und Bläser erweitert. Dann macht das Hauptthema als Coda den Beschluß. Moduliert wird jetzt nicht mehr, wohl aber erhält diese dritte Variation durch die echt Mozartsche, chromatisch herabsinkende Melodielinie:


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etwas müde Resigniertes, dessen Eindruck auch durch den etwas krampfhaften Aufschwung der letzten Takte nicht abgeschwächt wird; es gemahnt fühlbar an den Schluß des ersten Adagios.

Das Menuett, das übrigens im Gegensatz zu den Streichquartetten in allen drei Sinfonien an dritter Stelle steht, greift mit seinem Anfang wieder auf den heroisch-festlichen Ton des ersten Satzes zurück18, vergißt aber daneben in seinem Nachsatz auch dessen zarte Grazie nicht. Der Bau ist streng symmetrisch tanzmäßig. Wie der Hauptsatz nach altem Wiener Brauch den Geigenklang mit großer Wirkung ausnützt, so bringt das Trio ein Bläseridyll nach Haydns Vorbild, und zwar »eines der lieblichsten, die musikalisch gedichtet worden sind«19. Die Klarinette stimmt dabei ein Thema an, das Mozart später auch dem Andante der C-Dur-Sinfonie zugrundegelegt hat; entzückend sind die kleinen Echos, in denen ihr beim Phrasenschluß die Flöte das Wort vom Munde nimmt.

Das Menuett hat den Weg für die ausgelassene Stimmung des Finales freigemacht. Es steht von allen großen Sinfoniesätzen Mozarts Haydn am nächsten, nicht allein seinem Übermut, sondern auch seinem einheitlichen Bau nach, der den ganzen Satz aus dem einzigen Hauptthema herausspinnt und auf alle Nebenthemen verzichtet. Auch der Beginn mit den beiden[476] Geigen allein und dem folgenden Tutti ist haydnsch; es war das übrigens ein Effekt, durch den Mozart schon in Paris sein Publikum mit Erfolg zu packen gesucht hatte20. Dann folgen die für die ganze Sinfonie charakteristischen schwirrenden Geigenfiguren auf gebrochenen Dreiklängen; sie erhalten aber jetzt einen besonders launigen Zug durch die lustig hüpfenden Bässe:


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Wie im ersten Satze wird auch hier der Abschluß auf der Dominante scharf markiert, zum Schluß sogar durch den Fanfarenrhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien, der später noch eine Rolle spielt. Dann erscheint statt des Seitenthemas das Hauptthema wieder. Aber schon das zweite Motiv wird den Streichern von den Bläsern abgenommen, so daß jene wie überrascht den Anschluß verpassen und nach einem vergeblichen Versuch, ihn nachträglich noch zu erreichen, das Thema zu einem ganz anderen Schluß führen – das Ganze ist durch den unverhofften Eingriff von vier auf sechs Takte angewachsen. Bei der Wiederholung ist der Verlauf nicht besser; im Gegenteil, durch die üble Laune der Streicher mit ihrem Moll und ihrem gleich enharmonisch in h umgedeuteten ces kommt in der fis-Moll-Partie eine merkliche Spannung zwischen beiden Gruppen zustande: zu den schweren Streichersynkopen tummeln sich Fagott und Flöte in vergnüglichem Wechselspiel auf Grund des ersten Themamotivs. Aber mit der Rückkehr nach B-Dur kehrt auch die Eintracht zurück (jener Fanfarenrhythmus spielt dabei eine wichtige Rolle), und mit festlichem Glanz, unter Terzentriller und Paukenwirbel, drängt alles zum Abschluß auf dieser Tonart hin. Aber er wird nochmals durch ein höchst witziges Intermezzo der drei Holzbläsersolisten mit dem Themabeginn verzögert – es ist, als leisteten sich hier drei gut gelaunte Gesellen noch ein paar besondere Purzelbäume. Dann erst erscheint eine weitere Variante des Hauptthemas als Schlußgruppe, jetzt in ganz offenkundige Jahrmarktsklänge Haydnschen Geistes eingekleidet, mit Dudelsackbrummen und Schnurren der gesamten Streicher21; man sieht: bei diesem ausgelassenen Feste kommt jede Art von Humor zu ihrem Rechte. Die Durchführung beginnt zunächst wieder mit einem jener überraschenden Rucke mit Generalpause, wo der Komponist plötzlich ein neues Blatt aufzuschlagen scheint. Dann taucht das Hauptthema in seiner Urform, nur in As-Dur, auf. Aber schon im vierten Takt beginnt es zu stocken, und gleich darauf stehen wir vermöge einer neuen enharmonischen Umdeutung mitten in E-Dur drin. Damit beginnt die eigentliche Durchführung, die, wie stets in diesen Sinfonien, kontrapunktisch gehalten ist. Zuerst handelt[477] es sich um eine imitatorische Zwiesprache zwischen erster Geige und Baß über dem neuen, nachschlagenden Rhythmus der Bläser Die Zeit der drei grossen Sinfonien, dann in scharfen Engführungen der Streicher untereinander, über denen die Bläser einen neuen, mit dem Anfang des g-Moll-Quintetts verwandten Gedanken anstimmen. Das Ergebnis ist ein schwerer Halbschluß auf c-Moll, wie zu Beginn der Durchführung und wie im ersten Satz des Werkes22. Aber diesmal erfolgt der Rückgang in die Reprise nicht mit der drangvollen Kürze wie dort, sondern vermittelst einer Partie, die zu den poetischsten Einfällen der ganzen Sinfonie gehört. Denn hier bricht in dem verträumten Gesang der drei Bläser noch einmal der sehnsüchtige, romantische Geist der Sinfonie hindurch; wie ein Kobold umschwirrt das Hauptmotiv immer wieder das zarte Gebilde23. So gleiten wir ganz unversehens in das heimlich flüsternde Treiben des Anfangs zurück, in das sich jetzt auch gleich einige Solobläser mischen. Die Reprise verläuft mit kleinen Varianten wiederum regelmäßig, und auch die Coda hat wie im ersten Satz die Aufgabe, die frohe Feststimmung breit ausklingen zu lassen. Nur der Schluß bringt noch eine Überraschung: statt der typischen Schlußakkorde fegt das Hauptmotiv noch zweimal wie ein Wirbelwind über die Szene, ein Effekt, an dem Haydn sicher seine besondere Freude gehabt hat24.

Daß der Gefühlsgehalt dieser Sinfonie ganz wesentlich mit durch ihren äußeren Klangreiz bestimmt wird, ist oft bemerkt worden. Sie ist die einzige von den dreien, die von Hause aus Klarinetten statt der Oboen verlangt. Schon das verleiht ihrem Klangkolorit ein weiches, schwellendes Gepräge. Vor allem aber ist sie ein besonders schönes Beispiel für die Orchestrationskunst der klassischen Wiener Epoche, die in starkem Gegensatz zu der Streicher und Bläser als gleichberechtigte Faktoren behandelnden und verschmelzenden Mannheimer Art auf eine feinere und individuellere Durchbildung der Holzbläsergruppe ausging. Es ist bereits gezeigt worden, daß viele Partien dieser Sinfonie, darunter das ganze Andante, der Kammermusik weit näher stehen als der Orchestermusik, und Mozart geht darin hier fast noch weiter als Haydn. So sehr er sich mithin in seinen früheren Jahren, und zwar in der Klaviermusik noch mehr als in der Orchestermusik, den Mannheimern verpflichtet fühlte, in der Orchesterbehandlung finden wir ihn mehr und mehr auf der Wiener Seite. Das lehrt der Vergleich mit der gleichzeitigen Mannheimer Sinfonik so deutlich wie nur möglich.[478]

Auch in der g-Moll-Sinfonie hängt die Wahl der Instrumente aufs engste mit dem allgemeinen Empfindungsgehalt zusammen. Sie ersetzt die Klarinetten durch Oboen und verzichtet auf Trompeten und Pauken. Erst für eine spätere Aufführung arbeitete Mozart die ursprünglichen Oboenstimmen auf einem besonderen Blatte um und verteilte deren Part auf Klarinetten und Oboen oder auch auf beide zusammen, anscheinend um dem Klang mehr Fülle zu geben. Nur im Menuett blieb die ursprüngliche Fassung stehen. Von dem für das ganze Stück so charakteristischen herben Oboenklang ist dabei, wie man ruhig zugestehen darf, viel verloren gegangen.

Schärfere Gegensätze als zwischen diesen beiden Sinfonien gibt es in Mozarts Instrumentalwerken nicht zum zweiten Male. Die finstere pessimistische Stimmung, die das g-Moll-Klavierquartett in seinem ersten Satze angeschlagen und dann das Streichquintett in gesteigertem Grade aufgenommen hatte, kostet diese Sinfonie bis zum letzten, bitteren Ende aus. Die Zeitgenossen haben diesen Charakter denn auch, wenngleich gelegentlich mit recht gemischten Gefühlen, sofort erfaßt, während es für den Wandel der Anschauungen über Mozart in der Romantik sehr bezeichnend ist, daß man das Werk zumeist als anmutig und heiter, ja sogar als unbedeutend empfand25. Erst in neuerer Zeit ist diese Auffassung, die natürlich auch den Vortrag entscheidend bestimmt hat, wieder im Sinne Mozarts und seiner Zeit berichtigt worden26.

Die Sinfonie beginnt ohne Einleitung, nur mit einem Takt vorweggenommener Begleitung. Das Thema folgt zunächst einem jener Zeit sehr vertrauten melodischen Typus27, den die »Zauberflöte« später besonders durchgebildet hat:


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Aber es dehnt erstens die Auftakte (NB.) auf das Dreifache, ohne daß sie freilich ihren Charakter als Auftakte verlören – denn der Hauptiktus ruht[479] nach wie vor auf dem dritten und siebenten Takt des Themas – und bringt zweitens im Zusammenhang damit die hohe Note des Sextensprungs auf den schlechten Taktteil. Wird dadurch schon jenem Typus viel von seiner ursprünglichen Lebensenergie genommen, so wird diese Wandlung noch dadurch gesteigert, daß jener gedehnte Auftakt rhythmisch und melodisch differenziert wird:


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melodisch durch das schwere Seufzermotiv NB., rhythmisch durch dessen anapästischen Charakter, dessen vorwärts treibende Kraft in dieser Umgebung freilich nichts Lebenbejahendes hat, sondern von Anfang an einen Zug der Unruhe und Spannung hineinbringt. Auch die durchlaufenden weiblichen Kadenzen sind charakteristisch. Das Thema zeigt denselben breiten Wurf wie das entsprechende der Es-Dur-Sinfonie28. Nur weist der zweite Teil seines Vordersatzes eine ganz erhebliche Steigerung seines Affekts auf, verursacht durch die metrische Erweiterung und die scharfe Markierung des Dominanthalbschlusses: hier bricht die bisher nur mühsam zurückgehaltene Leidenschaft mit unverhüllter Wildheit hervor. Der Nachsatz des Themas wird schon nach seiner ersten Gruppe durch die äußerst streitbare Übergangsgruppe des Tuttis unterbrochen. Wir stehen bereits in B-Dur, der Tonart des Seitenthemas. Aber dieses muß erst erstritten werden. So wird B-Dur zur Unterdominante von F-Dur umgedeutet, und die harmonische Entwicklung dieser Gruppe verläuft innerhalb F-Dur in der gewohnten Folge IV-V-I, nur daß das schließende F-Dur alsbald selbst wieder Dominantkraft erhält. Ideell schwebt somit über der ganzen Partie die Harmoniefolge:


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die dann im Seitenthema gleichsam körperlich in die Erscheinung tritt. Es ringt sich also in dieser Gruppe, die alles eher als ein bloß mechanisches Verbindungsglied ist, dieses bestimmte Seitenthema als eine im Wesen des Ganzen liegende Forderung los, und auch die beredte Ganztaktpause ist nicht zufällig: wer musikalischen Erlebens überhaupt fähig ist, wird während dieses plötzlichen Schweigens unbedingt eine Stimmung in sich anklingen fühlen, die ihn den Eintritt des Seitenthemas als notwendig empfinden läßt. Seiner Einkleidung nach ist dieses Thema ein besonders schönes Beispiel für das erwähnte klassische Verhältnis zwischen Streichern und[480] Bläsern. Ja, das gegenseitige Konzertieren führt hier bereits zur modernen, »durchbrochenen« Arbeit, d.h. zur Verteilung desselben Themas auf verschiedene Instrumentengruppen. Seinem Charakter nach aber dämpft es die Erregung des Hauptthemas zu rührender Klage ab. Freilich währt diese Beschaulichkeit nur kurz. Die Durchführung geht überhaupt nicht darauf ein, und wie der Gedanke dann in der Reprise wieder heranschwebt, da nimmt er innerhalb der düsteren g-Moll-Stimmung das Gepräge tiefster Resignation an, ein ergreifender Beleg für den tiefen menschlichen Gehalt, den dieser Satz birgt. Eine geniale Schöpferkraft offenbart sich auch in der Schlußerweiterung des Themas mit ihrem verträumten Hinabtauchen nach As-Dur, das freilich gleich bei der Rückkehr nach B-Dur die natürliche Reaktion aus sich gebiert29. Der Schluß der Themengruppe gehört wieder dem Hauptthema, an dessen Seufzermotiv die Bläser in imitatorischem Spiel haften bleiben, während sich aus den Streichern, gleichfalls imitatorisch, ein schwerer, stöhnender Seufzer losringt. Mit unwirschem Trotz wird auch diese intimere Partie und damit die Themengruppe abgeschlossen. Die Wiederholung aller dieser Themen geschieht stets mit Vertauschung der Orchestergruppen oder, wie beim letzten, im doppelten Kontrapunkt, der jetzt auch in der Durchführung eine wichtige Rolle spielt. Sie unterscheidet sich von allen anderen dadurch, daß sie vom Hauptthema überhaupt nicht loskommt und das in ihm gegebene Erlebnis nach allen Seiten auskostet, statt wie in der Es-Dur-Sinfonie sich dem Wechsel der einzelnen Stimmungen hinzugeben. Nach Mozarts Art beginnt sie mit einem ebenso überraschenden wie lakonischen Übergang, der uns anscheinend plötzlich, aber doch durch das Vorhergehende innerlich wohl gerechtfertigt, nach dem entfernten, »heißen« fis-Moll führt. Vom Hauptthema kommen von jetzt ab nur die ersten acht Takte zu Wort; in seltsamer Schwüle senkt sich dieses Gebilde stufenweise nach abwärts, wobei die untere melodische Linie von cis'' über his' -h' -ais' -a' chromatisch nach g' führt, unterstützt von den entsprechenden Schritten in Fagotten und Bässen. Da erfolgt die Explosion mit dem Forteeinsatz des Themas in den Bässen in e-Moll – abermals ohne jeden Übergang. Zugleich stellt sich ein Kontrapunkt in gestoßenen Achteln ein:


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[481] in dessen erstem Takt das akkordische Motiv der Übergangsgruppe nachklingt. Von mächtiger Wirkung sind in der ersten Hälfte die Vorhaltsharmonien der Bläser, in der zweiten das gewaltsame melodische Auseinanderdrängen von Thema und Kontrapunkt. Und nun tobt sich die entfesselte Leidenschaft in doppeltem Kontrapunkt über der regelmäßigen Harmoniefolge e-, a-, d-, g-Moll, C-, F- und B-Dur aus und macht erst auf der Dominante von d-Moll halt, wobei das durch alle Tonarten dahingeschleuderte erste Themenglied, nunmehr auf den Halbtonschritt seines Seufzermotivs zusammengedrängt, wie ein schriller Aufschrei die ganze Partie beschließt. Sie bildet den Höhepunkt der Gefühlsspannung in der Durchführung. Satztechnisch ein deutlicher Beweis für Mozarts damals immer stärker erwachende kontrapunktische Neigungen, weicht sie gerade damit von Haydn ab, für den der Kontrapunkt nur die Durchgangsstation für seine neue thematische Arbeit gewesen war. Aber hier, nach dem weichen melodischen Dahingleiten des Vorhergehenden, wirkt der plötzliche Einbruch des Kontrapunkts mit geradezu dramatischer Wucht. Ohne jede dynamische Vermittlung, wie sie eingetreten war, verschwindet die Partie auch wieder und macht nunmehr der thematischen Arbeit in Haydns Sinne Platz, so daß wir in dieser Durchführung alle Arten der Verarbeitung vereinigt finden, melodisches Fortspinnen, Kontrapunktik und moderne thematische Arbeit. Was allein übrigbleibt, ist das zuletzt gebrachte Themenglied, das jetzt ganz allein und piano in den ersten Geigen wie hilflos seine Seufzer weiterklingen läßt. Diese rührende Klage steigern nun aber die Bläser bis zur Selbstquälerei; wird doch das ursprüngliche Seufzermotiv, das bisher stets rein melodisch aufgetreten war, von jetzt ab ausharmonisiert, und zwar bis zum Schluß der Durchführung mit stetig wachsender Schärfe. Die Instrumentation ist hier mit echter Meisterhand in den Dienst des Ausdrucks gestellt: verzweifelt drängt die erste Geige über dem dunkeln Klang der langen Fagott- und Oboentöne nach aufwärts und erhält am Schlusse ihrer Phrase jedesmal die erwähnte Ausdrucksverschärfung durch den Eintritt der beiden oberen Bläser. Auch wenn sie nach dem Umbiegen der melodischen Linie in den übrigen Streichern30 wieder ihre natürliche Stütze findet, bleiben die Bläser mit ihren schneidenden Dissonanzenechos wie:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

die eigentlichen Träger der schmerzlichen Erregung. Auch die Harmonik[482] bleibt in dieser Partie in beständiger Unruhe. Erst in der abermals plötzlich eintretenden Tuttipartie wird mit der Dominantharmonie von g-Moll wieder fester Grund gewonnen. Vom Hauptthema ist jetzt nichts mehr übrig geblieben als sein Urmotiv, das die Streicher dem letzten Bläserruf abnehmen, während die Bläser auf den alten Übergangsgedanken zurückkommen. So erfolgt hier ein neuer Höhepunkt der Spannung, der den Ausdruck auf die allereinfachsten Grund- und Keimgedanken des Ganzen zusammendrängt – man sieht, welche Logik in dieser Durchführung herrscht. Von Seiten der Modulationsordnung stünde damit der Wiederkehr der Reprise nichts mehr im Wege. Aber Mozart läßt auch dem letzten Ausbruch der Erregung noch einen stillen Nachhall folgen, der zugleich die Rückkehr in den Anfang vermittelt. Nur die Sforzati der Fagotte knüpfen an das Vorhergehende an, darüber aber senkt sich in chromatischer Linie das Urmotiv, dessen letzte Note auf das Dreifache verlängert wird, in den Bläsern herab: es ist die müdeste und resignierteste Stelle des ganzen Satzes, die uns den Wiedereintritt des Hauptthemas, der durch eine scharfe Dissonanz erzwungen wird und den Dominantcharakter seines Anfangs scharf betont, wie eine Erlösung empfinden läßt. So steigert diese Durchführung das seelische Erlebnis der Themengruppe nach jeder Richtung hin: ein gewaltiger Höhepunkt der Erregung in der Mitte, flankiert von zwei Partien desselben geistigen Wesens, aber gehaltener im Ausdruck, alle drei nach der Art der Arbeit31 voneinander verschieden und doch Schößlinge desselben Stammes und Träger eines organisch sich entwickelnden Gefühlsverlaufs – es gibt nicht leicht eine Mozartsche Durchführung, die von derselben seelischen Energie getragen wäre.

Das wirkt nun aber auch noch in die Reprise hinüber. Sie ist durch Varianten und Erweiterungen in ihrem Ausdruck weit mehr gesteigert als ihre Vorgängerin in Es-Dur. Schon das Hauptthema erhält einen Zusatz von Bläsern, vor allem aber wird die alte »Übergangsgruppe« in sehr bedeutsamer Weise erweitert. Das Endziel des Prozesses ist das Seitenthema, dessen nunmehrige Tonart g-Moll Mozart von Anfang an ebenso sicher vor der Seele steht wie in dem entsprechenden Streichquintett. Aber auch dieser wichtige Umschwung muß innerlich vorbereitet und motiviert werden. Darin liegt die geistige Bedeutung der variierten Übergangsgruppe, die der Themengruppe entsprechend zunächst in Es-Dur beginnt, dann aber nach f-Moll ausbiegt und schließlich unter wilden Engführungen des Viertelmotivs32 g-Moll erreicht, um in dieser Tonart den Abschnitt in seiner[483] ganzen früheren Fassung zu wiederholen. Über das Seitenthema selbst, das jetzt erst seinen vollen Ausdruck erhält, ist bereits gesprochen worden; auch sein Schluß wird im Sinne erhöhter Energie des Ausdrucks erweitert. Die Schlußgruppe verläuft zunächst regelmäßig, drängt aber in ihrem gleichfalls erweiterten Schluß die beiden Grundgegensätze des Satzes, wildes Anstürmen33 und müdes Abflauen des Affekts, noch einmal auf engstem Raume zusammen, und daran schließt sich die eigentliche Coda an, die hier nicht bloß schlußbekräftigend wirkt, sondern den ganzen Gefühlsgehalt des Satzes psychologisch folgerichtig ausklingen läßt. Das Hauptthema kehrt wieder, aber schon sein zweites Glied verschwimmt gleichsam in einer stockenden Synkopenpartie; die imitatorischen Einsätze sind nur geeignet, das Gefühl der Resignation noch zu verstärken. Erst dann bricht das Schlußsätzchen hervor, gewaltsam die alten Kampfgeister noch einmal beschwörend. Der anapästische Rhythmus erstreckt dabei seine Kraft bis in die Schlußakkorde hinein: Die Zeit der drei grossen Sinfonien

Mit diesem Satze ist das Andante nach Form und Ausdruck aufs engste verbunden. Es ist ein Sonatensatz von derselben thematischen Einheitlichkeit und entspricht ihm auch in der großen Rolle des Kontrapunktes. Daß es demselben seelischen Erlebenskreise angehört, beweist gleich sein Hauptthema34 mit seinen durch die Imitation nur noch verstärkten, lastenden Tonwiederholungen, den schweren Vorhalten und dem darunter dumpf sich windenden chromatischen Baßgang. Die Antwort des Nachsatzes läßt zwar in dem Paisielloschen Motiv35 die Empfindung fast überquellen, aber im zweiten Glied dieses Motiv ganz plötzlich zerflattern; sogar die Hörner, die den Aufschwung des Gefühls begleitet haben, setzen aus, und in schmerzlicher Chromatik klingt der Vordersatz des ganzen Themas aus. Jenes Zweiunddreißigstelmotiv


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

aber, das so auffallend eingeführt wird, gewinnt weiterhin eine entscheidende Wichtigkeit, fast wie das Seufzermotiv im ersten Satz, als eigentlicher Träger der Erregung gegenüber den sinnenden, beschaulichen Zügen des Themas. Der Nachsatz des Ganzen bringt sofort eine bedeutende Steigerung, vor allem durch die Anwendung des doppelten Kontrapunkts; er hat gleich am Anfang einen schweren[484] Orgelpunkt, über dem das frühere Baßmotiv in den ersten Geigen zu einem ergreifenden Leidensgesang wird, und weiterhin einen jener »singenden Bässe« (mit dem Thema) zur Folge, die für diese drei Sinfonien charakteristisch sind. Nur der Schluß erhebt sich dank dem oben angeführten Motiv wieder zu größerer Zuversicht. Das zweite, unvermittelt auf der Dominante einsetzende Thema bringt den schon im ersten latenten Druck zur offenen Entladung – oder versucht es wenigstens, denn auch jetzt erfolgt schon im zweiten Takt ein Zerflattern auf Grund jenes Zweiunddreißigstelmotivs. Aber es versteht nicht bloß zu unterbrechen, sondern auch aufzubauen. Es übernimmt nunmehr selbst die Führung, indem es zunächst die Wogen glättet, dann aber, nach dem F-Dur-Schluß, unversehens nach der Des-Dur-Partie hinüberleitet und hier um das verträumt einsetzende erste Motiv des Hauptthemas einen duftigen Reigen schlingt. Beginnt schon hier ein Naturton leise mitzuschwingen, so erhebt sich bald darauf im ganzen Orchester ein mächtiges Rauschen, aus dem sich bei der schönen enharmonischen Wendung nach B-Dur jenes Rankenwerk stolz emporschwingt. Abermals ein plötzliches Abreißen, dann ertönt als Schlußthema ein unverfälschter süßer Nachtigallenruf, zuerst in den Streichern36, dann in den Bläsern, wie von verschiedenen Seiten her lockend und wieder von jenem Motiv umgaukelt, und sehr schön und wahr wirkt der übervolle Ausdruck der Wehmut, der gleich darauf sich dem ganzen Orchester entringt (bei dem erneuten Hinabtauchen nach Ges-Dur). Aber er geht rasch vorüber. In unbeschreiblicher Zartheit und Innigkeit, unter Vorantritt jenes Motivs, schließt der Teil ab.

Zu Beginn der Durchführung melden sich in dumpfem Pochen, dann in schweren Schlägen die dunkeln Geister des Hauptthemas wieder und ziehen auch jenes kurze Motiv in ihren Bann: ängstlich flattert es jedesmal die Akkorde herab, die ihm der energische chromatische Aufstieg der Bässe vorschreibt. Der gleichmäßig forthämmernde Rhythmus des Hauptthemas ist der Hauptträger dieser Spannung, die sich schließlich auf der Dominante von c-Moll entlädt. Abermals versucht jenes kurze Motiv die Lage zu entwirren. Aber zu schwer war die Stimmung getrübt, als daß ihm das in befreiendem Sinne gelänge. Schon meldet sich in den Fagotten auf einer nackten, harten Quarte das Hauptthema wieder – eine geradezu schauerliche Stelle –, indessen wird es gleich von seinem weichen, elegischen Kontrapunkt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[485] verdrängt, der den Teil mit seiner ausdrucksvollen, bereits auf die Romantik vorausweisenden Anfangsdissonanz zu Ende führt, umflattert von dem Zweiunddreißigstelmotiv. Auf diesen Schwingen der Wehmut gleitet die Entwicklung ganz heimlich in die Reprise hinein. Die ganze Durchführung bildet somit ein einziges großes Diminuendo des Gefühls, ohne daß diese Vorschrift auch nur einmal in der Partitur stünde; ein lehrreiches Zeugnis dafür, wie Mozart derartige Probleme auf seine Art zu behandeln pflegt. Die Reprise bringt gleich eine höchst geniale Erweiterung des Themanachsatzes. Er wird nämlich mit dem zweiten Thema kombiniert, und außerdem spielt der oben angeführte Kontrapunkt, der hier fast den Ausdruck eines Rezitativs annimmt, eine entscheidende Rolle. Erst mit der Aufnahme des Themas durch die Bässe, wobei die tiefen Horntöne von großer Wirkung sind, geht die Entwicklung regelrecht weiter, um sich nunmehr eng dem Verlaufe der Themengruppe anzuschließen.

Das Menuett nimmt die Kampfstimmung des ersten Satzes in gesteigertem Maße wieder auf37. Auch dieser Satz kommt von demselben Grundgedanken nicht los, auch er macht in seinem Verlaufe von den Künsten des Kontrapunktes den ausgiebigsten Gebrauch. Auch metrisch ist er außergewöhnlich: gleich sein Hauptthema beginnt mit zwei Dreitaktern, denen der Nachsatz noch eine Fortspinnung von zwei Takten hinzufügt, um dann wieder mit einem Dreitakter zu schließen. Und dieses Verhältnis pflanzt sich eigensinnig in den zweiten Teil fort: hier haken die dreitaktigen Glieder durch die Imitation fest ineinander, und bei dem Eintritt des kleinen Epiloges (T. 7 ff. vor dem Schluß) empfinden wir es besonders deutlich, daß der rhythmische Schwerpunkt des Hauptgedankens nicht auf dem ersten, sondern dem zweiten Takt liegt. Das alles gibt dem Stück den Charakter eines geradezu verbissenen, wilden Trotzes. Der zweite Teil verschärft dieses unwirsche Wesen zunächst ungemein durch die harte, strenge Zweistimmigkeit der Satzführung, aus der sich dann der Gegensatz der reich polyphonen Engführungen entwickelt. Die Stimmen lassen einander gar nicht ausreden, und auch das Thema selbst erfährt durch die Wendung nach der Dominante, die es jetzt erhält, eine bedeutungsvolle Wandlung. Daraus ergibt sich nun wiederum jener Epilog, der es in seiner Urform bringt. Dem Ausdrucke nach greift er auf den Stimmungsgehalt des ganzen Werkes zurück: auch diese gewaltige Erregung endet in Resignation. Wiederum sind die Bläser die Träger des Umschwungs, und wieder erfolgt er mit jener elegischen, chromatischen Stimmführung, die für derartige Partien in der ganzen Sinfonie charakteristisch ist.

Zugleich macht der Epilog aber auch die Stimmung frei für die holde Wehmut des Trios. Sein Thema, das übrigens dem des Hauptsatzes verwandt[486] ist38, gemahnt an das volkstümliche Lied, und namentlich sein refrainartiges Nachsätzchen:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

ist ein wohlbekannter Gast aus der österreichischen Volksmusik. Der Satz ist ein neuer, schöner Beleg für Mozarts Art, Streicher und Bläser, wie es seit alters an dieser Stelle bei den Wienern üblich war, miteinander konzertieren zu lassen. Die Bläser holen dabei melodisch stets weiter aus und lassen die Sehnsucht merklich anschwellen; den letzten Trumpf spielen aber die Hörner aus, die, bis zum dritten Teil aufgespart, die schöne Liedweise plötzlich in ihre romantischen Klänge einhüllen.

Das Allegro assai hat als Hauptthema einen regelmäßig gebauten, zweiteiligen Liedsatz von 32 Takten, der sich dynamisch nach älterer Art auf dem engräumigen Wechsel von Soli und Tutti aufbaut. Auch sein im Dreiklang aufschießender Beginn gehört einem alten Typus an, individuell ist dagegen der frei eingeführte Vorhalt, in den die Bewegung ausmündet. Er verleiht dem Thema gleich etwas Aufgeregtes, ja Verzweifeltes; der abgeschnellte Pfeil schlägt gleich zu Anfang eine scharfe Wunde. Das wilde Echo im Tutti mit seinem echt Mozartschen Kampfrhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien 39 bleibt denn auch nicht aus, wie denn überhaupt dieser beständige Wechsel von p und f etwas seltsam Erregendes, ja Betäubendes hat. Man fühlt deutlich, wie die Grundstimmung des ganzen Werkes hier zu guter Letzt noch ins Wilde und Dämonische gesteigert wird. Das Tutti übernimmt mit seinem vernehmlich an den Schluß des ersten Satzes anknüpfenden Motiv die Fortsetzung in der von demselben rhythmischen Motiv (nur ohne Auftakt) beherrschten Übergangsgruppe, die von allerlei kampflustigen Achtelmotiven erfüllt ist. Aber sie sind nicht mehr, wie früher so häufig, beliebige, geräuschvolle Verbindungsglieder. Denn was da außer jenem Hauptmotiv, das schließlich in die Bässe wandert, sonst noch erscheint:


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[487] ist thematisch: b) stammt aus dem Hauptthema, a) dagegen ist identisch mit einem wichtigen Motiv aus der analogen Partie des ersten Satzes. Das Seitenthema wird nach alter Concertinoart als richtiges Trio (beide Geigen und Bratsche) eingeführt. Es trägt zunächst durchaus nicht den Leidenszug wie sein Gegenstück im ersten Satze, sondern mit seinem affektvollen Aufschwung nach der Unterdominante weit eher das Gepräge schwärmerischer Sehnsucht, ja, fast möchte man bei seinem ersten Gliede, wie im Andante, an einen Lockruf aus der Natur denken. Aber freilich, schon im Nachsatz wird die melodische Linie in jene schmerzliche Chromatik aufgelöst, die wir aus den übrigen Sätzen des Werkes zur Genüge kennen; dieses Glied ist dem analogen des ersten Satzes sogar ganz auffallend verwandt. Die Wiederholung des Themas erfolgt durch die Bläser mit zwei steigernden Auftakten. Im Nachsatz aber werden die melodischen Konturen völlig in eine schwere, alle Stimmen ergreifende chromatische Bewegung hineingezogen, und gleich darauf bricht mit jenem Tuttimotiv die alte Unruhe wieder hervor. So stehen sich die beiden Seitenthemen der Ecksätze innerlich außerordentlich nahe; gleich dem ersten bleibt auch das zweite in der Durchführung unberücksichtigt und erhält dafür in der Reprise einen ungemein vertieften Ausdruck in der Haupttonart g-Moll.

Die Durchführung steigert in ihrem Anfang die bei Mozart an dieser Stelle üblichen Überraschungen aufs alleräußerste, indem sie nach dem Ansturm des Hauptthemas (mit der verschärfenden großen Septime) jeden geregelten Verlauf über den Haufen zu werfen scheint. Die Dämonie des Satzes äußert sich hier mit Schrecken erregender Wildheit. Was hinter diesen Unisonoschlägen und grotesken Intervallen steckt, ist das Thema mit seinen Untergliedern:


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Aber diese Melodik wird in der Glut der Leidenschaft gleichsam bis zum Skelett verflüchtigt, nur ihre äußersten Konturen bleiben übrig, zum Teil unter der Wucht des Erlebnisses metrisch verschoben (wie in T. 3, 5, 8) oder verschärft, wie in der schneidenden Triole (T. 4). Zweimal erscheint ein sog. ausgeschriebenes Ritardando (T. 6–7 und 9–10), das zweitemal in den Bläsern, deren zugleich überleitendes Motiv übrigens wieder vernehmlich auf die analoge Bläserstelle des ersten Satzes hinweist. In der kontrapunktischen Gestaltung des Folgenden wie in der strengen Beschränkung[488] auf das Hauptthema liegt eine weitere Verwandtschaft beider Ecksätze. Dagegen gehen sie in ihrem Stimmungsverlauf stark auseinander. Denn das Finale läßt die Erregung nach ihrem Höhepunkt nicht abflauen, sondern unterbricht sie zwar (bei der cis-Moll-Stelle) auf ein paar Takte, aber um sie dann nur um so wilder aufzupeitschen und das Ganze vor der Reprise auf der schrillen Dissonanz des verminderten Setzakkordes jäh abreißen zu lassen. Fast die gesamte Durchführung verläuft überhaupt im Forte. Nur am Anfange steht eine leisere Partie, wo sich erste Geigen und Bläser das Thema gegenseitig zuwerfen; die Harmonie treibt dabei auf dem scharf markierten Viertelrhythmus den Quintenzirkel von a- bis nach f-Moll hinab. Hier erscheint auf einem scharfen Hornruf das Forte und zugleich eine neue Durchführung des Themas, zunächst zweistimmig, mit der Erweiterung durch das Skalenmotiv:


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hinter dem die umgekehrte Form des Themas erkennbar ist; später stellt sich noch das aus der Übergangsgruppe bekannte Achtelmotiv ein. Charakteristisch für diese Partie sind die sie begleitenden, abgerissenen Hornrufe. Sie ist indessen nur die Vorbereiterin für den nunmehr in c-Moll einsetzenden ersten Höhepunkt der Durchführung. Wiederum greift Mozart zum Kontrapunkt in seiner strengsten Gestalt: das Thema wird dreimal in Engführungen durch alle vier Stimmen hindurchgejagt, die beiden ersten Male mit gleicher, das dritte mit vertauschter Stimmenfolge; als Kontrapunkt dient das oben angeführte Thema in der Verkürzung. Das harmonische Gerüst aber, die beständige Folge von IV-V-I/IV-V-I/IV usw. erhält eine starke melodische Verschärfung durch das von den Bläsern alternierend durchgeführte Motiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

So treibt die Entwicklung schließlich nach cis-Moll hinein, dessen Dominante, in den Achteln der Violinen flimmernd, die Erregung zur Siedehitze[489] steigert. Echt mozartisch wirkt dann nach dem barschen Trugschluß die müde Fortsetzung im p mit dem kleinlauten Thema in den Bläsern. Aber alsbald darauf geht es mit erneuter Wut den Quintenzirkel zurück wieder nach D-Dur, der Dominante von g-Moll. Zwar lockert sich damit das kontrapunktische Gewebe, dafür wechselt aber die Harmonik jedesmal auf dem vierten Viertel des Themas, wodurch sein Affekt ganz bedeutend gesteigert wird, und zugleich rennen zwei Orchestergruppen gegeneinander an (Geigen und Fagotte gegen Bässe und übrige Bläser). So mündet der gewaltige Strom der Leidenschaft in der Reprise wieder in sein altes Bett zurück. Eine Klärung erfolgt nicht einmal im Sinne des Resignierens, wie im ersten Satz. Es ist darum auch ganz richtig empfunden, daß zu Beginn der Reprise das Hauptthema ganz, die Übergangsgruppe nahezu auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Ausdehnung zurückgeführt wird, sowie daß der ganze Satz mehr und mehr ausschließlich der Tonart g-Moll anheimfällt. Das Seitenthema ist der beste Beleg dafür; er kostet namentlich in den neuen chromatischen Variationen, die sein Nachsatz jetzt erfährt, die schmerzensreiche Welt dieser Tonart bis zur Selbstquälerei aus, und auch die Schlußpartie drückt finster und wild ihr Siegel unter das Ganze40.

So bildet diese Sinfonie den schärfsten Ausdruck jenes tiefen, fatalistischen Pessimismus, der, in Mozarts Natur von Anfang an begründet, in den letzten Jahren seines Lebens besonders stark nach künstlerischer Gestaltung rang. Gewiß war er innerlich reich genug, um sich fortan nicht auf diese düstere Sphäre zu beschränken. Er ist auch nie wieder mit derselben erbarmungslosen Konsequenz darauf zurückgekommen. Vielmehr lehren Werke wie die »Zauberflöte« und das Requiem, die jenen Pessimismus zu stiller, aber um so tieferer Wehmut abdämpfen, daß auch das Erlebnis jener Sinfonie nur eine Station auf dem Wege seiner geistigen Entwicklung bedeutete. Vielleich war jene Wandlung nur die Folge davon, daß Mozart hier jenes Erlebnis mit einer geradezu unbarmherzigen Energie bis in seine letzten Tiefen hin ein ausschöpfte. Diese rücksichtslose Sachlichkeit hat die Sinfonie mit dem »Don Giovanni« gemein. Verwandten Geistes ist aber auch das Fehlen des Ethischen im Sinne einer Beethovenschen, befreienden Lösung. Für Beethovens Willensnatur trugen Erlebnisse dieser Art von Hause aus den Keim des Kampfes bis zur Entscheidung in sich, die noch im Kunstwerk selbst erfolgt. Das ist bei Mozart nicht einmal in den Sätzen der Fall, wo er die Wolken am Schlusse zerteilt41. Für ihn erfolgte die Befreiung zwar auch, aber jenseits des Kunstwerks, indem er das Wesen der in ihm zur Gestaltung drängenden Schöpfung so rücksichtslos zum Ausdruck brachte, daß es ihm innerlich nicht mehr zu schaffen machte.[490]

War es dieses Gefühl der Befreiung, das ihm den Plan zu seiner dritten Sinfonie in C-Dur42 eingab? Sie ist schon rein äußerlich das am größten und glänzendsten angelegte Werk und atmet zugleich ein stolzes Kraftgefühl wie keine zweite von Mozart. Gleich im ersten Satz sind die Themen ungleich breiter angelegt als in ihren beiden Vorgängerinnen. Ja, im Grunde erstreckt sich das Hauptthema ohne jede Übergangsgruppe bis zum Eintritt des Seitenthemas und gliedert sich in zwei große, durch die Fermate voneinander getrennte Komplexe, von denen der zweite die Gedanken des ersten der Reihe nach erweitert und variiert. Die Passagen- und Skalenpartien der früheren Übergangsgruppen fehlen vollständig. Der Anfang des Themas:


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gibt eine echt Mozartsche, »durchbrochene« Stimmung: dem heroischen Ouvertürenanfang der Neapolitaner antwortet im Concertino der Streicher allein ein sinnendes Motiv von edlem Gesangsausdruck43. So wird gleich von Anfang an der Grundton des Satzes, ja der ganzen Sinfonie festgestellt. Er ist gegenüber dem der g-Moll-Sinfonie durchaus lebenbejahend, und zwar sowohl nach der männlich-kraftvollen als nach der weiblich-sinnigen Seite hin. Beide gewinnen nach echt Mozartscher Art erst durch ihre beständige Mischung und Kreuzung volle Lebenswahrheit. Gleich in dem großen Nachsatz des Themas gehen sie eine neue Verbindung ein. Da erscheint auch der heroische Anfang piano in den Streichern, begleitet von einem jener weitausladenden Kontrapunkte mit Skalenabstieg in den Bläsern, wie sie Mozart besonders liebt; die gesangsmäßige Fortsetzung dagegen kehrt jetzt, weiter ausgesponnen, auch die wehmütige Seite ihres Wesens hervor44 – das alles auf Grund jenes geistvollen, intimen Zusammenwirkens von Streichern und Bläsern, das dieser Sinfoniengruppe eigentümlich ist. Bald aber müssen die dunkleren Töne dem neuen Einsatz des Hauptgedankens im Tutti weichen, das nunmehr auch jenes Motiv b in mächtigem Drängen aufwärtstreibt45 und den ganzen Komplex mit dem heroischen Schritt des Vordersatzes beschließt. Als Seitenthema schwebt eines der gemütvollsten und liebenswürdigsten Gebilde Mozarts heran, ein imitatorisches Frage- und Antwortspiel zwischen erster Geige und Baß, dazu ein[491] Kontrapunkt, anmutig und herzlich zugleich46 – es ist kein Wunder, daß Mozart von dieser Partie gar nicht mehr loskommt und schließlich sogar noch jenes Motiv b in den Bässen unversehens mitsingen läßt. Dann bricht aber auch dieses graziöse Spiel auf einer ganzen Taktpause ab, und das ganze Orchester hebt unerwartet mit dem finsteren c-Moll an. Indessen ist auch dieser echt Mozartsche Schreckschuß nicht so tragisch gemeint, er ist nur ein unwirsches »quos ego«, das jenem behaglichen Treiben antwortet und die heroische Seite der Grundstimmung wieder in Erinnerung bringt47. Und abermals wird das Motiv b in gesteigertem Affekt, diesmal sogar verkleinert, in die Höhe getrieben. Damit stünde nun eigentlich der Schluß der Themengruppe vor der Türe. Statt dessen bricht Mozart jedoch abermals ab und schiebt, der breiten Anlage des Ganzen entsprechend, noch einen Reigen von entzückendem volkstümlichem Reiz ein48, in dem sich die ganze göttliche Lebensfreude des Satzes noch einmal wie in einem Brennpunkte zu sammeln scheint. In der anschließenden Partie scheint auch noch Freund Haydn seinen Segen dazu zu geben, und das streitbare Motiv aus dem ersten Thema macht den Beschluß.

Wie wichtig jener Reigen Mozart ist, lehrt die Durchführung, die er zu vollen zwei Dritteln beherrscht. Nach dem gewohnten kurzen modulatorischen Ruck des Bläserunisonos, hinter dessen Konturen sein Thema bereits deutlich hervorlugt, erscheint er alsbald samt der wie Sonnenschein über ihm leuchtenden Quinte in den Bläsern in Es-Dur, und nun entfaltet sich auf diesem Grunde unter geistreichster Verwendung der kontrapunktischen und thematischen Arbeit ein Leben von einer staunenswerten Fülle. Es ist ein Ausfluß unmittelbarsten musikalischen Schöpfertums, das in der eigenen Kraft zu schwelgen scheint. Sie gilt vor allem der Schlußpartie des Reigenthemas, die da in unerschöpflichen Kombinationen durchgeführt wird. Die Bläser begleiten zunächst mit dem Festrhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien des Hauptthemas, bringen dann ein weitausgreifendes Motiv von nur zwei Noten hinzu und beteiligen sich schließlich gleichfalls an dem Weiterschlingen des Reigens. Die Harmonik führt unter beständigen Sequenzenbildungen schließlich nach der Dominante von a-Moll, wo der Reigen[492] allmählich ausklingt. Da meldet sich, von den Geigen modulatorisch höchst spannend vorbereitet, das Hauptthema in F-Dur wieder. Man könnte fast an eine der bei Haydn so beliebten Pseudoreprisen49 denken, träte jenes Thema nicht so auffallend still und zaghaft auf. Tatsächlich bleibt schon beim zweiten Male die Antwort aus, Motiv a setzt seinen Weg mit seinem Bläserkontrapunkt allein fort, immer eine Tonstufe höher; da kommt plötzlich der ganze ihm innewohnende Trotz zum Ausbruch: es ist die Stelle, wo über chromatisch absteigender Baßlinie mit synkopiert einsetzendem Harmoniewechsel das Schleifermotiv mit scharf nachschlagenden Bläsern und Bässen sich schließlich die Rückkehr nach G-Dur, der Dominante von C, erkämpft. Aber auch jetzt hat das hohe Pathos nicht das letzte Wort, vielmehr setzen die Geigen mit derselben Schlußphrase des dritten Themas ein, mit der sie vor jenem Eintritt des ersten geschlossen hatten, und ebenso folgt der Nachhall in den Bläsern. Fagotte und Oboen zeigen nicht übel Lust, das alte kontrapunktische Reigenspiel zu erneuern – eine der humorvollsten Stellen in Mozarts Sinfonik –, aber die Kraft des Orgelpunktes zieht sie bald in die Reprise zurück. So bringt diese Durchführung dasselbe freie Spiel der seelischen Kräfte zum Ausdruck wie die Opern, ein Spiel, das mit souveräner Freiheit die Gegensätze mischt und dabei doch stets die gemeinsame Quelle erkennen läßt.

Die Reprise moduliert gleich im Vordersatz unter offenkundiger Nachwirkung der Durchführung nach Es-Dur und verschärft auch den weiteren Gang durch kleine Engführungen aller Art, während das Seitenthema durch die erhöhte Teilnahme der Bläser in seinem Ausdruck gesteigert wird. Auch jener Schreckschuß hallt diesmal länger und kräftiger nach, indem die Molltonart jetzt gründlicher ausgekostet wird, und nur das Reigenthema behält, von klanglichen Steigerungen abgesehen, seine alte Fassung. Mit einer jener festlichen Fanfaren, in die Mozart gerne seine ausgesprochen heiteren Sätze ausmünden läßt, schließt der Satz ab.

Das im Bau seinem Vorgänger gleichende Andante cantabile bringt zunächst als Hauptthema einen Lieblingsgedanken der klassischen Zeit50. Mit seiner breit ausladenden Würde und Kraft entspricht es durchaus dem Grundwesen der ganzen Sinfonie, und auch hier tritt der Nachsatz ergänzend ein. Den Schwerpunkt auf das »cantabile« legend, bietet er einen glänzenden Beleg für Mozarts geniale Erweiterung der Metrik. Denn der im siebenten Takt plötzlich übervoll hervorströmende Gesang erweitert das zweite Glied von zwei auf drei Takte, und damit nicht genug, er hängt daran unter dem Drucke des Affekts vermittelst des Trugschlusses noch zwei weitere Takte[493] an, so daß der ganze Nachsatz auf sieben Takte anschwillt. Dieser mächtige Ausbruch der Empfindung zieht nun aber auch eine stark variierte Wiederholung des Themas nach sich, wobei das Thema im Baß über Bläserakkorden von einem dem kantablen Nachsatz (T. 7 f.) entstammenden figurierten Gegenmotiv in den Geigen begleitet wird. Sein Nachsatz senkt sich jetzt in tief elegischer Stimmung zum Dominanthalbschluß herab und bereitet so mit großer psychologischer Feinheit den schweren seelischen Druck des zweiten Themas vor. Denn dieses trübt alsbald jene Dominantharmonie (C-Dur) in c-Moll, ein Zeichen dafür, daß es bei aller Gegensätzlichkeit doch aus dem Vorhergehenden herauswächst, und gibt sich auch sonst durch seinen lastenden Orgelpunkt, die Synkopierung und das plötzliche Abreißen im zweiten Takt (das es übrigens dem analogen Thema der g-Moll-Sinfonie als verwandt erscheinen läßt) als den Träger eines schwer ringenden, leidenschaftlichen Pathos zu erkennen, das in der latenten Einführung des zweiteiligen Taktes in Takt 5 ff. seinen Höhepunkt erreicht. Aber auch in diesem Satze sind die trüben Anwandlungen nicht von Dauer: in dem tief empfundenen dritten Thema in C-Dur kehrt die Ruhe zurück51, und nur in dem Nachsatze mit dem Sechzehnteltriolenmotiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

das auch hier wieder mit seiner schwelgerischen Fortspinnung zu einer Erweiterung des Gliedes führt, klingt die wehmütige Stimmung leise nach. Auch hier schleicht sich übrigens gegen Schluß der zweiteilige Takt, verbunden mit einem crescendo, ein. In einem Dialog der Streicher und Bläser von vollendeter Klangschönheit klingt die Themengruppe aus.

Durchführung und Reprise sind diesmal mit besonders genialer Freiheit behandelt und zugleich wahre Muster eines ebenso kurzen wie inhaltsschweren Aufbaus. Wie ausdrucksvoll, fast einem Rezitativ verwandt, gibt sich da nicht gleich die kleine überleitende Partie der ersten Geigen! Die kurze Durchführung türmt zunächst die Wogen der Leidenschaft mit dem zweiten Thema noch einmal hoch empor, auf beständig gleitender Harmonie, die schon im siebenten Takte von d-Moll nach es-Moll führt und von da ab den widerborstigen zweiteiligen Takt besonders scharf betont. Aber auch dieser wilde Ausbruch der Erregung ist nicht von langer Dauer, und wiederum übernimmt es das Triolenmotiv der Schlußgruppe, den Sturm leise abschwellen zu lassen und uns auf sanfter chromatischer Linie in einem Bläserdialog ins Hauptthema zurückzuleiten. Dessen gänzlich veränderte Fassung läßt uns freilich den im Vorhergehenden erfolgten Umschwung[494] besonders deutlich empfinden. Zu seinem kantablen Nachsatz kommt es jetzt überhaupt nicht mehr, denn Mozart bleibt alsbald an jenem Gegenmotiv mit dem Zweiunddreißigstelanlauf haften, das zunächst, nicht zufällig, in den Bässen erscheint; dann übernehmen es die Geigen, es erweiternd und die ganze Entwicklung nach der Unterdominante führend. Noch einmal behauptet sich das Thema in den Bässen, aber alsbald wird es von der Zweiunddreißigstelbewegung förmlich überflutet, die nunmehr den Ausdruck bis zu dem emphatischen Eintritt des C-Dur ins Machtvolle, Heroische emporhebt, eine Stelle von überwältigender Kraft!52 Das ursprüngliche Thema sekundiert dabei in den Bläsern in verkleinerter und die melodischen Konturen seiner beiden ersten Takte aufs äußerste zusammendrängender Gestalt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

und ergänzt durch den punktierten Rhythmus das stolze Bild aufs wirksamste. Das zweite Thema vermag, kurz angedeutet, nur einen flüchtigen Schatten des Vergangenen heraufzubeschwören, alles Folgende gehört der ruhigen, friedlichen Zuversicht, und von besonders schöner Wirkung sind die klanglichen Veränderungen des Bläserpartes. Dann aber, in jener wundervollen Coda, die im letzten Stadium der Arbeit noch eingefügt wurde, erscheint das Hauptthema noch einmal, und wiederum will sich, diesmal in den Bläsern, jenes Zweiunddreißigstelmotiv einstellen, da wird es in einer gewaltsamen Verkürzung des Vordersatzes von vier auf zwei Takte zum Schweigen gebracht, und an seiner Stelle erscheint jener bei der Reprise unterdrückte edle Gesang des Nachsatzes in seiner ursprünglichen Form! Ein ganz kleines Schlußgrüppchen, das mit dem früheren nur noch den zauberhaften Hörnerklang gemein hat, führt den Satz zu Ende. Die ganze Coda trägt wie wenige den untrüglichen Stempel des Mozartschen Genius.

Das Menuett greift auch hier wieder auf die Stimmung des ersten Satzes zurück, nur daß die sinnigen Züge zunächst den Vortritt haben. Sein Hauptsatz hat mit dem der g-Moll-Sinfonie die straffe motivische Geschlossenheit gemein, denn auch hier wächst der ganze Satz aus dem Anfangsmotiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

heraus. Gemeinsam ist beiden Sätzen ferner auch die starke Variierung des Anfangs im dritten Teil, dem dann später noch einmal das Hauptthema in den Bläsern nachgeschickt wird, allerdings hier in einer neuen, kontrapunktischen[495] und mit Chromatik förmlich durchtränkten Variation, so daß schließlich das letzte Glied des Themas diesem kleinlauten Treiben ein Ende machen muß. Das höchst originelle Trio scheint zuerst mit seinen Bläserklängen die vorhergehende Kadenzharmonie nochmals bekräftigen zu wollen, da antwortet ihm aus der Höhe ein drolliges Achtelmotiv Haydnschen Schlages, und mit diesem Material ist der Bau dieses winzigen Hauptsätzchens fertig. Im Mittelsatz, der ganz von jenem Anfangsmotiv beherrscht wird53, ist zunächst der eigensinnige Kampf der Blechbläser mit den Streichern um den Rhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien von gutem Humor, dann gleiten wir auf jenem Motiv unversehens in die Wiederholung des Anfangs hinein, der jetzt instrumental variiert wird (vgl. die tiefe Lage des Horns).

Der letzte Satz ist nicht etwa eine Fuge, wie man nach der landläufigen Bezeichnung »C-Dur-Sinfonie mit der Schlußfuge« glauben könnte, sondern ein Sonatensatz, in dessen Verlauf dem fugierten Stil eine wichtige, wenn auch keineswegs alles beherrschende Rolle zukommt. Mozarts damalige Hinneigung zum Kontrapunkt gelangt hier auf ihren Höhepunkt. Trotzdem war es ihm nicht bloß um rein satztechnische Meisterschaft zu tun. Sie dient ihm nur dazu, das bewegte, freie Spiel der Kräfte, das die ganze Sinfonie beherrscht, zum Schlusse noch einmal zur reichsten und vielseitigsten Entfaltung zu bringen. Dasselbe haben verschiedene Zeitgenossen, voran M. Haydn54 und Dittersdorf55, gleichfalls versucht, aber Mozart überragt sie doch nicht allein durch die spielende Leichtigkeit in der Stellung und Lösung kontrapunktischer Probleme (wie er denn nicht mit Unrecht schon als der letzte große Kontrapunktiker alten Stiles bezeichnet worden ist), sondern auch durch die vollendete Harmonie, die in diesem Satze zwischen den rein homophonen und den kontrapunktischen Partien herrscht und diese in ganz natürlicher Weise aus jenen entwickelt. Der erste Themenkomplex ist ganz in der Art seines Vorgängers aus dem ersten Satze angelegt, nur noch breiter als dieser, denn er reicht bis zum 73. Takt56 und wird wie jener durch einen scharfen Halbschluß in zwei fast gleiche Hälften geteilt. Leise und heimlich, zweistimmig wie das Finalthema der Es-Dur-Sinfonie, setzt das bekannte Thema ein. Diesmal hat, anders als im ersten Satz, die Kantabilität den Vortritt, auch hinter dem bewegteren Nachsatz schimmert eine Gesangslinie hervor57:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[496] Dieser Nachsatz ist der einzige Gedanke des ganzen Satzes, der nicht kontrapunktisch verarbeitet wird, sondern sich den kontrapunktischen Partien wie ein Refrain anhängt. Gleich bei der Wiederholung durch das Tutti beginnt der strenge Stil mit dem einfachen, aus der älteren Musik sattsam bekannten Ligaturenkontrapunkt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

während im Baß das Sechzehntelmotiv von b erscheint, ein auch aus der Themengruppe des ersten Satzes bekannter Gedanke. Dieser Partie wird ein neuer Gedanke heroischen Gepräges angefügt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

der alsbald auf rollenden Bässen (in der Grundbewegung) majestätisch den Dreiklang in die Höhe steigt und zu einem rauschenden Halbschluß auf der Dominante führt, genau wie im ersten Satz. Dann beginnt die Wiederholung, wobei der strenge Satz, wie bei allen Wiederholungen und Fortspinnungen der Themen dieses Satzes, der Steigerung der in ihnen liegenden Energien dient. Es ist keine Fuge, sondern nur die erste, fünfstimmige Durchführung einer solchen; auch das Thema wird um einen Takt erweitert:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

während sich aus der kontrapunktierenden Fortsetzung e gleich darauf der gleichfalls imitatorisch eingeführte neue Gedanke:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

entwickelt, dessen Fortsetzung (s.o.) schon den Keim des zweiten Themas (in der Umkehrung) enthält. Abermals führt das heroische Motiv d, diesmal[497] gleichfalls in Engführung, den Abschluß herbei. Das zweite, kantable Thema58:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

besteht ebenfalls aus einem großen Komplex, dessen zweiter Teil eine starke kontrapunktische Steigerung bringt. Nur gesellen sich ihm schon im ersten wie von ungefähr die Motive f2, das jetzt in seiner Urgestalt, als verkleinertes Seitenthema, auftritt, f1 und d als Kontrapunkte bei. Aber seinen eigentlichen Höhepunkt erreicht das Thema erst nach dem großen Orgelpunkt auf D: da entspinnt sich wiederum eine Partie strengsten Stiles, abermals in Engführungen, zuerst mit den drei ersten Noten, dann mit dem ganzen Thema, dessen Einsätze sich auf dem engen Raume einer halben Note folgen. Hier entfaltet sich eine Kraft, die kaum noch überboten werden zu können scheint. Sehr wirksam kehrt darauf der homophone Nachsatz des Hauptthemas wieder59, ebenfalls mit variierender Wiederholung, als der Träger selbstbewußten, frohen Kraftgefühls. Und wiederum drückt Motiv d sein Siegel darunter, zunächst ebenfalls in gesteigerter kontrapunktischer Einkleidung (mit Gegenbewegung), dann piano in den Bläsern leise verklingend.

Gegenüber diesem Riesenblock von einer Themengruppe, der eigentlich selbst schon zwei Durchführungen in sich enthält, hat die eigentliche Durchführung einen schweren Stand. Sie beschränkt sich tatsächlich im wesentlichen auch auf das eine Thema d und verwendet a nur zur Einführung und in kleinen Episoden. Jene erfolgt im Anschluß an das Vorhergehende auf zwei geheimnisvollen, spannenden Orgelpunkten (a, d), dann schmettern plötzlich die Blechbläser den Anfang von d darein und geben damit das Signal zur kontrapunktischen Behandlung auch dieses Themas, gleichfalls in Engführungen, die sie durch ihren Schlachtruf gleichsam immer aufs neue anfeuern. Es ist die streitbarste Partie des Satzes, vor allem wegen des heftigen Zusammenpralls der punktierten Motive, deren Betonung beständig verschoben wird. Die Harmonik bewegt sich, wie meist bei Mozart in derartigen Partien, einfach den Quintenzirkel aufwärts, wobei nur das Tongeschlecht mitunter wechselt. Da macht sich plötzlich das Motiv a in den Bläsern geltend, und es kommt zu einer ans Dramatische streifenden Auseinandersetzung zwischen beiden und damit zwischen der heroischen und der sinnig-intimen Seite des Ganzen. Es ist psychologisch außerordentlich[498] fein, wie der Gefühlskreis von a sich immer mehr ausbreitet, das Motiv d zur Aufgabe seiner Kontrapunktik und zum piano zwingt, aus dem es sich bei dem echt Mozartschen Orgelpunkt noch einmal zu einer letzten Kraftanstrengung erhebt, um dann in einer ebenso kurzen wie genialen Übergangspartie auf chromatisch absteigenden Bässen leise in die Reprise zurückzuführen.

Sie erfährt dem ganzen Charakter des Satzes entsprechend besonders starke Veränderungen, die alle auf eine Steigerung des Gefühlsgehaltes hinauslaufen. So werden gleich die beiden Teile des Hauptthemenblockes auf einen zusammengedrängt60, der dafür harmonisch und kontrapunktisch ungemein vertieft wird61. Weniger einschneidend sind die Veränderungen bei dem vollständig wiederholten zweiten Themenblock. Auf ihn türmt Mozart nun aber mit einer kraftvollen Wendung des Themas d nach der Unterdominante noch die gewaltige Coda, die hier einer zweiten, potenzierten Durchführung gleichkommt, indem sie sämtliche bisher kontrapunktisch verwerteten Gedanken des Satzes in einem mächtigen Fugato gegeneinander führt. Wie verträumt antwortet dem Thema d zunächst Thema a in der Umkehrung. Aber von dem forte ab nimmt das Fugieren seinen Anfang, und zwar unter Vorantritt der gegeneinander kontrapunktierenden Themen a und g; sobald eine neue Stimme hinzutritt, erscheint als weiterer Kontrapunkt eines der anderen Hauptthemen, so nacheinander f1 mit seiner Fortsetzung f2 und d, so daß in der ganzen Partie kein Takt steht, der nicht thematisch wäre. Mit diesem Material öffnet Mozart nun alle Schleusen des mehrfachen Kontrapunktes; in immer neuer Verschlingung schlagen die vertrauten Gedanken an das Ohr des Hörers, und er kann nur staunen über die wunderbare Leichtigkeit, mit der diese aufs höchste gesteigerte Lebensenergie hier auf ihn eindringt62. Eine voll ausgearbeitete Fuge ist freilich auch diese Partie nicht, sie begnügt sich mit einer zweimaligen Durchführung auf den regelmäßigen Einsätzen auf Tonika, Dominante, Tonika (Dominante); nur beim zweitenmal wird der letzte Dominanteinsatz durch die Tonika verdrängt und das Ganze überdies um einen Takt verkürzt. Diese Steigerung bereitet zugleich den Eintritt des Themas b vor, das nunmehr, gefolgt von d, in glänzender Festfreude den Satz beschließt – es ist zugleich die Partie, die vorher in der Reprise unterdrückt wurde! Eine mächtige Fanfare macht den Beschluß.

Neben den Sinfonien ist das bedeutendste Werk aus dieser Zeit das für Puchberg63 geschriebene Divertimento in Es-Dur für Violine, Bratsche und Cello (K.-V. 563). Es hat die auch früher schon von Mozart bevorzugte Zahl von sechs Sätzen: Allegro, Adagio, Menuett, Andante mit Variationen,[499] Menuett, Rondo. Wie immer, so hat auch hier das Problem des äußeren Klanges – nur drei Streichinstrumente ohne die zweite Violine – entscheidend auf die musikalische Gestaltung eingewirkt, und es ist bewundernswert, wie sich hier Mozart als Meister in der Beschränkung zeigt. Das Aushilfsmittel der Doppelgriffe erscheint verhältnismäßig selten, häufiger schon die gebrochenen Akkordfiguren, meist aber ist der Satz rein dreistimmig gehalten und gewinnt durch die teilweise sehr virtuose Ausnützung der Ausdrucksmöglichkeiten jedes Instruments einen Klang von fast unerschöpflicher Fülle und Abwechslung. Gleich das schöne Seitenthema des ersten Satzes bietet einen überraschenden Beleg dafür: die Melodie, eine Verwandte der Romanze des Klavierkonzerts in d-Moll, wird von der ersten Geige und dem Cello zweistimmig gesungen, während die Bratsche den Baß führt. Auch in der Wahl und Verarbeitung der Gedanken gehört das Werk dem echten Kammermusikstil an. Alle drei Spieler sind gleichberechtigt, und auch da, wo ein einzelner die Führung übernimmt, regen sich bei den anderen, zustimmend oder widersprechend, eigene Gedanken, sodaß wir stets den Eindruck bewegtesten Lebens haben. Die Ausdruckssphäre ist dieselbe wie bei den Sinfonien, sie geht von der leichtesten Homophonie bis zur strengen Kontrapunktik. Nur ist der Ton, dem Charakter des Divertimentos gemäß, weit intimer und zarter; an die Stelle pessimistischer oder heroischer Anwandlungen tritt ein gesundes, jugendliches Kraftgefühl, das ebenso zu schwärmen wie mit gutem Humor zu scherzen weiß. Da ist z.B. gleich die Durchführung des ersten Satzes, die zunächst nach echt Mozartscher Art mit dem Hauptthema in weit entlegene Tonarten hinüberträumt. Aber schon im dritten Takt gesellt sich ihm ein aus einem früheren Nebengedanken durch Verkürzung gewonnenes Motiv bei, das melodisch gerade die entgegengesetzte Richtung einschlägt und schließlich in seiner Urgestalt Anlaß zu immer erregteren kanonischen Auseinandersetzungen zwischen den dreien gibt; mit gutem Humor macht sich dazwischen eine mahnende Stimme:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

geltend. Und auch hier wird, wie in den Sinfonien, der Rückweg in die Reprise durch einen überraschenden Gang der Modulation bewerkstelligt64. Die wundervolle Träumerei des Adagios baut sich auf dem einfachen Dreiklangsmotiv65:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[500] auf, das die Violine bald in ihrer Sprache zu dem schwungvoll ausladenden:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

umdeutet, damit zugleich den Wetteifer der anderen beiden Instrumente weckend. Es bildet den eigentlichen Kern des Satzes, denn auch das kleine Durchführungsmotiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

ist ein Absenker davon, und namentlich der Schluß bringt ein unersättliches Schwelgen in diesem Gebilde, das sich nacheinander in allen drei Instrumenten in die Höhe schwingt. Von den beiden Menuetten weist gleich das erste samt seinem Trio jene geniale Veränderung und Erweiterung der Wiederholungsteile auf, die wir schon bei den Sinfonien beobachteten. Es ist im Gegensatz zum zweiten, melodischen, durchweg in bewegter Figuration gehalten. Beide zusammen schließen das Andante, einen Variationensatz über ein volkstümliches Thema, ein. Da jeder Teil sofort bei der Wiederholung variiert wird, so handelt es sich jedesmal um eine Doppelvariation, wie wir sie schon früher gelegentlich antrafen, und zwar wechseln die beiden Variationen innerhalb des ganzen Komplexes in der Weise ab, daß die ersten Teile und dann wieder die Wiederholungen je eine geschlossene Variation bilden. So bekommt z.B. in der ersten Variation zunächst die Bratsche das Thema wortgetreu, während Geige und Cello selbständig dazu kontrapunktieren; bei der Wiederholung folgt dagegen eine freie Figuration der Geige, gestützt auf eine leichte, wenn auch harmonisch zum Teil erheblich veränderte Begleitung der beiden unteren Stimmen. In der zweiten folgt auf eine feurige Zwiesprache zwischen Viola und Violine im piano ein freies kanonisches Spiel zwischen Violine und Cello. Das besonders tiefsinnige Minore vertauscht die Stimmen bei der Wiederholung im dreifachen Kontrapunkt, so daß die Geige die vorherige Melodie der Bratsche, diese die des Cellos und das Cello die der Geige erhält. Nach diesem trüben Bild zieht nun im Maggiore die Bratsche mit dem auf seinen allereinfachsten melodischen Grundriß zurückgeführten Thema ernst und gemessen ihren Weg, begleitet von einer äußerst lebhaften Figur der Geige und einem laufenden Baß alten Stiles im Cello. Es ist, als hätte sich die alte muntere Weise in einen bußfertigen Wallfahrergesang mit wehenden[501] Fahnen verwandelt, und besonders würdevoll hebt sich das immer wiederkehrende:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

heraus. Bezeichnenderweise erhält dieses Bild keinen Gegensatz, sondern läßt das Ganze in einer plagalen Coda ausklingen, nicht ohne daß uns das Thema in seiner Urform noch einen kurzen Abschiedsgruß zuriefe. Das folgende Menuett führt uns gleich mit seinem imitierten Hornsatz am Anfang in die Welt der Daseinsfreude zurück. Es ist nicht nur eine der liebenswürdigsten, sondern auch der geistreichsten Schöpfungen Mozarts auf diesem Gebiet. Das beweist gleich die überlegene Laune, mit der im zweiten Teil des Hauptsatzes die verschiedenen Glieder auf engstem Raume in leichtestem Spiel miteinander vertauscht und neu kombiniert werden. Auf diesem Grunde sproßt nun aber die reizende Blüte der Bratschenmelodie im ersten Trio auf, ein Vorklang der deutschen Tänze Schuberts, auf den auch die in zartester Wehmut schwelgende kleine Durchführung hinweist. Auch das zweite Trio hat trotz dem anmutig tändelnden Hauptgedanken seine geheimen Schmerzen, wie die Durchführung mit ihren g-Moll-Klängen und ihrem ausgeschriebenen Ritardando lehrt. Mozart selbst hat sich von diesem Menuett nur schwer zu trennen vermocht: in einer auffallend langen Coda kommt er nochmals auf seinen Hauptsatz zurück und treibt mit dessen Hauptmotiven erneut ein launiges Spiel. Aber auch der letzte Satz zeigt ihn auf der vollen Höhe seines Schaffens. Denn er behandelt die Rondoform mit einer Freiheit wie kaum eines seiner früheren Rondos. Er variiert die Themen bei ihrer Wiederholung nicht bloß, sondern führt sie auch durch. So erscheint das Hauptthema in der Bratsche plötzlich in As-Dur und wird dann, in seine einzelnen Motive zerlegt, auf kühnem modulatorischem Wege nach der Dominante von c-Moll hinübergespielt, dann wird ähnlich verfahren mit dem Anschlußgedanken:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

der sich mit seinen mannigfachen rhythmischen Verschiebungen überhaupt als der eigentliche Humorist des Satzes erweist, und mit den übrigen Themen. Der Satz ist mit seiner herzgewinnenden Liebenswürdigkeit66 und seinem Schwelgen in der eigenen Erfindungsfülle ein unverfälschter Mozart. Das ganze Werk aber gehört nicht allein zu seinen reifsten Kammermusikwerken, sondern stellt auch innerhalb seiner Gattung einen nicht überbotenen Höhepunkt dar.[502]

Nicht ganz auf derselben Höhe stehen die drei Klaviertrios aus dieser Zeit (K.-V. 542, 548, 564), obwohl auch sie vollbürtige Erzeugnisse ihres Schöpfers sind und besonders auch stilistisch einen erheblichen Fortschritt gegen früher aufweisen. Vor allem ist die Wechselchörigkeit zwischen Klavier und Streichinstrumenten stärker herausgearbeitet und die alte Continuoführung des Cellos fast ganz verschwunden. An die Konzertform erinnert die Beschränkung auf drei Sätze, die Wahl des Rondos für das Finale und die häufig ans Virtuose streifende Führung nicht allein des Klaviers, sondern auch der Violine. Selbst bei dem ursprünglich als Klaviersonate geschriebenen Trio in G-Dur ist, obwohl man ihm diese Entstehung noch deutlich genug anmerkt, jenes Konzertieren der beiden Parteien mit großem Geschick herausgearbeitet. Die Umarbeitung erfolgte wohl auf einen besonderen äußeren Anlaß hin67, wie er sicher auch zur Komposition der beiden anderen Trios führte68. Im allgemeinen weisen alle drei, besonders aber die beiden ersten, die charakteristischen Merkmale von Mozarts damaligem Instrumentalstil auf, vor allem die kontrapunktischen Neigungen und das Verarbeiten ursprünglicher Nebengedanken in den Durchführungen. Das bedeutendste ist das E-Dur-Trio, das zugleich am breitesten angelegt ist, in der Behandlung seines Seitenthemas plötzlich einen ganz überraschenden kontrapunktischen Tiefsinn an den Tag legt und auch in der Reprise gleich zu Anfang eine höchst ausdrucksvolle Steigerung bringt. Im analogen Satz des C-Dur-Trios liegt der Schwerpunkt auf der Durchführung, dank der geistvollen Verarbeitung eines nur aus zwei Tönen bestehenden Motives. Die Mittelsätze neigen sich in fühlbarem Gegensatz zu dem veredelten italienischen Ton der früheren Kammermusikwerke mit Klavier mehr der einheimischen Liedweise zu. Auch hier steht das E-Dur-Trio an der Spitze. Sein in der französischen Rondoform mit Mineur gehaltenes Andante grazioso ist eine Perle der gesamten Trioliteratur, vor allem dank jenem Mineur, dessen aus dem Hauptthema abgeleitete, exotisch angehauchte Melodik und überraschend kühne Harmonik von einer außergewöhnlichen musikalischen Inspiration zeugt. Während das Andante des C-Dur-Trios sich besonders durch schwungvolle Kantilenen und fein verästeltes Figurenwerk auszeichnet, bringt das des G-Dur-Trios Variationen über eine ganz schlichte Liedweise, die in ihrer rührenden Wehmut unmittelbar zum Herzen spricht. Obwohl sie an Kunst und Tiefsinn den Variationen des Streichtrios nicht gewachsen sind, führen sie doch die Grundstimmung ihres Themas so natürlich und wahr und mit solcher Klangschönheit weiter, daß die Beliebtheit dieses Satzes voll zu Recht besteht. Von den Schlußrondos nimmt sich das des E-Dur-Trios wie ein Nachhall der Finales der großen Konzerte aus: breit angelegte Themen und Rückgänge, dazwischen Partien ausgesprochen virtuosen Gepräges, wirkungsvolle Kontraste und doch[503] dabei immer wieder das unserer Periode eigentümliche Streben nach Geschlossenheit. Noch mehr tritt diese in dem reizenden Rokokofinale des C-Dur-Trios hervor, einem französischen Rondo, dessen Mineur motivisch mit dem Hauptsatz verknüpft ist. Am lockersten ist der Bau des G-Dur-Finales im Ton eines harmlos-munteren Sizilianos.

Mozarts letzte Violinsonate (K.-V. 547) greift noch einmal auf die Form der »romantischen« Jugendwerke zurück, indem sie mehr einer Suite als einer Sonate gleicht69. Einem langsamen Präludium von einfacher Dreiteiligkeit folgen ein locker geschürzter und auch in der Thematik der Suite sich nähernder Sonatensatz und schließlich Variationen – alles in derselben Tonart. Weitaus das Tiefste enthalten die nach Anlage und Ausführung mit dem Streichtrio verwandten Variationen: namentlich die fünfte und sechste weisen deutlich auf dies Vorbild zurück, jene durch ihre tiefsinnige Kontrapunktik, diese durch die Vereinfachung der Themamelodie in der Violine.

Die Klaviermusik dieser Zeit hat als Hauptstück das D-Dur-Konzert (K.-V. 537, S. XVI. 26), das sogenannte »Krönungskonzert«70, aufzuweisen. Formell seinen Vorgängern im allgemeinen gleich, läßt es doch in Einzelheiten die Eigentümlichkeiten des fortgeschrittenen Stiles deutlich erkennen. Dahin gehört z.B. gleich im Tutti die schöne Einführung des Seitenthemas, in der bereits das spätere, zweite Seitenthema des Klaviers anklingt, und die Einfügung des alten Mozartschen Lieblingsgedankens71 in neuer Einkleidung vor dem Schluß des Tuttis. Der Solist beginnt diesmal mit dem Hauptgedanken ohne weitere Vorbereitung, besteht dann aber auf seinem eigenen Seitenthema und kommt erst später auf das des Orchesters zurück, wobei sein Abschluß eine längere kontrapunktische Ausspinnung erfährt. Die Durchführung knüpft nach bekannter Art an das Schlußmotiv an, und dessen höchst geistvolle Verarbeitung erzeugt nun ihrerseits wie von ungefähr wieder ein neues Motiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

das in seiner zusammengedrängten, gesangsmäßigeren Form:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[504] die folgende Partie beherrscht. Die Reprise wird auch hier stark verändert; besonders schön ist dabei die selbständige Behandlung jenes Mozartschen Lieblingsthemas. Das Larghetto schlägt den aus früheren Konzerten bekannten naiven Romanzenton an. Das zweite Thema wird vom Solisten aus einem vorbereitenden Tuttigedanken entwickelt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

Das Ganze ist eine der zartesten und duftigsten Blüten Mozartscher Konzertkunst. Das Finale kombiniert in der bekannten Art Rondo und Sonatenform72. Besonders reich an Themen und von glänzender Virtuosität in den Übergangspartien zeichnet es sich namentlich durch harmonische Freiheiten aus. Das Seitenthema des Solisten erscheint z.B. beim zweiten Mal nach einem plötzlichen enharmonischen Ruck in B-Dur und arbeitet sich erst allmählich nach G-Dur zurück. So übernimmt dieses Konzert zwar im allgemeinen durchaus den Ausdrucksgehalt seiner Vorgänger, drückt ihm aber doch zugleich den Stempel seiner Entstehungszeit auf.

Die beiden vollendeten Sonaten aus dieser Zeit, inC-Dur73 und B-Dur74 (K.-V. 545, 570), bevorzugen in den Mittel- und Schlußsätzen das Rondo in seiner lockersten Form. Die erste ist geschmackvolle Unterrichtsmusik für Anfänger; ihr erster Satz greift auf den altmodischen Brauch zurück, die Reprise in der Unterdominante einzuführen. Bedeutender ist die B-Dur-Sonate. Ihr erster Satz hat eigentlich zwei Seitenthemen, eines in der Unter-, das zweite in der Oberdominante, das sich eng an das Hauptthema anschließt und in der Durchführung durch seine Verwendung im doppelten Kontrapunkt fesselt. Das Adagio zeichnet sich durch einen besonders edlen Gesang und in den Seitensätzen durch ein stark subjektiv gefärbtes Pathos aus. Im sehr locker gefügten Schlußrondo ragt besonders die zweite Episode in Es-Dur hervor, abermals wegen der Rolle des doppelten Kontrapunktes; sehr geistvoll ist auch die Art, wie am Schlusse beide Episodenthemen in[505] verkürzter und variierter Form nacheinander nochmals auf den Plan gerufen werden.

Am deutlichsten aber prägt sich der Stil dieser Periode in den beiden Sonatensätzen in F- und B-Dur aus (K.-V. 533), die aus unbekannten Gründen nicht zu einer vollständigen Sonate ergänzt wurden75. Namentlich der erste Satz bildet insofern eine Parallele zum Finale der C-Dur-Sinfonie, als er die Sonatenform gleichfalls mit reichem kontrapunktischen Leben erfüllt. Beide Gruppen, des Haupt- wie des Seitenthemas, führen ihre Themen, kaum daß sie aufgestellt sind, in der mannigfaltigsten Weise kontrapunktisch durch. Auch die Einführung eines dritten Hauptgedankens, der herausfordernd im Baß allein auftritt:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

ist charakteristisch. Erst gegen den Schluß der Themengruppe wird der Satz homophon, und zwar mit einer ausgesprochen virtuosenhaften Färbung. Es spricht eine harte, kampflustige Energie aus allen diesen Themen, die sich nunmehr in der Durchführung bis ins Finstere und Trotzige steigert. Ihr größter Teil spielt sich ausschließlich in Molltonarten ab, unter rollenden Triolenfiguren, zwischen denen nur ab und zu der Anfang des Hauptthemas auftaucht. Der zweite Teil gehört dem kontrapunktisch durchgeführten Seitenthema. Die Reprise wird wiederum stark verändert. Ganz Mozarts damaliger Art entspricht z.B. gleich das Hinüberspielen des ersten Themas nach Des-Dur mit der schönen Rückkehr in einer breiten Sequenzenkette. Beim Eintritt jenes dritten Gedankens aber meldet sich das Hauptthema als Kontrapunkt, und auch hier wird die Fortsetzung in der typischen Weise des damaligen Mozart erweitert:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

[506] Die vier letzten Takte sind ein höchst geniales Einschiebsel. Das B-Dur-Andante hat mit diesem Satz die Sonatenform und den strengen Satz gemein und ist einer der grüblerischsten Sätze, die Mozart dem Klavier anvertraut hat. Schon beim Hauptthema ist die Melodik76 und namentlich die Harmonik außergewöhnlich. Beide Themen werden fernerhin breit ausgesponnen, so daß ihre Fortsetzung den Eindruck selbständiger Gedanken macht, so namentlich das ausdrucksvolle Seitenthema in F-Dur mit seiner genialen modulatorischen Steigerung77. Die Durchführung läßt auf eine kombinierte Verarbeitung beider Themen auf Grund des dem Hauptthema entnommenen Motivs:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

eine der herbsten Partien in Mozarts gesamter Kunst folgen. Die damalige Musik bietet wohl überhaupt kein Seitenstück für derartige schneidende Querstandwirkungen. So drängt jenes Motiv samt seinem Kontrapunkt, durch Terzen verstärkt, mit seinen Sforzati in bitterster Selbstquälerei nach aufwärts, bis es die Dominantharmonie von B-Dur erreicht hat – eine Gefühlsspannung, wie wir sie in Mozarts Sonaten nicht zum zweiten Male erleben. Die Reprise bringt zunächst das Hauptthema, wie in den Sinfonien, im Baß und dazu im Sopran ein Motiv aus der Durchführung; auch später werden die Stimmen vertauscht. So gelangt in diesen beiden Meistersätzen die Don-Giovanni-Stimmung jener Tage auch auf dem Klavier zu vollendetem Ausdruck. Sie hallt noch vernehmlich in dem tiefsinnigen Adagio in h-Moll (K.-V. 540) nach. Trotz seiner Sonatenform und der streng thematischen Arbeit nähert es sich doch mehr der Phantasie, dank seinem ausgesprochen subjektiven Ausdruck, der sich in der zerrissenen, ans Rezitativ streifenden Melodik, in der fast in beständigem Gleiten begriffenen, oft äußerst kühnen Harmonik und in den scharfen dynamischen Akzenten offenbart. Auch klavieristisch ist das Stück von besonderem Reiz, wie die überschlagenden Hände, die singenden Bässe, die ausdrucksvollen Mittelstimmen und die Figuration beweisen.

Mozarts amtliche Tätigkeit als kaiserlicher Kammerkompositeur bestand zunächst78 lediglich in der Komposition von allerlei Tänzen für die Maskenbälle der k.k. Redoutensäle. Diese befanden sich in dem Flügel der Hofburg auf der rechten Seite des Josephsplatzes und enthielten ursprünglich[507] ein Theater, auf dem bei festlichen Anlässen Opern und Ballette vor dem Hofe aufgeführt wurden. Nach dem Bau des Burgtheaters wurde dieses 1752 zu dem späteren großen und kleinen Redoutensaal umgestaltet, wo außer besonderen Hoffesten nur öffentliche Konzerte und Maskenbälle gegeben wurden. Diese fanden an allen Sonntagen des Karnevals, am feisten Donnerstag und an den drei letzten Faschingstagen statt. Joseph II. begünstigte sie sehr als ein Mittel der Annäherung der verschiedenen Volksklassen, erschien dabei selbst häufig mit dem Hofe, was eine lebhafte Beteiligung aller Stände hervorrief, und ließ eine ausgedehnte Maskenfreiheit walten. Man tanzte hauptsächlich Menuett und deutsche Tänze (Walzer), später auch Kontertänze und Ländler; an den Walzern und Ländlern nahm aber nur die niedere Klasse teil, weil das Gedränge zu groß war – ganz wie im »Don Giovanni« (S. 424). Die Unternehmung der Redoute war gewöhnlich mit der des Operntheaters verbunden und wurde mitverpachtet, wenn jenes verpachtet war. Schon 1778 hatte der Hof das Operntheater und seit 1785 auch das Kärntnertortheater für eigene Rechnung übernommen, ein Verhältnis, das bis zum August 1794 bestand. Die Kaiserliche Hoftheaterdirektion bestellte daher die Tanzmusik, für die man angesehene Komponisten trotz dem geringen Honorar von wenigen Dukaten für eine Partie Tänze zu gewinnen suchte; wie denn außer Mozart auch Haydn, Eybler, Gyrowetz, Hummel und Beethoven Tänze für die Redoute komponiert haben79.

Seit seiner Anstellung schrieb also Mozart in den Jahren 1788, 1789 und 1791 eine Menge Tänze verschiedener Art für die Maskenbälle80:


1788.14. Jan. Contredanse »das Donnerwetter«

(K.-V. 534, S. XXIV. 27).

23. Jan. Contredanse »die Bataille«

(K.-V. 535, S. XI. 20).

27. Jan. Sechs Teutsche (K.-V. 536, S. XI. 7).

30. Okt. Zwei Contredanses (K.-V. 565)

(unbekannt).

6. Dez. Sechs Teutsche (K.-V. 567, S. XI. 8).

24. Dez. Zwölf Menuette (K.-V. 568, S. XI. 1).

1789.21. Febr. Sechs Teutsche (K.-V. 571, S. XI.9).81

Dez. Zwölf Menuette (K.-V. 585, S. XI. 2).

Zwölf Teutsche. NB. einen Kontertanz:

»der Sieg vom Helden Coburg« (gegen

die Türken, 22. September 1789, K.-V. 586,

587, S. XI. 10, 21).

1791.23. Jan. Sechs Menuette für die Redoute

(K.-V. 599, S. XI. 3).

29. Jan. Sechs Teutsche (K.-V. 600, S. XI. 11).

5. Febr. Vier Menuette und vier Teutsche

(K.-V. 601, 602, S. XI. 4, 12).82

Zwei Kontertänze (K.-V. 603, S. XI. 22).[508]

12. Febr. Zwei Menuette und drei Teutsche

(K.-V. 604, 605, S. XI. 5, 13).83

28. Febr. Kontertanz »Il trionfo delle

donne« (K.-V. 607, S. XXIV. 17).

Sechs Ländlerische Tänze (K.-V. 606, S. XXIV. 16).

6. März. Kontertanz »die Leyerer«

(K.-V. 610, S. XI. 24) (im Autograph

überschrieben: »les filles

malicieuses«).84

6. März. Fünf Kontertänze (K.-V. 609, S. XI. 23).85


Aus dem Jahre 1790 sind keine verzeichnet, offen bar haben die Krankheit und der am 20. Februar erfolgte Tod Josephs die Lustbarkeiten größtenteils aufgehoben. Was an diesen Tänzen Mozarts zunächst auffällt, ist die geradezu unerschöpfliche Erfindung. Obwohl die Form nur geringen Spielraum bietet, ist doch jeder Tanz wieder anders. Mit Ausnahme der ganz einfachen Ländler sind sämtliche Tänze entweder zweiteilig (mit einem in derselben Tonart, höchstens in der Molltonart derselben Stufe stehenden Trio), wie die Menuette und Teutschen, oder mehrteilig, wie die Kontertänze86. Den Teutschen wird gemeinhin noch eine Coda angehängt, die meist auf den letzten Tanz zurückgreift und häufig allerlei orchestrale Witze bringt, wie z.B. das große Mannheimer Crescendo und den Schluß in K.-V. 571. Der Charakter der einzelnen Tänze ist streng gewahrt, wie namentlich ein Vergleich der Menuette mit den Teutschen zeigt. Jene sind schon im Satz kunstvoller und entfalten besonders auch in der Instrumentation alle Reize der damaligen Mozartschen Orchesterbehandlung; wechseln doch sehr viele bei den Wiederholungen auch das instrumentale Gewand. Die Teutschen sind dagegen vor allem darauf bedacht, den Volkston zu wahren, und zwar nach seiner sentimentalen Seite (besonders in den Molltrios) wie nach seiner derben. Namentlich wird dabei auch das aus dem »Don Giovanni« bekannte Locken mit den Vorschlagsschleifern:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

nicht vergessen (K.-V. 571, Nr. 6, Trio). Die Trios enthalten nicht selten ganz unverfälschte Anklänge an die Volksmusik, wie z.B. das von der[509] »Leier« gespielte in K.-V. 602, Nr. 3. Andere warten mit besonderen Überraschungen auf, wie K.-V. 571, Nr. 6 mit seiner grämlichen Chromatik:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

auch ungarische und spanische Züge fehlen nicht (K.-V. 568, 11 und 586, 5). Gelegentlich findet sich endlich auch ein motivischer Zusammenhang zwischen Hauptsatz und Trio (K.-V. 567, 3).

Sehr beliebt sind namentlich in den Kontertänzen die Anspielungen auf damals beliebte Lied- und Opernweisen. Wie K.-V. 609 den »Figaro«, so zitiert K.-V. 607 Anfossis »Trionfo delle Donne« und K.-V. 587 ein Marschlied auf den »Helden Koburg«, dessen Türkensieg gleich darauf durch ein Mollthema im Stil der Mozartschen Türkenmusiken angedeutet wird. In engem Zusammenhang damit steht die naive Tonmalerei mancher Stücke, wie z.B. der »Bataille« (K.-V. 535), die außer Trompetensignalen einen Marsch mit Pfeifen und Trommel und zum Schluß noch einen weiteren »alla turca« bringt. Die »Filles malicieuses« (K.-V. 610) sind gleichfalls programmatisch gemeint. Endlich bringen die Trios von K.-V. 600, 5 einen Kanarienvogel (mit Pikkoloflöte) und von K.-V. 605, 3 eine Schlittenfahrt mit drei abgestimmten Schellen und einem Posthorn, die zum Schlusse allein das Wort behalten. Überhaupt ist die Instrumentation all dieser Stücke, auch abgesehen von den humoristisch gemeinten Partien, reich an feinen Wendungen, namentlich konzertierender Art. Den Grundstock bildet bei allen das dreistimmige Saitenorchester von zwei Violinen und Baß ohne Viola, dazu treten in stets wechselnder Besetzung, wobei auch die Trompeten (Clarini) und Pauken reich bedacht sind, die Bläser87; auch ungewöhnliche Instrumente sind vertreten, wie z.B. das Tamburin (K.-V. 586, 5, Trio). Im allgemeinen werden diese Stücke entschieden unterschätzt, offenbaren sie doch in jeder Hinsicht, wenn auch innerhalb ihrer beschränkten künstlerischen Sphäre, die Hand des reifen Meisters88.

Ganz anders war die Aufgabe, die in jener Zeit Mozart durch van Swieten gestellt wurde. Dieser suchteHändels Oratorien, für die er in Berlin eine besondere Vorliebe gefaßt hatte, nun auch in Wien einzubürgern. Neben den Konzerten in seiner Wohnung (»Zu den drei Hacken« in der Renngasse neben dem Hotel zum Römischen Kaiser) ließ er Händelsche Oratorien im großen Saal der Hofbibliothek oder in den Palais seiner adligen Subskribenten[510] aufführen, zu denen die Fürsten Schwarzenberg, Lobkowitz und Dietrichstein, die Grafen Apponyi, Batthiany, Franz Esterhazy u.a. gehörten. Die Konzerte fanden nachmittags vor geladenen Gästen statt, gewöhnlich im Frühjahr, ehe die Herrschaften auf ihre Güter gingen. Zur Mitwirkung zog van Swieten hauptsächlich die Mitglieder der Hofkapelle und des Opernorchesters heran und hielt die Proben in seiner Wohnung ab. Er selbst hat dieAthalia und höchstwahrscheinlich auch die Wahl des Herakles für eine Aufführung, wohl erst nach Mozarts Tode, bearbeitet. Die musikalische Leitung hatte anfangs Joseph Starzer, der den Judas Makkabäus bearbeitet hat89; nach dessen Tode (22. April 1787) trat Mozart an seine Stelle, der junge Joseph Weigl akkompagnierte am Klavier90.

Nach Mozarts Verzeichnis vom November 1788 war das erste Händelsche Oratorium, das er bearbeitete, Acis und Galathea91. Dann folgte im März 1789 der Messias92, wohl unter dem Eindruck der aufsehenerregenden Aufführungen, die J. A. Hiller nach dem Beispiel der Londoner Händelfeste von 1784 und 178593 in der Domkirche zu Berlin (19. Mai 1786, mit italienischem Text)94, am 3. November 1786 und 11. Mai 1788 in der Universitätskirche in Leipzig95 und am 30. Mai 1788 in Breslau96 veranstaltet hatte. Im Juli 1790 bearbeitete Mozart noch das Alexanderfest und die sogenannte kleine Cäcilienode.

Dieser Händelkultus ist die erfreulichste Seite von Swietens musikalischem Wirken und ehrt auch seine Wiener Gesinnungsgenossen ganz besonders. Zwar ist Händel niemals in Vergessenheit geraten wie S. Bach, von dem ja auch Swieten im wesentlichen nur die Klaviermusik kannte, aber doch stellte auch seine Kunst den damaligen Dirigenten vor Aufgaben, die über den Kreis seiner gewöhnlichen Obliegenheiten weit hinausführten.

Während die neuere Musik dem ausführenden Künstler seinen Part bis ins kleinste hinein vorschreibt, verlangt die ältere von ihm ein weit höheres[511] Maß von schöpferischer Mitarbeit. Bei jeder ihrer Schöpfungen hat man zu unterscheiden zwischen den eigentlich komponierten, »obligaten« Stimmen, die der Komponist selbst vorschreibt, und den ursprünglich improvisierten Zutaten des Dirigenten, Sängers, und vom 17. Jahrhundert ab vor allem des oder der Generalbaßspieler. Es hat langer und erbitterter Kämpfe bedurft, bis dieses Verhältnis richtig erkannt und damit die Grundlage für eine Aufführungspraxis gelegt war, die dem Wesen der alten Kunst gerecht wurde. Zunächst stiftete der Rationalismus große Verwirrung: als der Generalbaßstil abzusterben begann, geriet auch er bei dieser völlig unhistorischen Geistesrichtung in den Ruf des Veralteten. Man ging über seine Bezifferung entweder ganz zur Tagesordnung über, weil man ihren Sinn nicht mehr verstand, oder man übertrug besten Falles ihre Ausführung nicht den ursprünglich dafür bestimmten Akkordinstrumenten, sondern den Instrumenten des jeweilig »modernen« Orchesters. Das hatte nun freilich grundsätzlich die alte Kunst mitunter selbst getan97, aber stets unter peinlicher Wahrung des ursprünglichen, obligaten Satzes; es lag ihr völlig fern, durch diesen Zusatz von Instrumentenchören ihn etwa »fertig komponieren« oder ihm eine besondere »Farbe« verleihen zu wollen. Gerade das aber war das Ziel jener ersten »Bearbeiter« alter Musik, Hillers und auch Mozarts, und sie haben damit in späterer Zeit namentlich in R. Franz und seiner Schule eifrige Nachfolger gefunden.

Hiller selbst hat es auch unumwunden ausgesprochen, daß ihm die vermeintliche Primitivität der Händelschen Instrumentation starkes Unbehagen verursachte. Obwohl er selber noch in der alten Tradition aufgewachsen war, schlug er sich doch in seinen Bearbeitungen auf die Seite der neuen, von der Klangfarbe und Artikulation der einzelnen Instrumente bestimmten Orchestrationskunst und betrachtete das Original nur als Skizze, die er zu vollenden und in modernen Farben auszuführen habe. »Es ließe sich durch eine der heutigen Setzart gemäße Anwendung der blasenden Instrumente noch manche Verschönerung der Händelschen Compositionen beyfügen. Im ganzen Messias scheint Händel weder an Oboen, noch Flöten, noch Waldhörner gedacht zu haben, die doch in unsern heutigen Orchestern soviel Eigentümliches haben, wodurch sie die Wirkung des Ganzen erhöhen und verstärken. Daß es mit viel Überlegung und Discretion geschehen müsse, habe ich anzumerken nicht unterlassen dürfen.«98 Aber dabei blieb es nicht; er änderte und kürzte auch in der Komposition selbst, namentlich in Arien und Rezitativen, und schrieb »eine ganz neue Partitur, so ungefähr, wie Händel selbst in unseren Tagen sie geschrieben haben würde«.99 Er meinte dabei, »nur ein pedantischer Verehrer alter Moden oder ein pedantischer Verächter des Guten, das die Neueren haben«100, könne dieses Verfahren tadeln.[512]

Damit war mit der ganzen unbewußten Selbstgerechtigkeit des Rationalisten ein verhängnisvolles Bearbeitungsprogramm für die Zukunft aufgestellt, das dem Stil jener alten Kunst schnurstracks zuwiderlief und seine richtige Erkenntnis auf Jahrzehnte hemmte. Daß die originalen Generalbaßinstrumente, Orgeln, Klaviere, Lauten und Harfen, durch das moderne Orchester ersetzt wurden, war schlimm, noch bedenklicher aber war, daß das grundlegende Verhältnis zwischen komponierten und improvisierten Stimmen und damit auch das Übergewicht der Zeichnung über die Farbe nahezu aufgehoben wurde.

Mozart ist im Prinzip nicht anders verfahren. Nur lagen ihm Reflexionen nach der Art Hillers fern, und das hat ihn auch vor dessen ärgsten Willkürlichkeiten bewahrt. Für stilkritische Erwägungen auf geschichtlicher Grundlage aber war die Zeit noch längst nicht gekommen. So ging er ans Werk mit seiner gewohnten Unbefangenheit, die das eigene Empfinden als maßgebend betrachtete. Dem Hillerschen Verfahren schloß er sich insofern an, als er sein Hauptaugenmerk den Bläsern zuwandte. Die Singstimmen und den Streicherpart dagegen ließ er in der Originalfassung einfach in seine Partitur übertragen. Nur wo Händel nur eine Violinstimme gibt, fügte er zur Ausfüllung der Harmonie noch eine zweite Violine und Bratsche hinzu. Die Blasinstrumente dagegen mußte der Kopist ganz weglassen. Wo sie Händel in charakteristischer Weise verwendet, namentlich in Stücken mit obligaten Bläsern, hat sie Mozart unverändert gelassen, wo dagegen die Oboen gleichsam nur die Blasinstrumente überhaupt vertreten, ersetzt er sie entweder durch andere Bläser (selten durch Flöten, häufiger durch Klarinetten) oder verwendet den vollen Chor der Blasinstrumente. Dieser tritt aber auch da ein, wo Händel nicht einmal Oboen ver, langt, um einen volleren und kräftigeren Klang zu erzielen. So ist daorchestrale Gewand der Originale ein vollständig anderes geworden, denn natürlich sind auch die nicht veränderten Partien in der anderen Umgebung von ganz verschiedener Wirkung. Der charakteristische Klang des Händelschen Orchesters mit seinen obligaten Stimmen einerseits und den begleitenden Akkordinstrumenten, Orgel, Cembali und den sie verstärkenden und ablösenden Lauten und Harfen andererseits ist verschwunden.

Greift Mozart somit unbewußt, wenn auch mit ganz anderen und stilistisch nicht zu rechtfertigenden Klangabsichten auf das alte Prinzip zurück, den Generalbaß durch einen Chor von Orchesterinstrumenten ausführen zu lassen, so unterliegt auch seine Aussetzung dieses Generalbasses gegründeten stilistischen Bedenken. Denn auch er kam von der Anschauung nicht los, daß es sich bei seiner Vorlage um eine Skizze handle, die er fertig zu komponieren habe, und verkannte, daß die Verbindung von Ziffern und Noten in den alten Partituren nicht eine willkürliche war, sondern den grundlegenden Unterschied zwischen den wirklich komponierten und den untergeordneten Begleit- und Füllstimmen anzeigte. So ist er häufig in den Fehler verfallen, diese Begleitstimmen gleichfalls »obligat« zu führen, indem[513] er die Händelschen Motive thematisch und kontrapunktisch weiterentwickelte und gelegentlich auch neue Kontrapunkte dazu erfand. Sein Genie hat ihn freilich dabei vor den Entgleisungen vieler Späteren bewahrt, die die Originalstimmen mitunter bis zur Unkenntlichkeit in ein Gewebe eigener Kontrapunkte einspannten und ihre beherrschende Stellung ganz untergruben. Seine Bearbeitung verrät in der Leichtigkeit und Durchsichtigkeit der Stimmführung überall die Hand des Meisters, und doch verkennt sie die Stellung des Bearbeiters gegenüber dem Komponisten und drängt diesem trotz allen pietätvollen Absichten, von denen Mozart zweifellos ehrlich beseelt war, die eigene Individualität unbewußt auf.

Dieses Bild, das sich aus den auf der Berliner Bibliothek befindlichen Originalpartituren von Acis und Galathea (K.-V. 566), der Cäcilienode (K.-V. 592) und des Alexanderfestes (K.-V. 591)101 ergibt, erfährt durch die Bearbeitung des Messias (K.-V. 572)102 noch eine weitere Ergänzung. Hier handelte es sich im Hinblick auf den großen Umfang des Werks auch noch um Striche und Kürzungen; ja selbst tiefer einschneidende Veränderungen waren von Mozart geplant, wie ein Brief van Swietens an ihn vom 21. März 1789 beweist103:


»Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie in ein Recitativ zu bringen, ist trefflich, und in der Ungewißheit ob Sie wohl die Worte zurückbehalten haben, schickte ich sie Ihnen hier abgeschrieben. Wer Händel so feyerlich und so geschmackvoll kleiden kann, daß er einerseits auch dem Modegecken gefällt, und andererseits doch immer in seiner Erhabenheit sich zeiget, der hat seinen Werth gefühlet, der hat ihn verstanden, der ist zu der Quelle seines Ausdruckes gelanget und kann und wird sicher daraus schöpfen. So sehe ich dasjenige an, was Sie leisteten, und nun brauche ich von keinem Zutrauen mehr zu sprechen, sondern nur von dem Wunsche das Rezitativ bald zu erhalten.«


Allerdings ist dieser Gedanke, der Partitur nach zu urteilen, nicht ausgeführt worden. Trotzdem zeigt sie ganz deutlich, daß Mozart hier für sich eine weit größere Freiheit beanspruchte als in jenen drei Oratorien. Ein äußerer Grund, das Fehlen eines des alten Clarinblasens kundigen Solotrompeters, nötigte ihn zur Umarbeitung der Arie »The trumpet shall sound« (44). Er änderte aber auch ohne solchen äußeren Zwang, und zwar nicht allein in der Instrumentation, sondern auch an der von Händel vorgeschriebenen Harmonisierung einzelner Partien. Der Drang, der Bearbeitung den Stempel des eigenen Wesens aufzudrücken, hat also entschieden zugenommen und damit auch die stilistische Kluft, die die Bearbeitung von[514] dem Original trennt. Am weitesten geht hierin die Arie »The people that walked in darkness«, aus der in der Bearbeitung tatsächlich etwas ganz anderes geworden ist, als was Händel beabsichtigt hatte. Das Original wird hier nahezu zum bloßen Substrat für eine neue Schöpfung des Bearbeiters.

Heutzutage sind die Akten über Mozarts Bearbeitungen geschlossen. Seitdem wir die Aufführungspraxis der Zeit Händels kennen, sind wir gegen derartige Eingriffe in seinen Stil weit empfindlicher geworden und ziehen es vor, das Publikum zum Verständnis seiner originalen Kunst zu erziehen, statt sie ihm durch Modernisierungsversuche mundgerecht machen zu wollen und so wieder einmal zweien Herren zu dienen. Aber ebenso wäre es historisch ungerecht, diesen Standpunkt schon von Mozart verlangen zu wollen. Für seine Zeit hatte unter allen Umständen der Lebende recht; daß der Lebende zu seiner eigenen Zeit auch einmal recht hatte und ihm zu diesem Recht verholfen werden müsse, lag ganz außerhalb ihres Gedankenkreises. Kaum einmal stellen sich derartige Erwägungen flüchtig ein104, und so war es auch kein Wunder, daß die Mozartschen Bearbeitungen, namentlich des »Messias«, bald allgemein durchdrangen. Wohl regte sich dabei allmählich die Kritik, wie z.B. bei Zelter105, und Rochlitz106, aber zu grundsätzlichen Erörterungen der ganzen Frage ist es doch erst weit später gekommen. Hat doch Zelter die Mozartsche Bearbeitung trotzdem, wenn auch mit einigen Änderungen und Strichen, seinen eigenen Aufführungen des »Messias« zugrundegelegt107. Als sehr bezeichnendes Kuriosum sei endlich auch noch Gerbers Vorschlag angeführt, die Chöre des »Messias« in Mozarts Bearbeitung aufzuführen, die Arien dagegen sämtlich von bewährten Komponisten neu komponieren zu lassen108.

Eine weitere Mozart zugeschriebene »Bearbeitung« fällt ihm nicht zur Last: der für Konzertaufführungen bestimmte Schluß zu Glucks Ouvertüre zur »Iphigenie in Aulis«. Er stammt von dem Berliner Hofrat J. P. Schmidt109.

Fußnoten

1 Zur Chronologie dieser Briefe vgl. Spitta, AMZ 1880, 402 ff., vgl. auch I 841.


2 Spitta S. 417. I 836.


3 S.o.S. 352 ff.


4 S.o.S. 77.


5 Wien. Ztg 1789, Nr. 61 Anh. sind angezeigt Freiheitslied und Kriegslied von Mozart. Auch der Marsch für Violine, Flöte, Viola, Horn und Cello (K.-V. 544) in D-Dur, der in diese Zeit fällt, ist verschollen.


6 17. und 27. Juni, B II 284 ff. Noch H. Kretzschmar, Führer I4, S. 182 bemerkt: »Wenn wir sie als Ausdruck von Mozarts persönlicher Stimmung betrachten dürfen, so war die Zeit, wo er diese Sinfonie schrieb, eine sehr glückliche.«


7 I 666; auch das Klavierkonzert K.-V. 482 gehört hierher.


8 I 76 f.


9 Sie tritt immer nachträglich auf dem schlechten Taktteil hervor, wodurch der schwebende Charakter der Melodie besonders betont und jedes modisch-tändelnde Wesen von ihr ferngehalten wird. Man beachte auch, daß die Vorhalte mit Ausnahme des ersten ausharmonisiert werden.


10 Das Dreiklangsmotiv mit der chromatisch ausgefüllten Terz am Schluß erscheint schon in der Violinsonate in Es-Dur (K.-V. 481) aus dem Jahre 1785 (1. Satz, Coda).


11 Der äußeren Gliederung nach gehören sie zum Folgenden als Vordersatz, der Nachsatz schwillt durch die Dehnung seines ersten Motivs auf fünf Takte an und wird außerdem durch die veränderte Modulation in steigerndem Sinne wiederholt. Die Herausspinnung des ersten Nachsatzgliedes aus dem letzten Vordersatzglied ist bei Mozart nichts Seltenes, und ganz seiner bekannten Art entspricht die vollständig neue Gestaltung des zweiten Nachsatzgliedes.


12 S. oben S. 328 und I 390.


13 Nur das Baßmotiv des zweiten Taktes knüpft schon mit seiner Phrasierung an den vorletzten Takt des Seitenthemas an.


14 Motivisch hängen diese drei Takte mit dem letzten c-Moll-Takt zusammen. Die Seufzer der Flöten setzen seine beiden letzten Viertel fort, die drei halben Noten der andern Bläser stellen jenen Takt in der Vergrößerung dar.


15 H. Kretzschmar, Führer I4 182.


16 Sie setzen damit den vorhergehenden Orgelpunkt fort. Die Akkordfolge ist die bei Mozart seht häufige 65536553 mit stufenweise absteigendem Baß.


17 ces-Moll ist die Tonart der kleinen Oberterz von As, wie vorher f-Moll die der kleinen Unterterz.


18 Auch die Akkordpassagen hat es mit ihm gemein.


19 Kretzschmar, Führer S. 183.


20 I 606, vgl. B I 202.


21 Dieses Schnurren ist mit dem vorhergehenden Terzentriller verwandt, während die Bläserphrase darüber ihre Wurzel im dritten und vierten Thematakt hat.


22 Diese Verwandtschaft in der Modulationsordnung der beiden Ecksätze zeigt sich gleich in der entschiedenen Wendung nach As-Dur am Anfang.


23 Auch die baßführenden Celli sind charakteristisch.


24 Nägeli, Vorl. S. 158 fand diesen Schluß »so stillos unschließend, so abschnappend, daß der unbefangene Hörer nicht weiß, wie ihm geschieht«. Die Sinfonie erhielt später, unbekannt durch wen, die unpassende Benennung »Schwanengesang«. Poetisierende Urteile der Romantik vgl. bei E.T.A. Hoffmann, Phantasiestücke I 4, ein Gedicht A. Apels über die Sinfonie, AMZ VIII 453 f. Vgl. Ludwig Bauers Schriften, S. 471.


25 So bezeichnet H. Hirschbach, NZfM VIII 190 »diese sogenannte Sinfonie« als ein »weder durch Erfindung noch durch Arbeit hervorragendes, gewöhnliches mildes Musikstück, das zu schreiben (wenn man alle tieferen Anforderungen unserer Zeit beiseite setzt) durchaus nicht so schwerfallen müßte, und das Beethoven wahrscheinlich nicht für ein so großes Meisterwerk gehalten hat«. Aber auch R. Schumann offenbart den Unterschied zwischen Einst und Jetzt besonders deutlich, wenn er D.F. Schubarts Tonartenästhetik kritisiert: »In g-Moll findet er (Schubart) Misvergnügen, Unbehaglichkeit, Zerren an einem unglücklichen Plan, mismutiges Nagen am Gebiß. Nun vergleiche man die Mozartsche g-Moll-Sinfonie, diese griechisch schwebende Grazie ... und sehe zu!« Ges. Schr., 5. Aufl. (Kreisig) I 105. Noch der schwäbische Theologe Chr. Palmer findet (Evang. Hymnologie 1865, S. 246) in der Sinfonie nichts als »Lust und Leben«. Es ist dieselbe Romantik, die Beethoven zum »Titanen« gestempelt hat, obgleich seine Kunst weit mehr ist als Titanismus!


26 Vgl. Kretzschmar, Führer, S. 184 f.


27 I 762.


28 Vgl. W. Fischer in Adlers Stud. z. Musikw. 3. Heft, S. 54 f.


29 Nur das Unisono:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

hängt mit der Chromatik des Seitenthemas zusammen.


30 Die Celli statt der Bässe deuten hier wieder auf einen Nachhall der alten Concertinogruppen hin.


31 Der Unterschied geht bis in Tonart und Instrumentation hinein.


32 In dem neuen kontrapunktierenden Motiv:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

mag man einen Anklangan die melodische Linie des Hauptthemas (s.o.) erblicken.


33 Auch diese Partie ist thematisch.


34 Man beachte, daß alle Hauptthemen dieser Sinfonie auftaktig sind. Die melodische Grundlinie des er sten Themengliedes:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

ergibt den alten Mozartschen Lieblingsgedanken (I 310), der gleich darauf im Finale der C-Dur-Sinfonie wiederkehrt. Die Tonwiederholung mit dem folgenden Vorhalt ist dem dritten Thema des Andantes der Es-Dur-Sinfonie verwandt.


35 I 364.


36 Auch hier lebt der alte Gegensatz zwischen Tutti und Concertino wieder auf; dieses hat hier sogar die Form des alten Trios der beiden Geigen und Bratsche.


37 Mit Recht nennt es Kretzschmar (S. 186) »einen der streitbarsten Sätze, die auf Grund jener alten zierlichen Tanzform jemals gebildet wurden«.


38 Man vergleiche zu seinem Anfang die melodische Linie des Hauptthemas:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

Auch der Beginn des Finales knüpft an die drei ersten Noten an.


39 I 610. Er klingt hier zudem vernehmlich an die anapästische Form des ersten Satzes Die Zeit der drei grossen Sinfonien an.


40 In den Bläsern kommt hier, wie zuvor, noch einmal der Rhythmus des Hauptthemas Die Zeit der drei grossen Sinfonien zum Vorschein; die beiden letzten Schläge wiederholen dessen beide letzten Noten in der Vergrößerung.


41 S.o.S. 324 f.


42 Der Name Jupitersinfonie taucht erst nach Mozarts Tode auf. Sein Urheber ist unbekannt.


43 Dem Typus nach ist dieses Motiv b verwandt mit T. 2–3 des Andantes der Es-Dur-Sinfonie.


44 In T. 27 kommt der seltene Fall vor, daß eine Vorhaltsnote eine Konsonanz, ihre Auflösung dagegen eine Dissonanz ergibt.


45 Man beachte hier auch die scharfen Querstände von T. 44–46 in den beiden Geigen.


46 Hier erscheint eine alte, wieder von Paisiello (I 364) stammende Lieblingswendung Mozarts, vgl. I 227.


47 Das Es entpuppt sich bald als ein weit harmloseres Dis, und seine chromatische Weiterführung gemahnt sogar an den Beginn des Seitenthemas; selbst die chromatische Antwort in der unteren Stimme fehlt nicht:


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

48 Das Thema ist der Arie für Albertarelli »Un bacio di mano« (K.-V. 541, S. VI. 40) vom Mai 1788 entnommen. Mozart hat die Melodie, die dort auf die Worte »Voi siete un po tondo, mio caro Pompeo, l'usanze del mondo andate a studiar« erscheint, einer ebenso leichten wie ausdrucksvollen Änderung unterzogen.


49 I 121 f.


50 Es erscheint schon bei Gluck in der Soloszene des Orpheus »Che puro ciel«, über Mozart vgl. oben S. 176. Von Haydn vgl. die Mittelsätze in den Sonaten Nr. 35, 38, 39 der G.-A. Auch die Don-Giovanni-Motive in d-Moll sind verwandt (S. 421, 437). Bei Beethoven erscheint der Gedanke im Finale der c-Moll-Sinfonie. Der Schluß des Satzes war ursprünglich kürzer und wurde dann von Mozart auf einem besonderen Blatt erweitert, s.o.S. 108. Mendelssohn, Briefe a.d.J. 1833–47, S. 440.


51 Er erinnert an die Worte Susannes im ersten Finale des »Figaro«: »il brando prendete, il paggio uccidete«.


52 Auch hier ist der zweiteilige Takt in den dreiteiligen eingespannt.


53 In seinem Beginn


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

könnte man bereits einen Vorklang des Finalthemas erblicken.


54 I 288.


55 Kretzschmar, Führer S. 260 f.


56 Für die Dimensionen dieses Satzes genüge der Hinweis darauf, daß die Themengruppe 157, die Durchführung 68, die Reprise 131 und die Coda 66 Takte umfaßt.


57 Die rhythmischen Schwerpunkte liegen auf dem zweiten und vierten Takte. Ein ähnliches kantables Hexachordthema liegt auch der Fuge »Cum sancto spiritu« der c-Moll-Messe (K.-V. 427) zugrunde.


58 Seine melodische Linie


Die Zeit der drei grossen Sinfonien

gehört dem bekannten alten Typus an. Zu den ersten drei Noten vgl. auch das eleison-Motiv aus dem Kyrie der c-Moll-Messe (K.-V. 427).


59 Der einzige kontrapunktische Zug ist hier die Imitation des Rhythmus Die Zeit der drei grossen Sinfonien in den Bläsern.


60 Zunächst fällt im Hinblick auf die Durchführung der erste Eintritt von d weg.


61 So erscheint hier in den Bässen der erste Ansatz zur Umkehrung von a.


62 Die mit Ausnahme der Flöte geteilten Holzbläser gehen mit den Streichern unisono oder in Oktaven, während die Blechbläser mit den Pauken das Ganze beständig mit schweren Fanfarenmotiven begleiten.


63 Nottebohm, Mozartiana S. 54.


64 Bezeichnend ist hier das kleine crescendo, das alsbald wieder einem piano Platz macht.


65 Die aufsteigende Dreiklangslinie entspricht der absteigenden der Themen sowohl des ersten Satzes als auch des ersten Menuetts.


66 Der Nachsatz des ersten Themas weist deutlich auf das bekannte Lied »Sehnsucht nach dem Frühlinge« voraus (K.-V. 596), und zwar auf die Stelle: »Wie möcht' ich doch so gerne ein Veilchen wieder sehn.«


67 Mozart ließ sich die ursprüngliche Klaviersonate dazu einfach kopieren.


68 Über das E-Dur-Trio vgl. den Brief an Puchberg, B II 286.


69 I 291 f.


70 S.o.S. 166. Über seinen Vortrag im modernen Konzert vgl. C. Reinecke, Zur Wiederbelebung der Mozartschen Klavierkonzerte S. 25 ff.


71 Vgl. I 227 und oben S. 492.


72 S.o.S. 172 f.


73 Ihr letzter Satz ist später mit dem ersten der Violinsonate in F-Dur (K.-V. 547) von fremder Hand zu einer weiteren Klaviersonate vereinigt worden (K.-V. Anh. 135).


74 Ihr wurde willkürlich im Druck eine Violinstimme hinzugesetzt.


75 In späteren Ausgaben wurden sie mit dem Rondo in F-Dur K.-V. 494 zu einer vollständigen Sonate verbunden.


76 Man beachte hier die Erweiterung des Nachsatzes durch Fortspinnung des ausdrucksvollen ersten Gliedes.


77 Ganz eigentümlich ist dabei das scheinbare Moll des sechstletzten Taktes vor dem Doppelstrich; erst der nächste Takt belehrt uns darüber, daß das as der Mittelstimme eigentlich ein gis war.


78 In dem großen, von da Ponte zusammengestellten Pasticcio »L'ape musicale« haben auch einige Arien von Mozart Platz gefunden. Wiener Ztg. 1789, Nr. 23 Anh.


79 Pohl, Haydn I 102 f., II 152 f., Nottebohm, Ein Skizzenbuch von Beethoven, S. 39.


80 Veröffentlicht G.-A. Serie XI mit Nachträgen in Serie XXIV. Vgl. Chrysander, AMZ 1881, 756 f.


81 In der Sammlung Malherbe in Paris befindet sich eine autographe Partitur der Blas- und Schlaginstrumente, die die G.-A noch nicht kennt. Der Streicherpart ist hier durch Pausen angedeutet, was darauf hinweist, daß Mozart die Bläser erst später hinzugefügt hat.


82 Mit S. XI. 12, Nr. 3 ist der von Mozart unter Nr. 132 (2) (K.-V. 611; 6. März 1791) nochmals aufgeführte Teutsche identisch.


83 Die alten Abschriften und Ausgaben (R.-B. XI. 11. Wiener Ztg. 1791, Nr. 44 Anh.) und darnach auch Köchel (605) und die G.-A. fügen den zwei Teutschen in Mozarts Verzeichnis noch einen dritten (mit dem »Schlittenfahrttrio«) hinzu.


84 In Andrés Verzeichnis sind außer 5 Menuetten mit der Überschrift »di Wolfgango Amadeo Mozart Vienna 1784« (K.-V. 461) und den Prager Teutschen (K.-V. 509) noch mehrere Tänze, wohl älteren Datums, aufgeführt. Dazu kommen noch die Kontertänze K.-V. 535a; sie gehören mit K.-V. 462, Nr. 3, 534 und 535 zusammen, die Artaria für Klavier herausgab. Gedruckte und geschriebene Sammlungen von Tänzen in den verschiedensten Bearbeitungen unter Mozarts Namen, aber zum Teil von sehr zweifelhafter Beglaubigung sind vielfach verbreitet.


85 Das Datum trägt nur Nr. 5. Nr. 1 mit dem Thema »Non più andrai« mag dem Jahre 1786 nahestehen. Nr. 6 ist nur eine andere Bearbeitung von K.-V. 610.


86 K.-V. 603, Nr. 2 hat sogar den uns von früher her bekannten Taktwechsel.


87 Das in den reifen Sinfonien fehlende Haydnsche Zusammengehen von erster Geige und Fagott ist häufig.


88 Unter Mozarts Namen ist auch eine »Anleitung Walzer oder Schleifer mit zwei Würfeln zu komponieren, soviel man will, ohne musikalisch zu seyn, noch etwas von der Composition zu verstehen« in vier Sprachen bei Hummel (in Amsterdam und Berlin) und sonst gedruckt. Dem Titel nach scheint Mozarts Anteil daran mehr als zweifelhaft.


89 Vgl. Sonnleithner, Cäcilia XVIII 242 f. AMZ XXII 30 f. Das Oratorium war schon 1779 im Konzert für das Pensionsinstitut aufgeführt worden.


90 Nach Mitteilungen Sonnleithners an Jahn II4 472. Am 26. Februar und 4. März wurde Ph. E. Bachs Auferstehung und Himmelfahrt (1788) beim Grafen Esterhazy auf Swietens Anregung unter Mozarts Direktion und unter Mitwirkung Umlaufs (am Klavier), Adambergers und der Lange aufgeführt. Mus. Almanach 1789, S. 121.


91 C. Pichler, Denkw. IV 21 f. Über eine Aufführung (November 1788) zu Mozarts Benefiz mit Adamberger, Gsur und der Cavalieri vgl. Pohl, Haydn II 136.


92 Carpani, Haydine S. 64, erwähnt eine Aufführung im Schwarzenbergschen Palais, vielleicht aus späterer Zeit.


93 Burneys Nachricht, übersetzt von Eschenburg, Berlin 1785. Das erstemal wirkten über 500, das zweite über 600 Personen mit. Über die Kopenhagener Aufführung März 1786 Cramer, Magazin II 960 f.


94 Hiller, Nachricht von der Aufführung des Händelschen Messias. Berlin 1786. Ephemeriden der Lit. und des Theat. III 335 f., IV 333 f. Es wirkten gegen 300 Personen mit.


95 Auch hier verfaßte Hiller einige Schriftchen: Fragment aus Händels Messias; Über Alt und Neu in der Musik; Der Messias von Händel nebst angehängten Betrachtungen darüber. Über die Aufführung vgl. Reichardts Mus. Ztg. I 126 f. AMZ XXX 491.


96 Dem Textbuch gab Hiller Erläuterungen bei. Sein Bericht Schles. Provinzialblätter 1788, 549 f. Vgl. Baumgart, Abh. d. Schles. Ges., Phil.-Hist. Abt. 1862, I 46 f.


97 Das sind die »Capellae fidiciniae« des M. Prätorius in seinem Syntagma musicum III, 1619, Neudruck von E. Bernoulli, Leipzig 1916, S. 91 ff. Vgl. M. Schneider, Die Besetzung der vielstimmigen Musik des 17. und 16. Jahrhunderts AfM I 205 ff.


98 Nachricht S. 14.


99 Betrachtungen S. 16.


100 Ebenda S. 18 f.


101 »Acis« wurde um 1720 in Cannons komponiert, das »Alexanderfest« 1736 und die »Cäcilienode« 1739. Chrysander, Händel I 479 f., II 415 f., 430 f.


102 Nicht alle Stücke der gedruckten Partitur stammen von Mozarts Hand. So wurde die Arie »If God is for us« (Nr. 48) mit Fagottbegleitung aus Hillers Bearbeitung herübergenommen (Baumgart, Niederrhein. Mus.-Ztg. 1862, Nr. 5, S. 35 f.). Das ihr angeblich zugrundeliegende Autograph Mozarts (Reichardt, Mus. Ztg. I 127) ist verschollen. Über Mozarts erste Bekanntschaft mit dem »Messias« in Mannheim I 566 f.


103 Niemetschek S. 31.


104 »Michel Angelos Gemälde muß kein David [gemeint ist J.L. David 1748–1825] übermalen wollen«, heißt es in einem Hamburger Bericht in Reichardts Mus. Ztg. I 197. Wenn J II4 478 freilich die zahlreichen Entlehnungen der alten Meister aus eigenen Werken und ihre häufigen Abänderungen für bestimmte Aufführungszwecke zu Mozarts Entlastung heranzieht, so beweist das nur, daß auch er sich über den Kern der ganzen Frage nicht klar war.


105 Reichardts Mus. Ztg. I 41 f., wieder abgedruckt AMZ 1877, S. 357.


106 Jen. Allg. Ztg. 1804, I 601 f. Abgedruckt AMZ 1877, S. 357. Für Freunde d. Tonk. I3 158 ff.


107 Berl. Allg. Mus. Ztg. 1824, S. 427 f.


108 AMZ XX 832 f.


109 Marx, Gluck und die Oper II 71.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 515.
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