La Clemenza di Tito

[601] Es ist eine seltsame Fügung des Schicksals, daß Mozart seine dramatische Laufbahn neben der »Zauberflöte« mit einem Werke derselben Gattung beschloß, in der er dereinst seine ersten großen Triumphe als Knabe gefeiert hatte, der opera seria. Denn das ist die »Clemenza di Tito« in noch höherem Grade als es seinerzeit der »Idomeneo« gewesen war. Stammt doch der Text von dem großen Metastasio selbst, der ihn im Jahre 1734 gedichtet hatte. Noch im selben Jahre war er, von A. Caldara erstmals komponiert, zum Namenstage Karls VI. aufgeführt worden. Zur Huldigung an gekrönte Häupter wie geschaffen, ist er denn auch besonders viel in Musik gesetzt worden1. Für Prag nahm Caterino Mazzola, seit 1782 sächsischer Hofdichter, verschiedene Veränderungen vor und zog vor allem die ursprünglichen drei Akte in zwei zusammen, indem er die Vertauschung der Mäntel durch Annius, der dadurch als der Schuldige erscheint, beseitigte. Außerdem wurden verschiedene Gesangsstücke eingeschoben, durchaus nicht immer zum Vorteil des Ganzen; der allgemeine Charakter der Oper wurde jedoch durch die Umarbeitung kaum berührt. Es sind die alten, der Allegorie nahestehenden Figuren, die auf bestimmte Eigenschaften zugeschnitten sind2. Der ewig schwankende, passive Jüngling Sextus und besonders der unter allen Umständen verzeihende und resignierende Kaiser Titus sind zudem die richtigen Schöpfungen einer Zeit, der das Empfindsame ungleich höher stand als das Heroische3. Mozart mochte immerhin bei dieser Verherrlichung der Güte, die keine Rache kennt, eine gewisse Verwandtschaft mit seiner »Zauberflöte« herausfühlen. Das alles ist in den bekannten, eleganten Stil Metastasios eingekleidet mit seinen zierlichen Sentenzen und sonstigen Redeblumen, Gleichnissen und anderen, aus bloßer verstandesmäßiger Reflexion geborenen Gefühlsergüssen4. Die Handlung ist in kurzem Abriß diese:


[602] Vitellia, die leidenschaftliche Tochter des gestürzten Kaisers Vitellius, verführt ihren Liebhaber Sextus zu einer Verschwörung gegen seinen Freund, den Kaiser Titus, und verspricht ihm dafür ihre Hand. Da berichtet Annius, Titus habe seine Geliebte Berenice aus Rom entfernt. Er bittet Sextus, bei Titus seine Vermählung mit Sextus' Schwester Servilia zu befürworten, was der Kaiser auch zusagt. Da verlangt aber Titus in einer glänzenden Volksversammlung von Sextus selbst Servilias Hand, und da dieser betroffen schweigt, bestärkt der edle Annius den Kaiser in diesem Entschluß. Servilia dagegen, die dem Annius treu ist, gesteht dem Titus ihre Liebe, worauf er großmütig zu Annius' Gunsten zurücktritt. Vitellia aber, durch die Nachricht von Servilias Erhebung auf den Thron aufs höchste erregt, befiehlt dem Sextus, sofort mit den Verschworenen ans Werk zu gehen. Er ge horcht. Kaum ist er fort, so meldet der Prätorianerpräfekt Publius, Titus werde sie selbst aufsuchen, um ihre Hand zu erbitten; sie eilt ihm in größter Verwirrung entgegen. Vor dem durch die Verschworenen in Brand gesetzten Kapitol treffen alle zusammen, und Sextus ruft durch die Nachricht von der angeblich durch ihn erfolgten Ermordung des Kaisers allenthalben Schmerz und Entsetzen hervor.

Im zweiten Akt gesteht Sextus in seiner Gewissensnot dem Annius seine Schuld. Dieser, sowie die um ihre eigene Sicherheit besorgte Vitellia treiben ihn zur Flucht an. Da kommt Publius, um ihn auf die Aussage gefangener Verschwörer hin zu verhaften. Der gerettete Titus zeigt sich in einer Senatssitzung dem jubelnden Volke und dankt gerührt für so viele Liebe5. Den geständigen Sextus hat der Senat bereits zum Tode verurteilt. Titus läßt ihn kommen, bereit, ihm zu verzeihen, wenn er ihm offenes Vertrauen schenke. Aber Sextus schweigt mit Rücksicht auf Vitellia hartnäckig, so daß Titus das Urteil bestätigt; gleich darauf zerreißt er freilich das Blatt wieder und beschließt, Gnade zu üben. Von Servilia angefleht, den Kaiser um Gnade für Sextus zu bitten, entschließt sich endlich Vitellia, ihren Hoffnungen zu entsagen und ihre Schuld zu gestehen. Sie führt das auch aus, als gerade im Amphitheater das Urteil an Sextus vollstreckt werden soll. Titus verzeiht schließlich ihr, dem Sextus und den Verschworenen. Alle preisen seine Güte.


Man sieht ohne weiteres, daß es sich hier um eine Dramatik handelte, der Mozart längst entwachsen war. Daran ändert auch Mazzolas, ihm mit Unrecht zugeschriebene6 Bearbeitung nichts, obwohl sie durch die damals zeitgemäße Einfügung von Ensemblesätzen ihm wenigstens musikalisch mehr entgegenkam. Allen diesen längst versunkenen Schattengestalten wieder warmes Leben, etwa im Sinne des »Figaro« oder »Don Giovanni«, einzuflößen, vermochte auch er nicht, übrigens wurde das bei diesem Anlaß auch gar nicht verlangt. Ganz im Gegenteil, man wollte von ihm eine richtige opera seria hören, die zu den Krönungsfestlichkeiten so gut gehörte wie der übrige Prunk und die offiziellen Festgedichte. Um die innere Not, die man seinem Genius damit schuf, kümmerte man sich nicht, dafür hatte er ja die Ehre des Auftrags und sein Honorar. Die Kürze der Arbeitszeit und seine Kränklichkeit kamen zu seinen Ungunsten noch hinzu – man konnte wirklich[603] darauf gespannt sein, wie er sich mit dieser Aufgabe abfinden würde. In dieser Zwangslage kam ihm ein Hauptzug seiner Künstlernatur, seine staunenswerte Anpassungsfähigkeit7, zu Hilfe. Er, der in allen Stilarten beschlagen war, konnte sich's wohl zutrauen, noch einmal den Geist der opera seria heraufzubeschwören und, wenn auch kein Urbild, so doch ein stilreines Nachbild einer bereits bestehenden Kunstgattung zu schaffen. Dieses Zutrauen hat ihn nicht getäuscht. Die neue Oper beruhte zwar nicht wie die übrigen, auch »Così fan tutte«, auf einem ursprünglichen, sondern auf einem abgeleiteten Erlebnis, abgeleitet aus einer ihrem Schöpfer innerlich längst fremd gewordenen Bildungssphäre. Aber sie zeugt von einem außerordentlich sicheren und feinen Stilgefühl, und hierin liegt ihre Hauptstärke. Man soll auch von diesem »Titus« nicht mehr verlangen, als das Wesen seiner Gattung erlaubt.

Gleich die Ouvertüre schlägt mit ihren ersten acht Takten den bekannten festlich-pathetischen Ton der opera seria an, den wir genau in derselben Weise schon im »Idomeneo« antrafen. Aber während dort dem feierlichen Dreiklangsaufstieg ein Bild subjektivster Leidenschaft gefolgt war, das deutlich zeigte, wie ernst es dem damaligen Mozart noch mit der opera seria war, mündet er hier in einen weit unpersönlicher gehaltenen Hauptgedanken aus:


La Clemenza di Tito

dessen Hauptmerkmal der wirkungsvolle Wechsel von f und p ist. Die Wiederholung des Anfangs geschieht variiert in Form eines Mannheimer Crescendos, von dem sich Mozart hier eine besondere Wirkung versprach. Das kantable, aber gleichfalls nicht besonders originelle Seitenthema8, das nach französischer Trioart eingeführt wird, spielt im Ganzen nur eine Episodenrolle und wird gleich von dem obengenannten wieder verdrängt. Die Durchführung geht, wie im ersten Satz der C-Dur-Sinfonie, gleich nach Es-Dur, doch ohne die dortige geniale Kürze, sondern mit einer eingeschobenen, neuen Unisonofigur9. Dann folgt eine mit Kontrapunktik gewürzte Verarbeitung jenes Hauptthemas ganz im Stile des letzten Mozart, nur daß das dabei entfachte Pathos auch hier einen entschieden kühleren Eindruck hinterläßt; erst gegen den Schluß werden die Akzente schärfer, aber auch hier ist die grelle Dynamik charakteristisch. Die Reprise stellt Haupt- und Seitenthema um und erreicht dadurch die beabsichtigte Steigerung des festlichen Glanzes, an dem sich das ganze Orchester beteiligt. Immer mächtiger entfaltet sieh dabei das neapolitanische Anfangsmotiv, als könnte der[604] Prunkcharakter der opera seria gar nicht nachdrücklich genug betont werden10.

Wohl den beiden Hauptsängerinnen zuliebe hat Mazzola gleich in der ersten Szene das Duett zwischen Sextus und Vitellia eingefügt (1)11. Denn auch Sextus ist (wie übrigens auch Annius) eine Sopranpartie, nur daß man statt eines Kastraten eine Frauenstimme gewählt hatte – sicher ein Fortschritt im Sinne der Humanität, aber nicht des Dramas. Indessen gab dieses in vorliegendem Falle ja auch nicht den Ausschlag. Mozart wählte die damals von der Buffooper auch in die seria eingedrungene Form der Folge eines langsamen und raschen Satzes; in seiner ganzen Haltung aber zeigt schon dieses erste Stück deutlich, daß er genau wußte, wohin in dieser Oper die Reise ging. Da gibt es keine verwickelten seelischen Probleme, keine individuellen Charaktere, sondern Sextus ist einfach der passive, empfindsame Liebhaber, Vitellia die ehr- und rachsüchtige stolze Heroine, wie sie beide, fast Allegorien gleich, bereits früher unter zahllosen Namen die opera seria bevölkert hatten. Sie lösen sich auch in der Musik ganz reinlich der Reihe nach ab, wie es dem rationalistischen Geiste dieser Kunst entsprach, und bei dem Zusammensingen im Allegro findet nicht etwa eine seelische Wechselwirkung zwischen beiden statt, sondern sie vereinigen sich in einem gemeinsamen bewegten, aber unpersönlichen Affekt. Daß die Musik als solche dabei eine entscheidende Rolle spielt, ist natürlich; sie allein war imstande, diesen verstaubten Gipsfiguren einigen wärmenden Glanz zu verleihen, und besonders über die Partie des Sextus hat Mozart die ganze Süßigkeit seiner Melodik ausgebreitet, während Vitellia mit ihrer weitausladenden, sprüngereichen Stimmführung der üblichen neapolitanischen Rhetorik näher steht. Vollends im Allegro, das mit einer bekannten Mozartschen Erregungsmelodie beginnt, gewinnt mit den seit alters hier üblichen Imitationen ein zwar allgemein ansprechender, aber im Ausdruck ziemlich neutraler Ton die Oberhand.

Die Sängerin der Vitellia, Maria Marchetti (geb. 1767), seit 1788 mit dem Tenoristen Fantozzi. vermählt, hatte sich zuerst in Neapel und Mailand, von wo sie nach Prag berufen wurde, großen Ruhm erworben durch eine schöne volle Stimme, trefflichen Vortrag und gute Aktion, die durch ein angenehmes Äußeres und edlen Anstand gehoben wurde12. Wie wenig es freilich auf eine durchgeführte Charakteristik im echten, Mozartschen Sinne ankam, beweist ihre erste Arie (2), wo plötzlich eine ganz andere, lyrisch empfindsame Vitellia zum Vorschein kommt. Der langsame Teil gibt eine gleichmäßig, ohne jede Komplikation verlaufende weiche Empfindung wieder,[605] der rasche dagegen beweist klar, wohin die frostigen Weisheitssprüche Metastasios seine Komponisten führten13. Zunächst läßt Mozart, da er mit seinem Text nichts anfangen kann, in einer von fern an Donna Annas Rachearie gemahnenden Weise Vitellias eigentliches Temperament hoch aufwallen, dann aber bleibt er zuerst an dem Worte »inganni«, darauf an »alletta« hängen (dessen echt Mozartisch bildhaftes Motiv ihn zu einer Erweiterung der Metrik veranlaßt) und komponiert also anstatt eines inneren Erlebnisses bloße Begriffe, die er als musikalisch einigermaßen brauchbar aus seinem Texte heraushebt, ganz wie es die Italiener im gleichen Falle so oft taten.

Das folgende Duettino zwischen Sextus und Annius (3) ist dramatisch gleichfalls vom Übel und bleibt sogar hinter Metastasio zurück, der die Szene mit einer Arie des beunruhigten Annius schließt. Auch Mozart ist bei Mazzolas geschraubtem Freundschaftserguß das einzige Mal in der Oper aus der Rolle gefallen, indem er ihm die traulichen Töne des deutschen Singspiels lieh. Das gefiel wohl dem Publikum, entsprach aber weder dem Drama noch dem seriösen Stil. Weit besser erfüllen diesen Zweck der folgende Marsch (4)14 und Chor (5)15 mit ihrem festlichen, wenn auch gleichfalls ziemlich unpersönlichen Wesen.

Nun singt Titus seine erste Arie (6). Baglioni, der frühere Sänger des Ottavio16, soll sich darüber beklagt haben, daß man Mozart statt eines Italieners nach Prag berufen habe, weshalb dieser ihn mit einer ungünstigen Partie bedacht habe17. Das ist sicher Theaterklatsch; von Mozarts Charakter ganz abgesehen war eine Krönungsoper, bei der auch für den Komponisten so viel auf dem Spiele stand, nicht die richtige Gelegenheit, Privatrache zu üben. Wohl aber scheint Mozart bei dieser Partie eben der Sänger des Ottavio vorgeschwebt zu haben, ohne daß er freilich mehr als einen schwächeren Abklatsch jener weichen Linienführung erzielt hätte. Was ihm, sehr im Gegensatz z.B. zu Gluck, vorschwebte, war nicht der römische Kaiser Titus, sondern nur seine »clemenza«, und der einzige Mozartsche Zug, den diese bläßliche Idealgestalt mitbekommen hat, ist eine leise Färbung von Wehmut und Resignation. Von ferne klingt in der Arie Sarastros »In diesen heil'gen Hallen« an18. Im übrigen liegt eine weiche, lyrische Dämmerstimmung darüber ausgebreitet; bezeichnend ist vor allem auch, daß Mozarts individuelle Bläsersprache fehlt. Die Form ist die damals moderne knappe Dreiteiligkeit19. Sie liegt auch dem Duett zwischen Servilia und Annius (7) zugrunde. Während die älteren Neapolitaner auch hier pathetische Töne angeschlagen hätten, ziehen die vom Geiste der Buffooper berührten jüngeren[606] und auch Mozart in solchen Arien der Nebenpersonen intimere, trauliche vor. Ein unschuldiges, herzliches Liebesgefühl spricht sich zart und lieblich in dem Stücke aus. Nach gut neapolitanischem Brauch beginnt zuerst Annius, vom Fagott als dem einzigen Verkünder seiner Männlichkeit begleitet, dann folgt Servilia mit der Flöte auf dieselbe Melodie; im Mittelsatz vereinigen sie sich zu schlichter Homophonie, die auch im Dacapo und der traulichen Coda20 anhält. Die zweite Arie des Titus (8) handhabt die dreiteilige Form freier, indem sie das da capo nach den ersten sechs Takten selbständig weiterführt, und ist im Ausdruck zwar männlicher als die vorhergehende, aber auch unpersönlicher; vergebens suchen wir nach einem Zug Mozartscher Größe.

Vollständig opera seria ist die erste Arie des Sextus (9), und zwar bis in die bei den Neuneapolitanern besonders beliebte, virtuos behandelte obligate Klarinette hinein. Auch die Form entspricht dem: Adagio-Allegro mit steigerndem Schlußteil. Inhaltlich bringt Sextus nichts vor, was er nicht bereits vorher gesagt hätte, seine unwandelbare Liebe zu Vitellia und die Bereitwilligkeit, sie auch in die Tat umzusetzen. Mozart hat keinen Versuch gemacht, diesem der opera seria so vertrauten Thema neue Seiten abzugewinnen, wohl aber den ganzen Adel seiner Melodik und seinen ganzen Klangsinn dafür eingesetzt. Zumal im Adagio mit seiner echt Mozartschen Metrik und dem innigen Ineinandergreifen von Singstimme und Soloinstrument steigert sich der Ausdruck der Liebe schließlich zu berückender Schwärmerei. Beim Beginn des Allegros dagegen, der auch dem Heroismus zu seinem Recht verhelfen soll, wird der Ton wieder konventionell21 und schlägt im Allegro assai mit seinen zwischen Singstimme und Klarinette geteilten, breit ausladenden Koloraturenketten vollends ins äußerlichste Neapolitanertum um, wobei freilich gleich bemerkt werden muß, daß Mozart in dieser Oper die Koloratur nicht mehr, wie in seinen Jugendopern, wahllos auf beliebige Textworte anbringt, sondern auf solche, die sie tonmalerisch oder psychologisch rechtfertigen. Nur der Mittelsatz, der auf die weiche Empfindung zurückkommt, läßt echte, Mozartsche Töne anklingen. Ganz Rokoko aber ist der Liebesblick, der vor den Worten »A questo sguardo solo« in der Klarinette aufblitzt. Eine individuellere Charakteristik kommt freilich auch in dieser Arie nicht zustande, vielmehr wird dem Charakter der Person und der Situation nur so viel entnommen, daß sich ein allgemeines Stimmungsbild daraus ableiten läßt, genau wie in Mozarts Konzertarien.

Das Terzett zwischen Vitellia, Annius und Publius (10) steht an einer jener kritischen Stellen, aus denen Mozart auch sonst seine Ensembles zu entwickeln pflegt. Vitellia, die soeben den Sextus zum Sturze des Kaisers[607] aufgereizt hat, erfährt nun, daß sie Titus' Gattin werden soll, und will in höchster Aufregung jenen zurückrufen. Annius bringt der künftigen Kaiserin bereits eine warme Huldigung dar, während Publius in dienstlicher Haltung verharrt. Das Stück beginnt denn auch mit einem jener kurzen, erregten Orchestermotive, aus denen Mozart seine Buffoensembles herauszuspinnen pflegt. Allein bald zeigt sich's, daß es sich hier gar nicht um drei selbständige Gegenspieler handelt. Denn Annius und Publius treten als geschlossene Gruppe der Vitellia gegenüber. Diese drückt ihre Erregung zunächst in jener abgehackten Stimmführung aus, die, dem Texte entsprechend, schon bei den älteren Neapolitanern in solchen Fällen stehend war22. Mozartisch wird die Tonsprache erst bei dem plötzlichen Eintritt des Es-Dur, wo Vitellia tatsächlich wie vom Fieber geschüttelt erscheint. Nun aber treten die beiden Männer dazu, die ohne Kenntnis des wahren Sachverhalts ihre Verwirrung für den Ausdruck fassungslosen Glückes halten. Dieser Gegensatz wird deutlich herausgearbeitet, so daß es sich keineswegs nur um eine Soloarie mit zwei begleitenden Singstimmen handelt23. Den modernen Hörer mag dabei freilich der hausbackene Ton in den Betrachtungen der beiden stören. Allein man darf nicht vergessen, daß sich hier eine Primadonna und zwei Sekundarier gegenüberstehen. Mozart blieb also durchaus im Stil, wenn er diesen Abstand wahrte und in seiner Musik die beiden Nebenpersonen als solche erkennen ließ. Sie geben ihren Gefühlen einen gehaltenen Ausdruck, wie es sich für Figuren ihres Schlags geziemt, ohne die Herrscherstellung der Hauptsängerin zu beeinträchtigen. Deren Leidenschaft verliert dadurch auch keineswegs an Energie24, wie ihr langer Aufschrei auf »Che angustia, che tormento« und namentlich das plötzliche Umschlagen von sotto voce und forte lehren, bei dem ihr wirklich bald heiß, bald kalt zu werden scheint. Im allgemeinen beweisen dieses und ähnliche Ensembles der Oper zur Genüge, daß der Ensemblegesang in der opera seria überhaupt, so verbreitet er damals auch schon war, noch keineswegs dieselbe Freiheit genoß wie in der Buffooper; das Musikalische hatte noch den entschiedenen Vortritt vor dem Dramatischen.

Mit der besonders numerierten großen Soloszene des Sextus (11) beginnt das erste Finale (12), das den Höhepunkt der ganzen Oper darstellt. Der Unterschied dem Buffofinale gegenüber springt sofort in die Augen, denn hier handelt es sich nicht um ein beständiges, abwechslungsreiches Fortschreiten der Handlung, sondern nur um eine einzige Situation, ein verschieden abschattiertes Stimmungsbild. Aber diese Situation ist dafür auch von wirklicher Größe, und Mozart hat seine Aufgabe mit einer an Gluck gemahnenden Energie durchgeführt. Auch der Aufbau ist ebenso meisterhaft wie originell: das leidenschaftliche Akkompagnato als Auftakt, das Allegro als Höhepunkt und das Andante, das in einem Buffofinale als Abschluß einfach unmöglich gewesen wäre, als Lösung der Spannung in[608] Trauer und Schmerz. Schon die Soloszene des Sextus hat bei Mozart wenige ihresgleichen. In einen wild leidenschaftlichen, motivisch außerordentlich einheitlichen Satz ist ein kurzes Andante eingebettet, das in einer auffallend an Gluck gemahnenden Rezitativbehandlung vor Sextus' Seele die Gestalt des gütigen Kaisers heraufbeschwört. Auch die Harmonik enthält sich des sonst in derartigen Szenen üblichen Modulierens in entfernte Tonartenkreise und bewegt sich im ersten Teile stets um das am Anfang mit großer Energie angeschlagene c-Moll herum, bei jedem neuen Ansturm der Leidenschaft in dessen Unterdominantbereich hinabsteigend; nur bei dem Ruhepunkt der Sentenz »Io non credea che fosse sì difficile impresa esser malvagio« tritt Es-Dur ein. Am Schlusse dieses Teils (»Sesto infelice, tu traditor! Che orribil nome!«) treibt die Kadenz nach dem Worte »nome« deutlich wieder nach c-Moll – da deutet Mozart nach gewohntem Brauch das Fis des Basses nach g-Moll um und schließt in dieser Tonart ab, offenbar, um durch deren Trauercharakter die Stimmung für das Folgende vorzubereiten. Allerdings beginnt das Andante mit einem in seiner Mehrdeutigkeit geradezu erschreckenden Des. Der dritte Teil taucht zunächst noch tiefer in die B-Ton-arten hinab; auch jetzt weicht das Hauptmotiv mit seinem realistisch zuckenden Ausdruck nicht von der Stelle. Erst bei dem Brande des Kapitols, von dem Mozart übrigens in seiner Musik so wenig Notiz nimmt wie seine Vorgänger, steigert es sich zu einem gewaltigen Anlauf, den verzweifelten letzten Entschluß des Sextus begleitend, der freilich zu spät kommt. Da ringt sich, ein wirklich großer Moment, am Beginn des Allegros das heiße Gebet für Titus (in Es-Dur!) aus seinem Herzen los. Hier zeigt sich die Hand des großen Dramatikers; der verwirrte Annius vernimmt zuerst ein jähes Aufbrausen, dann zögernde, geheimnisvolle Worte, die durch die plötzliche Modulation nach Ges-Dur einen fast unheimlichen Ausdruck erhalten, und steht nach Sextus' Abgang ganz hilflos da. Mit Servilias Dazukommen meldet sich auch die äußere Situation, der allgemeine Tumult, wieder. Das gemeinsame Entsetzen legt von da an jeder der nacheinander auftretenden Personen Servilia, Publius und Vitellia dieselbe Phrase in den Mund, und auch die Orchesterbegleitung mit dem Tremolo, dem wilden Baßmotiv und den schweren Forteakkorden der Bläser darüber bleibt sich gleich, ebenso der phrygische Schluß der Solisten und der erregte Aufschrei des entfernten Chores, der am Schlusse jedes Abschnittes die Harmonie gewaltsam herumwirft. Auch die Harmonik entspricht dem vorhergehenden Rezitativ: c-Moll mit seinen beiden Dominanten f- und g-Moll herrscht vor, und erst mit der Rückkehr des Sextus, der sich zunächst seinen Vorgängern musikalisch anschließt, bahnt sich eine entscheidende Wendung nach As-Dur an. Das Folgende ist wiederum höchst bezeichnend für Mozarts Begriffe von dramatischer Wirkung, nicht sowohl wegen der ausdrucksvollen Behandlung der Schreckenskunde von Titus' Tode – dergleichen kommt auch bei den Italienern vor –, wohl aber wegen der ganzen Auffassung der Situation. Langsam senkt sich das Rezitativ des Sextus herab und bleibt auf[609] der Dissonanz stehen – Generalpause! Und nun bricht nicht etwa ein Sturm des Entsetzens aus, sondern das Ensemble antwortet leise, Andante, zuerst wie gebannt, dann wie stammelnd. Echt Mozartsche, stille Tragik! Auch die folgende Spannung ist bei aller Einfachheit von unbeschreiblicher Wirkung. Unter ungeheurem seelischem Druck, mit einer sprechenden Sequenzbildung, bereitet sich das furchtbare Selbstbekenntnis des Sextus vor – da wird es von der entsetzten Vitellia in einem hastigen Rezitativ unterbrochen. Wiederum eine bange, spannende Generalpause! Sie bedeutet tatsächlich einen gewaltigen Umschlag der ganzen Stimmung. Denn im folgenden Andante schweigen alle persönlichen Leidenschaften25; auch Sextus und Vitellia tauchen im geschlossenen Ensemble unter, das nun im Wechsel mit dem gleichfalls beruhigten Chor einen ergreifenden Trauergesang auf den ermordeten Kaiser anstimmt. Es sind der Geist und zum Teil auch die Ausdrucksmittel Glucks, die diesen Schlußsatz beherrschen, wenn man so will, der Geist der antiken Tragödie. Besonders fein sind die beiden Vokalkörper in ihrem Ausdruck gegeneinander abgestuft, der feierlich gemessene Schritt des Chores mit seinen symmetrischen Reihen und das bewegter und freier gehaltene Ensemble. Nur in einzelnen Aufschreien, besonders auf das Wort »tradimento«, flammt die Erregung jäh auf; bezeichnend ist der Schluß, wo der Chor noch zweimal grell aufstöhnt, während der Gesang der Solisten ganz gebrochen im piano verhallt. Auch das Orchester wird geteilt: der Chor wird von Hörnern, Trompeten und Pauken begleitet, bei seinem ersten Einsatz gesellt sich noch mit großer Wirkung ein Streicherunisono zu seinem Baß hinzu. Das Ensemble stützt sich dagegen auf die übrigen Bläser und den individueller geführten Streicherchor; am Schlusse erscheint ein dumpfer Paukenwirbel mit Hörnern (ohne Trompeten!). Nicht als hätte sich Mozart mit dem allem seiner Selbständigkeit gegenüber Gluck freiwillig begeben. Was ihm vorschwebt, ist nur ein allgemeiner Typus Glucks, die Klageszene; ihre Ausgestaltung ist dagegen durchaus sein Werk, von der rührenden Wehmut der ersten Zeile mit der aufschlagenden Quart an bis zu der an die »Zauberflöte« gemahnenden Schlußphrase des Ensembles. Auch ein grundsätzliches Abschwenken zu Gluck darf man in dieser Szene nicht erblicken, das verbietet der ganze übrige Charakter der Oper. Haben es doch auch die übrigen Vertreter der opera seria in jener Zeit nicht verschmäht, in einzelnen Szenen Anleihen bei Gluck zu machen. Wenn Mozart diese Versuche hier am selbständigsten und erfolgreichsten aufgenommen hat, so danken wir das sichtlich der Nachbarschaft der »Zauberflöte«, deren reiner und erhabener Geist auch in dem Schwesterwerk nachwirkt. Das vornehme Publikum in Prag allerdings mag die Szene mit gemischten Gefühlen angehört haben; unwillkürlich fällt einem gerade dabei das böse Wort von der »porcheria tedesca« ein. Leider ist sie die einzige in der Oper geblieben.[610]

Im zweiten Akt führt uns gleich die Arie des Annius (13)26 wieder auf den Boden der Konvention zurück, ein einfaches Sekundarierstück ohne individuellere Züge. Auch das folgende Terzett (14) ist abermals kein Ensemble im Mozartschen Sinn, sondern in dem der opera seria, d.h. mehr musikalisch als dramatisch, obwohl der zärtliche Abschied des Sextus von der zwischen Angst und Scham schwankenden Vitellia dafür ein dankbarer Vorwurf gewesen wäre. Angedeutet wird dieser Gegensatz wohl, zumal im Andantino, aber zu einer lebensvollen dramatischen Synthese kommt es nicht, und vollends Publius tritt aus seiner neutralen Haltung nicht heraus. So ergibt sich ein Musikstück von echt neapolitanischer, weicher Abschiedsstimmung, wobei auch die beliebten Malereien der »lieve aura« und der »estremi sospiri« in den Bläsern nicht fehlen27. Noch schärfer tritt der rein musikalische Charakter trotz der freieren Führung der Singstimmen im Allegretto zutage, dessen Grundton gleichfalls von Sextus bestimmt wird. Er ist es auch, der die Phrase:


La Clemenza di Tito

anstimmt, die weiterhin von allen Übrigen refrainartig wiederholt wird. Erst gegen den Schluß beginnt mit dem punktierten Streichermotiv nebst Crescendo die Erregung höhere Wellen zu schlagen, und das kurze Nachspiel schildert deutlich das Abführen des Sextus durch die Wachen des Publius. Der Text des Terzettes ist der Arie Metastasios »Se mai senti spirarti sul volto« (II 15) nachgebildet, die schon von den älteren Komponisten mit besonderer Vorliebe bedacht worden war28.

Auch der ein Solo des Titus einschließende Chor (15) folgt einem echt neapolitanischen Typus: beschaulich und anmutig zugleich, doch ohne tiefere Erregung, und vollends Titus stimmt völlig in diesen Ton ein. Keine Spur weder von innerer Erschütterung, noch von kaiserlicher Würde; bei entsprechend verändertem Texte könnte dieses Solo ebensogut, wie das in der französischen Oper häufig geschieht, von einem Chorführer gesungen[611] werden. Auf Mozart weisen nur einige rein musikalische Züge hin29, wie z.B. die bei den einleitenden Takte, die später in der Verkleinerung noch eine Rolle spielen, und der dieser Oper überhaupt eigentümliche Wechsel der Harmonie auf dem schlechten Taktteil. Von den beiden Sekundarierarien des Publius (16) und Annius (17), die bezeichnenderweise denselben Anfang haben, ist die erste mit ihrer eiskalten Moral ein reines Verlegenheitsprodukt, während bei Annius wenigstens ein warmes Gefühl, das Mitleid mit dem Bruder seiner Braut, zum Ausdruck kommt. Zwar werden auch hier nach alter Art der opera seria die beiden gegensätzlichen Gedanken, an den Verrat und an das Los des Unglücklichen, in der Musik wieder säuberlich getrennt, aber doch kommt das weiche Flehen mit rührender Echtheit heraus – man kann sich denken, daß dergleichen nicht ohne Eindruck gerade auf Titus bleiben wird.

Dieser setzt zu Beginn der siebenten Szene mit überraschender Leidenschaft im Akkompagnato ein. Es ist orchestral sparsam bedacht, wirkt aber durch seine prägnante Deklamation und besonders durch die ausdrucksvolle Harmonik. Wohl durchläuft die Modulation einen weiten Tonartenkreis, aber in engem Anschluß an den Gedankenverlauf. Je mehr Titus' Zorn gegen Sextus anschwillt, desto tiefer geht die Harmonik in die B-Tonarten hinein: der Höhepunkt ist das Des-Dur des Todesurteils. Sobald aber die Wut sich zu den gefühlvollen Betrachtungen über das Monarchenlos30 abschwächt, läuft auch die Modulation wieder zurück, bis wir beim Bilde des armen, beneidenswerten Bauern in a-Moll angelangt sind; auch das Orchester hat sich hier zu den bekannten langen Streicherakkorden beruhigt. Erst allmählich kehren, jetzt als Ausdruck sanfter Wehmut, die B-Tonarten zurück.

Die Vorführung des Sextus gibt Anlaß zu einemTerzett (18), das gleich mit seinem Larghetto einen entschiedenen Aufschwung ins Große nimmt. Ein Ensemble Mozartschen Schlages ist es freilich wiederum nicht, denn es stellt, zunächst wenigstens, die Charaktere nebeneinander, statt sie gegeneinander spielen zu lassen. Aber es geschieht, was Sextus und Titus anbetrifft, mit packender dramatischer Wirkung. Jeder ist entsetzt über das veränderte Aussehen des andern. Sextus erhält dabei ein zuckendes Tremolomotiv im Orchester, dessen realistischer Ausdruck in die Zukunft weist, und eine dunkle, fremdartige Harmonik; Titus' Erstaunen dagegen wird durch ein einfacheres, immer wiederholtes Motiv von nur zwei Noten begleitet; zum Schlusse gibt Publius, allerdings unpersönlich wie immer, den Empfindungen eines Dritten über diese Situation Ausdruck – es ist eine Partie, die die Späteren und auch Mozart in seinen sonstigen Opern dem Orchester[612] allein anvertraut hätten. Dann aber rücken die beiden Hauptpersonen hart aufeinander, wobei sich namentlich Sextus zu echt tragischer Größe erhebt. Leider hält das folgende Allegro diese Höhe nicht fest, sondern verflüchtigt den so scharf zugespitzten persönlichen Gegensatz wieder ins Allgemeine. Titus und Publius treten zu einer geschlossenen Gruppe zusammen, in der, ein hübscher Zug, Publius die Gedanken seines kaiserlichen Herrn zuerst einfach imitatorisch nachsingt. Das gibt ein zwar musikalisch wirksames, aber im Ausdruck etwas verschwommenes Bild. Schärfer hebt sich Sextus davon ab durch seine zerrissene, zweimal durch ausdrucksvolle, kadenzartige Partien (»a piacere!«) unterbrochene Melodik31. Für Mozart sehr bezeichnend ist der leise verhallende, plagale Schluß des Ganzen.

Sextus hat in schwerem innerem Kampfe das gütige Entgegenkommen des Kaisers abgelehnt und damit sein Leben verwirkt. Nun übermannt ihn sein Gefühl in der folgenden Arie (19). Metastasio hat hier nur den verzweifelten Entschluß zum Tode ausgedrückt, Mazzola dagegen beschwört vorher noch die schmerzliche Erinnerung an die frühere Freundschaft herauf, und Mozart32 gibt dieser Stimmung bereits im Adagio einen geradezu visionären Ausdruck. Schon die Tonart A-Dur weist darauf hin; der ganze Teil ist eines jener zarten Bilder entschwundenen Glückes, die zu den Lieblingsvorwürfen der opera seria gehörten. Nur das Wort »orror« wirft vorübergehend einen dunkleren Schatten herein. Um so schärfer sind die Gegensätze in dem folgenden Allegro, wo sie im Gegensatz zu der einfachen Dreiteiligkeit des Adagios eine freiere Form hervorrufen. Es handelt sich um eine Art Rondo, nur daß das Hauptthema (»tanto affanno soffre un core«) nicht am Anfang, sondern im weiteren Verlaufe des Satzes auftritt, und zwar stets in der Haupttonart A-Dur. Es gehört jenem von den Franzosen stammenden, gavottenhaften Typus an, dem wir bereits bei Sarti begegneten33. Seinem ganzen Ausdruck nach knüpft es steigernd an die verzückte Stimmung des Adagios an und bedarf allerdings eines besonders guten Vortrags, wenn der dem ganzen Typus anhaftende Beigeschmack des Leirigen vermieden werden soll34. Von feiner psychologischer Wirkung ist dagegen die Art, wie das Thema jedesmal durch Abschnitte von gegensätzlicher Stimmung vorbereitet wird. Zweimal wird die A-Dur-Stimmung durch einen echt Mozartschen, kurzen harmonischen Ruck35, zuerst mit C-, dann mit F-Dur vertauscht. Wir erleben hier den bei den Neuneapolitanern ziemlich ungewöhnlichen Fall, daß im selben Satze der Ausdruck des Hochpathetischen[613] überzeugender ausgefallen ist als der des Empfindsamen. Auch muß betont werden, daß Mozart sich hier aller Koloraturen enthalten hat36.

Eine Zeitlang scheint Mozart selbst hinsichtlich der Fassung dieses Allegros geschwankt zu haben, offenbar, weil er der Wirkung jenes Hauptthemas doch nicht recht traute. Wir haben nämlich im Original einen andern Anfang erhalten von energischerem, trotzigem Charakter:


La Clemenza di Tito

Damit geht das Blatt zu Ende, und auf einem neuen ist das spätere Allegro angefangen. Ob jene andere Fassung überhaupt weiter ausgeführt wurde, ist sehr zweifelhaft.

Die Arie des Titus (20) greift im Bau auf eine ältere Form zurück: ein langsamer Mittelsatz wird zwischen den Hauptsatz und dessen Wiederholung eingeschoben. Auch der Ausdruck ist recht konventionell, bis in die ziemlich äußerlich angebrachten Koloraturen hinein. Auch die mit Tempo di Minuetto bezeichnete Arie der Servilia (21) mit ihrem leise wiegenden Tanzcharakter ist ein Modestück, wie es die opera seria für ihre Sekundarier liebte, empfindsam und angenehm in die Ohren fallend, aber wenig charakteristisch37.[614] Mozart schlägt dabei außerdem, wie in den Gesängen des Annius, jenen herzlichen Ton an, den wir auch in seinen empfindsamen Liedern finden. Dagegen reißt uns die Szene der Vitellia (22, 23) aus diesen Niederungen wieder hoch empor. Schon das Akkompagnato ist deklamatorisch wie harmonisch ganz ausgezeichnet38. In einer mächtigen Linie läuft die Steigerung bis zu dem wilden Aufschrei »ah mi vedrei sempre Sesto d'intorno«, wo die Verzweiflung Vitellias ihren höchsten Grad erreicht39, und klärt sich dann allmählich zu dem heroischen Verzicht auf alle stolzen Träume ab. Die Arie baut sich textlich auf dem gut metastasianischen Gegensatz zwischen dem erträumten Eheglück und den tatsächlich drohenden Todesschrecken auf. Sie besteht formell wiederum aus einem langsamen und einem raschen Teil, ist aber tatsächlich ein geschlossenes Ganzes, da der langsame Satz im Verlauf des raschen wieder anklingt. Auch instrumental ist sie besonders reich bedacht, namentlich durch die Mitwirkung des obligaten Bassetthorns, das hier unbeschadet aller Virtuosität den dramatischen Ausdruck auf das glücklichste unterstützt40. Der Beginn ist nach italienischen Vorbildern ein zartes Idyll, nur daß die sonst hier gebräuchliche verschnörkelte Rokokomelodik durch den echt Mozartschen, warmen Liederton ersetzt ist. Im Mittelteil des einfachen dreiteiligen Sätzchens gleiten mit den Unisonos auf »veggo la morte ver me avvanzar« die ersten Schatten über das helle Bild dahin, zunächst freilich ohne es dauernd zu trüben. Das Allegro gemahnt insofern an die entsprechende Partie in der Arie des Sextus (19), als auch hier eine Hauptmelodie (»Chi vedesse il mio dolore, pur avria di me pietà«), die erst im Verlaufe des Satzes auftaucht, später nach Rondoart mehrere Male wiederholt wird. Sie gemahnt auch ihrer ganzen Struktur nach an jenen Rondotypus, nur daß ihr Ausdruck, namentlich dank der schneidenden Chromatik, ungleich charakteristischer ist. Sie ist die Trägerin des Gefühls bejammernswerter Hilflosigkeit, das Vitellia vor allem andern beseelt. Vorbereitet wird dieses Thema wiederum durch einen Mollsatz, der aber hier nicht bloß überleitende Bedeutung hat, sondern gleich mitten in die Verzweiflung hineinführt41. Als erste Episode erscheint die Melodie des Larghettos, aber im Charakter durch die Übertragung in den geraden Takt bedeutend verschärft (vgl. die Synkope am Anfang) und ihres idyllischen Gepräges beraubt. Vor allem wird jetzt das vorher nur kurz angedeutete drohende Bild des Todes breit ausgeführt, indem der Gesang mit[615] dem Unisono der baßführenden Streicher zusammengeht; Flöten und Fagotte, dazu das Bassetthorn mit seiner flatternden Figur geben die Harmonie an. Dann wird in stark verkürzter Form der Beginn des Allegros wiederholt. Ihm schließt sich, gewissermaßen als zweite Episode, das Hauptthema in As-Dur an. Diese von zwei Generalpausen flankierten einundzwanzig Takte sind formal ein Einschiebsel, das aber durch die vorhergehende große Steigerung innerlich vollauf gerechtfertigt ist. Erst darnach erscheint das Hauptthema in F-Dur, nur daß jetzt die Singstimme den Vortritt vor den Instrumenten hat. Wichtig ist von hier ab auch das völlig freie Schalten mit den einzelnen Gedanken des Textes, die alle auf kürzestem Raume noch einmal hintereinander auftauchen; sogar auf das verlorene Glück kommt Vitellia zurück, freilich ohne jeden Anklang an die alte wehmütige Weise. Die Partie mündet abermals in eine der für die Arie so charakteristischen Generalpausen aus. Sie bereitet die letzte und höchste Steigerung vor: ihr Träger ist eine sehr freie Variante des Hauptthemas, von der die Bläser außerdem zunächst nur den Baß bringen. Dann werden die Rollen von Singstimme und Orchester vertauscht. Mit den üblichen pathetischen Erweiterungen der alten Kadenzharmonie, doch unter Verzicht auf die auch bei Mozart, namentlich in den Konzertarien, nicht seltene sog. Bettelkadenz schließt das Stück in voller Erregung ab. Gewiß hängt die Größe der Empfindung, die aus dieser bedeutendsten Arie der Oper spricht, mit der sonstigen Charakteristik Vitellias nur lose zusammen42. Indessen vertragen derartige Intrigantengestalten der opera seria in diesem Punkte überhaupt nicht den Maßstab streng psychologischer Entwicklung. Sie sind meist von Anfang an als leidenschaftliche, schwarze Bösewichter gezeichnet, und wenn sie dann im weiteren Verlaufe ihre Schuldigkeit getan haben und zum Schlusse, wie es sich gebührt, dem guten Prinzip erliegen, treten sie verzweifelt mit derselben leidenschaftlichen Rhetorik vom Schauplatz ab. Man muß Mazzola sogar noch Dank wissen, daß er auf Metastasios an dieser Stelle stehende Gleichnisarie »Getta il nocchier talora« zugunsten einer unmittelbaren Seelenbeichte Vitellias verzichtet hat. Und gerade hier hat Mozart zugegriffen und ein Stimmungsbild geschaffen, in dem hinter der konventionellen Maske ein rein menschliches Antlitz mit all seinen individuellen Zügen hervorleuchtet.

Unmittelbar nach dem Schluß der Arie erfolgt der feierliche Übergang in den Chor (24). Noch lastet der Schrecken über das Attentat auf allen Gemütern, daher das strenge, archaisierende, fast ans Kirchliche streifende Wesen dieses Satzes, das in der feierlich gemessenen selbständigen Begleitung mit dem ostinaten Rhythmus im Baß und besonders in den zahlreichen herben Vorhaltsbildungen der Stimmführung zum Ausdruck kommt; man wird an ähnliche Stücke von Händel gemahnt, und Mozart erzielt damit noch kurz vor dem Schluß eine wirksame Spannung. Erst nachdem Titus auf Vitellias Selbstanklage hin seinen Entschluß, allen zu verzeihen, in einem wiederum sehr ausdrucksvollen Akkompagnato (25) ausgesprochen[616] hat, klärt sich im Finale (26) der Himmel völlig auf. Die knappen und nichtssagenden Schluß-Cori Hasses waren damals bereits größeren, nach französischem Muster aus Soli und Chor bestehenden Komplexen gewichen, und auch Mozart folgt diesem Beispiel, um die bereits abgeschlossene Handlung in einem musikalisch wirkungsvollen Satze ausklingen zu lassen. Natürlich kann es sich dabei nur um Empfindungen ganz allgemeinen, frohen und dankbaren Charakters handeln. Aber Mozart weiß sie mit großem Geschick wirksam zu steigern. Auf die Gegenrede des Sextus und Titus läßt er ein bewegteres Ensemble der Solisten folgen und darauf erst, durch ein mächtiges Unisono des nunmehr noch durch Trompeten und Pauken ergänzten vollen Orchesters, den Chor hinzutreten, angeführt von einem wirksamen Dreiklangsaufstieg Vitellias nach dem g'', das wie ein strahlender Stern über dem hymnenartigen »eterni Dei« der übrigen liegen bleibt. Nach diesem ersten allgemeinen Tutti wird das Alternieren zwischen dem stets nur von den Streichern begleiteten Titus und den Übrigen lebhafter; bald spinnt er den melodischen Faden an, bald führt er den vom Tutti angesponnenen refrainartig zu Ende, und auch wenn jenes Alternieren sich auf engstem Raume vollzieht (bei der Responsion »vegliate – troncate«), bleibt seine melodische Selbständigkeit stets gewahrt. Auch hier kommt es noch einmal zu einer Abstufung von Ensemble und Chor von sehr schöner Wirkung. So schließt die Oper ganz im Geiste der opera seria zwar nicht dramatisch, aber musikalisch mit einem fein aufgebauten und im Klange äußerst glücklich abschattierten Satze ab.

Ein Vergleich mit dem »Idomeneo« muß schon deshalb zu Ungunsten des »Titus« ausfallen, weil das starke persönliche Erlebnis, das der früheren Oper zugrunde lag, der späteren fehlt. Im »Idomeneo« glaubte Mozart noch an seine künstlerische Mission auch auf dem Gebiete der opera seria; im »Titus« lag diese Welt längst hinter ihm, und es handelte sich für ihn nur um die Erfüllung einer Berufspflicht, die sein Innerstes wohl noch in einzelnen Augenblicken, aber nicht mehr im Ganzen erregte. Gewiß zeigt sich mancher formale Fortschritt; so sind vor allem z.B. die ausgedehnten, lärmenden Ritornelle verschwunden und die Formen überhaupt knapper und schmiegsamer gehandhabt. Dafür bleibt die instrumentale Seite auffallend hinter dem »Idomeneo« zurück. Dieser hatte mit großem Glück alle Mannheimer und Pariser Eindrücke zu verwerten gesucht, der »Titus« dagegen nähert sich, von einigen Stücken im Festcharakter abgesehen, der intimeren und durchsichtigeren Instrumentation der späteren Werke, aber ohne deren Feinheit auch nur entfernt zu erreichen. Vergebens sucht man in den meisten Stücken nach jener genialen Ausnützung der Orchestersprache, die zu Mozarts höchsten dramatischen Errungenschaften gehört. Das mag in der Kürze der Arbeitszeit seinen Grund haben, im allgemeinen entsprach aber auch diese Erscheinung den Gepflogenheiten der damaligen opera seria, für die der Gesang vor dem Orchester und sinnliche Schönheit und Wirkung vor der Charakteristik kamen. Kurz, Mozart befand sich hier in der Lage eines[617] Meisters, der auf äußere Anregung hin eine Aufgabe erledigt, die ihm zwar innerlich wenig mehr zu sagen hat, die er aber darum doch mit dem sicheren Geschmack und Stilgefühl des reifen Künstlers ausführt. Hierin liegt die Schwäche und die Stärke dieses Werkes.

Begreiflicherweise fiel die Kritik den verschiedenen Standpunkten gemäß verschieden aus. Nach Niemetschek43 galt der »Titus« vielen als Mozarts vollendetste Arbeit, weil darin in allem, selbst in der »gemäßigten« Instrumentation »die Einfachheit, die stille Erhabenheit des Charakters des Titus und der ganzen Handlung« zum Ausdruck komme. Er selbst sah darin ein Muster reifen Geschmacks und treffender Charakteristik44. Ein anderer Kritiker tadelt den Metastasioschen Text, rühmt aber um so wärmer die musikalische Charakteristik des sanftmütigen Titus, der erhabenen Vitellia und der idealen Zartheit der Freundschaft zwischen Sextus und Annius und vergleicht das Ganze sogar mit Goethes »Tasso45«. Schaul dagegen46 fand außer wenigen Stücken alles so trocken und langweilig, daß man eher an einen Anfänger als an einen reifen Meister denken sollte. Nach dem Worte eines in Neapel hochangesehenen Italieners leuchteten nur in den ernsthaften Arien hie und da einige Genieblitze auf, die zeigten, was aus Mozart bei einer besseren Leitung hätte werden können. Die schärfsten, aber sachlich nicht unbegründeten Urteile kamen 1796 aus Berlin47. Rochlitz schlug einen milderen Ton an48:


Er sah sich gezwungen, da er kein Gott war, entweder ein ganz mittelmäßiges Werk zu liefern, oder nur die Hauptsätze sehr gut, die minder interessanten ganz leicht hin und blos dem Zeitgeschmack des großen Haufens gemäß zu bearbeiten; er erwählte mit Recht das Letzte.


In Prag wurde »Titus« zunächst mehrere Male mit steigendem Erfolg wiederholt, zuletzt am ersten Aufführungstage der »Zauberflöte49«, dem 30. September 1791. Dann verschwand er bis zum 31. März 1795, wo er im Wiener Burgtheater zugunsten von Mozarts Witwe zur Aufführung gelangte50. Der Erfolg der »Zauberflöte« kam weiterhin, wenn auch in bescheidenerem Maße, auch ihm zugute. Bald im Konzert, bald im Theater taucht er vom Ende des Jahrhunderts ab immer wieder in einzelnen Städten auf, so 1799 in Wien und Breslau als Konzert-51 und in Frankfurt a.M. als Opernaufführung52. In London wurde er 1806 zum ersten Male zum Benefiz der Mad. Billington aufgeführt und zwar als die erste Oper Mozarts, die dort zu Gehör kam53. Nach Neapel kam er 1809 (S. Carlo)54, nach Paris 181655 und nach Mailand 1818 (Scala)56.

Fußnoten

1 Die wichtigsten Kompositionen sind die von L. Leo (Neapel 1735), Hasse (Pesaro 1735), Wagenseil (Wien 1746), C. Grua (Mannheim 1748), Gluck (Neapel 1752), Jommelli (Stuttgart 1753), Holzbauer (Mannheim 1757), Gius. Scarlatti (Wien 1760),Naumann (Dresden 1769), P. Guglielmi (Turin 1785).


2 I 180 ff.


3 Zelter schreibt 1819 an Goethe (Briefw. II 20): »Solch ein Titus soll denn auch noch geboren werden, der in alle Mädchen verliebt ist, die ihn alle totschlagen wollen.«


4 Aus Metastasio stammen Nr. 2, 5, 6, 8, 9, 16, 20, 21, 24 und die Akkompagnatos Nr. 11, 18 a, 22, 25, von Mazzola Nr. 1, 3, 7, 10, 12 –15, 17, 18 b, 19, 23, 26, aber mit Benutzung von Metastasios Motiven, zum Teil auch einzelner Verse und Wendungen. Ein Exemplar des ersten Textbuches auf der Dresdener Landesbibliothek.


5 Diese Szene stammt von Mazzola, ist aber nicht zu einem größeren Ensemblesatz benützt.


6 AMZ I 151 f. Cäcilia XX 191.


7 I 63 ff.


8 Charakteristisch für Mozart ist seine Einführung. Vorher wird nach der Unterdominante F-Dur moduliert, dann aber das F kurzerhand zu Fis erhöht und so die Dominante gewonnen.


9 Um das Es-Dur besonders zu betonen, schickt Mozart der kontrapunktischen Behandlung des Themas dieses selbst, aber ohne Kontrapunkt, voraus.


10 Auch diese Ouvertüre soll im letzten Augenblicke niedergeschrieben sein (vgl. Prochazka, Mozart in Prag, S. 163 f.), was in Anbetracht der Umstände nicht unwahrscheinlich ist, s.S. 606, Anm. 2.


11 Vgl. darüber Genée, MBM 1902, Heft 14, S. 121 f.


12 Gerber, N.L. II 75. AMZ IV 318 f. Reichardt, Mus. Ztg. 1805, I 112. Florimo IV 351. Cambiasi S. 289 ff. Von Prag kam sie 1791 nach Venedig, Wiel S. 424, 428, dann nach Berlin, Schneider, Gesch. d. Oper, S. 248. In einem Berliner Bericht von 1799 (AMZ I 348 f.) wird sie dagegen als eine Karikatur geschildert.


13 Auch Hasse und Gluck geben hier ziemlich konventionelle Musik.


14 Er ist gleich der Arie Nr. 8, den Akkompagnatos und der Ouvertüre ursprünglich nicht numeriert, sondern auf demselben besonderen Papier wie diese Stücke geschrieben, was auf ihre spätere Vollendung hinweist.


15 Hasse bringt in diesem Chor unverkennbare Anklänge an das Halleluja aus Händels »Messias«.


16 S.o.S. 351 f.


17 Seyfried, Cäcilia XX 193 f.


18 Vgl. außer dem Hauptthema noch die Stelle »tormento e servitù« mit dem imitatorischen Motiv in den Streichern.


19 I 196.


20 Sie wird durch den Trugschluß auf dem Sextakkord der Unterdominante eingeführt, s.o.S. 601.


21 Der Phrasenschluß mit dem ausharmonisierten Dominant- und tonalen Dreiklang auf den schweren Taktteil kommt mit seinem geschraubten Pathos in dieser Oper öfter vor.


22 Nur die Vorhalte in den Bläsern sind ein individuellerer Zug.


23 Ulibischeff S. 340.


24 J II4 585.


25 In dem Andantesatz des Rezitativs, der auch melodisch auf das Folgende vorausweist, ist diese Stimmung fein vorbereitet.


26 Sie ist von Mazzola gedichtet, nachträglich eingeschoben und mit der Nummer 131/2 bezeichnet.


27 Über die nachträglich hinzugefügte orchestrale Steigerung am Schlusse des Andantino s.o.S. 108 f.


28 Schon Hasse bringt hier eine schöne langsame c-Moll-Arie mit Flöten. Gluck aber hat seine Komposition später wieder in der taurischen Iphigenie zur Schlußarie der Heldin im 2. Akt (»O malheureuse Iphigénie«) verwandt (Wotquenne, Them. Verz. S. 217), ein Beweis, wie hoch er sie selbst schätzte. In dem Verzeichnis von Liedern, das Konstanze am 25. Februar 1799 an Breitkopf schickte, steht der Anfang Metastasios unter Nr. 13. Nottebohm, Moz. S. 123 schließt daraus wohl mit Recht, daß diese, uns verlorengegangene Komposition ursprünglich für den »Titus« bestimmt war und erst später durch das Terzett ersetzt wurde.


29 S.o.S. 607. Das in dieser Oper ebenfalls häufige Hinausziehen der Schlüsse dagegen ist italienisch.


30 Hasse hat daraus ein pastorales Idyll entwickelt, Gluck dagegen, der von Anfang an seinen Titus weit männlicher auffaßt, den ganzen Erguß überhaupt gestrichen.


31 Er beginnt mit dem alten, aus dem »Figaro« bekannten Mozartschen Lieblingsgedanken (s.o.S. 248).


32 Das Ritornell am Anfang und Schluß ist von einem Kopisten geschrieben und auf einem besonderen Blatte hinzugefügt. Vermutlich ging die Arie ursprünglich in ein Akkompagnato des Titus über, das jedoch nicht erhalten ist. Über die Änderung der Takteinteilung s.o.S. 110.


33 I 211.


34 Schaul, Briefe über den Geschmack, S. 51, führt es als einen Beweis an, wie oft Mozart gegen die gesunde Vernunft sündige, daß Sextus seine Gewissensbisse in Form eines Rondos ausdrücke. Dagegen verteidigt C.M.v. Weber die Stelle aufs wärmste (Lebensbild III 4).


35 Der Anfang bedient sich dazu eines an den Beginn der Figaro-Ouvertüre gemahnenden Orchestermotivs.


36 Viel kürzer faßt sich Gluck in der entsprechenden Arie (III 6), der nur den Todesentschluß und die Gewissensbisse des Sextus betont. Auch bei Hasse steht hier eine der bedeutendsten Arien seiner Oper.


37 Gluck gibt hier in seinem streitbaren, harmonisch sehr bedeutenden c-Moll-Stück die Vorwürfe Servilias weit charakteristischer wieder.


38 Das Anfangsmotiv des Orchesters gehört einem Typus an, der auch sonst in Mozarts Akkompagnatos häufig wiederkehrt: Sforzatobeginn, dann ein kurzes, scharf rhythmisiertes Motiv mit Trillerauftakt (vgl. Elviras nachkomponierte Arie, ferner »Figaro« Nr. 28, die Sprecherszene der »Zauberföte« und die Szene des Sextus Nr. 11).


39 Schon vorher (»che t'ubbidirò crudele?«) nähert sich das Rezitativ der Konzentik.


40 Die Mitwirkung Stadlers (Brief vom 7. Oktober 1791, B II 351) erklärt die solistische Verwendung der Klarinette und des Bassetthorns in dieser Oper. Vgl. Prochazka S. 173 ff.


41 Der erste Takt der dreitaktigen Bildung ist als Auftakt aufzufassen.


42 J II4 583.


43 S. 73.


44 S. 47.


45 AMZ IV 822 f.


46 Briefe über den Geschmack S. 59.


47 Deutschland I 269 f., II 363 f. Reichardt verwahrte sich nachdrücklich gegen die Verfasserschaft. Mus. Ztg. 1805, I 6.


48 AMZ I 151.


49 B II 351.


50 Wlassak, Chronik, S. 98. Aloysia Lange sang den Sextus. Hanslick, Konzertwesen in Wien, S. 192.


51 Schlesinger, Gesch. des Breslauer Theaters, S. 95.


52 C. Valentin S. 257. 1800 hörte ihn Goethes Mutter und wurde bei der Erscheinung des Kapitols und dem Einzug des Titus zu Tränen gerührt. Schriften der Goethegesellschaft IV 198.


53 Reichardt, Mus. Ztg. II 123. Parke, Mus. mem. II 3 f. Pohl, Mozart und Haydn in London, S. 145 f.


54 Florimo IV 266.


55 AMZ XVIII 463.


56 Cambiasi, La Scala, S. 308.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 618.
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