Aesthetische Entwickelung der Schönheiten seiner einzelnen Werke.

[231] Nach eigenem Geständnisse und dem Fleiße, den er seinen Kirchen-Komposizionen widmete, waren diese sein Lieblingsfach. Aber er konnte sich demselben zu wenig widmen. Opermusik und Klavierkomposizionen sind es, die ihm den Kranz der Unsterblichkeit wanden.

Doch kein Feld der Tonkunst ließ er unbebaut, und keines ist, daß sich nicht[232] einiger schönen Blumen von seiner Aussaat zu erfreuen hätte.

Seine Werke können noch den verschiedenen Departements der Tonkunst in zehn Klassen eingetheilt werden.

Ich werde mich, wie ich schon einmal erklärte, blos auf seine neuern klassischen Werke beziehen. Denn die frühern Arbeiten sind jenen ganz unähnlich; ein Umstand, sehr nachtheilig für Mozarts Ruhm, da die Musikhändler mit seinen Werken den größten Unfug treiben, das Publikum anführen und den Namen des großen Meisters schänden. Ohne eine Erklärung zu geben, ob es von seinen ältern oder neuen Werken sey, hängt man Mozarts Namen als Empfehlungsschild so manchem Fabrikate vor, das seines Geistes ganz unwürdig ist. Noch häufiger[233] ist der Fall; daß unbefugte Uebersetzer aus seinen größern Werken Klavierstücke, und aus Klavierstücken Partituren machen, die nothwendig schlechter seyn müssen, als seine übrigen Komposizionen. Ich selbst habe erlebt, daß man seine Klavierkantate: »Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer ehrt,« in einer namhaften musikalischen Akademie mit vollem Orchester – sinnreich von einem Herrn Kantor dazu komponirt – dem Publikum auftischte, das es auch willig hinnahm und – verdaute. »Mozart« stand ja in der Anzeige.

Daß elende Schauspieldirekteurs sich, statt der Partituren, die Bönner Ausgaben seiner Klavierauszüge kaufen und von einem Schulmeister irgend eine mit 4 oder 8 Mann zu bestreitende Instrumentalmusik herausklauben lassen, ist so ziemlich an[234] der Tagesordnung. Dieses Unglück hat vorzüglich die Zauberflöte betroffen. Auch hab' ich Don Juan und die Zauberflöte als Mozartische Messen mit vieler Andacht gehört ... Ich erinnere mich noch, daß man das große Quartett des ersten Akts: »Fliehe des Schmeichlers glattes Wort« zum Kyrie eleison gemacht hatte. Nun kam zum Beispiel auf die Stelle des Don Juan: »Wißt, dieses arme Mädchen ist nicht mehr recht bei Sinnen« christe christe aleison, und auf die Exklamazionen Elvirens: »Ha du Lügner! du Verräther!« christe! christe! christe! christe! – Neben mir kniete eben der Darsteller des Leporello mit seiner Gattin, die ich in der Parthie der Elvire gesehen hatte. Wie müssen die Leute andächtig gewesen seyn! – Die Worte»Credo« waren der Stelle untergelegt, wo Don Juan der Teufel holt.[235]

Aarth habe ich die sämmtlichen Zauberflöten-Arien und einige aus der Entführung mit geistlichem Texte in Bamberg angetroffen. Papageno's: »Seht, Papageno ist schon da etc.« war ein Osterlied geworden.

Solche Mißbräuche findet man häufig.

Der Breitkopf- und Härtelschen Musikhandlung, dieser würdigen Beförderin deutscher Tonkunst, verdanken wir bereits die prachtvolle, korrekte und authentische Ausgabe seiner Klaviersachen, und einiger Partituren, welche, Mozarts und der deutschen Nation würdig, im Publikum auftreten. Schade nur, daß nach der Requiemspartitur und Don Juan, eine Art von Stillstand eingetreten ist! Aber wer die Kostspieligkeit solch eines[236] Unternehmens und das Risiko bei grosen Werken, nicht sattsam vom Publikum unterstützt, kennt, der wird es der Handlung nicht verargen, wenn ihr Eifer erkaltet, zumal wenn sie erfahren muß, daß man die Manuscripte an zwei verschiedene Handlungen zugleich verkauft. –

Bedenkt man nun überdies, daß bei Herausgabe des Don Juan, der sich seit Jahren schon – korrekt oder unkorrekt, gleichviel – in den Händen der mehrsten Theaterdirektionen findet, die Handlung nur auf die geringe Anzahl studirender Musikliebhaber, die zugleich auch Geld haben – ein seltnes Zusammentreffen! – großmüthig spekuliren mußte: um wie viel mehr mußte sie eine Behandlung schmerzen, die sie wahrlich nicht verdient hat![237]

In die erste Klasse gehören die dramatischen größern Werke. Die Kirchenmusiken nehmen nach ihnen den zweiten Rang ein. Die dritte Stelle verdienen die Klavierkomposizionen, denen die Simphonien in der vierten Klasse nachtreten. Gelegenheitskantaten, einzelne Arien, mehrentheils aus frühern Zeiten, nehmen die fünfte Klasse ein. In die sechste gehören: deutsche Lieder am Klavier zu singen. Zur siebenten die Konzerte für verschiedene Instrumente. Quartetten, Quintetten und Duos machen die achte, Harmonien und Tänze die neunte und zehnte Klasse aus.

Nächst diesen hinterließ er zehn Kanons für Singstimmen und zwar 8 vierstimmige und 2 dreistimmige, sowohl komischen als ernsthaften Inhalts.

Quelle:
Arnold, Ignaz Ferdinand Cajetan: Mozarts Geist. Erfurt 1803, S. 231-238.
Lizenz:
Kategorien: