Darmstadt.

[61] Als ich durch diesen Ort nach Manheim ging, traf sichs glücklicher Weise, daß ich von meinem[61] Wagen stieg, als eben die Garde des Landgrafen die Wachtparade aufzog. Ich habe niemals eine Kriegsmusik gehört, die mir mehr gefallen hätte. Das Chor bestund aus vier Hoboen, vier Clarinets. sechs Trompetten, an jeder Seite der Hoboen und Clarinetten drey, und an jedem Flügel zwey Fagotts. Das ganze Glied bestand also aus achtzehn Personen; hinter diesen Post- und Jagdhörner.

Das Ganze that eine vortrefliche Wirkung, es animirte ungemein, und obgleich die Trompetten und hohen Hörner gewöhnlich zu scharfgällend sind, wenn man sie in einem engen Raume hört; so war hier der Platz, wo die Wache aufzog, so geräumig, daß der Ton freyes Feld hatte, sich nach allen Seiten zu verbreiten, wodurch denn das Ohr nicht so heftig angegriffen wird.

Ehe ich in meiner musikalischen Erzählung fortfahre, muß ich ein Paar Worte von dem schlechten und pfiffigen Betragen der Postmeister und Postillions in diesem Theile der Welt sagen. Die Wirkung davon ist so beschaffen, daß man ihr unmöglich ausweichen kann. Wie ich über die Gebirge in der Wetterau ging, spannte man mir unter dem Vorwande von bösen Wegen drey Pferde vor den Karren, den sie eine Postchaise nannten; und nachdem ich mir diese Taxe einmal hatte gefallen lassen, war nicht wieder daran zu gedenken, daß ich mit wenigern hätte weiter kommen können. In Frankfurth sträubte ich mich hart, aber vergebens, obgleich der Gastwirth und die Gäste,[62] welche Einwohner waren, mich alle versicherten, daß sie niemals mehr als zwey Pferde nähmen, wenn sie Extrapost gingen. Berge konnten sie hier nicht vorschützen, drum mußte es der tiefe Sand seyn, ungeachtet der Weg von Frankfurth bis Manheim in allem Betracht der erträglichste von allen ist, die ich bis dahin in Deutschland bereiset hatte.

Das weibliche Geschlecht unter den gemeinen Leuten des Landes ist von Herzen häßlich; vielleicht nicht so sehr von Gestalt, als durch die Art sich zu kleiden, und durch vernachlässigte Sauberkeit. Das Haar versteckt es völlig unter eine Art von Haube, die gewöhnlich von bunter Leinewand oder Cattun ist. Selten sieht man ihm Schuhe oder Strümpfe an den Füssen, obgleich das Mannsvolk beydes trägt, sie mögen nun so gut seyn, als sie wollen.

Ich möchte von den Leuten hier gerne mit Mässigung und Aufrichtigkeit sprechen. Trotz der Galle, die ein jeder Fremder, der unter ihnen reiset, übertreten fühlen muß; da ich ihnen aber weder schmeicheln noch sie verläumden will, so muß ich sagen, daß die unzähligen Bettler, die einen mit solchen Ungestüm überlaufen, ob sie gleich oft jung, stark, fett, gesund und zum Arbeiten sehr geschickt sind; die unaufhörliche Veränderung von Münzsorten, und der unvermeidliche Verlust beym Umsetzen; die Unersättlichkeit, Unfreundlichkeit und Grobheit der Postbedienten, für einen Reisenden unerträgliche Plackereyen sind.

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. II]: Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, Hamburg 1773 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 61-63.
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Tagebuch einer musikalischen Reise: Durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770-1772