XIV.

Wieder in der Heimat.

[436] Reise nach Dresden. – Leipzig: Wiedersehen mit der Familie, schwierige Geldlage. – Berlin: Meyerbeer, Graf Redern, Mendelssohn. – Unterstützung durch die Familie, Vorschuß von zweihundert Talern. – Verhandlungen mit Küstner wegen des ›fliegenden Holländers‹ in Berlin. – Aufenthalt in Teplitz: Entwurf des ›Tannhäuser‹. – Nach Dresden zu den Proben. – Hoffnungsvoller Verlauf derselben.


Ich traf in Dresden ein, um die versprochene Aufführung meines Rienzi zu betreiben. Vor dem wirklichen Beginn der Proben machte ich noch einen Ausflug in das böhmische Gebirge: dort verfaßte ich den vollständigen szenischen Entwurf des ›Tannhäuser‹.

Richard Wagner.


Wir haben den Schluß des vorigen Kapitels in seinem Wortlaut nicht verändert, wiewohl die dort geschilderten Stimmungen und Gefühle aus einem vom 21. April datierten Briefe an die zurückgelassenen Freunde doch mannigfache Ergänzungen und Modifikationen erfahren Unter allen namenlosen Peinigungen seines Pariser Aufenthaltes war ihm doch warme und innige Freundschaft, zuletzt auch von den ihm Nächststehenden, zuteil geworden. Im Vaterlande hatte er sich solche Freunde erst zu gewinnen, ihre Herzen sich zu erobern: noch war er hier alleinstehend, der Fremde, der Unbekannte, wie zuvor! Das kommt in diesen Briefen deutlich zum Ausdruck. ›Lebhaft wie selten ein Ereignis aus meinem Leben steht mir die Stunde und der Augenblick unseres Abschiedes vor der Seele; er wird mir unvergeßlich bleiben. Nie ist uns ein Abschied schwerer geworden, als der von Paris Gott! was sind alle Leiden, die wir dort ausgestanden, gegen das Bewußtsein so innig geschlossener Freundschaft, das wir von dort mit uns nahmen! – Was habt Ihr mit Minna angegeben! Ihr habt ihr entschieden das Herz umgewendet, so daß ihr noch jetzt Paris als ein Paradies erscheint: sie hat auf der ganzen Reise nicht aufgehört zu weinen; kaum war sie einmal ruhiger geworden, als sie mir auf allen Trost, den ich ihr zu geben mich gedrungen fühlte, nur mit der Frage antwortete. »Darf ich nun wieder weinen?« – Auf jeder Station [437] wollte ich Euch schreiben, in Chalons lag sogar schon das Papier bereit. Je weiter wir nun fortzogen, je mehr nahm uns unsere Reise in Beschlag; sie war anstrengend, zumal für die arme Minna; denn aus leicht begreiflichen Rücksichten zogen wir es vor, uns selbst in Frankfurt nicht auf zuhalten, und wir waren also etwas über fünf Tage und fünf Nächte unterwegs. In Dresden ruhten wir uns ohne Besinnung einen Tag aus; dann ging ein Tag mit Gängen und Logismieten verloren‹ (in der Töpfergasse Nr. 7 war dieses erste bescheidene Unterkommen) und dann fuhr ich nach Leipzig. Minna blieb einstweilen bei ihren Verwandten in Dresden zurück.

Auch über diesen ersten Leipziger Aufenthalt erfahren wir durch denselben Brief, er sei ihm wie ein Traum gewesen. ›In diesem Traum sind mir denn Mutter und Geschwister wieder begegnet: die Straßen und Häuser, in denen sie wohnen, haben sich viel verändert, bei ihnen selbst aber wenig; die junge Brut, die unter ihnen aufgeschossen, bilden die einzige Veränderung. Die Mutter, die ich – Gott sei Dank – in recht gutem Zustande antraf, – Luise, Hermann und Ottilie, ja selbst Julius und Fritz (Brockhaus) haben mich in den drei Tagen, die ich dort blieb – denn auch von Stunde zu Stunde in Beschlag genommen... Wovon ich diesen Sommer leben werde, weiß ich noch nicht. Luise, die sich unaufgefordert viel mit meiner nächsten Existenz beschäftigt, sieht unübersteigliche Schwierigkeiten in der Herbeischaffung der Mittel1; also: – ich bin noch immer derselbe, Hans ohne Geld – mit schönen Aussichten und alberner Gegenwart.‹ Scherzend fügt er die Worte hinzu: ›Minna will, es soll mir schlecht gehen, damit ich mit Schlesinger einen Kontrakt mache und nach Paris zurückgehe: – die Arme denkt (an) gar nichts, als an Paris!‹2 So leicht durchschaulich die Ironie dieses Passus, so ersichtlich er auf eine freundliche Wendung an die fernen Freunde hinausläuft, so zeigt er uns, im humoristischen Lichte, dennoch schon den – in der kurzen Pariser Periode unter gemeinsamen Nöten verwischt gebliebenen – charakteristischen Gegensatz zwischen beiden Teilen, der sich durch ihr ganzes ferneres Leben hindurchzieht. Der eine den Blick auf das Kommende, Neuzuerschassende gerichtet, die andere mit allen Fasern ihres Wesens an die zufällige, [438] letzterprobte Situation geklammert, voll ängstlicher Scheu vor dem Neuen und Unbekannten!

Von hier aus war er genötigt, sich nach Berlin zu begeben, um sich wegen des dortigen Schicksals seines ›fliegenden Holländers‹ Klarheit zu verschaffen. Am Dienstag, den 19. April abends traf er daselbst ein und verlor sogleich den ganzen ersten Tag unter vergeblichen Bemühungen, Meyerbeer anzutreffen, den er erst am Abend flüchtig zu sprechen bekam und der ihm für den folgenden Tag, Donnerstag den 21., um 2 Uhr ein Rendez-vous in Aussicht stellte. Einstweilen saß er nun schon den dritten Tag in einem ›bedenklichen Berliner Gasthof‹ und der Rest seiner Pariser Barschaft machte ihm ›noch bedenklichere Mienen‹. Er benutzte den freien Vormittag zur Abfassung seiner ersten verwirrten Klage um die Trennung von den liebgewonnenen Pariser Freunden, welcher wir die vorstehenden Einzelheiten über seine bisherigen Erlebnisse entnommen haben. Aus dem Zustande einer dumpfen Träumerei, in die er sich bis dahin versetzt gefühlt und in der er sich unmöglich länger befinden durfte, ohne seinem ganzen Wesen und Vorhaben empfindlich zu schaden, rüttelte ihn, wie er selbst sagt, die materielle Berührung mit der Gegenwart. Der neue Intendant, Herr v. Küstner, war noch auf Reisen, und das erste, was ihm Meyerbeer versicherte, war, daß Redern ›hinsichtlich der Bestimmung der Zeit der Aufführung seiner Oper nichts beschließen könne und dürfe‹.3 ›Jedoch wurde ich mit Herrn v. Redern bekannt, der mich mit großer Auszeichnung aufnahm und meinem Wunsche insofern nachkam, als er mir versprach, das Repertoire vorläufig so zu stellen, daß meine Oper nach der Aufführung der »Hugenotten« (welche Ende Mai stattfinden wird) – die nächsteinzustudierende sein soll. Küstner müßte sich also in entschiedene Opposition zu den bereits getroffenen Verfügungen setzen, wenn er meinen Holländer auf das lange Brett schieben will. Er wird dies jedoch gewiß nicht tun, da erstlich Mendelssohn – mit dem ich in recht freundschaftliche Beziehungen getreten bin – mir versicherte, er sei überzeugt, daß Redern für das erste halbe Jahr jedenfalls die Suprematie aus üben werde, und da zweitens alle Anstalten getroffen sind, Küstner für mein Interesse einzunehmen. Dafür muß ich aber Mitte Mai noch einmal nach Berlin und Leipzig, was mir ziemlich hart ankommt‹.4 Das waren, in einem reichlichst rosigen Lichte dargestellt, die Ergebnisse seines diesmaligen Berliner Aufenthaltes in dem, bedenklichen Berliner Gasthof' und angesichts der ›noch bedenklicheren Mienen‹ seiner Barschaft! Keine der angeknüpften Beziehungen sollte sich auch nur entfernt als stichhaltig erweisen; gewiß war nur die Notwendigkeit eines erneuten persönlichen Einvernehmens, einer abermaligen Reise nach Berlin.

[439] Einen etwas freundlicheren Eindruck machte ihm ein zweiter Besuch in Leipzig auf der Rückreise nach Dresden. Wir vernehmen nun auch Ausführlicheres über die Mutter. ›Die Mama lebt nun so recht in der Wolle: sie hat wirklich ein angenehmes Leben: jeden Augenblick kann sie allein oder in Gesellschaft sein, wie sie will. Sie hat eine wundervolle Wohnung, groß und behaglich, um die Ihr sie, mit Eurem ganzen Hausstande, sicher beneiden würdet. Sie will dennoch auch dies Jahr nach Teplitz; sie will sich dort an Minna halten: wie wärs denn nun, gute Cäcilie, wenn Du auch kämest?‹ Aber auch seine schwierigen pekuniären Angelegenheiten hatten sich inzwischen auf eine Weise gestaltet, die ihm unter den gegebenen Verhältnissen die liebste sein konnte. ›Luise, Ottilie und Hermann hatten sich untereinander besprochen und (wie sie mir erklärten) gefunden, daß es an ihnen sei, ohne Zuziehung einer fremden Person mir soviel vorzustrecken, als ich zu meinem Unterhalt für das nächste halbe Jahr, in dem ich noch auf keine Einnahmen rechnen darf, für nötig halten wurde. Sie frugen mich deshalb bei meiner Rückkunft aus Berlin nach der Summe, deren ich bedürfte, und als ich sie für ein halbes Jahr auf 200 Tlr angab, schienen sie dies für weniger zu halten, als sie vermutet, und boten sich an, mir in monatlichen Raten das Geld von ihren, ebenfalls monatlichen, Einnahmen zukommen zu lassen, so daß die Sache ganz unter uns bliebe, was mir denn natürlich sehr angenehm war‹.5

Noch vor Ende desselben Monats, in dessen zweiter Woche er Paris verlassen, traf er wieder in Dresden ein, wo er denn bald auch Nachrichten von den Pariser Verwandten und Freunden erhielt, u. a. Zeilen von Avenarius, der sich darin in seiner anspruchslosen Weise als dernier des derniers unter Wagners Freunden bezeichnete. ›Ein Glück, daß es französisch ist,‹ schreibt ihm Wagner auf diese letztere Äußerung, ›und ich somit einsehe, daß es Dir, guter Eduard, nur um einen Spaß zu tun war, sonst würde ich mich empfindlich gekränkt fühlen. Ich kenne keinen Ersten und keinen Letzten unter denen, denen mein Herz gehört: ich habe nur ein Herz, und wer drin wohnt, der bewohnt es von unten bis oben; wie Ihr euch darin vertragt, geht mich nichts an Kinder, Kinder! lustig, der Teufel muß bald losgehen! Weg mit den Tränen, hübsch aufgespart bis zum Wiedersehen!‹ Der Ort seiner glücklichen Kindheit, den er seit fünf Jahren nicht wiedergesehen – seit jenem traurigen Sommer, wo er sich hier unter so besonderen Verhältnissen die erste Anregung zu seinem nun vollendeten ›Rienzi‹ gewonnen – schien ihm auch jetzt wieder ein freundliches Entgegenkommen bereiten zu wollen. Zwar die Schröder-Devrient, auf deren erneute Bekanntschaft er sich vorzüglich freute, hatte die Stadt soeben auf Urlaub verlassen (in den Tagen vom 20. Mai bis zum 16. Juni trat sie in Berlin nicht [440] weniger als neunmal als Valentine in Meyerbeers ›Hugenotten‹ auf!); dagegen hieß ihn Tichatschek, im Begriff sich gleichfalls auf Gastspielreisen zu begeben, zuvor noch warm und freundschaftlich willkommen. Und woher die ›Bedenken‹ rührten, die des ehrlichen Fischers Briefe ihm nach Paris gemeldet, und die ihn mit zu dem Entschlusse bestimmt hatten, baldigst persönlich nach Dresden zu gehen, ward ihm schnell und freudig klar, als der wackere Chordirektor bei Nennung seines Namens aufsprang und den ihm persönlich noch Unbekannten, soeben zum ersten Mal seine Schwelle überschreitenden, mit stürmischer Zärtlichkeit umarmte. Nur die zarteste Freundesteilnahme, die alle hindernden Möglichkeiten sorgend beachtet, hatte ihm jene Zweifel eingegeben. ›Diese Wohltat vergesse ich nie!‹ rief Wagner noch nach langen Jahren in dankbarer Erinnerung aus, ›sie war die erste, allererste Ermutigung, die den gänzlich unbekannten, von Not hart bedrängten jungen Künstler auf seinem Lebenspfade berührte!‹

Im Juli sollten die Proben beginnen, damit Ende August Rienzi ›gerüstet und gewappnet‹ über die Bretter schreiten könne. Wie gern hätte er die ganzen dazwischenliegenden Monate Mai und Juni in Teplitz verbracht, wo Minna nach allen Pariser Anstrengungen eine Badekur zugedacht war, – aber immer neue Geschäfte und Beunruhigungen schoben sich dazwischen ein. Vor allem war ihm daran gelegen, den neuen Berliner Intendanten, Karl Theodor v. Küstner, persönlich zu sprechen, in dessen Händen das dortige Schicksal seines ›fliegenden Holländers‹ lag. Es war ihm willkommen, diese entscheidende Begegnung sich dadurch erleichtert zu sehen, daß er sogleich in der ersten Woche des Mai von einer Anwesenheit Küstners in Leipzig in Kenntnis gesetzt wurde; er zögerte keinen Augenblick, diese günstige Konstellation zu benutzen und sich nach Leipzig zu begeben. Hier traf er nun den Mann, der soeben von München aus auf Grund der bloßen Kenntnis des Textbuches seinen Holländer als ›für Deutschland nicht geeignet‹ beurteilt hatte. Auch jetzt verhielt er sich reserviert genug, wie aus einem bald darauf an ihn gerichteten, entgegenkommenden Schreiben Wagners hervorgeht, Sehr begreiflich, so erklärt ihm Wagner darin, ›war es mir, daß Sie in Leipzig mir auf den Vortrag meiner Sache durchaus nichts auf Entscheidung Hindeutendes erwidern konnten, da Ihnen vor allen Dingen noch nichts Authentisches über den wahren Bestand meiner Angelegenheit vorlag; für jetzt darf ich jedoch annehmen, daß Sie durch die vorzufindenden Gutachten und Beurteilungen meiner von der zeitherigen Generalintendanz zur Aufführung auf dem Kgl. Hoftheater zu Berlin angenommenen Oper bereits in den Stand gesetzt seien, sich auch von der anderen Seite her über die Beschaffenheit des Gegenstandes unserer Besprechung aufzuklären.‹ In diesem Schreiben vom 17. Mai verweist ihn nun aber Wagner des Weiteren auf den Umstand, daß im Lauf dieses Herbstes in Paris die Aufführung des französischen Doppelgängers [441] seines Werkes ›le vaisseau fantôme‹ bevorstehe und benutzt dies zu einer Pression für die Beschleunigung der Berliner Inszenierung seines Werkes. ›Bereits habe ich mir die Freiheit genommen, Ihnen mündlich auseinander zu setzen, welcher Grad der Verwandtschaft zwischen diesen beiden Opern existiert; nach der leider noch herrschenden Sitte unserer deutschen Theaterdirektoren, französische Stücke mit der größten Schnelligkeit übersetzt auf ihren Theatern zu geben, steht daher zu erwarten, daß, falls diese Oper in Paris nur einiges Glück macht, sie ebenfalls sogleich in einer Übersetzung zur Aufführung auf deutschen Bühnen gebracht würde. Die Förderung meiner Ihnen anheimgestellten Angelegenheit wird daher, so untergeordnet diese sich zum Interesse der gesamten deutschen Kunst verhält, dennoch als eine nicht wenig erhebende Kundmachung Ihrer edlen Intention, der darniederliegenden deutschen Oper einen neuen Aufschwung zu geben, angesehen werden können, und in diesem Sinne nicht verfehlen, auf alle meine deutschen Kunstgenossen einen bedeutungsvollen Eindruck zu machen.‹6

Die Beantwortung dieser eingehenden, nach jeder Richtung hin wohlmotivierten Zuschrift ließ nun aber wiederum ungefähr vierzehn Tage auf sich warten. ›Unsere Reise nach Teplitz,‹ erzählt daher Wagner selbst, ›wurde durch die Ungewißheit verzögert, in welcher ich Ende vorigen und Anfang dieses Monates (Juni) schwebte, ob ich noch einmal nach Berlin reisen müßte oder nicht? Schon war ich abermals, den 2. Juni, nach Leipzig gereist, um von dort aus nach Berlin zu gehen, als ich dort einen Brief von Küstner erhielt, welcher mir schriftlich ungefähr alles das sagte, was ich irgend nur mündlich hätte erfahren können über die Zeitbestimmung der ersten Aufführung konnte mir Küstner jetzt, wo er eben erst unter tausend Wirren und Schikanen die Intendantur antritt, nichts Bestimmteres sagen, als daß sie sobald als nur irgend die Verhältnisse es ihm gestatten würden, stattfinden solle.7 Einen unnützen und kostspieligen persönlichen Besuch habe ich demnach vorläufig aufgegeben, und hoffe mit einem Manne, der sich, wie Küstner so pünktlich in brieflichen Verhandlungen erweist, jedenfalls auch auf diesem Wege zum möglichst besten Resultate zu gelangen.‹8 Statt dessen machte er von Leipzig aus noch einen kleinen Ausflug nach Halle, um dort nach langer Zwischenzeit seinen Bruder Albert zu begrüßen. ›Ich fand ihn besser,[442] als ich ihn vermutet; zumal war er in Leipzig seiner »Komödiantereien« wegen etwas verketzert. Ich habe zwei Nächte bei ihm geschlafen und mich viel und herzlich mit ihm ausgesprochen. Ihm muß mit der Zeit eine bessere Stellung angewiesen werden, – das ist klar. Dennoch hat mich etwas getröstet: er bekommt die Gage richtig. Man weiß, was das sagen will! Seine Frau ist schön, wie ehemals; Johanna spielt ganz gut Komödie und – hat eine Stimme, die unter Alberts Leitung zu großen Hoffnungen berechtigt – Klären habe ich nicht besuchen können, wohl ist sie aber zu Pfingsten mit ihrem Manne zwei ganze Tage in Dresden gewesen und – hat mich nicht aufgesucht! Die Mutter hatte ihr allerdings meine Adresse nicht geschrieben, wohl mußte sie aber vermuten, daß ich in Dresden sei, und Wolfram hätte nur im Theater nachzufragen nötig gehabt, so hätte er meine Adresse erfahren. Unbegreiflich ist so etwas...‹9

›So reiste ich denn nach Dresden zurück, und ordnete mit Minna, die ihre brave (ältere) Schwester mitgenommen hat, unseren Aufbruch nach Teplitz an‹, so heißt es im Anschluß an das Vorausgegangene in demselben Briefe, Ach, dies Teplitz mit seiner weitesten Umgegend ist wohl das Schönste ›was ich kenne!‹ Seine Wohnung war eine Ökonomie in Schönau mit dem Zunamen ›Zur Eiche‹, das letzte Haus an der Turnaer Wiese, von wo aus er nur ungefähr fünfzig Schritt bis zum Turnaischen Garten hatte. ›Da sitzen wir nun in Teplitz, den Schloßberg vor der Nase – einen Kuhstall unter uns,‹ meldet er unter dem 13. Juni an Cäcilie. ›Den Schloßberg wollten wir heute Morgen bereits erklimmen, um Dir Nachricht geben zu können, ob wir Deinen und Eduards Namen noch gefunden hätten; Minna hatte aber Krampf in den Waden, und bat mich, die Partie für diesmal noch zu verschieben. Die Mama ist ebenfalls hier. Sie reiste mit uns an einem Tage von Dresden ab, jedoch in einem anderen Wagen; ihre ewige Ungewißheit (ob und wann sie reisen wollte?) hatte ihr nicht erlaubt, mir feste Bestellungen für das Mieten eines Platzes zu geben. Hier haben sich nun die Mutter und Minna zum ersten Male getroffen, natürlicherweise mit dem Benehmen zweier Leute, die nun erst Bekanntschaft miteinander machen wollen. Der Mutter scheint es in unserer Gesellschaft sehr zu gefallen; trotz ihres steifen Knies kam sie vorgestern uns auf die Schlackenburg nachgewackelt, wo ich ihr gesagt hatte, daß wir hingehen wollten. Sie ist recht heiter und papelt ganze Stunden lang allein; ihr Aussehen ist jetzt wirklich recht gut, und trotz ihrer Magerkeit hoffe ich fest, daß Gott sie uns noch lange erhalten wird.‹ Leider nur fragmentarisch auf uns gekommen ist ein anderes freundschaftliches Lebenszeichen aus derselben Umgebung, welches er tags zuvor (12. Juni) an Lehrs gerichtet, voll schöner, tiefer Betrachtungen in ermutigendem [443] Ton, und doch zugleich von ernster Weltverachtung. Kinderbücher also schreibst Du? Glück zu! Was für Kindereien macht man nicht für 500 Frcs!10 Habe ich doch sogar umsonst in die Abendzeitung geschrieben. Weißt Du, liebster Bruder Lehrs, daß mich Dein Brief recht über Dich beruhigt hat: Dein männlicher Geist tritt mir überall darin ungebeugt entgegen, und weist mich darauf hin, daß ein Schlaraffenleben nicht das höchste Erdenglück in sich schließt. Wie sein wird doch in dieser rauhen Widerwärtigkeit des Lebens unsere Empfindung ausgebildet, so daß wir fähig gemacht werden, die Wärme des schwächlichsten Sonnenstrahls mit Wollust zu fühlen, wohingegen ein ganzes Meer von Licht so vielen Lassen nur langweiligen Schweiß auspreßt. Ach, wie sind wir glücklich, wenn wir an einer Spitze (?), einem Kahne (?)11 inniges Wohlgefallen finden können, und wie schaudert mir, wenn ich denke, daß mir einst ein banales, langweiliges ›Glück‹ beschieden sei, wo ich – statt an Hühnern und Ziegen – an Hofräten und Eseln Wohlgefallen finden müßte!12 Über das ihm durch den Freund gestellte ›übermäßig günstige‹ Prognostikon heißt es: ›Meine Zukunft liegt in der Hand des Theatergesindels: Gott möge ihre Herrlichkeiten‹ (man denke an Küstner, Lüttichau u. dgl.) ›erleuchten und ihre Herzen der Tugend erschließen. Amen!‹ Über seine voraussichtliche zukünftige Niederlassung lesen wir: ›Paris, Dresden oder Schilda – das ist (mir) nun schon für immer gleichgültig, soweit glaube ich mich zu kennen. Ich liebe Paris nicht, ich vermute aber auch keinen Ort der Welt lieben zu können: mein Herz kann sich an Steinen und Menschen nicht erlaben – ich will Natur – und Freunde. Die Freunde, die ich habe, genügen mir vollkommen, mein Weib und Ihr – säße ich mit euch am letzten Zipfel der Welt, glücklich würde ich mich preisen und ein großer Künstler sein. Wie Teufel soll ich aber ausgelassen und heiter sein, wenn hundert Meilen zwischen uns liegen?13 Hier bin ich nicht vollständig, und es gibt ganze Tage, an denen ich mich den Henker um meine Opern schere –‹

Wäre es ihm nur vergönnt gewesen, sich eine kleine Weile nicht um [444] seine Opern und das ›Theatergesindel‹ zu ›scheren‹! Bereits am 14 sehen wir ihn vielmehr, um die Berliner Angelegenheit seines Holländers nicht aus der Hand zu lassen, wiederum mit einem untertänigsten Schreiben an ›Se. Herrlichkeit‹ den Berliner Intendanten beschäftigt, wozu ihm dessen zuletzt empfangene briefliche Nachricht einen Anhalt bot. Er hatte gerade nur wieder einen kleinen Zeitraum von kaum anderthalb Wochen, soviel als ihm schicklich erschien, vergehen lassen. Es war ihm zu Ohren gekommen, Küstner sei willens, als erste glänzende Erscheinung des von ihm entworfenen Repertoires Lachners ›Catarina Cornaro‹ dem Publikum zu bieten. Was er in Wahrheit von dieser Oper hielt, darüber kann sich der Leser nicht täuschen; wenn er es in diesem Briefe trotzdem mit kaum merklicher Ironie ein ›bedeutendes‹ Werk nennt, gegen welches sein ›fliegender Holländer‹ nur ganz bescheiden als ›kleinere Neuigkeit‹ hingestellt werden könne, so zeigt sich darin offenbar nur das Bestreben, nicht von Haus aus in den Verdacht der Unbescheidenheit und der Eingenommenheit von sich selbst zu geraten. Außer dem kannte er das Lachnersche Produkt jedenfalls nur vom Hörensagen und setzte schicklicherweise von dem angesehenen Münchener Kollegen das Beste voraus. Er schlägt demnach vor, eine in ihrem Auftreten so bescheidene Arbeit, wie die seinige, dem Interimsrepertoire bis zu jener größeren Unternehmung einzuverleiben: eine erste Aufführung des ›Holländers‹ im Laufe des Monats September oder selbst schon Ende August würde leicht zu bewerkstelligen sein, ›ohne die umfassenderen Vorbereitungen zu beeinträchtigen, welche Herrn Lachners großem Werke notwendig vorangehen müssen‹. Sogar die Besetzung der einzelnen Rollen mit den vorhandenen Berliner Kräften ist in dem Briefe schon genau angegeben.14 Dieses Schreiben ließ der, allzu früh als ›pünktlicher Korrespondent‹ belobte Herr Generalintendant – was für ihn jedenfalls das Leichteste war – unbeantwortet!

Das liebliche Teplitz, wo er einst – vor acht Jahren – in kecker Jugendlichkeit die Dichtung des ›Liebesverbotes‹ entworfen, und welches ihn durch seine herrliche Umgebung zu manchem einsam erfrischenden Ausflug in das schöne Gebirge verlockte,15 ward nun auch die Geburtsstätte des ›Tannhäuser‹, der ihn noch in Paris so heftig erfaßt und ihm seitdem immer greifbarer vor das geistige Auge getreten war. Schon jetzt, vor der Aufführung des ›Rienzi‹, entstand der vollständige szenische Entwurf dazu, sowie die frühesten skizzenhaften Aufzeichnungen der Musik. Ein erhaltenes Skizzenblatt aus dieser Teplitzer Sommerzeit enthält auf der einen Seite die erste Niederschrift von musikalischen Themen seines Werkes, denen die Bezeichnung der einzelnen Motive und ihrer Verwendung beigefügt ist. ›Venusberg‹, ›Pilger‹, [445] ›2. Akt Schluß‹, ›3. Akt Anfang‹ usw. Ein anderes zeigt das Schalmeisolo des Hirten in einer von der später gewählten völlig abweichenden Fassung. Über diese ersten Anfänge der dichterischen und musikalischen Ausführung hinaus gelangte er während dieses schönen Erholungsaufenthaltes noch nicht; Unterbrechungen aller Art drängten sich für jetzt zwischen Entwurf und Ausführung. Ein Brief an Chordirektor Fischer in Dresden, vom 7. Juli, zeigt ihn durch seinen sprudelnden Humor in heiterster Laune, doch aber zugleich schon ganz von dem Gedanken an die bevorstehende Aufführung seines ›Rienzi‹ erfüllt. ›Sind Mad Devrient und Herr Tichatschek bereits in Dresden eingetroffen und sind die Partien meiner unseligen Oper verteilt?‹ – das ist seine Hauptfrage und -Sorge; auch rechnet er aus, daß durch die vierzehntägige Abwesenheit Tichatscheks in der letzten Hälfte des September sie in den Zwang versetzt sein würden, bis spätestens Anfang dieses Monates mit dem Studium fertig zu sein. Die Antwort Fischers scheint ihn dann bestimmt zu haben, den Erholungsaufenthalt vorzeitig abzubrechen. ›Im Grunde können wir nicht sagen,‹ schreibt er an die Pariser Geschwister, ›daß wir Teplitz sehr genossen haben: von Partien haben wir keine einzige gemacht. Minna ist auf dem Schloßberg, der Schlackenburg und der oberen Bergschenke gewesen, kurz da, wo man anständiger Weise zu Fuß hinkommen kann: da sie nun außerdem nicht einmal weite und anstrengende Fußpartien machen durfte, so kennt sie von der Teplitzer Umgebung nicht viel, oder vielmehr gar nichts. Ich will deshalb nicht murren; denn immerhin war Teplitz für uns und zumal für Minna von großer wohltuender Wichtigkeit; sie hat endlich eine gründliche und regelmäßige Kur begonnen, auf die es mir eben vergönnt war möglichste Sorgfalt zu verwenden. – Am 18. Juli verließ ich schon Teplitz, um meinen Dresdener Faulenzern ein wenig auf die Finger zu sehen; Minna blieb mit der Mutter bis zum 1. August zurück‹.

Es war hohe Zeit, daß er sich einstellte, um nach dem Rechten zu sehen, wenn die Proben auch nur Anfang August ihren Anfang nehmen sollten. Die Mittel und Kräfte, welche ihm für die Durchführung der in seiner Partitur gestellten Aufgabe zu Gebote standen, konnten als wirklich befriedigende und erfreuende betrachtet werden. Das Orchester der kgl. Hofoper zählte damals bereits gegen siebzig erlesene Künstler: an der Spitze der Geiger standen die beiden Konzertmeister Lipinski (S. 323) und der noch ganz jugendliche Franz Schubert; an der Spitze der Celli der vortreffliche Dotzauer. Die Basis des Streichquartetts betrug 4 Kontrabässe (von deren einem indeß Berlioz um eben jene Zeit bemerkt, sein Vertreter sei zu alt, um irgendeine Note seiner Partie ausführen zu können, er habe gerade nur noch Kraft genug, um das Gewicht seines Instrumentes zu tragen16), und das entsprechende[446] Verhältnis der Geigen und sonstigen Saiteninstrumente ließ mithin den glänzenden Blechklang im Orchester naturgemäß mehr als erwünscht überwiegen.17 Fürstenau wirkte als erster Flötist, der Oboist Hiebendahl, der Trompeter Queisser, der Waldhornist Lewy waren hochgefeierte Künstler und unübertroffene Meister auf ihren Instrumenten. Die Baßtuba ward, da ein besonderer Kammermusiker dafür nicht bestand, wo man ihrer bedurfte, durch einen guten Tubabläser aus einer der Militärkapellen übernommen. Das unter Leitung des ›alten Fischer‹ stehende Chorpersonal war numerisch nicht mehr als 44 Stimmen stark (13 Soprane, 9 Altstimmen, 12 Tenoristen und 10 Bassisten); aber fast sämtliche waren von seltener Größe und Schönheit. Wenn die Anzahl der angestellten Choristen gegebenenfalls den Bedarf nicht deckte, wurden die besten Sänger des durch Fischers rastlosen Fleiß begründeten Garnisonsängerchors zu den Opernaufführungen herangezogen. Da in den Finales der ersten drei Akte des ›Rienzi‹ regelmäßig mehrere Chorgruppen beansprucht waren, so reichte die relativ geringe Anzahl der Dresdener Choristen zur vollen Besetzung nicht hin; die Militärsänger brachten zwar die Verstärkung; aber zum Chor im Lateran. ›Erwachet ihr Schläfer, nah' und fern‹ hätte der Komponist gar zu gern den Chor der Kreuzschüler gehabt,18 der früher bei den Opern Hasses und Naumanns stets die Chöre gesungen hatte Leider versagte der Rektor Gröbel (einst noch Wagners eigener Lehrer! vgl. S. 82, Anm.) seine Zustimmung zu dieser Verwendung, und wir sehen daher den jungen Meister in seinem Briefwechsel mit Fischer noch von Paris aus in Gemeinschaft mit diesem auf die sinnreichsten Auskunftsmittel bedacht, um dem Übelstande dieses Ausfalles abzuhelfen. Man ließ nun einen Teil des auf der Bühne stehenden Volkschores rasch hinter die Kulissen eilen, um dort den großen a capella-Doppelchor auszuführen. Zu diesen instrumentalen und vokalen Kollektivkörpern kamen nun noch die wirklich ausgezeichneten Solokräfte: vor allem Joseph Tichatschek als Rienzi, das stimmliche Wunder seiner Zeit, glänzend, heroisch, hinreißend; die Schröder-Devrient als Adriano, in Spiel und Gesang voll Leidenschaft und Begeisterung; die dem [447] jungen Meister von seinen frühesten Anfängen her befreundete Henriette Wüst (S. 152) als Irene, – eine Sängerin von ausdrucksvoller, wohlgeschulter Sopranstimme. Um diese drei Hauptdarsteller gruppierten sich die trefflichen Künstler Michael Wächter (Orsini), Wilhelm Dettmer (Colonna), die jüngeren Sänger Reinhold und Karl Risse (Baroncelli und Cecco) und einer der Veteranen der alten Dresdener italienischen Oper, Gioachino Vestri (Kardinal); während die Silberstimme der lieblichen Anfängerin Anna Thiele im Gesange der Friedensboten bereits in den Proben eine fast ätherische Wirkung hervorbrachte.

Seit dem 1. August, d.h. zur Zeit des eigentlichen Beginnes der Proben, war auch Minna wieder bei ihm in Dresden Wiederum sind wir in der glücklichen Lage, wie für den Teplitzer Aufenthalt, Wagner selbst über sein äußeres Dasein berichten zu lassen, und glauben, dem Leser keinen größeren Gefallen erweisen zu können, als wenn wir dies möglichst mit seinen eigenen Worten tun, anstatt sie in den trockenen Erzählerton zu übertragen. ›Ich habe es nicht umgehen können, mir hier eine etwas anständigere Wohnung zu mieten, sowie einen Flügel: beides nimmt uns über die Hälfte unseres Monatsgeldes weg. Bei der jetzigen Teuerung haben wir daher schrecklich zu würgen, um den äußeren Anstand, den ich in meinen hiesigen Verhältnissen weit mehr aufrecht erhalten muß, als dies in Paris nötig war, nur einigermaßen zu behaupten. Oft könnte ich mit wahrem Gebrüll die Zeit herwünschen, in der wir endlich einmal aufhören sollen, Bettler in anständigen Kleidern zu sein Glücklich, wer die Lumpen auf dem Leibe zur Schau tragen darf!‹ Ein wahrer Not- und Schmerzensschrei des Geplagten tönt uns aus diesen Worten entgegen. Wer von denen, die ihm in späteren Zeiten die Neigung zum angeblichen ›Luxus‹ in Haustracht und Umgebung in lieblos gehässiger Weise zum Vorwurf machten, hat sich wohl nur annähernd vergegenwärtigt, welche maß- und grenzenlosen Entbehrungen der junge Reformator damals – und nicht bloß in Paris! – um seiner Kunst willen ertragen hat, und wie eine rastlos tätige Phantasie ihm gerade unter solchen Entsagungen die eines schaffenden Künstlers seiner Art würdige, seinen Neigungen schmeichelnde Umgebung ausmalen mochte? ›Ich kann nicht wie ein Hund leben‹, ruft er in späteren Jahren aus, ›ich kann mich nicht auf Stroh betten und mich in Fusel erquicken! Ich bin anders organisiert, habe reizbare Nerven, Schönheit, Glanz und Licht muß ich haben – die Welt ist mir schuldig, was ich brauche‹. Waren ihm schon in der Pariser Leidenszeit diese Entsagungen zum schmerzlichsten überdruß geworden, wieviel mehr mußte sich diese Empfindung des Überdrusses nun im Vaterlande und dicht vor einem glänzenden Ziel zur Geltung bringen! Wir werden durch solche schmerzlich getragenen Entbehrungen an die Leiden von Gefangenen und Zuchthäuslern erinnert, deren Gedanken und Empfindungen der nie gestillte [448] Hunger ausfüllt, deren Träume er sogar beherrscht, nur daß diese dann nie mit der bloßen Sättigung sich begnügen, sondern in den ausgesuchtesten Leckereien schwelgen.19 Hatte er in der dreijährigen schrecklichen Pariser Periode buchstäblichst mit dem Hunger zu ringen gehabt, so durfte ihn jetzt wohl endlich ein wahrer Heißhunger nach einer angemessenen Lebensweise und Umgebung, nach einer Befreiung aus diesem ewigen Provisorium seines Daseins erfassen, wie er in jenem oben angeführten Notschrei sich kundgibt.

Die erwähnte neue, etwas anständigere Wohnung war, wie der Schluß des gleichen Briefes angibt: ›Waisenhausstraße No. 5‹, in der Nähe vom Seetor gelegen, ein einstöckiges altes Haus im Rokokostile.20 Die Dresdener Verhältnisse berührten ihn und seine Frau so kalt und gleichgültig, daß sie sich ›desto wärmer in die Ferne und Vergangenheit zurücksehnten‹. ›Unser hiesiges Leben ist eine farblose, kalte Langweiligkeit, nur ab und zu durch eine peinliche Geldverlegenheit aufgefrischt. Herrliche Auffrischung! ‹ – Von dieser kalten und fremden Umgebung hoben sich zwei Männer mit ihren Familien ab: der Chordirektor Wilhelm Fischer und der frühere Schauspieler, nunmehrige Regisseur und Kostümier Ferdinand Heine. Unvergeßlich sind Wagner für sein ganzes Leben diese beiden älteren Freunde und ihr Interesse für den Neuangekommenen, in seiner eigenen Heimat Fremden geblieben. ›Wie oft sprechen wir, Minna und ich,‹ schreibt er fünfzehn Jahre später, ›von unseren guten Alten, dem Fischer und Heine, und namentlich versetzen wir uns da immer in die ersten Zeiten unserer Ankunft in Dresden, wo wir plötzlich die guten, die besten Freunde fanden. Das ist auch das Erquickendste, was ich von den Erinnerungen aus der Rienzi-Zeit habe!‹21 – Und noch von einem anderen Freunde aus der ›Rienzi‹-Probenzeit wissen uns seine gleichzeitigen Aufzeichnungen zu melden. ›Wir müssen uns,‹ schreibt er der jungen Mutter Cäcilie ›da wir durchaus noch keine Aussicht auf menschliche Jugend haben, immer noch mit Hunden behelfen: wir[449] haben jetzt wieder einen, erst 6 Wochen alt, ein kleines drolliges Tierchen: er heißt Beps, oder Striezel (weil er wie ein Hündchen vom Striezelmarkte aussieht)‹. Dies war der historisch gewordene, späterhin auschließlich mit hartem P geschriebene ›Peps‹, der dem schaffenden Meister nicht allein beim ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹, sondern auch noch bei ›Rheingold‹ und ›Walküre‹ als freundlicher Hausgeist ›geholfen‹ hat! ›Schlimm ist es,‹ fügt er der obigen Nachricht in anmutigem Scherze hinzu ›daß wir immer noch mit solchen unvernünftigen Kreaturen auszukommen suchen müssen; ich hätte schon lieber ein Maxel (S. 416) – doch das kann nur einmal auf der Welt sein.‹22

Mancherlei Zurechtstellungen und Änderungen waren der gemeinsamen Arbeit des Einstudierens vorausgegangen; als aber diese Arbeit selbst ihren Anfang und alle Beteiligten mit sich reißenden Fortgang nahm, gewahrte der junge Meister täglich mehr und mehr, welchen wahrhaft ergebenen Freund ihm sein Werk an Tichatschek gewonnen habe. Die wachsend enthusiastische Teilnahme des Hauptfängers für seine Aufgabe, teilte sich allen übrigen zur Mitwirkung Berufenen in so erfreulicher, den kargen Theatergewohnheiten gegenüber überraschender Weise mit, daß selbst das Publikum durch das Wunder dieser warmen Begeisterung aller Künstler für das Werk eines gänzlich unbekannten Autors, ohne Namen und Ruf, glücklich voreingenommen wurde. Die Leitung der Ensembleproben am Klavier war ihm von Reißiger auf das bereitwilligste überlassen.23 Sie wurden in einem Pavillon des Zwingers neben Professor Hübners Atelier (in der Nähe des alten, noch heute wohlerhaltenen Nymphenbades) vorgenommen. ›In der ersten Zimmer- und Quartettprobe‹, so berichtet Ferdinand Heine ›schimpften Sänger und Kammermusici um die Wette über die unvernünftige Schwierigkeit der Musik; kaum aber hatten sie die Ideen nur einigermaßen begriffen, so trat eine, mit jeder Probe sich steigernde Begeisterung ein, die sich bald allen Orchestermusikern, ja dem letzten Choristen mitteilte, wie sie mir noch nie vorgekommen war. Am höchsten aber trieben es Tichatschek und Lipinski, vorzüglich letzterer, die gar keinen Ausdruck stark genug für ihr Entzücken fanden. Allerdings stellten sich im Verlauf der Arbeit so viele Schwierigkeiten [450] ein, daß ich fast glaube, ohne Vater Fischers unermüdliche Ausdauer und Tätigkeit wäre die Sache noch lange nicht zur Reise und zu einer so schönen Reise gekommen. Fischer hätte nicht mit mehr Liebe und Aufopferung arbeiten können, wenn die Oper von seinem eigenen Sohn gewesen wäre.‹24 Unter den Erinnerungen an diese Proben, wie sie sich im Gedächtnis der Sängerin der Irene erhalten haben und späterhin mannigfach reproduziert worden sind, befindet sich die an einen erregten Auftritt, der an die Szene zwischen Irene und Adriano im fünften Akte anknüpft. Die Schröder-Devrient sei in ihrer rasch zugreifenden, genialen Art über einige Modulationsschwierigkeiten nicht hinausgekommen: immer wieder probiert man, regelmäßig mißlingt die Stelle; da habe sie endlich, des Studierens müde, ihre Rolle ergriffen, sie dem Komponisten fuchswild vor die Füße geworfen und sei in voller Aufregung hinausgelaufen, so daß es erst den vereinten Bemühungen Wagners und ›Irenens‹ gelungen sei, die Zornige milder zu stimmen.25 Als Hauptgrund ihrer Erregung wird angeführt: ›die Partie, welche ja eine sekundäre gewesen, habe dieser Primadonna, die immer als erste glänzen wollte, nicht recht gepaßt.‹ An der buchstäblichen Genauigkeit des Vorfalles zweifeln wir keinen Augenblick: ähnliche geniale Ungezogenheiten waren dieser außerordentlichen, nicht nach dem gewöhnlichen Maßstab zu messenden, leidenschaftlichen Natur vielfach eigen. Doch ist es bezeichnend, daß sich der Meister selber am allerwenigsten des kleinen Zwischenfalles (oder ähnlicher) von diesen Proben her als irgend die allgemeine Stimmung störend erinnert, sondern nach allen Seiten hin nur die erfreulichsten und erhebendsten Eindrücke davon bewahrt hat. Allerdings wäre es wohl für die anmutige Darstellerin seiner Irene sehr viel weniger ratsam gewesen, sich etwas annähernd Ähnliches gegen ihn herausnehmen, wie der bis in ihre Launen und Unarten hinein unnachahmlichen Frau!

Die Beschäftigung mit der endlichen Aufführung eines seiner Werke unter so genügenden, ja glänzenden Verhältnissen, als sie ihm das Dresdener Theater in der ganzen Frische seiner Erneuerung und Verjüngung darbot, war ihm ein Element, dessen wohltätigem Einfluß er sich mit freudigem Behagen überließ. Er fühlte sich kaum noch derselbe, der noch vor kurzem in schwerer Bedrückung und Sorge auch nur um die mindeste äußere Anerkennung gerungen. Von seinem Grundwesen so heiter abgezogen, zu praktischem Schaffen aufgelegt, wandte er sich um diese Zeit zu einem seiner früheren Entwürfe zurück, um denselben, nun freilich nicht mehr für sich selbst, als Operntext auszuführen. Wir erinnern uns des Planes zu einer Oper, den er noch in Königsberg nach Heinrich Königs Roman ›Die hohe Braut‹ [451] entworfen hatte, um ihn an Scribe nach Paris zu senden. Nun brachten ihn die Proben seines Werkes auch mit Reißiger in Verbindung, der dabei das Orchester ins Treffen führte und seine Mißerfolge als Komponist stets gern auf die schlechten Texte schob, die ihm dafür einzig zur Verfügung gestellt waren.26 Da er auch augenblicklich ein Operntext-Bedürfnis zu empfinden glaubte, bot sich Wagner eine gern wahrgenommene Gelegenheit, ihn sich durch das Dargebot eines solchen zu verbinden, und er ließ sich dieselbe nicht entgehen. Er führte daher die Dichtung während der vorrückenden Arbeit an der szenischen Verwirklichung seines Rienzi in leichten Opernversen nebenher mit aus. Die Diktion steht dem Holländer näher als dem nur erst noch im Entwurfe vorhandenen Tannhäuser; es sind eben ›Opernverse‹; doch lassen sich manche interessante Beobachtungen über sprachlichen Stil und Wortschatz daran anstellen. Zum letzten Mal begegnet darin z. B. der im Rienzi und Holländer vorkommende schöne Ausdruck ›Hochgebot‹; der charakteristische Reim ›Treu‹ und ›Reu‹, der im Tannhäuser aussetzt, um im Lohengrin wieder zu erscheinen, fehlt auch hier nicht. Daß Reißiger es – dem Anschein nach – bedenklich fand, sich einen Text zur musikalischen Ausführung anzueignen, den gerade Wagner ihm abtrat, war nicht zu seinem Vorteil. Wer den Königschen Roman gelesen und gefunden hat, wie wenig sich diese vortreffliche Erzählung in ihrer historisch-politisch-pragmatischen Breite zur Dramatisierung eignet, muß gewiß erstaunen, daß aus ihm ein so abgerundetes, knappes, dramatisch und musikalisch wirkungsvolles Opernbuch entstehen konnte, wonach denn auch später Joh. Kittl mit Eifer griff Ruhig legte Wagner die von Reißiger verschmähte Arbeit beiseite, um vielleicht bei Gelegenheit jemand Anderem damit nützen zu können.

Unermüdlich waren inzwischen die Rienzi-Proben fortgesetzt. Mit den Darstellern wetteiferten die Mitglieder der königl. Kapelle, ihren Konzertmeister Lipinski an der Spitze. Vor allen hatte Fischer eine Riesenarbeit übernommen, indem er dem durch den Garnisons-Sängerchor verstärkten, gewaltigen Chorkörper in mehr als halbjähriger rastloser Arbeit eine solche Rundung und Nüancierung, ein solches Festhalten des Tones in den schwierigsten Chorsätzen beibrachte, daß schon diese einzige Gesamtleistung eines beispiellosen Erfolges sicher sein mußte. Die Vorbereitungen für die Szenerie waren mit großer Sorgfalt betrieben, und die Arbeit an den historisch getreuen und geschmackvollen Kostümen, nach den Angaben Ferdinand Heines, sowie die imposanten Arrangements des Balletmeisters Lepitre, der den auf den großartigsten Stil berechneten Intentionen des Dichters für die Pantomime [452] im zweiten Akt in befriedigender Weise zu entsprechen wußte, waren schon Anfang Oktober soweit gediehen, daß die Aufführung ungefähr Mitte des Monates erwartet werden konnte. Von den Bühnenproben des dritten Aktes ist uns die Erinnerung an einen übermütigen Scherz der Schröder-Devrient überliefert. In der Szene auf dem Campo vacchino, kurz vor dem Eintritt der Arie Adrianos ›in seiner Blüte bleicht mein Leben‹ soll es damals am Schlusse des einleitenden rezitativischen Abschnittes in der szenischen Vorschrift geheißen haben: ›er läßt sich brütend (jetzt heißt es: erschöpft) auf einer umgestürzten Säule nieder‹. Sei es nun, daß es sie verdroß, ihre einzige ›Arie‹ sitzend singen zu sollen, was nun doch wieder gerade von der genialen Darstellerin nicht wohl angenommen werden kann, oder was ihr sonst eben durch den Kopf ging: mitten in der hochtragischen Situation richtet sie plötzlich mit lauter Stimme die komisch-unwillige Frage an Wagner: ›Ja, was soll ich denn nun eigentlich ausbrüten?‹ durch welche sie das ganze Orchester zum lauten Lachen fortriß. ›Die Schröder-Devrient‹, so berichtet auch F. Heine,27 ›wurde, comme à l'ordinaire, zuletzt mit ihrer, allerdings höchst schwierigen Partie klar und fertig, so daß Wagner wie verdutzt und verdonnert war, und wir immer nur zu trösten und zu beruhigen hatten. Desto ungeheurer war seine überraschung am Abend der Vorstellung, wo sie urplötzlich eine ihrer großartigsten Schöpfungen vor seine Blicke hinzauberte.‹ Eine andere Erinnerung an die gleiche Umgebung bezieht sich auf die dieser Szene vorausgehende Frühstückspause zwischen dem zweiten und dritten Akt; nach einem vollen Vierteljahrhundert blieb sie im dankbaren Gedächtnis des Meisters unvergessen: die ›delikaten Heringe und Kartoffeln imCampo vacchino‹, mit deren Zusendung ›Mama Heine‹ den von der Arbeit erschöpften Autor mit mütterlicher Aufmerksamkeit zu erquicken bedacht war. Wohl war die allgemeine Begeisterung aller Mitwirkenden für das Werk und seinen in ihrer Mitte waltenden jungen Schöpfer um diese Zeit schon zu hoher Steigerung gediehen, – aber darauf zu achten und mit sorgender Teilnahme daran zu denken, was nach dreistündiger Arbeit dem Ermüdeten not tat, war offenbar nichtjedermanns Sache! Wie jede empfangene Wohltat, die ihm während seines ganzen Lebens uneigennützig aus wirklich gutem Herzen zuteil ward, blieb dieses Liebeszeichen treulich in seinem Gedächtnis haften, wie noch in der späten Münchener ›Meistersinger‹-Periode (1868) ein Brief an den alten Freund Heine beweist!28

Wir können nicht umhin, den bisher gegebenen Details über die ›Rienzi‹-Proben noch diejenigen authentischen eigenen Nachrichten des jungen Meisters anzureihen, welche dieser mitten aus denselben heraus an Avenarius nach [453] Paris entsendet. Der Termin der Aufführung war nun schon mehrfach hinausgeschoben, zuletzt hatte es der 12. Oktober sein sollen; in den vom 8. datierten Zeilen wird aber schon der 19. dafür angenommen und tatsächlich wurde es schließlich noch ein Tag später! ›Ja, liebster Eduard,‹ heißt es daher in diesen Nachrichten, ›den 19ten geht der Teufel los mit Sturm und Gewitter: ich kann sagen, daß ich mit hoher Freude dieser Aufführung entgegensehe, denn sie wird ausgezeichnet sein. Sänger und Kapelle studieren mit fast mehr als Liebe: von allen Seiten erhalte ich die erhebendsten Zurufe und alles erwartet sich einen außerordentlichen Erfolg. Es ist gewiß selten, daß jemand bei ähnlichen Vorhaben sagen kann: ich bin noch nirgends auf einen Böswilligen gestoßen. Erste Sänger, welche nur unbedeutende Partieen in meiner Oper haben, und deshalb anfangs mit etwas Mißmut daran gingen, sind doch bald durch das Ganze mit ins Feuer gebracht worden, und wirken jetzt so eifrig mit, als hätten sie die dankbarsten Rollen. Die Kapelle ruft: »Das ist doch einmal eine Aufgabe, wo es sich der Mühe lohnt, fleißig zu sein«. Die Devrient ist trotz Heiserkeit und Unwohlsein unausgesetzt auf die Proben gekommen und hat durch ihre begeisterten (so ist mir gesagt worden) Aussprüche allerorten, wohin sie kommt, nicht wenig dazu beigetragen, meiner Oper im voraus einen solchen Kredit zu verschaffen, daß alles mit der Spannung wie auf etwas Außerordentliches auf die Aufführung hinblickt. Tichatschek erklärt, der »Rienzi« würde seine brillanteste Partie werden, weil er in keiner anderen so viel Gelegenheit vorfinde, sich zu zeigen. Der Einzige, der aus Eifersucht gegen mich verstimmt sein könnte, Reißiger – scheint in persönlicher Liebe zu mir alle egoistischen Rücksichten zu vergessen: er benimmt sich wenigstens durchgehends, besonders auch hinter meinem Rücken so, daß es mir unmöglich ist, Verdacht gegen ihn zu hegen. Siehst Du, so steht es, bester Freund: nun mag Mittwoch den 19ten29 das Kapitol zusammenbrechen: möge somit auch mein Unglücksstern erbleichen!‹

Derselbe Brief gedenkt in rührender Weise des Umstandes, daß sie am kurz vorhergegangenen 5. Oktober, Avenarius' Geburtstag, bei ihrer ›höchst frugalen Mahlzeit‹ keinen Wein gehabt hätten, um ihm ein tüchtiges Lebehoch zuzutrinken: ›wir machten dies mit einem herzlichen Händedruck ab, ein Schelm tut mehr als er kann‹. – ›Ach, nach einem guten Glase Wein sehne ich mich, – Du weißt – nach der bewußten Sorte! Ich bin durch die schrecklich angreifenden Proben oft so ermattet, daß mir eine so frivole Sehnsucht nach einem feurigen Labetrunk wohl zu verzeihen ist. Nun, trinkt Ihr nur für mich!‹ ›Friede und Segen sei Euch, Ihr Teuren! Fluch aber sei dem abscheulichen Kietz, der auf meinen letzten Brief, auf meine heiligsten Anrufungen, [454] in Zeiten der Not der wahren Kunst treu zu bleiben und sich in ihr zu trösten, wie ich es tat, – der auf dies alles, was ich ihm schrieb, keine andere Antwort wußte, als seinen hasenfüßigen Brief an Lastorgue‹ (ein Dresdener Gönner?) ›und die Erklärung, daß er nun die Kunst an den Nagel hängen und sich nur noch auf Brotarbeit legen würde! Das ist ein schöner Kerl! Der kann nichts, wie Andern aus der Not helfen, sich selber aber nicht!‹

Fußnoten

1 An dieser Stelle ist von einem, der Familie Brockhaus nahestehenden, reichen Leipziger Kaufmann, namens Schletter, die Rede: ›Schletter, auf welchen die Mutter immer sehr unbefangen hinweist, will Luise ganz aus dem Spiel lassen: – sie hat Recht, – die Sache hat viel Widriges.‹


2 Vgl. eine ähnliche humoristisch-ironische Äußerung in einem Briefe vom 3. Mai 1842 (ebenfalls an das Avenariussche Paar): ›Ich tät‹ am gescheitesten, ich ginge nur gleich wieder fort, denn mit meinen Opern wird's doch nichts – ich habe einen furchtbaren Gegner zu bekämpfen, einen Intriguanten sondergleichen, – meine eigene Frau! Sie erklärt mir soeben unter einem Strom von Tränen, daß sie alles anwenden würde, um meine Opern durchfallen zu lassen, denn dann bliebe mir gar nichts anderes übrig, als wieder nach Paris zu gehen.


3 Briefe an E. u. C. Avenarius, 21. April 1842.


4 Brieflich an Avenarius, 3. Mai 1842.


5 Brieflich an Ed. u. Cäcilie Avenarius, 3. Mai 1842.


6 Das ausführliche briefliche Exposé, aus welchem wir oben in starker Verkürzung nur die Hauptgedanken wiedergeben, findet sich in seinem vollen Wortlaut veröffentlicht durch Dr. W. Altmann in dessen mehrfach angezogenem Aufsatz (›Die Musik‹ 1903, II, S. 339/41).


7 Auch dieses Schreiben findet sich a. a. O. mitgeteilt; es ist in durchaus wohlwollendem Tone abgefaßt: er habe die vorteilhafte Meinung, die er von der Musik gehegt, durch die vorgefundenen Gutachten bestätigt gefunden; es solle ihm zu besonderem Vergnügen gereichen, Wagners Person und seinem ›schönen Talente‹ förderlich zu sein (›Die Musik‹ 1903, II, S. 341).


8 Brieflich 13. Juni 1842, an Ed. u. Cäcilie Avenarius.


9 Brieflich an Eduard und Cäcilie Avenarius, 13. Juli 1842.


10 Schon wiederholt war an den armen Lehrs die Aussicht herangetreten, eines schönen Tages um des Broterwerbes willen mit der Anfertigung von Schulbüchern sich abzugeben, und er äußert sich mehrfach darüber in den Briefen an seinen Bruder.A1


11 Ob die von uns oben mit (?) bezeichneten Worte die wirklich von Wagner geschriebenen seien, läßt sich nicht feststellen; der Brief ist, wie es scheint, im Original nicht erhalten; wir kennen ihn nur auf Grund einer damals von E. Kietz genommenen unvollständigen Abschrift.


12 Hieran schließt sich der auf S. 360 dieses Bandes vorweg genommene Zusatz: ›Laube ist so Einer geworden‹.


13 Auch dieser Passus ist bereits auf S. 342 im voraus von uns zitiert.


14 Den Wortlaut siehe bei Altmann, a. a. O, S. 342/43.


15 Alois John, ›Richard Wagner in den deutsch-böhmischen Bädern‹, Teplitz 1890, S. 14/16.


16 ›Ich habe in Deutschland oft Beispiele von dieser mißverstandenen Achtung für Greise gefunden, welche die Kapellmeister veranlaßt, ihnen musikalische Funktionen zu lassen, die ihren physischen Kräften längst zu schwer geworden‹ (Berlioz, musikal. Reise durch Deutschland, 5. Brief, Anfang 1843).


17 Leider war dieser Übelstand damals an Hofbühnen, wie an städtischen Theatern ganz allgemein. In Leipzig setzte Berlioz um diese Zeit für seine Instrumentalaufführungen eine Vermehrung der Geigen von 16 auf 24 durch, eine Neuerung, welche den Unwillen der dortigen Kritik erregte. ›Vierundzwanzig Geigen statt sechzehn, die bisher zur Ausführung der Symphonien von Mozart und Beethoven genügend waren? Welch‹ unverschämte Anmaßung! (Berlioz, a. a. O., vierter Brief).


18 Vgl. den Brief an Fischer vom 14. Okt. 1841: ›Die Chöre außerhalb der Bühne, nämlich der Chor im Lateran (erster Akt) und der kleine Chor: vae tibi maledicto (vierter Akt) werden wohl notwendig vom Sängerchor der Kreuzschule gesungen werden müssen: ich habe wenigstens beim Entwerfen beider Szenen nur auf dieses Auskunftsmittel gerechnet‹.


19 In wahrhaft ergreifender Weise weiß uns dies Wagners späterer Freund Röckel von seinem dreizehnjährigen Aufenthalt im sächsischen Zuchthause Waldheim zu vergegenwärtigen. ›Während mir wachend,‹ so berichtet er, ›das kleinste Stückchen Schwarzbrot ein Labsal gewesen wäre, führten mich die Bilder meiner Träume zu den feinsten Pariser Restaurants: selbst die Speisekarten von Very und den Frères provençeaux waren mir auch noch nicht delikat genug und ich ließ mir, die Gier bezähmend, ganz besonders die raffiniertesten Genüsse bereiten. Nur kam ich in der Regel nicht über die Entwerfung der Speisekarte hinaus, die meinem wählerischen Gelüste viel Sorge machte; selten nur sah ich einige Gerichte, aber nie gelangte ich so weit, davon zu kosten – der Hunger war zu stark, um sich durch solche Vorspiegelungen täuschen zu lassen‹ (A. Röckel, Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim, S. 154).


20 Später wurde es niedergerissen und drei Häuser daraus gemacht: 5a, 5b und 5c. In 5b wohnte später einmal Alexander Ritter und Liszt adressierte dorthin: ›Herrn Konzertmeister A. Ritter, Waisenhausstraße Des-dur‹.


21 An Fischer 2. Jan. 1857 (Briefe an Uhlig, Fischer und Heine, S. 339).


22 Brieflich an die Geschwister in Paris, Dresden 11. Sept. 1842.


23 In betreff der Faulheit Reißigers schreibt Wagner bereits nach seinem ersten Eintreffen in Dresden (3. Mai 1842): ›Von den meisten Seiten wird mir Glück gewünscht, daß ich beim Studium des Rienzi zugegen sein kann, weil dies von dem besten Einfluß sein würde; Reißiger fällt mir (zwar) beständig um den Hals und küßt mich ab, wenn er mich habhaft wird, auch bestätigt mir alles, daß er es wirklich redlich mit mir meint und den besten Willen hat; leider ist aber der Mensch ein so fauler Philister geworden, daß ich schrecklich daran wäre, wenn ich die künstlerische Ausführung meiner Oper allein seiner Fürsorge überlassen wollte.‹ (An Ed. u. Cäcilie Avenarius).


24 Ferdinand Heine brieflich an E. Kietz (Mus. Wochenblatt 1892, S. 538).


25 Neue Musikzeitung (Tonger) 1887, S. 210. Vgl. Allg. Musikzeitung 1892, S. 256 u. 515.


26 Vgl. in dieser Beziehung seine bittere Klage über den Mißerfolg seiner – für damals – neuesten Opernleistung ›Adele de Foix‹ (um derentwillen ›Rienzi‹ hatte hinausgeschoben werden müssen) auf S. 425 Anm. dieses Bandes.


27 Brieflich an E. Kietz, 24. Oktober 1842 (Mus. Wochenblatt 1892, S. 538/39.)


28 Briefe an Uhlig, Fischer und Heine, S. 408.


29 Daß es auch bei diesem Termin nicht blieb, sondern Donnerstag, der 20. Oktober 1842, der faktische Aufführungstag ward, dessen ward soeben gedacht.


A1 Über deutsche Grammatiken für Franzosen schreibt er: die Wut Deutsch zu lernen, sei in Paris noch lange nicht so groß als die, es zu lehren: ›und wer der größte Schreier, der größte Scharlatan ist, reüssiert am besten. An allen Ecken marktschreierische, unendlich große Annoncen von professeurs de language et littérature allemandes. Da ist ein Herr H. unter anderen, der den meisten Lärm macht: seinegramm. allemande, die in allen Schulen und Colleges eingeführt ist, ist das Elendeste, was vielleicht in der Art je gemacht worden; aber sie führt auf dem Titel ein griechisches Motto etc. Das hilft ...‹ (10. Febr. 1837). ›Sonst ist der Hauptfabrikant von Schulbüchern hier Sinner. Seine Ausgaben griechischer Tragödien etc. erscheinen bei Hachette‹ (30. März 1838).

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 436-455.
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