VII.

Konzerte in Wien, Pest, Berlin.

[160] Voltz und Batz. – Lenbachs ›Schopenhauer‹. – Lücken im Künstlerpersonale. – Wiener Konzerte. – Konzert in Pest mit Liszts ›Glocken von Straßburg‹. – Über Leipzig, Hannover, Braunschweig nach Berlin: Konzert daselbst. – Drittes Wiener Konzert. – Joh. Brahms und die nachkomponierte ›Tannhäuser‹-Szene.


Da ich nun endlich mit der Partitur meiner ›Götterdämmerung‹ fertig wurde, so kam mir der Gedanke, in Pest und Wien noch einmal mit einem Konzert mein Glück zu versuchen.

Richard Wagner.


Viel Not und Verdruß war ihm im Lauf der letzten Jahre durch seine beiden Geschäftsbevollmächtigten Voltz und Batz (S. 20) entstanden. Es hatte sich der doppelte Übelstand herausgestellt, daß der mit ihnen abgeschlossene Kontrakt den beiden Herren eine zuweitreichende und von ihnen vielfach mißbrauchte Vollmacht erteilte, auf der anderen Seite aber, daß darin in keiner Weise ein Modus für die Lösung desselben vorgesehen war. Sobald der erstere dieser beiden Übelstände durch wiederholte Erfahrung sich unleugbar bemerklich gemacht hatte, drängte sich der Gedanke an eine Lösung des unbequemen Verhältnisses von selbst auf; zugleich aber auch die Unmöglichkeit, eine solche durch einseitige Kündigung zu bewerkstelligen.1 Bei diesen Bemühungen zeigte sich die freundschaftliche Teilnahme Feustels wiederum in dem glänzendsten Lichte. Mit Tränen im Auge versicherte dieser Wackere dem Meister einmal bei einer solchen Gelegenheit: es sei wohl das Los des Genius, von denen, mit welchen er geschäftlich zu tun habe, gemißbraucht und betrogen zu werden; auf ihn aber könne er sich verlassen, mit allem, was er habe, stehe er ihm in voller Treue zu Gebote. Die ersten Monate des neuen Jahres 1875 hindurch schleppten sich neben allen anderen Sorgen diese vergeblichen Bemühungen, durch wiederholte Besprechungen mit hinzugezogenen Notaren [160] und Rechtsanwälten zu dem erwünschten Ziele zu gelangen; selbst der Umstand, daß der eine jener beiden Herren, ein reicher Weinhändler in Wiesbaden, seinen Anteil an dem Kontrakt an seinen Mitbevollmächtigten, einen Advokaten, stillschweigend verkauft hatte, vermochte an der Sachlage nichts zu ändern.

Als ein freundlicher Vorfall aus dieser Zeit ist hier der Überraschung zu gedenken, mit welcher um die Mitte Januar Franz Lenbach den Meister huldigend erfreute: durch die Übersendung seines, eigens für Wahnfried gemalten, herrlichen Schopenhauer-Porträts. Das Eintreffen desselben war ein Ereignis und glich dem Einzuge eines guten großen Schutzgeistes in das Haus; wir haben darauf bereits im Vorhergehenden (S. 134) hingedeutet.2 Den Dank des Meisters dafür, vom 13. Januar 1875 datiert, haben wir bereits bei jener früheren Gelegenheit vorweggenommen; derselbe schließt mit den Worten: ›mein liebes Weib wird Ihnen mehr davon sagen, was Sie uns sind, und wie dankbar wir Ihnen uns fühlen.‹ Das in diesen Worten angekündigte Ergänzungsschreiben der edlen Frau (vom 14. Januar) wird uns nun aber an eben der Stelle, die aus Lenbachs Nachlaß den Brief Richard Wagners zum erstenmal vollständig veröffentlicht, wenigstens auszugsweise und in indirekter Rede gleichfalls zur Kenntnis gebracht. ›In ihrer geistvollen, eindringlichen Art schildert sie Lenbach die ganze Skala der Gedanken und Gefühle, die sie beim Anblick des Bildes bewegt hat. Alle charakteristischen Eigentümlichkeiten des Philosophen stiegen dabei vor ihr auf: Schopenhauers individuelle, sowie die allen Genies gemeinschaftlichen Züge gewännen dabei neues Leben. Von den Augen spricht sie, die scharf, unbarmherzig, durchdringend, und zugleich wehmütig erkenntnisvoll aus dem Bilde sprächen, und fügt die Beobachtung hinzu, daß das linke Auge, geschlossener, gedrückter als das rechte, leicht ermüdet und doch immer scharf, sie an das Auge Wagners erinnere Ebenso scheint ihr das Verhältnis der Stirn zu dem übrigen Gesicht, die Bildung des Kinnes, die Augenbrauenlosigkeit eine entschiedene Übereinstimmung mit Wagner aufzuweisen, während der Mund sie eher an Beethoven gemahnt. So haarscharf malt mit Gedanken und Worten die geniale Frau den Geist und die Kunst Lenbachs nach, daß das Bild des Denkers wie ein selbstgesehenes vor uns aufsteigt. So treu ist diese Charakteristik, daß uns kein Titelchen der äußeren Erscheinung des Frankfurter Philosophen verloren geht, von seiner Eigenart als Sohn des norddeutschen Kaufherrn an bis zu seiner Sauberkeit und Ordnungsliebe, seiner gesellschaftlichen Sorgfalt, seiner Haltung, seiner Sprache und jenem seltsamen Gemisch von Wehmut, Sorge, [161] Schärfe, Verschlossenheit, großer Heiterkeit und unbedingter Kraft der Gesundheit. So gewähren diese nachschaffenden Zeilen, gleich dem Gemälde, auf das sie sich beziehen, »ein treues erschöpfendes Bild des alten Weisen, des verehrungswürdigen Menschen, der unter uns lebt, und so seelenvoll und leibhaftig, daß wir wissen: so ist er gewesen.«‹3

Am 15. Januar unterzeichnete er das Zirkular (den Kontraktbrief) an die mitwirkenden Künstler, durch welches er sie zur Mitwirkung an den Vorproben dieses Sommers einlud, mit detaillierter Angabe der Probentermine, Klavier-, und Orchesterproben für jedes einzelne Werk. In der fünf Tage später ihm vorliegenden Druckkorrektur durchstrich er dann dieses Datum und ersetzte es durch dasjenige des ›20. Januar 1875‹; am 21. und den folgenden Tagen gelangte es zur Versendung, wobei ein nicht geringer Teil der Gesamtzahl von Adressaten als Anhang zu dem allgemeinen gedruckten Text noch einen auf ihn besonders bezüglichen, handschriftlichen Zusatz erhielt, aufmunternd, anfeuernd und vor allem von höchster freundschaftlicher Verbindlichkeit; denn nur dann konnten sie ›seine Künstler‹ sein, wenn er sich zugleich auf sie als seine Freunde stützen konnte. ›Nur aus dem freien, guten Willen aller Mitwirkenden kann das hervorgehen und gelingen, was ich beabsichtige. Sänger-Empfindlichkeiten, Rollenbegehren und Ansprüche in diesem Bezug nötigen mich da, wo ich sie antreffe, sofort zum vollständigen Abbruche.‹4 Die an die Mannheimer Künstler, deren es eine ganze Anzahl gab, gerichteten Exemplare wurden sämtlich in ein Paket vereinigt und mit einem Begleitschreiben vom 25 an Heckel übersandt. Vom 28. Januar ist der entsprechende Aufruf, zugleich Kontraktbrief mit zu unterzeichnendem Revers, an die Orchestermusiker des mehr als hundertköpfigen Instrumentalkörpers datiert. Inzwischen waren zum Teil schon die Zusagen der Sänger, der pünktlicheren unter ihnen, eingetroffen; andere verzögerten ihre Antworten oder – schwiegen überhaupt (darunter einige der hervorragenderen), so daß sie erst nochmals in besonderen Zuschriften zur bestimmten Erklärung ihres Einverständnisses aufgefordert werden mußten! Als der Grund davon stellte sich die Scheu heraus, ihre Entschädigungsforderungen in der erwünschten Höhe dem Meister vorzulegen! Einige Partieen, wie z.B. Sieglinde und Gutrune, waren noch völlig unbesetzt; um eine tüchtige Sieglinde hatte er sich nach den verschiedensten Richtungen hin bemüht.5 So schreibt er am 14. Februar an Levi: ›Ich habe noch einige Schwierigkeiten in betreff der Besetzung, vorzüglich der »Sieglinde«, und der Gerechtigkeit wegen wäre ich fast versucht, Frau Vogl mir als Isolde [162] anzusehen und zu hören. Ich höre von ihr – namentlich in den »Zeitungen« viel Gutes Vielleicht melde ich mich bald einmal beim Hofsekretariat um eine Aufführung des »Tristan«.‹ – Dazwischen fielen dann noch die brieflichen und telegraphischen Verhandlungen wegen des Wiener und Pester Konzerts und der hierzu nötigen Mitwirkungen, womit sich dann die ganze Zeit bis zu seiner Abreise nach Wien, reichlichst ausfüllte. Auch entstand als kleine musikalische Gelegenheitsdichtung am 1. Februar das einige Jahre später veröffentlichte ›Albumblatt‹ für Frau Betty Schott, die Witwe seines Verlegers, als der Ausdruck seines Dankes für die Bemühungen dieser edelgesinnten Gönnerin um das Gedeihen seines Bayreuther Werkes: sie hatte in Verbindung mit einem von ihr in Mainz organisierten Damenkomitee eine Verlosung zustande gebracht, deren Ertrag (6000 Mark) zu Beginn des neuen Jahres nach Bayreuth übersandt worden war.6

Bei weitem die schlimmste unter den Sorgen für sein Personale blieb jedoch die um einen wirklich geeigneten Vertreter des ›Siegfried‹. Wohl stellte sich der zuletzt dafür in Aussicht genommene Tenorist Herr Glatz (S. 119) in der zweiten Hälfte des Monats Januar zu fast dreiwochentlichem Studienaufenthalt in Bayreuth ein; aber er war meist erkältet und indisponiert; und wenn dies nicht der Fall war, so zeigte es sich doch mit unwiderleglicher Klarheit, daß trotz seiner schönen Erscheinung und der guten natürlichen Anlagen seines Gesangsorganes dessen mangelhafte Ausbildung, nach einer gänzlich verkehrten Methode, wenig Aussicht für seine Verwendbarkeit übrig ließ. Dazwischen kamen Momente, in denen die Hoffnung sich hob; aber sie waren nicht von langer Dauer. In diese Zeit der Arbeit mit Glatz fällt auch (5.-7. Februar) ein zweitägiger Besuch des kürzlich verheirateten Hans Richter: er kam nicht allein zu mündlichen Besprechungen wegen der bevorstehenden Konzerte, sondern auch, um dem Meister seine junge Frau vorzustellen.7 Kurz darauf brach Glatz ganz unvermittelt seine Studien ab, um in dringenden Privatangelegenheiten, einer Erbschaft wegen, nach Pest zurückzukehren. Doch war er deshalb noch nicht völlig aufgegeben. Zunächst sollte er bei dem [163] bevorstehenden Wiener Konzert mit Frau Materna den Abschied Siegfrieds von Brünnhilde singen. Da die Sängerin ihre doppelte Mitwirkung bei diesem Konzert, für die Szene mit Siegfried und die Schlußszene, noch nicht fest zugesagt hatte, fiel ihm die Aufgabe zu, ihr Jawort telegraphisch dem Meister zu übermitteln. Die Antwort lautete: ›Lieber Herr Glatz, Ihr Telegramm war famos! Herzlichen Dank! Eljen Siegfried!‹

Mit dem projektierten Konzertprojekt für Pest und Wien hatte es inzwischen eine wenig erfreuliche Wendung genommen Wider seinen Willen war es in wesentlichen Punkten modifiziert und der ursprünglich einfache Plan Schritt für Schritt durch einen ganz anderen ersetzt. Es sollte ursprünglich an beiden Orten ein und dasselbe Programm sein; als Ertrag desselben sollte für Wien die Summe von 10000, für Pest 5000 Gulden durch die Vereine im voraus garantiert werden. Nun stellte sich aber von Liszts Seite heraus, daß er für seine Person entschlossen war, sich in Wien für diesen Winter auf gar nichts einzulassen. Nicht minder stand es fest, daß die Vorführung der neuen Lisztschen Komposition (›Die Glocken von Straßburg‹) durch die damit verbundenen Chöre die Unkosten der Proben verdoppeln und außerdem die Einnahmen vermindern würde, indem durch Zuweisung von Plätzen an die Chorsänger und -Sängerinnen 150 zahlende Plätze verloren gingen ›Ich für mein Teil‹, schrieb daher Liszt, ›verzichte gern auf eine Vorführung der »Glocken« in diesem Konzert. Im Gegensatz zu Wagners sehr freundschaftlicher und zartfühlender Idee biete ich mich vielmehr dazu an, diese Programm-Nummer in einer für die Einnahme sehr vorteilhaften Weise zu ersetzen, indem ich mit meinen zehn alten Fingern das Klavierkonzert in Es-dur von Beethoven spiele.‹8 Dieses schlichte Anerbieten des großen Freundes, der schon seit so langer Zeit allem und jedem öffentlichen Auftreten entsagt hatte, wurde von Wagners Seite mit aller Rührung und Ergriffenheit akzeptiert; nichtsdestoweniger bestand er nun seinerseits erst recht auf Beibehaltung der ›Glocken von Straßburg‹. Das Störendeste aber war für ihn, daß ihm für die Einstudierung des Wiener Konzertes die Kraft Hans Richters entzogen blieb, indem die Budapester Intendanz diesem den dafür nötigen Urlaub verweigerte! Und doch hatte er, wie wir uns entsinnen, einzig in der festen Annahme dieser Mithilfe das ganze Konzertunternehmen entworfen. Damit war der ursprüngliche Plan (S. 156) in den Hauptpunkten ein ganz anderer geworden. Es war erstens, da sich Liszt zu einer Aufführung seiner neuen Komposition gerade in dem ihm so übelgesinnten Wien nicht bestimmen ließ,9 nicht mehr das gleiche Programm an zwei verschiedenen [164] Orten. Zweitens war – wegen der hinter seinen Erwartungen zurückbleibenden Garantieen für die Einnahme – vorauszusehen, daß vielmehr in Wien selbst (um das gewünschte Resultat zu erzielen) nicht ein, sondern zwei Konzerte würden stattfinden müssen Drittens und letztens: die ganze Last des Einstudierens, die er so gern auf Richters jüngere Schultern abgewälzt haben würde, fiel nunmehr in vergrößertem Maßstabe auf ihn selber zurück.

So erfolgte denn am Sonnabend, den 20. Februar, der Aufbruch von Bayreuth, wo die Kinder des Hauses diesmal unter der freundschaftlichen Obhut von Nietzsches Schwester Elisabeth zurückblieben, die wenige Tage zuvor eigens zu diesem Zwecke eingetroffen war. Dies hatte sich leicht und einfach gemacht: ›Meine Schwester‹, schreibt darüber Nietzsche an die gemeinschaftliche Freundin Malwida, ›ist sehr glücklich, einen Dienst leisten zu können; aber sehr beklommen darüber, ob sie ihn wirklich leisten kann. Genug, ich meine, es ist eine hohe Schule für sie, und die schönste Vorbereitung für die Bayreuther Sommerfeste, deren Gast wir beide sein werden.‹ Die Nacht wurde durchfahren, am Sonntag früh 10 Uhr kam der Meister mit seiner Gemahlin auf dem Wiener Bahnhofe an, wo die Vertreter der Wiener Wagner- Vereine, u.a. achtzig Mann vom Wiener akademischen Wagner-Verein, vor allem Dr. Standhartner, zu seiner feierlichen Bewillkommnung sich eingefunden hatten. Im Triumph führte ihn Standhartner in seine Häuslichkeit, voll Freude darüber, den verehrten Freund und Meister wieder einmal unter seinem Dache und im Schoß seiner Familie zu haben. Glücklicherweise war inzwischen sein Sohn, Hauptmann Schönaich10, von seiner schweren Krankheit (S. 145) genesen. Diese Privatwohnung Standhartners war übrigens damals (und späterhin) das Stadtkrankenhaus, und als solches ziemlich weit vom geräuschvollen Zentrum der Hauptstadt abgelegen.11 Manche Begrüßungen mit alten und neuen Freunden fallen in diese ersten Wiener Tage, so mit Eduard Liszt und dem Fürsten Rudolf Lichtenstein, dessen erste Bekanntschaft er hier vor vierzehn Jahren gemacht; andererseits mit der Fürstin Marie Hohenlohe, geb. Wittgenstein, die er seit der Züricher Zeit12 nicht wiedergesehen; daneben gab es anregenden Verkehr mit Gräfin Dönhoff, Lenbach und selbst mit Makart, dessen phantastisch hergerichtetes Atelier der Meister mit seinem Besuche beehrte. Auch [165] seiner tapferen Pariser und Wiener Gönnerin, der Fürstin Pauline Metternich13, trat er in diesen bewegten Tagen wenigstens so weit wieder nahe, daß er ihr zur Anknüpfung an alte Zeiten mit seiner Gemahlin einen Besuch machte. Alles Persönliche erwies sich dabei so gut und schön, als es nur gewünscht werden konnte, – desto weniger befriedigend aber alles und jedes auf die Konzertangelegenheit, als den eigentlichen Zweck seines Hierseins, Bezügliche. ›Die Kalamität ist hier gegenwärtig so groß‹, berichtet er darüber an Feustel, ›daß meine Freunde sich nicht getraut hatten, dieselben hohen Preise, wie vor drei Jahren, zu stellen. Statt auf 25 Fl. wie damals, wagte man sich nur auf 20 Fl., und so im Verhältnis, zu gehen; so daß als höchste Bruttoeinnahme diesmal nur Fl. 12000 erwartet werden kann. Diese scheint aber durchaus gesichert; denn überall herrscht nur eine Verwunderung darüber: wie jetzt, wo Alles stagniert und viele Theater aus Mangel an Besuch ganz schließen müssen, der Name »Richard Wagner« noch so etwas zustande gebracht habe. Mit Pest wird es nicht viel anders werden, und ausschweifenden Annahmen werde ich entsagen müssen; dagegen bin ich entschlossen, einen Ausgleich dadurch herbeizuführen, daß ich das Konzert am 14. März in Wien wiederhole, nämlich zu niedrigeren Preisen (Fl. 5, 3 und 1), um dem weniger bemittelten Publikum, welches danach schmachtet, den Besuch zu ermöglichen. Man nimmt an, daß dieses zweite Konzert wiederum überfüllt sein werde und die Einnahme, da es sehr geringe Kosten machen wird, sich ganz akzeptabel herausstellen soll.‹14

Am Mittwoch, den 24. Februar, fand die erste Probe statt. Das bewährte Hofopernorchester war zum Zwecke der Aufführung auf 108 Köpfe verstärkt. Die Aufführung umfaßte außer dem ›Kaisermarsch‹ drei Abschnitte aus der ›Götterdämmerung‹: mit Weglassung der Singstimmen leitete zunächst die Nornenszene als rein orchestrales Stimmungsbild den, von Glatz und Frau Materna gesungenen Abschied Siegfrieds von Brünnhilde ein, woran sich das Zwischenspiel ›Siegfrieds Rheinfahrt‹ anschloß. Hierauf folgte ›Siegfrieds Tod‹ mit dem sich daranschließenden ›Trauermarsch‹; das dritte Fragment war der Monolog Brünnhildes an Siegfrieds Totenbahre mit dem überwältigenden Schluß der ganzen Tragödie. Zur Ermöglichung eines Verständnisses der drei großen Bruchstücke hatte der Meister, wie schon bei den im Winter 1863 von ihm in Wien veranstalteten Musikaufführungen15, in einem besonderen Programm nicht allein die betreffenden Textabschnitte der Dichtung, sondern eine eigens für diesen Zweck verfaßte Einleitung und Verbindung schon in Bayreuth drucken lassen. Sie wurde auch an die Musiker verteilt, um dem Konzertgeber die strenge Arbeit des Einstudierens der völlig neuen Musikstücke, [166] von so großem Umfang und so anforderungsvoller Beschaffenheit, in etwas zu erleichtern, damit die Ausführenden wenigstens ein Bewußtsein von dem dichterischen Inhalt des von ihnen Vorzutragenden hätten. Nichtsdestoweniger waren die eigenen Bemühungen des Dirigenten während dieser Proben so bedeutend, daß er sich in der Zwischenzeit auf das Äußerste zu schonen hatte, keine Einladungen annahm und außer mit Standhartners, nur noch mit der Gräfin Dönhoff verkehrte und den treuen Heckel begrüßte, der wirklich die Reise von Mannheim nach Wien gemacht hatte, um den Proben und der Aufführung beizuwohnen. Auch mit den Sängern, Frau Materna und Glatz, so eifrig diese unter Josef Rubinsteins vorbereitender Anleitung gearbeitet hatten, war doch die Hauptarbeit in diesen wenigen Tagen erst noch zu leisten. Und wenn die ausgezeichnete Künstlerin, bei voller Hingabe an ihre Aufgabe, ihm in seinen Hoffnungen von ihren reichen Gaben und ihrer Lust und Liebe zum Lernen, zur produktiven Aufnahme des ihr Gelehrten, nur befestigen konnte – so war es mit dem jungen Sänger des ›Siegfried‹ um so schlimmer bestellt. Das Unzureichende seiner Befähigung für die ihm gestellte große Aufgabe trat in diesen letzten Vorstudien unleugbar zutage, und es war nicht möglich, sich einer Täuschung darüber hinzugeben.

Am Montag, den 1. März, trat Richard Wagner, nach Verlauf von drei Jahren, wieder vor das Wiener Publikum. Der Tag war für ihn bereits in hohem Maße anstrengend gewesen. Nachdem bereits mehrere vier- bis fünfstündige Proben vorausgegangen waren, bei denen die ganze Arbeitslast – durch Richters Verhinderung – allein auf seinen Schultern ruhte16, war noch an demselben Vormittag eine mehrstündige Generalprobe (von 91/2, bis 12) vorausgegangen. Um 7 Uhr abends begann das Konzert. Trotz der ansehnlich erhöhten Eintrittspreise hatte man den Musikvereinssaal noch nie so gefällt gesehen ›Der Andrang des Publikums‹, wird darüber berichtet, ›zu welchem die höchste Aristokratie ihr Kontingent gestellt hatte und welchem sich der Kronprinz sowie mehrere Erzherzöge anschlossen, war ein so massenhafter, daß eine halbe Stunde verging, bis jeder zu seinem Platz gelangen konnte, und sich der auf 7 Uhr angesetzte Beginn des Konzertes bis 1/28 Uhr verzögerte. Da geht eine mächtige Bewegung durch den Saal: der Meister ist eingetreten. Er hat sich seit drei Jahren nicht verändert; nur die grauen Haare, das gefurchte Antlitz verraten, daß der Mann an der Schwelle des Greisenalters steht; das blitzende Auge, der Herrscherblick, welcher das Orchester lenkt, [167] die beispielslose geistige Frische und Regsamkeit deuten auf fast jugendlich trotzige Vollkraft. Sein Erscheinen wird mit rauschendem Applaus und stürmischen Hochrufen begrüßt. Dann plötzlich tiefe Stille im Auditorium, er hat an dem mit Lorbeer reich geschmückten Orchesterpult Platz genommen. In seiner nervigen, scharf treffen den, durch und durch genialen Weise dirigiert er den pompösen »Kaisermarsch«, nach dessen Schluß ihm unter erneutem Jubel des Publikums mehrfache Lorbeerkränze überreicht werden. Dem Kaisermarsch folgten die Bruchstücke aus der »Götterdämmerung«: das Orchestervorspiel, der Abschied Siegfrieds, dessen Tod und die Schlußszene des letzten Aktes, Brünnhildes Monolog an der Leiche des Erschlagenen, samt dem alles Vorhergehende überbietenden Orchesternachspiel. Losgelöst von der Handlung, läßt sich die Macht der Wirkung dieser Musik nur ahnen; es fehlt die lebendige Anschauung des Vorganges; man muß sich auf Gnade oder Ungnade der blendenden Farbenglut, der sinneberückenden Gewalt der wunderbarsten Instrumentalsprache unterwerfen. Im Verlaufe des Abends, nach jedem der drei großen Fragmente, neue blühende Spenden; der Enthusiasmus steigert sich und erreicht nach der riesengewaltigen Schlußszene eine nie dagewesene Höhe. Man ruft den Meister zahllose Male heraus; man wünscht, daß er ein paar Worte spreche. Er folgt endlich diesem stürmischen Andringen und dankt nun mit vor Bewegung halb erstickter Stimme dem »herrlichen Wiener Publikum«, das schon den so mühsam vorzuführenden, so sehr der szenischen Ergänzung bedürftigen Bruchstücken mit solcher Teilnahme gefolgt wäre, daß er nun um so mehr davon überzeugt sei, daß sein Werk bald zur Tat werde; diese »Tat« auf sich wirken zu lassen, dazu lade er seine heutigen Zuhörer nach Bayreuth ein. Als nach dieser Ansprache die Versammlung mindestens eine Viertelstunde wie ein Mann applaudierend auf den Plätzen aushielt, erschien Wagner noch einmal; diesmal führte er aber »seine Brünnhilde«, Frau Friedrich-Materna, die wunderschön gesungen hatte, vor und sagte ungefähr folgendes: »Ich danke noch ganz besonders vor dem Publikum dieser liebenswürdigen Künstlerin, welche sich so opferwillig meinen Bestrebungen gewidmet hat, und es freut mich herzlich, daß ich dieselbe Ihnen – Wien – verdanke.« Den Enthusiasmus, welchen diese Schlußworte hervorriefen, zu schildern, müssen wir durchaus verzichten ...‹17 In ganzen Haufen türmten sich die ihm überreichten [168] Lorbeerkränze um ihn auf, und in ihren Widmungen kennzeichnete sich die begeisterte Gesinnung ihrer Spender. ›Dem Reformator‹, ›dem erhabenen Meister‹, ›dem Retter deutscher Kunst‹, ›dem Kenner und Erneuerer der alten Sage‹, ›dem Meister des Humors, dem Schöpfer der Meistersinger‹, ›dem Bühnendichter‹, ›dem größten Meister‹ u.s.w. u.s.w. Auch war es bezeichnend, daß unter den zu dem Konzert Anwesenden, in der Masse des großen Publikums, sich Personen befanden, die seit Jahren weder Theater noch Konzerte mehr besucht hatten und denen nun der ungeheuere Eindruck des hier Vernommenen zum dauernden Erlebnis geworden war.

Für den Meister selbst war die nächste Wirkung all dieser Anspannungen eine übergroße Ermüdung: sie war nur durch einige Tage vollster Ruhe in ihren Folgen wieder auszugleichen. Eine Zuschrift Feustels, die ihn in wichtigen Dingen sehr erfreute und beruhigte, hatte er noch am 27 mit seinem Dank für dessen ›ihm so ungemein wohltätige Freundschaft‹ erwidert. Hier sei er zunächst auf großen Ärger gestoßen: ›doch geht nun, dank meinen außer ordentlichen Anstrengungen, alles gut.‹ Einstweilen wolle er – aus schuldiger Rücksicht – dem Könige eine Privataufführung im Residenz-Theater von denselben, hier in Wien zur Aufführung gelangten Stücken für ihn allein vorschlagen. ›Nimmt er es an oder nicht, so gedenke ich doch jedenfalls über München zurückzureisen, schon um dort das Sängerpaar Vogl mir anzuhören und zu sehen.‹ Aus diesen Tagen nach dem Konzert berichtet Heckel von einem abendlichen Zusammensein in der Familie Standhartner. ›Eines Abends (4. März) sang er uns daselbst den ganzen dritten Akt der »Götterdämmerung« vor. Am Flügel saß Josef Rubinstein. Es war überwältigend, mit welchem Ausdruck er alles vortrug, und jeder konnte sich glücklich schätzen, dem es vergönnt war, ihm zuzuhören. Außer Frau Wagner und der Familie Standhartner waren nur noch Gräfin Dönhoff, Anton Bruckner und ich anwesend Wagner schätzte Bruckner sehr hoch und sprach davon, seine Symphonieen aufzuführen, die damals noch nirgends Verständnis fanden.‹18 Beim Abendbrot brachte er in heiterster Laune auf den von einer schweren Krankheit genesenen Stiefsohn Standhartners, Hauptmann Schönaich (vom Meister und der Familie der ›grüne Hauptmann‹ genannt) einen improvisierten gereimten Trinkspruch aus, den uns Heckel durch wörtliche Aufzeichnung erhalten hat.19 Derselbe gedenkt auch einer größeren Festlichkeit am 3. März zu Ehren Wagners in Hans Makarts farbenprächtigem Atelier. ›Außer der hohen Aristokratie waren auch fast alle bedeutenden Männer der Kunst und Wissenschaft anwesend. Das Fest verlief sehr glanzvoll. Die Damen waren bestrebt, [169] durch die ausgewähltesten Toiletten ihren Geschmack vor Makart zu beweisen. Dieser selbst war ein vorzüglicher Gastgeber. Das Quartett Hellmesberger spielte Beethoven: als sich aber jemand an den Flügel setzte und über Wagnersche Werke zu phantasieren begann, faßte mich der Meister am Arm und sagte: »Kommen Sie, Heckel, wir gehen in den Nebensaal, weshalb soll ich mir denn meine eigenen Sachen vorspielen lassen?« Als im Laufe des Abends ein bekannter Theaterdichter20 zu uns herantrat und bemerkte: so wie ihm sei das deutsche Publikum noch nie einem großen Leben den entgegengekommen (!), antwortete Wagner: »Ja! der Sultan und der Khedive von Ägypten haben Patronatscheine genommen« und sagte dann, während er sich zugleich zu dem hinzukommenden Semper wandte: »Ich weiß nur einige, die ernsthaft für die Sache wirkten und wirken: das ist Frau von Schleinitz in Berlin, Gräfin Dönhoff in Wien und da mein Heckel: arbeiten die andern von oben nach unten, so Heckel von unten nach oben.«‹

Den hier – in Heckels Erzählung – so unvermittelt und plötzlich auftauchenden alten Dresdener und Züricher Freund Gottfried Semper sah der Meister in der Tat an eben diesem Abend im Lichterglanz der Makartschen Gesellschaft seit fast zehn Jahren zum erstenmal wieder. Er erkannte ihn im ersten Augenblick gar nicht, so gealtert und verfallen sah der sonst so energisch kräftige Mann aus. Es war in diesen zehn Jahren so manches störend zwischen die beiden Freunde getreten. Die unerhörten Münchener Chikanen und Intriguen, die dem Meister die Isarstadt schließlich so ganz verleidet hatten, waren auch auf das Sempersche Bauprojekt nicht ohne Einfluß geblieben, ja ganz wesentlich gegen dasselbe gerichtet Anstatt aber die schwierige Lage Wagners zu würdigen und vor allem ihm sein uneingeschränktes Vertrauen zu bewahren, hatte er sich durch eben dieselben Münchener Zwischenträger ein reden lassen: Wagner sei der Festspielhausbau gleichgültig geworden (!); er begnüge sich fortan mit den Münchener Aufführungen seiner Werke!! Grollend wandte er sich von dem Freunde ab, um sich von nun ab nur noch im rein offiziellen Verkehr mit der Behörde des Kabinettsekretariates zu erhalten, von welchem die Bestellung an ihn ergangen war, und wo nun mit wechselndem Hinhalten und Versprechungen das bekannte unwürdige Spiel mit ihm getrieben wurde, bis er am Ende – in seinem verletzten Rechtsbewußtsein – so weit ging, die Zivilliste durch seinen Advokaten21 auf dem Beschwerdewege [170] mit einer Entschädigungsforderung zu bedrohen. Es war das Unklügste, was er tun konnte; seine Münchener Gegner waren damit am Ziel ihrer Wünsche. Nun war leicht mit ihm fertig zu werden! ›Mit einem Blick‹, hatte ihm damals (24. April 1869) der Meister geschrieben, ›mußte ich alles übersehen, und das bittere Gefühl Deines Mißtrauens in mich verschwamm als ohnmächtig bei der Erkenntnis des vollständigen Gelingens einer, nach genauem Ermessen des Charakters der im Spiel begriffenen Personen, mit großer Sicherheit angelegten Intrigue‹. Den Betrag seiner Forderung für die von ihm aufgewandte Mühe und Arbeit mehrerer Jahre (ca 37000 Gulden) erhielt er zwar, am 20. Januar 1869, seitens der Kabinettskasse richtig ausbezahlt; aber damit war für ihn auch alles zu Ende. Dem königlichen Plane eines Festspielhausbaues in seiner Residenz war, durch die Fürsorge seiner Beamten und Sempers – in der Unkenntnis der Sachlage begründetes – Mißtrauen, der letzte entscheidende Stoß gegeben; so daß eben hierdurch der Meister sich veranlaßt sah, nach einem anderen Grund und Boden für sein Unternehmen Umschau zu halten, woraus denn der ›Bayreuther Gedanke‹ entstand. Außerdem aber hatte er durch sein Vorgehen die seine Empfindlichkeit des Königs unheilbar verletzt, und dieser verzichtete von nun an endgültig auf seinen feurigen Wunsch, den hochbegabten Mann durch eine Berufung nach München ganz in seine Dienste zu ziehen und ihn dauernd für seine Bauunternehmungen zu verwenden.22 Inzwischen war Semper einem Rufe nach Wien gefolgt, wo nun bei dieser Gelegenheit Lenbach es war, der ihn bewogen hatte, die Einladung zu dem Makartschen Abend anzunehmen, und die lange getrennten Freunde zusammenführte Bereits am folgenden Tage (4. März) besuchte ihn der Meister in seinem Atelier und mußte, unter dem Eindruck der Baupläne des genialen Freundes, mit desto größerem Bedauern erkennen, in welch dürftige, seiner unwürdige Lage der so reichbegabte Künstler, von ganz Deutschland verkannt oder ignoriert, unter dieser kaiserlich österreichischen Protektion geraten war. Bei dieser Gelegenheit gestand denn Semper auch ganz offen zu, er sei damals in München in eine ihm gestellte Falle gegangen: er habe ›unrecht getan, denjenigen sein Vertrauen zu schenken, die es nicht verdienten, und es denen zu entziehen, welche dessen einzig würdig waren.‹ So war denn gleich mit dieser ersten Wiederbegegnung der alte Ton eines herzlich vertrauten Verkehrs wieder hergestellt und im voraus ein baldiger Besuch in Bayreuth vereinbart, um den nun seiner Vollendung entgegengehenden Festspielhausbau in Augenschein zu nehmen und sich – nach so langer Entfremdung – der Gastlichkeit von Wahnfried zu erfreuen, das ihm ebenfalls noch unbekannt war.

[171] Von Wien aus ging es am Sonnabend, 6. März, um 4 Uhr nachmittags direkt nach Pest, um daselbst die letzte Probe des – im übrigen von Hans Richter vorbereiteten – Konzertes und sodann am 10 das Konzert selber zu leiten. Das schon im voraus erregte Aufsehen war ein ganz außerordentliches. ›Hier beschäftigt man sich mit nichts anderem, als dem bevorstehenden Wagner-Konzert‹, hatte Liszt einige Tage vorher brieflich der Fürstin gemeldet, ›mit Ausnahme der Ministerkrisis, welche noch viele andere Krisen nach sich ziehen wird, von denen auch mehrere meiner Freunde mit betroffen werden.‹ Das in vielfacher Hinsicht denkwürdige Programm des Konzertes lautete wie folgt:


Mittwoch, den 10. März, abends 71/2 Uhr, im Redoutensaale.


Großes Orchesterkonzert


unter Leitung des (sic) Richard Wagner

und Mitwirkung des (sic) Franz Liszt.

Liszt, ›Die Glocken von Straßburg‹, Kantate für gemischten Chor, großes Orchester und Baritonsolo (Herr Láng, erster Bariton des Nationaltheaters). Chor: der Budapester Liszt-Verein.

Beethoven, Klavierkonzert in Es-dur . . . Franz Liszt.

Wagner, ›Schmiedelieder‹ aus ›Siegfried‹ . . . (Herr F. Glatz).

Wagner, ›Siegfrieds Tod‹ aus ›Götterdämmerung‹ (Herr F. Glatz).

Wagner, ›Wotans Abschied‹ u. ›Feuerzauber‹ a. ›Die Walküre‹ (Hr. Láng).


Es war seit dem improvisierten St. Galler Konzert vom November 1856 das erste und einzige Mal, daß beide großen Meister sich zu einer gemeinschaftlichen Konzertdarbietung vereinigten.23 Das Lisztsche Werk ward von ihm selbst, das Beethovensche von Hans Richter dirigiert. ›Müde, sehr gealtert und gebückt, trat Liszt an das Klavier. Es schien, als ob er die Tasten kaum berührte, und wie durch Magie erscholl eine solche Klangfülle, die Plastik der Beethovenschen Themen trat mit solcher Macht in der Zartheit wie in der Gewalt hervor, wie vielleicht in dieser unvergleichlichen Weise seine Jugend dies nicht hervorzubringen vermochte – wenigstens meinten es einige Anwesende, die ihn in seiner Virtuosenzeit gehört hatten.‹24 Die Begeisterung des heißblütigen ungarischen Publikums war groß und lebhaft, und ließ für die von Wagner dirigierte zweite Hälfte des Abends kaum noch eine Steigerung übrig! Beide Meister wurden durch ein gleiches Übermaß enthusiastischer Huldigungen gefeiert.

Von Pest aus kehrte Wagner am 12. nach Wien zurück, wo am 14 die Wiederholung des großen Konzertes zu den populäreren Preisen angesetzt war. Der Reinertrag des ersten Konzertes bezifferte sich, wie er am Vorabend des [172] zweiten Feustel zu melden imstande war, auf 9600 Fl, das zweite Konzert war auf etwas über 4000 Fl. veranschlagt. ›Allerdings hätte man den Saal sogleich noch für ein drittes Konzert am gleichen Verkaufstage ausverkaufen können.‹ Und wirklich stellte sich dieses dritte Konzert schließlich als unumgänglich heraus, es konnte aber erst Anfang Mai stattfinden. Eine weitere Probe war diesem zweiten Wiener Konzert nicht erst wieder vorausgegangen; gleich glänzend bewährten sich aber des Führers zwingende Meisterschaft und die unleugbar hohe Vortrefflichkeit des Orchesters. Den Siegfried sang diesmal Labatt von der Hofoper. Der Enthusiasmus des Publikums war ebenso groß, wenn nicht größer, als beim ersten Male. Die außerordentlichen Erfolge des Wiener Konzertes hatten sich nicht sobald durch die Zeitungsnachrichten überallhin verbreitet, als auch schon von Berlin – durch George Davidson – das drängende Verlangen laut wurde, die gleichen Fragmente, durch deren Anhörung soeben Wien bevorzugt war, auch bei sich aufgeführt zu erhalten. ›Von Berlin bin ich unter den gleichen Bedingungen, wie das letztemal, wiederum eingeladen, vielleicht Mitte April‹, schreibt er darüber an Feustel. Und in betreff des beabsichtigten Münchener Extrakonzertes heißt es: ›Der König hat mir – (in seiner ungemeinen Art!) geschrieben. Er bittet um die Privataufführung erst nach Ostern. Demnach reisen wir Montag vorläufig wieder nach Bayreuth zurück, wo wir am Dienstag früh Wahnfried wieder einzunehmen gedenken, allerdings – wie Sie aus den vorstehenden Meldungen ersehen – nur zu kurzer Ausruhung!‹

Am Montag, den 15, abends 7 Uhr erfolgte endlich der Aufbruch von Wien, um nach den geräuschvollen Tagen in das stille Bayreuth – für etwa drei Wochen – zurückzukehren. Hier war indessen die Kinderschar unter der Obhut der jungen Freundin recht wohlbewahrt gewesen. ›Meine Schwester‹, berichtet darüber Nietzsche an Malwida, ›war mit Glück und Nutzen in Bayreuth, in einer Art von hohen Schule‹; und die junge Erzieherin verblieb nun über die erfüllte Pflicht hinaus noch etwa acht Tage in der Häuslichkeit des Meisters. ›Ich war‹, so lauten ihre eigenen Worte, ›ganz erfüllt von der innigsten Verehrung für das geniale Paar, wie entzückt von den liebenswürdigen, gutgearteten Kindern‹

Mit München gab es nach wie vor sonderbare Erfahrungen. Eine Wiederholung des Wiener Konzertes als Privataufführung für den König hatte der Meister diesem noch von Wien aus, wie wir uns entsinnen, aus freien Stücken angetragen; es schien ihm so natürlich, den so hervorragend kostbaren Schatz, welchen er gerade mit diesem in sich zusammenhängenden Programm sich geschaffen und zu seiner Verfügung in Händen hatte, dem königlichen Freunde zu seiner Erhebung und als Vorgenuß des Kommenden darzubieten. Zunächst sollte die Verwirklichung des Planes nach Ostern (28. März) hinausgeschoben worden; dann entstanden neue Schwierigkeiten. [173] Inzwischen war ihm, wie wir uns entsinnen, viel daran gelegen, die Leistungsfähigkeit der, ihm gänzlich unbekannten Münchener Sängerin Frau Vogl kennen zu lernen, um sie im verhofften günstigen Falle als ›Sieglinde‹ zu verwenden. Am 24. März – d.h. gerade an dem Tage, wo er zu seinem großen Schmerz die Nachricht vom Tode seiner Schwester Clara erhielt – wandte er sich daher mit der telegraphischen Anfrage an Levi: bis wann ihm dieser durch eine Aufführung des ›Tristan‹ seinen längst ausgesprochenen Wunsch (S. 163) erfüllen könne? ob dies bis zum 5. April möglich sein werde? Die Antwort lautete entgegenkommend, aber unbestimmt, wie auch aus dem Briefe an Heckel (vom 26. März) hervorgeht, in welchem es heißt: ›Ich erwarte die Nachricht, nach welcher ich, bis spätestens 5. April, in München den Tristan zu sehen gedenke Entspricht nun Frau Vogl meinen Wünschen und kann ich sie für die Sieglinde anwerben, so wird mir dies ohne Zweifel nur dann gelingen, wenn ich auch ihren Mann mitnehme. Diesem kann ich nun keine andere Partie als den Loge übergeben. Somit wüßte ich dann für jetzt nicht, was mit Herrn Unger, den ich noch so wenig kenne, anzufangen sei. Für den Fall, daß mir Frau Vogl definitiv mißfällt, würde Unger jedenfalls als Loge eintreten.‹ Man ersieht hieraus, welche weiterreichende Kombinationen und Konsequenzen sich für ihn daran knüpften, wenn er um diese Zeit mit einiger Ungeduld einer allendlichen Nachricht über die von ihm gewünschte Münchener ›Tristan‹-Aufführung entgegensah Endlich erfolgte (in den letzten Tagen des März) die briefliche Nachricht Levis, Herr Hofsekretär Hofrat v. Düfflipp habe ihn mit der Mitteilung beauftragt: Se. Majestät der König sei fortwährend leidend und wünsche demnach, da es ihm zu schmerzlich sei, eine Aufführung des ›Tristan‹ nicht hören zu können, dieselbe auf eine spätere Zeit verlegt zu sehen! ›Ich erfahre von neuem‹, erwiderte ihm darauf der Meister (3. April), ›daß, wenn ich einmal mit München etwas zu tun haben will, nichts wie Schwierigkeiten aufkommen!‹

Er nahm sich demnach vor, unter der Hand vom laufenden Münchener Repertoire sich in Kenntnis erhalten zu lassen, und auf diese Art – unangekündigt und unbeachtet – sich Frau Vogl einmal anzuhören. Dies konnte er aber leider in der nächsten Woche nicht mehr ausführen, da er bereits anderen Ortes sich anmelden mußte – nämlich in Hannover, wo ihm in der jungen Sängerin Frl. Weckherlin eine geeignete Vertreterin der Gutrune empfohlen worden war Inzwischen stand er, wie seine Briefe vom 4. und 7. April ausweisen, wegen des Berliner Konzertes auch mit Frau Materna in Beziehung, der er für ihren guten Willen und die eifrigen Bemühungen ihres Mannes (um ihren Urlaub durchzusetzen) seinen Dank zuruft. ›Wenn wir so zusammenhalten, wird etwas daraus. Es wäre mir fast unmöglich gewesen, den Berlinern meine Bruchstücke ohne Sie vorzuführen. Nun haben wir Niemann dazu! Wegen Reise- und Aufenthaltsentschädigung wollen Sie [174] sich entweder an mich halten, oder – wenn Sie im voraus sich darüber verständigen wollen – so bitte ich Herrn Friedrich, dies mit Herrn Georg Davidson (Vorstand des Berliner Wag ner-Vereins), Berlin, Mohrenstraße 24, in das Werk zu setzen. Sie wissen übrigens, daß wir alle jetzt nur für die Aufführungen in Bayreuth arbeiten! – Wollen Sie nun auch Ihrem Herrn Intendanten und Direktor meinen verbindlichsten Dank für die rücksichtsvolle Urlaubserteilung vermelden?‹ Der zweite Brief beantwortet in Ergänzung des ersten drei ganz bestimmte Fragen, darunter sogar eine Auskunft über die ›Konzerttoilette‹: ›Meine Frau rät Ihnen zu jeder beliebigen, von welcher Farbe Sie wollen, selbst gelbschwarz‹ (bekanntlich die österreichischen Farben). Vom 4. April datiert ist auch ein Schreiben an Eugen Gura, dem er seine Freude über dessen freundschaftlich ihm gegebene Teilnahmsversicherungen bekundet; – tags darauf überraschte ihn in wehmütiger Weise die telegraphische Nachricht von dem plötzlich erfolgten Ableben seiner alten Freundin und Gönnerin Frau Betty Schott in Mainz!

Am Freitag, den 9. April, begab er sich, nach kurzer Rast in Bayreuth, aufs neue nach auswärts, zunächst nach Hannover, den Weg dahin über Leipzig nehmend, wo er abends eintraf, um, wie es in dem eben angeführten Briefe an Gura heißt, ›zu weiteren Reisen mit meiner Frau dort zusammenzutreffen‹. Der Grund dieser zweitägigen Trennung waren wiederum Erziehungsangelegenheiten (S. 152), indem die beiden ältesten Töchter zu ihrer weiteren Ausbildung einem in der Nähe von Dresden belegenen Institut übergeben werden sollten. Am 10. April besuchte er, nach erfolgter Wiedervereinigung mit seiner Gattin, im Leipziger Stadttheater mit den peinlichsten Empfindungen eine Vorstellung der neueinstudierten ›Genoveva‹ von Schumann. Das gerade um jene Zeit mit höchst zweifelhaftem Glück aus der Vergessenheit hervorgesuchte durchaus verfehlte Produkt war gerade hier seit kaum einem Monat bereits acht mal vor vollem Hause gegeben worden, wozu außer den für ihre Darstellung sehr geeigneten Kräften nicht wenig auch die von Kapellmeister Gustav Schmidt geleitete, eines besseren Gegenstandes würdige, pietätvolle Wiedergabe das ihrige beitrug Nach dem dritten Aufzug begab er sich auf die Bühne, um den Trägern der Hauptrollen seine volle Anerkennung ihrer Leistungen auszusprechen. Bereits am folgenden Abend wohnte er in Hannover einer ›Lohengrin‹-Vorstellung bei, in welcher Frl. Weckherlin die ›Elsa‹ gab. Der von ihr in Gesang und Darstellung empfangene Eindruck war günstig genug, um ihr sofort die Partie der ›Gutrune‹ anzutragen. ›Am Sonntag, den 11. April‹, lautet ein gleichzeitiger Bericht über diese Aufführung, ›fand zu Ehren Richard Wagners im hiesigen Hoftheater eine Aufführung von dessen »Lohengrin« statt. Es wurde an diesem Abend mit einer Hingebung gesungen und gespielt, wie man sie wohlsel ten antrifft und welche gleich nach dem Schlusse des ersten Altes eine solche Begeisterung erregte, daß Richard Wagner viermal an der [175] Brüstung seiner Loge zur Entgegennahme der Huldigungen erscheinen mußte. Das Orchester drückte gleichzeitig, auf Verlangen seines Leiters, des Hofkapellmeislers Fischer, seine Verehrung für den Meister durch einen Tusch aus. Nach Beendigung des zweiten Aktes erfolgten die gleichen, von Begeisterung getragenen Jubelrufe. Als sich am Schlusse des Abends nach mehrmaligem Hervorrufen der Sänger der Vorhang wieder gesenkt und Richard Wagner schon eine geraume Zeit seine Loge wieder verlassen hatte, konnte er doch nicht umhin, während der anhaltenden brausenden Nachrufe der in allen Rängen anwesend Gebliebenen nochmals an die Brüstung seiner Loge zu treten und nach allen Seiten hin zu danken. In der Vorhalle des Theaters harrten seiner noch viele Verehrer, welche ihn, als er unten angekommen war, mit donnernden Hochrufen empfingen und ihm bis an das Hauptportal das Geleite gaben.‹ Zu diesem herzlichen Empfang des großen Publikums stand das Verhalten des Hoftheaterintendanten Hans v. Bronsart in einem auffallenden Gegensatz. Am folgenden Tage nämlich gab der dortige ›Künstlerverein‹ in seinen Räumen dem Meister ein Bankett, zu welchem dieser die Einladung schon von Bayreuth im voraus angenommen. Von dieser Feierlichkeit sich auszuschließen hielt der Herr Intendant, sonst eine durch und durch taktvoll, selbst ritterlich denkende und empfindende Persönlichkeit, für eine ›Freundschaftspflicht‹ – gegen Bülow!25 Der glänzende Verlauf des Festes mit seinen vielfachen herzlichen und begeisterten Kundgebungen wurde durch diese Abwesenheit natürlich nicht im geringsten getrübt ›Einstweilen habe ich‹, teilt er brieflich mit, ›in Frl. Weckherlin eine wirklich gute, mit manchem Vorzüglichen ausgestattete Sängerin von schöner Gestalt, Intelligenz und gefühlvoller, jungfräulicher, leider aber nicht sehr kräftiger Stimme kennen gelernt, und gern in Aussicht genommen.‹26

Am Dienstag, den 13. April, ging es von Hannover nach Braunschweig, um bei einer auf den 14. angesetzten ›Tannhäuser‹-Aufführung den dortigen Tenoristen Hermann Schrötter in bezug auf seine Brauchbarkeit für die Partie des ›Siegfried‹ zu prüfen. Schon am Abend seiner Ankunft hatte Franz Abt,[176] damals herzogl. braunschweigischer Hofkapellmeister und mit dem Meister von Zürich her bekannt, um ihn und seine Gemahlin einen kleinen Kreis versammelt, der ›staunend von den großen Dingen sich erzählen ließ, die in Bayreuth vor sich gehen sollten‹.27 ›Am nächsten Vormittag‹, so erzählt Prof. Hans Sommer, ›wurde ich der besonderen Ehre gewürdigt, unsere berühmten Gäste ins herzogliche Museum geleiten zu dürfen. Es war ein kalter, unfreundlicher Morgen, als wir die öden Räume des alten Museums betraten, die den ganzen Winter weder Licht noch Wärme empfangen hatten und uns nun wie ein Eiskeller durchfröstelten. In seinen Pelz gehüllt, ging Wagner unmutig hin und her, ohne sich seiner Gemahlin und dem Museumsdirektor Riegel in der Besichtigung der vielen vortrefflichen Niederländer anzuschließen: plötzlich aber blieb er vor einem Gemälde stehen, das Adam und Eva in ganzen, überlebensgroßen Figuren farbenprächtig darstellte. Auf seine Frage: »Was ist denn das?« wurde ihm mitgeteilt, daß dieses ausgezeichnete Bild, früher als ein Giorgione bezeichnet, jetzt dem Palma vecchio zugeschrieben werde. »Diese alten Maler,« rief er verwundert aus, »wie haben sie solche Größe erreichen können! Nicht Eva ist es, es ist das Weib in seiner ganzen Herrlichkeit – eine Welt liegt darin!« In ekstatischer Bewegung verweilte er noch lange vor dem Bilde Vergebens suchten wir seine Aufmerksamkeit auf anderes, z.B. auf das überaus kostbare mantuanische Gefäß hinzulenken, eine antike Vase, aus einem Onyx mit vollendeter Kunst herausgearbeitet. Nur das Wort, Künstelei!, hatte er dafür übrig.‹28 Bei der abendlichen ›Tannhäuser‹-Vorstellung brachte das Publikum bei den Aktschlüssen dem Meister, der sich von der Loge aus dankend verneigte, wiederum die begeistertsten Huldigungen dar; er selbst äußerte sich nur mit wenigen und nicht eben günstigen Worten über die Aufführung, und schien verstimmt darüber, daß man ihn nicht zur Probe eingeladen hätte, um mit Rat und Tat einzugreifen und wenigstens die ärgsten Mißstände zu beseitigen Dagegen interessierte ihn augenscheinlich die Begabung des noch ganz jungen Tenoristen Schrötter; er fand in ihm ein zwar noch unentwickeltes, in den falschen Bahnen des Theatralischen befindliches Talent, das aber bei rechter Pflege noch zu höheren Aufgaben anzuleiten wäre, und behielt ihn für seinen ›Siegfried‹ im Auge. Tags darauf – am 15. April – fand ihm zu Ehren ein Festmahl statt, von dem Prof. Sommer uns eine Episode überliefert hat. Eine Militärkapelle hatte sich auf dem Hofe des Hotels eingefunden und begann die Ouvertüre zu ›Rienzi‹ zu spielen. ›Da werde ich hören‹, meinte der Meister, ›wie mein Freund, der vir aptus, die Tempi nimmt; denn auf der Wachtparade spielen sie nicht anders, als sie es im Theater gehört haben.‹ Anfangs lächelte er [177] ganz befriedigt; beim Beginn des Allegro aber wurde er unruhig, eilte ans Fenster und begann nun, zu den Untenstehenden gewendet, viel langsamer zu taktieren. Es währte auch nicht lange, da hatten ihn die Musiker bemerkt und, seinen Weisungen entsprechend, in ein sehr gemäßigtes Tempo eingelenkt, das besonders dem Schlachtrufsanto spirito cavaliere überaus zustatten kam Bald darauf ward der dirigierende Musikmeister Hermann herausgerufen, und Wagner litt nicht, daß der wackere Musiker bescheiden am Ende der Tafel Platz nahm; er wies ihm vielmehr einen Ehrenplatz neben seiner Gemahlin zu.29

Der folgende Tag, Freitag, der 16. April, erblickte ihn bereits in Berlin. Im Tiergartenhotel (Potsdamer Tor 1), wo er nach alter Gewohnheit abstieg, fand er einen Brief Feustels vor, welcher ihn ›anheimelte, wiewohl er gerade nichts sehr tröstliches enthielt‹. Über seine bisherigen Erlebnisse erstattet er dem Bayreuther Freund einen Bericht, welcher den unsrigen in einigen Punkten ergänzt. ›Meine Reise, die ich vor nun acht Tagen unternahm, galt bisher nur der Jagd auf Sänger; ich war in dieser Hinsicht nicht ganz unglücklich, machte auch an dem Braunschweiger Intendanten (Herrn v. Rudolphi) eine sehr erfreuliche Bekanntschaft, welche, wie ich fast annehmen darf, zu einigem Patronate des Herzogs führen dürfte.30 – Hier soll alles sehr gut gehen. Ich habe mir vorgenommen, alle Versuche, welche mir Berlin noch übrig läßt, bis auf das äußerste zu verfolgen. Leider kostet mich das alles viel Geld, was mir manchmal wie unnütz vorkommt.‹ Das Programm war dasselbe wie in Wien; als einzige Sänger wirkten Niemann und Frau Materna. Den Stamm des Orchesters bildete die durch Mitglieder des königl. Orchesters wie durch andere tüchtige Musiker verstärkte Bilsesche Kapelle. Der Zudrang des Publikums bei den Vormerkungen war ein so ungeheurer, daß sich der Meister von vornherein zur Wiederholung des Konzertes an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, am Sonnabend, den 24., und Sonntag, den 25. April, genötigt sah. Aufeinanderfolgend mußten die Tage schon deshalb sein, weil Frau Materna bloß einen fünf- bis sechstägigen Urlaub hatte und sogleich wieder nach Wien zurück mußte Wiederum gab es für den Meister in der Woche vom 17. bis 24. April in einer Reihe von Proben eine harte und anstrengende Arbeit des Probierens und Einstudierens, und er mußte sich nach allen Seiten hin eine strenge Enthaltung von vermeidbaren geselligen Beziehungen auferlegen. Er verkehrte demnach nur mit den allernächsten Freunden, dem Schleinitzschen Paare, Prof. Helmholtz und Gemahlin, Lothar Bucher, Legationsrat Radowitz, den inzwischen nach Berlin übergesiedelten Wesendoncks und den Herren des Berliner Wagner-Vereins, unter ihnen den beiden Kladderadatsch-Gelehrten Dohm und Scholtz, Davidson u.s.w. Nichtsdestoweniger strömten von allen [178] Seiten her die Ansprüche zu, ihn zu sehen und zu sprechen, auch wollte der briefliche Verkehr nicht ins Stocken geraten. Noch am Konzerttage hatte er sich, im Verfolg der Münchener Korrespondenz mit Levi, über dessen Nachrichten in betreff des Voglschen Paares zu äußern: ›Entscheidend für meinen Besuch einer Opernaufführung bei Ihnen ist es, im voraus darüber klar zu werden, ob Frau Vogl die Sieglinde übernehmen werde, ohne daß Herr Vogl den Siegmund (welcher schon fest durch Niemann besetzt ist) erhielte, für welchen Fall ich mich freuen würde, Herrn Vogl den Loge zu übergeben. Von dieser mir nötigen Erklärung hängt es allein ab, ob ich jetzt, wo ich wegen eines dritten Konzertes in Wien mich zu entscheiden habe, zu einer Vorstellung nach München gehe, um mich persönlich über Frau Vogls Leistung in das Klare zu bringen.‹

Beide Konzertaufführungen fanden ein übervolles Haus, beide Male mußte infolge des anhaltenden enthusiastischen Beifallsturmes die gewaltige Trauermusik nach Siegfrieds Tode zweimal gespielt werden. Es bemächtigte sich aller Hörer eine tiefe Ergriffenheit; Niemann kämpfte vergebens, seine Rührung zu verbergen, und Frau Materna wurde von der Musik dermaßen überwältigt, daß ihr Gatte sie bei der Wiederholung für einige Zeit aus dem Saale führen mußte, um sie für ihre letzte große Szene sich sammeln zu lassen. Am Schluß immer wieder hervorgerufen, sprach Wagner etwa folgendes: ›Für das freundliche Andenken, welches Sie mir seit meinem Hiersein vor zwei Jahren bewahrt haben, bin ich Ihnen zu Dank verbunden; ebenso für die Teilnahme, welche Sie meinem Werke schenken, von dem ich Ihnen leider nur Bruchstücke vorführen konnte. Nun darf ich Ihnen aber das Versprechen geben, daß ich Sie mit der Vorführung des Ganzen schon im nächsten Jahre befriedigen kann, nachdem es mir gelungen ist, so ausgezeichnete Kräfte als Helfer zu finden, wie hier meinen lieben Freund Niemann und diese vortreffliche Frau Materna. Auf Wiedersehen also im nächsten Jahre!‹ Da dieses zweite Konzert nicht, wie das erste, am Abend, sondern um die Mittagsstunde vor sich ging, schloß sich daran, trotz aller Ermüdung des Meisters, noch ein von Niemann veranstaltetes großes Diner bei Poppenberg, an welchem außer dem Gastgeber und Frau Materna noch Kapellmeister Eckert und dessen tapfer und ausdauernd für die Bayreuther Sache wirkende Gemahlin teilnahmen. Den Abend verbrachte er in größerer Gesellschaft im Hause des Professors Helmholtz, wobei er zum ersten (und einzigen) Male auch die Bekanntschaft Theodor Mommsens machte, ohne jedoch einen sehr sympathischen Eindruck von dem berühmten Manne zu gewinnen!

Unmittelbar darauf begab er sich – für kaum acht Tage – nach Bayreuth zurück. Der materielle Erfolg beider Berliner Konzerte zusammen, mit allen damit verknüpften Beunruhigungen, betrug nicht mehr als etwas über 6000 Taler; die sich auf ungefähr 1800 Taler belaufenden Unkosten trug [179] der Berliner Wagner-Verein, doch wurden ihm dafür als Gegenwert sechs Patronatscheine überwiesen. Diese geringen und so ungemein mühsam herbeigeschafften materiellen Mittel nun nicht an die äußeren Anlagen des Theaterbaues zu vergeuden, sondern vor allem für die ›Vorproben‹ zu verwenden, fühlte er sich in erster Reihe verpflichtet. Er kam daher, nach einer eingehenden Unterredung mit dem tüchtigen jungen Bauführer Runckwitz31 sofort zu dem Entschluß, die Erdarbeiten auf das allernotwendigste Maß beschränken zu lassen. In diesem Sinne äußerte er sich (2. Mai) in einem ausführlichen Schreiben an Feustel: ›Für alle Fälle wünsche ich, der Stadt das ganze Terrain von der Theaterterrasse herab bis zum vorderen Eingang zurückzugeben, und zwar mit dem ernstlichen Rate, dieses große Grundstück ganz nach Belieben der Stadt zu verwerten, wobei der bereits ausgeführte Chausseedamm recht füglich als Straße benutzt werden dürfte. Ich begnüge mich dann mit dem noch immer sehr ansehnlichen Raume, welcher jetzt zu einem, das Theater umgebenden Plateau hergestellt ist. Die Ein- und Ausfahrt geschieht vermittelst der zur Bürgerreuth führenden Chaussee. In erster Linie habe ich jetzt für die Vorproben dieses Sommers zu sorgen. Glückt es mir mit dem nächsten Konzert in Wien noch nach Wunsch, so darf ich mir sagen, für meine Person mit 40000 Fl. den nötigen Kassa-Unterbau für diese Proben geschaffen zu haben. Diesen mir möglichst intakt, eben für jene Proben, zu erhalten, ist mein wichtigstes Interesse; wogegen auch der Stadt Bayreuth ein ungeheures Terrain zu einem Park für die Sonntagspromenade ihrer Bürger umgeschaffen zu haben, für diesmal nicht in meinen Ehrgeiz fallen kann.‹32

Einen bedeutungsvollen Zusatz enthält noch die Datierung dieses Briefes, sie lautet nämlich: ›Samstag, 2. Mai 1875, als in der Nacht mein guter Ruß schnell gestorben war.‹ Feustel, der selbst das Herz auf dem rechten Fleck hatte, wußte sehr wohl, was dieser Zusatz für das Herz des Meisters zu bedeuten hatte, und wie dieser traurige Verlust von allem Lebenden in Wahnfried mitempfunden wurde. Ruß war seinem Herrn vor neun Jahren in den Artichauts als ganz junger, höchstens ein- bis zweijähriger Hund zugekommen, ein Geschenk Vrenelis aus ihren Ersparnissen33; er hatte das ganze Triebschener Glück mit erlebt und war dann, während Vreneli mit ihrem Gatten zurückblieb, als lebender Zeuge und stete Erinnerung jener Jahre mit der Familie nach Bayreuth übergesiedelt, und würde, eben in dem kräftigen Alter von 10–12 Jahren, sehr wohl noch längere Zeit haben leben können. Auf Spaziergängen hatte er gelegentlich seinen Übermut an irgend einem armen Schaf ausgelassen und seinem Herrn dadurch Unannehmlichkeiten zugezogen, [180] weshalb er dann wohl zeitweilig von Ausgängen in der Nähe der Stadt ausgeschlossen worden war. Über seine Todesursache berichtet Hans v. Wolzogen: er sei ›plötzlich an einem Lungenschlag gestorben, da er zum Entsetzen des Meisters nicht ablassen wollte, dem rollenden Wagen der Herrschaft nachzujagen.‹34 Im Garten von Wahnfried hatte sich der Meister schon während des Hausbaues auch seine Gruft graben lassen, bedeckt mit einer einfachen inschriftlosen großen Granitplatte; zum Zeichen dessen, daß er an diesem freundlichen Orte heimisch zu bleiben gedenke bis an sein Ende. Unweit der für seinen Herrn bestimmten Grabesstätte erhielt nun der treue Ruß zu Häupten derselben seinen letzten Ruheplatz; eine kleine Steintafel erhielt zu seinem Gedenken die noch heute lesbare Inschrift: ›Hier ruht und wacht Wagners Ruß.‹

Für jetzt war es nicht Zeit sich traurigen Empfindungen hinzugeben; schon drängte die Abreise nach Wien zu dem dritten Konzert, dessen Einnahmen laut dem an Feustel gerichteten Brief bereits für die Vorproben mit veranschlagt waren. In der österreichischen Kaiserstadt hatte sich inzwischen eine schon seit länger vorbereitete, nicht unwesentliche Veränderung in der künstlerischen Leitung der Hofoper vollzogen. Die Direktion war – nach längerem Zögern und Schwanken – von dem ehemaligen artistischen Leiter des Karltheaters, Franz Jauner, übernommen worden, und gleichzeitig mit dem neuen Direktor hatte, als definitiv gewählter Nachfolger Dessofs, Hans Richter die Leitung der Hofkapelle mit einer Aufführung der ›Meistersinger‹ (1. Mai) angetreten. Sein Wunsch, diese Aufführung von allen Strichen gänzlich frei zu erhalten, war allerdings an der hartnäckigen Renitenz des Sängers Joh. Beck als ›Hans Sachs‹ gescheitert, infolge der bestimmten Erklärung desselben, er werde seine Partie entweder mit dem ihm durch Herbeck bewilligten Kürzungen singen, oder gar nicht.35 Doch gelang es ihm wenigstens den ersten Akt vollständig zu bringen und somit auch die köstliche Unterweisung des Ritters durch den Lehrbuben David in den Meistertönen in ihre Rechte zu restituieren Insbesondere erwies der Dirigent seine Meisterschaft in der Wiedergabe des Vorspiels: wie spielend wußte er Licht und Klarheit in die verschlungenen Details dieser kühnen Polyphonie zu bringen, so daß man das Tonstück gegen seine sonstigen Vorführungen kaum wiedererkannte. Auch stellte es sich nun zum ersten Male klar heraus, daß die boshafte Bemerkung der Wiener Kritik, welche die Sänger nach Luft schnappenden Taubstummen verglich, weil sie sich [181] über den Orchesterschwall hinweg nicht verständlich machen könnten, annähernd wohl auf manche von Herbeck dirigierte Aufführung paßte, keineswegs aber auf die von Richter geleitete.

Das dritte Wiener Konzert am 6. Mai, 12 Uhr mittags, enthielt im wesentlichen die gleichen Nummern, wie die ihm vorausgegangenen. Nur war statt des ›Kaisermarsches‹ ein weiteres Fragment aus der Götterdämmerung, ›Hagens Wacht‹, in das Programm aufgenommen, und die Zahl der Bruchstücke aus dem neuen Werke somit auf vier erhöht. Trotz des herrlichen Sommertages war der Saal wiederum vollständig gefüllt; die begeisterten Ovationen wollten auch diesmal nicht enden. Den Siegfried sang im ersten und dritten Fragmente wieder Labatt. ›Hagens Wacht‹, nach der vorausgehenden, die Abfahrt Gunthers und Siegfrieds zum Brünnhildenstein darstellenden Orchestereinleitung durch die markige Phrasierung und Aussprache Scarias in ihrem düsteren Kolorit sehr wirksam zur Geltung gebracht, mußte auf stürmisches Verlangen repetiert werden. Auch nach ›Siegfrieds Tod‹ äußerte sich der Wunsch einer wiederholten Anhörung der Szene in lauten Rufen unter rauschendem Beifallsausbruch; die Erfüllung des allgemeinen Verlangens scheiterte jedoch nicht an der Ermüdung des Dirigenten, sondern – der ausübenden Musiker. ›Die Herren fürchten sich zu sehr anzustrengen, weil sie für den Abend noch eine große Oper vorhaben‹, mußte der Meister dem darob bitter enttäuschten Auditorium erklären. Er selbst war in heiterster Laune und benahm sich selbst gegen die streikenden Instrumentisten sehr liebenswürdig; Frau Materna überreichte er als Anerkennung ein prächtiges Bukett. Während dieser wenigen (vier) Wiener Tage wohnte er wiederum bei Standhartners, und verkehrte, außer mit den liebenswürdigen Gastfreunden bloß mit dem sehr ergebenen neuen Direktor Jauner und einige der nächsten Freunde. Lenbach, Fürst Lichtenstein, Fürstin Hohenlohe und dem wiedergegewonnenen Semper. Dieser besuchte ihm noch am Abend des Konzerttages, und schien, in seiner bedrückten Lage in Wien, die so recht die Heimatlosigkeit des Genies in Deutschland zum Ausdruck brachte, durch den langentbehrten Umgang des Meisters völlig wieder aufzuleben.

Nun war es aber allerdings auch die höchste Zeit, der ununterbrochenen Folge auswärtiger Unternehmungen ein Ende zu machen; denn bereits standen die Vorproben vor der Tür, zu deren Vorbereitung er nach Bayreuth zurückkehrte. ›Welche Schwierigkeiten habe ich noch vor mir! Möchten das alle Gerechten einsehen und nicht im voraus mir immer nur zu meinen, Erfolgen gratulieren!‹ schrieb er an Heckel. Das dem Könige angetragene Münchener Privatkonzert kam nun auch nicht mehr zustande.36 Wohl kündigten die musikalischen [182] Zeitungen für München ein Konzert am 25. Mai an, in welchem unter Leitung Richard Wagners die gleichen Fragmente seines neuesten Werkes, wie in Wien und Berlin, zur Aufführung gelangen sollten. Zu diesem aber sollte es nicht mehr kommen. Dagegen hatten sich durch sein langes Ausbleiben die mancherlei vorbereitenden Geschäfte, die Prüfungen aller zu gewinnenden Sänger, die Rollenverteilung u.s.w. gehäuft. War er doch bis jetzt, in elfter Stunde, immer noch ohne einen Repräsentanten seines ›Siegfried‹! Für diese ungemein schwierige Aufgabe, zu deren Lösung einzig Schnorr berufen gewesen war, hatten sich weder Diener noch Glatz befähigt gezeigt, zu dem ihm durch Heckel empfohlenen Jäger hatte er auch kein Zutrauen. Dagegen war des Meisters Aufmerksamkeit bereits seit einiger Zeit (April 1874) auf Georg Unger gerichtet, der vor acht Jahren seinen ersten theatralischen Versuch gemacht und zuletzt in Mannheim tätig war, wo ihn Hans Richter gehört hatte (S. 129). Zunächst war für ihn an ›Loge‹ gedacht. Um Ostern hatte ihn von Mannheim aus der dortige Sänger v. Reichenberg besucht und sich durch seinen tiefen Baß und seine stattliche Erscheinung als eine ›vorzügliche Akquisition‹ für den Fafner erwiesen, aber über Unger kein empfehlendes Urteil gefällt. ›Die Nachrichten über Unger, welche mir Reichenberg gab, waren, was seine Stimme betrifft, nicht günstig: weiß er keinen Ton zu halten, so kann ich ihm das nicht erst lehren Mir wird bang vor ihm.‹ So heißt es noch am 2. April, kurz vor der Reise nach Leipzig, Hannover, Braunschweig, in der Hoffnung – z.B. in Schrötter – etwas Besseres zu finden. Mit dem zuletzt genannten Tenoristen hatte er aber das unerwartet Seltsamste zu erleben. Obwohl mit dessen stimmlichen und darstellerischen Fähigkeiten keineswegs sehr befriedigt, hatte er sich schließlich doch für ihn entschieden, und ihn noch von Berlin aus (23. April) zur Übernahme des Siegfried aufgefordert, auch Josef Rubinstein zu vorläufigen Studien mit ihm am 1. Mai nach Braunschweig geschickt. Kaum vierzehn Tage später (15. Mai) erfolgte aber plötzlich seitens des Sängers ein brieflicher Verzicht auf die ihm zugedachte Aufgabe, und der zurückkehrende Rubinstein gab als Hauptgrund dafür an, der Intendant Herr v. Rudolphi habe es übel genommen (!), daß sich der Meister in dieser Sache nicht an ihn gewandt habe! Und dabei blieb es, trotz aller darauf bezüglichen, gern abgegebenen Erklärungen, und obgleich die Vorproben des Sommers dicht vor der Tür standen. Und selbst Unger, von allen gering geschätzt, beeilte sich, trotz wiederholter Aufforderungen auch nicht übermäßig mit seinem Erscheinen.37[183] Endlich, gegen Ende Mai oder Anfang Juni, stellte er sich persönlich ein, gewann sich das Vertrauen des Meisters, und erhielt die ›Siegfried‹-Partie zum Studium. ›Donnerstag den 3. Juni 1875 zum erstenmal gesehen, G(eorg) U(nger)‹, zeichnete er auf das Vorsatzblatt derselben ein, und nun begann die Arbeit. Als Heckel brieflich seine Befähigung dazu bezweifelte, schrieb ihm der Meister (25. Juni): ›Ei, ei, Freund Heckel! So leicht wendet sich Ihr Urteil? Vor kurzem noch verteidigten Sie Unger, – und jetzt glauben Sie an Jäger? – Nun, ich bin jetzt mit Unger daran, habe mich allerdings sehr mit ihm gequält, bis ich seine sächsische Vokalisation, welche seine Stimme vollständig unkenntlich machte, überwand, gewann nun aber die Hoffnung, daß ich mit keinem mir bekannten Tenoristen besser fortkomme als mit ihm. Auch werde ich ihn ganz hier behalten; er war offenbar ein verlorenes, aber nicht energieloses Wesen. Jäger ist vortrefflich, aber – – –‹

Eine sonderbare Episode spielte sich noch in diesen ersten Junitagen ab, die zwar mit der großen Entwickelung der Bayreuther Sache nichts gemein hat, zu deren zusammenhängender Darlegung sich aber doch kein anderer Platz findet. Um zu verstehen, warum es sich dabei handelte, müssen wir allerdings um fast anderthalb Jahrzehnte im Leben Wagners zurücktreten, in jene Periode, als er, aus dem Pariser Exil in die Heimat zurückkehrend, fast einzig in Wien eine wärmere Aufnahme und eine entfernte, zuweilen in täuschende Nähe gerückte Aussicht für seinen ›Tristan‹ fand. In jenen dumpfen, aufregungsvollen Wiener Tagen immer neu erweckter und zerstörter Hoffnungen waren ihm, außer Standhartner, einzig Cornelius und Tausig durch einen gewissen jugendlichen Schwung und ihre bedingungslose Anhänglichkeit ein werter Umgang gewesen; was Cornelius betrifft, so bildete jene Zeit in der liebenswürdigen Entfaltung seines Wesens einen Höhepunkt, über den er nie hinauskam. Er erweckte damals in dem Meister die freundlichsten Hoffnungen für eine wirkliche innere Zugehörigkeit, die sich später nie erfüllt haben Damals nahm er es aus reiner Begeisterung auf sich (ohne daß ihn Wagner entfernt darum gebeten hätte), die Partitur der Pariser Bearbeitung des ›Tannhäuser‹ eigenhändig für ihn zu kopieren, da das Original stark abgenutzt war. Dabei verblieb schließlich die Kopie von Cornelius Hand (mit deutschem) Text, in des Meisters Besitz, die Originalhandschrift (mit französischem Text) dagegen einstweilen bei Cornelius zurück, ohne ihm jemals ›geschenkt‹ zu sein38; worüber sich der Empfänger auch keiner weiteren Täuschung hingegeben zu haben scheint. Nichtsdestoweniger geriet jene Originalhandschrift (damals noch unveröffentlicht!) auf [184] unerklärte Weise zunächst in Tausigs Hände, und dieser, der für seinen Besitz des Manuskriptes auch nicht den allermindesten Rechtstitel hatte, – nahm sich trotzdem die seltsame Freiheit, sie seinerseits weiter zu ›verschenken‹. Und an Wen? An Johannes Brahms, mit welchem er zeitweilig auffallend freundschaftliche Beziehungen unterhielt! – Das habent sua fata libelli konnte wohl nie auf eine drastischere Weise illustriert sein! – Nun erinnern wir uns aber, daß die Corneliussche Kopie ihrerseits ganz ähnliche Schicksale durchgemacht hatte: sie war nämlich, von eben jenen traurig zerfahrenen Wiener Tagen her, durch Weißheimer in aller Form als angemaßtes Eigentum zurückbehalten, so daß der Meister selbst – so unglaublich es klingt! – bis Anfang Februar 1865 überhaupt gar kein Exemplar dieser Partitur, nämlich weder das Original, noch die Kopie besaß39, – und gedruckt oder gestochen war sie doch damals noch nicht! Seit Mitte August 1865 datieren nun die ersten Versuche zur Wiedererlangung der authentischen, auf so unverantwortliche Weise von Hand zu Hand gegangenen Originalhandschrift. Cornelius schrieb in Wagners Auftrag an Brahms und erhielt – keine Antwort. Er schrieb in gleicher Sache an Tausig (6. Sept. 1865: ›Das ist eine dumme Affäre mit Brahms, Du sollst ihm jene Szene aus Tannhäuser geschenkt haben?‹); des Meisters Gemahlin – damals noch Frau von Bülow – richtete mehrere Briefe direkt an den hartnäckigen Usurpator – vergeblich! Dieser hüllte sich, nach wie vor, in ein unerschütterliches Schweigen, für ihn jedenfalls das bequemste und sicherste Auskunftsmittel! Die einzige schriftliche Äußerung seinerseits in der Sache liegt in einem an Cornelius gerichteten kurzem Schreiben vor, das zwar undatiert, aber ersichtlich aus sehr viel späterer Zeit herrührt. In diesem entschuldigt er sich, auf Cornelius Brief ›unfreundschaftlich‹ geschwiegen zu haben, aber er beharrt dabei: das ihm ›geschenkte‹ Manuskript nicht ausliefern zu wollen!40 Seitdem war nun wieder Jahr um Jahr verflossen, und Cornelius selbst, der eigentliche Urheber aller dieser Verwickelungen, nun auch nicht mehr unter den Lebenden. Schließlich mußte sich der Meister, da er des Manuskriptes zur Herausgabe der neubearbeiteten Partitur dringend bedurfte, selbst in das Mittel legen Enthielt doch die, für das Wiener Konzert bestimmt gewesene Corneliussche Abschrift, noch dazu einen großen Strich! Er tat dies, indem er seinen an Brahms gerichteten Brief diesem, zu völliger Sicherheit, durch Heckel zugehen ließ, da sich der Adressat gerade in dessen Nähe (Ziegelhausen bei Heidelberg) befand. ›Zwar ist mir berichtet worden‹, heißt es in dieser Zuschrift (vom 6. Juni 1875), ›daß Sie, vermöge einer Schenkung durch Peter [185] Cornelius an Sie, Eigentumsansprüche auf dieses Manuskript erheben; doch glaube ich dieser Meldung keine Folge geben zu dürfen, da Cornelius, dem ich dieses Manuskript eben nur gelassen, keineswegs geschenkt hatte, unmöglich desselben sich an einen Dritten entäußern konnte, welches nie getan zu haben, er mir auf das Teuerste versichert hat. Vermutlich ist es meinerseits sehr unnötig, Sie an dieses Verhältnis zu erinnern, und es wird keinerlei weiterer Auseinandersetzung bedürfen, Sie zu bestimmen, dieses Manuskript, welches Ihnen nur als Kuriosität von Wert sein kann, während es meinem Sohne als teueres Andenken verbleiben könnte, gern und freundlich mir zurückzustellen‹. Auch jetzt noch beharrte Brahms in einer schnörkelhaft gewundenen Gegenäußerung auf seinem eingebildeten ›Rechtsstandpunkt‹ (!). Erst auf ein erneutes Schreiben der Gemahlin des Meisters verstand er sich dazu, es im Umtausch gegen ein Exemplar der ›Meistersinger‹-Partitur und ein handschriftlches Notenblatt Wagners auszuliefern. Also ein buchstäblicher-Tauschhandel der wunderlichsten Art, mit genau vorgeschriebenen Bedingungen, wie an der Hamburger Börse. Wagners Gegengabe bestand denn allerdings nicht in der gewünschten ›Meistersinger‹-Partitur diese war ihm, trotz wiederholter Nachlieferung durch den Verleger, wiederum ausgegangen. Da gegen sandte er Brahms eben jenes Prachtexemplar der ›Rheingold‹-Partitur, welches Schott seinerzeit auf der Wiener Weltausstellung hatte prangen lassen! ›Man hat mir‹, fügte der Meister mit seiner Ironie hinzu, ›manchmal sagen lassen, daß meine Musiken Theaterdekorationen seien: das Rheingold wird stark unter diesem Vorwurf zu leiden haben. Indessen dürfte es vielleicht nicht uninteressant sein, im Verfolgen der weiteren Partituren des »Ringes des Nibelungen« wahrzunehmen, daß ich aus den hier aufgepflanzten Theaterkulissen allerhand musikalisch Thematisches zu bilden verstand. In diesem Sinne dürfte vielleicht gerade das »Rheingold« eine freundliche Beachtung bei Ihnen finden‹.

Auf dem Wege des ›Tausches‹ gelangte denn endlich, nach länger als einem vollen Jahrzehnt vergeblicher Bemühungen, am 26. Juni 1875, die – weder an Cornelius noch auch an Tausig jemals geschenkt gewesene ›Tannhäuser‹-Szene wieder in die ihres rechtmäßigen Besitzers Hände zurück. Leicht hat ihm die Welt auch nicht das Geringste gemacht! Das geht auch aus dieser Episode recht augenscheinlich hervor.

Fußnoten

1 Wirklich hat der Meiner die ganze, ihm noch verliehene letzte Lebenszeit daran zu tragen gehabt; erst drei Jahre nach seinem Tode – 1886! – gelang es, diesen lästigen Kontrakt allendlich zu lösen.


2 Ebenfalls auf S. 134 dieses Bandes haben wir auf das seltsame, in Band IV (III1) des vorliegenden Werkes, S. 284/85, uns begegnete Versehen hingewiesen; zugleich aber auch der namhaften Autorität gedacht, die uns – ihrerseits selbst durch eine irrige Vorlage getäuscht! – zu jener unrichtigen Angabe verlockte.


3 Vgl. Berliner Tageblatt, 1901, Nr. 219 vom 18. Mai.


4 Briefe an Heckel, S. 89.


5 An Heckel (2. Januar): ›Noch fehlt mir die Sieglinde; das ist ein Elend. Sie muß schlank und tüchtig sein.‹ An Hill (7. Februar): ›Mir fehlt auch noch die Sieglinde! Können Sie mir hierfür nicht mit einem guten Rat helfen?‹ An Scaria (15. Februar): ›Im betreff der Sieglinde bin ich soweit, an Frau Vogl in München zu denken.‹


6 Es ist dies dasselbe ›Albumblatt‹, von welchem Weißheimer mit seiner gewohnten Leichtfertigkeit behauptet, es sei 1862 gleichsam unter seinen Augen komponiert worden. Vgl. Bd. III (II2) des vorlieg. Werkes, S. 356/57.


7 Seine Hochzeitsfeier hatte am 27. Januar in Pest stattgefunden und an Wagners Stelle der Baron Anton Augusz, ein langjähriger vertrauter Freund Liszts, die Funktion eines Trauzeugen übernommen. Als Hochzeitsgeschenk hatte ihm der Meister die kürzlich erschienene Partitur der ›Walküre‹ übersandt, mit einer Widmungsinschrift in humoristischen, auf die Trauung bezüglichen Versen, in deren heiteren Ton mit fast feierlichem Ernst die Erinnerung an die mannhaft charaktervolle Haltung Richters während der Münchener ›Rheingold‹-Periode (September 1869) hineinklingt: ›Gedenkt deß noch in fernen Tagen, wie Richter und Wagner es einst mochten wagen, eher Werk und Taktstock zu zerschlagen, als die Welt mit schlechten Aufführungen zu plagen!‹ Wagner, Gedichte, S. 111/12.


8 Liszts Briefe an die Fürstin Wittgenstein, Band IV, S. 88.


9 Er verblieb bei dieser ablehnenden Haltung, auch als Herbeck ihn darum bat, die ›Glocken von Straßburg‹ am 22. März in einem eigenen Konzert in einem Abendkonzerte im Operntheater mit Chor und Orchester des Hoftheaters aufführen zu dürfen. ›Meinen Freunden »Nein« zu sagen, fällt mir schwer; wie aber anders verfahren den kritischen Negationen gegenüber? Heutzutage macht der Künstler seine Rechnung ohne den Wirt, wenn er dem Publikum ehrlich vertraut. Man hört und urteilt nur durch Zeitunglesen. Zu was Aufführungen für Leute, die nur Zeitungen lesen wollen?‹ (Briefl. an Herbeck, 3. März 1875.)


10 Gegenwärtig k. k. österr. Kriegsminister.


11 Vgl. die scherzhafte Wendung an Heckel, der auf Einladung des Meisters ebenfalls nach Wien zu kommen beabsichtigte und gern in ›demselben Hôtel‹ mit ihm gewohnt hätte: ›Wir wohnen in Wien bei Standhartner, im Stadtkrankenhause; ein Zimmer daselbst können Sie nur als, Stadtkranker. bekommen. Proben und Konzert stehen Ihnen frei – versteht sich. Eine Nummer‹, fügt er launig hinzu, ›müssen Sie aber dafür da capo rufen; ich werde sie Ihnen bezeichnen.‹ (Briefe an E. Heckel, S. 93.)


12 Band III (II2) des vorliegenden Werkes, S. 122, vgl. S. 138 u. 221.


13 Band III (II1), des vorliegenden Werkes, S. 250, 344.


14 Bayreuther Blätter 1903, S. 195.


15 Band III (II1) des vorliegenden Werkes, S. 412 ff.


16 ›Daß Sie mir für Wien nicht behilflich sein konnten‹, schreibt er noch von Bayreuth aus, am Tag seiner Abreise, an Richter, ›mußte ich verschmerzen, obwohl ich nur in der festen Annahme Ihrer Mithilfe daselbst die ganze Konzertunternehmung entwarf. Jetzt kann und werde ich nicht von der Ausführung zurücktreten, bei welcher mir Herbeck – welchen Sie mir als Ihren Substituten empfahlen – bei meiner Ihnen bekannten Ansicht über die Unfähigkeit desselben nicht zu helfen haben wird.‹ (Bayreuth, 20. Februar.)


17 Musikal. Wochenblatt 1875, S. 132 f., ergänzt durch andere Berichte (z.B. Signale 1875, S. 244).Unter den Stimmen der unvermeidlichen, aber unter dem kolossalen Eindruck völlig kleinlaut gewordenen Kritik heben wir nur diejenige von Ambros über ›Siegfrieds Tod‹ hervor. ›In diesem staunenswerten Stuck ist das Wunder bewirkt, den großen und breiten Stil mit der feinsten Detailausführung zu vereinigen. Man prüfe Wort für Wort der Dichtung und halte es mit seiner musikalischen Betonung zusammen – hier ist das Wort zum Ton und der Ton zum Worte geworden! Nie hat Wagner seine Prinzipien glänzender gerechtfertigt, als hier, und man darf sagen, daß hier das Zusammenwirken beider Künste eine kaum erhörte Intensität des Ausdruckes zum Ergebnis hat.‹


18 Der Meister versprach Bruckner, er werde dereinst dessen sämtliche Werke zur Aufführung bringen, ›sobald er nur erst sein Lebenswerk, das Zustandekommen der Bayreuther Bühnenfestspiele, gesichert Hätte‹. (Österr. Musik- und Theaterzeitung, 8. Jahrg., Beilage zur Doppelnummer 6 u. 7.)


19 ›Gedichte‹, S. 113 (urspr. in ›Briefe Wagners a. E. Heckel‹, S. 99.)


20 Adolf Wilbrandt, dessen ›Arria und Messalina‹ sich eben in Wien, dank der beliebten Schauspielerin Charlotte Wolter, der unerhörtesten Erfolge erfreute.


21 Es muß dahingestellt bleiben, auf welchem Wege und durch wessen Empfehlung er gerade zu dem von ihm gewählten Advokaten gekommen war; nach Wagners eigener Erklärung aber hatte man sich eben dieses Mannes ›bereits vor mehreren Jahren zu einem nichtswürdigen Streiche gegen ihn bedient (!)‹ Das läßt tief in den Zusammenhang blicken, dem Sempers Arglosigkeit nach der einen und sein Mangel an Vertrauen nach der anderen Seite hin zum Opfer fallen mußte!


22 Alles dieses, und somit das Wesentliche, wird aus der einseitigen, die Sachlage unvollständig überblickenden Schrift seines Sohnes Manfred Semper (›Das Münchener Festspielhaus‹, Hamburg 1906) keineswegs völlig klar, trotz der darin mitgeteilten interessanten Dokumente.


23 Vgl. Band III (II2) d. vorlieg. Werkes, S. 128/29.


24 Bayr. Blätter 1900, S. 94/95.


25 Man sollte es nicht glauben, läge nicht in den gedruckten Briefen H. v. Bülows (Bd. V, S. 261) seine ausdrücklich abgegebene, dahin lautende eigene Erklärung vor, wie nicht minder Bülows Antwort darauf. ›Ich bitte Dich aufs inständigste‹, so lautet diese Antwort ›ich beschwöre Dich, erscheine am Montag im Künstlerverein. Tu' mir die Liebe, nicht obgleich, sondern weil mein Freund! Wäre Liszt in Hannover, es würde ihm sicher gelingen, Dich umzustimmen. Sieh', es wäre doch – mit gütiger Erlaubnis Deiner Frau Gemahlin – eine Nationalschande, wenn, »Bayreuth« nicht zustande käme‹ etc. Bülow weilte damals, körperlich leidend und doch unausgesetzt tätig, in London, nachdem ihm soeben das schwere Mißgeschick passiert war, daß ihn sein geschäftlicher Agent George Dolby (merkwürdigerweise ein Schwager des vortrefflichen Prosper Sainton!) – durch einen unerhörten Vertrauensmißbrauch – um die Summe von 10000 Talern (1494 £), mithin um ein Jahr mühevollen Ringens, betrogen hatte!


26 Briefl. an Levi, 8. Juni 1875 (Bayr. Blätter 1901, S. 25).


27 Vgl. hierzu und zum folgenden: Prof. Hans Sommer, ›R. Wagner in Braunschweig, ein Erinnerungsblatt‹ (Bayr. Taschenbuch 1892, S. 135 ff.).


28 Ebenda, S. 137/39 (verkürzt).


29 Bayr. Taschenbuch 1892, S. 134.


30 Diese Hoffnung bestätigte sich nicht; im Verzeichnis der ausgegebenen Patronatscheine haben wir den Herzog von Braunschweig nicht angetroffen.


31 Vgl. den Brief an Heckel vom 10. Mai: ›Wir sind schlimm daran, und kaum weiß ich noch, woher ich die diesjährigen Proben bestreiten soll! Alles kostet mehr, als angenommen war, und Runckwitz frißt alles auf!‹ (Briefe an Heckel, S. 97.)


32 Verkürzt, nach Bayreuther Blätter 1903, S. 197.


33 Band IV (III1), des vorlieg. Werkes, S. 163. 440.


34 Hans v. Wolzogen, ›Richard Wagner und die Tierwelt, auch eine Biographie‹ (Leipzig, Hortung 1890), S. 57. Durch diese Angabe wird zugleich die gänzlich unbegründete Notiz bei Oesterlein (III, S. 43) berichtigt, wonach ›dem Meister sein Lieblingshund böswillig vergiftet worden sei‹.


35 ›Das Gerücht von einer ersten ungekürzten Wiener »Meistersinger«-Vorstellung reduziert sich also in Wahrheit dahin, daß man bei uns neulich das Wagnersche Musikdrama weniger vollständig hörte, als gelegentlich der Gastspiele von Franz Betz (1871/73)‹, ließ sich das ›Musikal. Wochenblatt‹ schreiben.


36 Zum letzten Male wird es in einem Briefe an Levi vom 9. Oktober 1875 erwähnt: ›Sr. Majestät hatte ich ja voriges Frühjahr eine Privataufführung meines letzten Wiener Programms mit Herrn und Frau Vogl (als Siegfried und Brünnhilde) vorgeschlagen. Es ward nichts daraus! Nun ist's zu spät!‹ (Bayreuther Blätter 1901, S. 26.)


37 10. Mai 1875 (an Heckel): ›Schicken Sie mir nur Herrn Unger! Ich habe mit ihm Gutes im Sinne, namentlich auch für ihn selbst. Wenn ich sehe, daß etwas mit anzufangen ist, studiere ich ihm den Tannhäuser für Wien ein, wo er dann engagiert werden dürfte.‹ – 25. Mai: ›Unger kommt immer noch nicht, trotzdem ich ihm telegraphisch zweimal Bedeutendes in Aussicht stellte. Ich glaube, ich muß ihn auch von vornherein aufgeben.‹


38 Ein wirkliches Geschenk an ihn war in jenen Tagen die vollständige gestochene ›Tristan‹-Partitur!


39 Vgl. Band IV (III1) des vorliegenden Werkes, S. 62, mit dem dort angeführten naiven Geständnis Weißheimers, wonach er das unschätzbare Dokument nicht etwa aus bloßer Nachlässigkeit, vielmehr mit kalter, wohlüberlegter Absicht zurückbehalten habe: er hatte gehofft (!), Wagner würde vergessen (!!) haben, wem er es übergeben!!


40 Cornelius, Briefe II, S. 251.


Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 160-187.
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