XX.

Das Erbe.

[786] Die Lage des Bayreuther Werkes nach des Meisters Tode. – Der ›Glaube‹ als schöpferische Macht. – ›Tristan‹ und ›Meistersinger‹ in Bayreuth. – ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹. – Wiederaufnahme des ›Ringes‹ nach zwanzigjähriger Pause. – Urheberrechts-Novelle im Deutschen Reichstag. – Prinzregententheater in München, ›Parsifal‹ in New-York. – Weitere Entwickelung der Festspiele.


Der König schied. Und sieh! die Königin

gab Sinn und Seele liebetreu dahin,

daß ihres Helden hehre Königswerke

lebendig blieben all in heil'ger Stärke.

O Frau, vor allen Frau'n gebenedeite,

um Lieb' und Treu' erhöht wie keine zweite!

Hieß Lieb' und Treue je des Weibes Zier,

ward Weibheit nie so stolz gekrönt wie hier:

die Minnetat geübt im höchsten Sinn –

ward eines Heiligtumes Priesterin;

da sie der Frauentreue Preis gewann –

war's für ihr Volk, war's für die Welt getan!

So lohnt hier Weibeswert Unsterblichkeit:

Vor allen Frau'n ist sie gebenedeit!

›Werdandi‹ 1908 (E. König).


Nach einem uralt menschlichen Glauben wird der am Abend ins ewige Schattenreich untertauchende Sonnengott nachts von der milden Mondgöttin abgelöst und diese in der Frühe des kommenden Tages wiederum von der strahlenden jungen Morgensonne. Sterbend hinterläßt also der Sonnengott seine Macht der Mondgöttin, die als treue Gattin sorgsam darüber wacht, bis ihr Abkömmling, der jugendliche Sonnengott, erwachsen ist und das hinterlassene Erbe antreten kann. In dieser Dreiheit war der Volksanschauung der ewige Sieg des Lichtes und damit zugleich die tiefste Erklärung vom Wesen der Gottheit an sich gegeben, als einer Dreieinigkeit von Vater, Mutter und Sohn.1 Seit uralter Zeit wurden besonders in Ägypten drei höchste Götter: [786] Osiris, Isis und Horus verehrt; eine nicht ungewöhnliche religiöse Vorstellung war deshalb jene Gestalt eines Weibes mit einem Kind auf dem Schoße, in welcher man vermeint hat, das Vorbild für die späteren Madonnenbilder zu erkennen: es ist die Göttin Isis mit dem Knaben Horus. Eine wundervolle Erneuerung sollte der uralte Mythus vom siegenden Fortleben des Göttlichen finden, als der König im Reiche der deutschen Kunst das Auge schloß. Wiederum war es die Gattin-Mutter, die sein Lebenswerk vor Untergang und Verwesung wahrte, welcher es sonst unzweifelhaft hätte verfallen müssen, um es zu weiterer Verwaltung dem echtesten Sprossen zu übertragen.

Dreizehn Jahre später leitete Siegfried Wagner zum erstenmal an Stelle Hans Richters eine Aufführung des ›Ringes des Nibelungen‹. Es war bei diesem Anlaß, daß seine erhabene Mutter sich in einem offenen2 Schreiben ›an die Herren Geheimräte v. Muncker und v. Seckendorf‹ über ihre Mitwirkung am Bayreuther Werke in den nachstehenden, der genialen Frau würdigen stolzen Worten vernehmen ließ: ›Was die übermäßig ehrenvolle Anerkennung meiner Anteilnahme an unseren Festspielen betrifft, so möchte ich es mir gestatten, hier eine Überzeugung auszusprechen, welche bei mir unerschütterlich ist, die Überzeugung, daß jeder in meiner Lage das Gleiche getan hätte. Die Kraft der Sache hat hier gewirkt. Dieser heiligen Kraft zu dienen, dies war mein Trachten, und dieses Trachten hat mir die Stützen unserer Sache erhalten und neue Freunde und Helfer zugeführt. In erster Linie muß ich des Freundes gedenken, ohne welchen die Festspiele unmöglich geblieben wären. Überblicke ich in diesen zwanzig Jahren die Tätigkeit Adolfs von Groß, die ich vielleicht allein in ihrem Umfange und in ihren Mühsalen und Prüfungen kenne, so erhebt sich mein Dankgefühl zu Gott, der einen solchen Freund und Förderer uns bestimmte. Von da ab blicke ich auf Diejenigen, die sich freudig in den Dienst unserer Sache stellten, die mir beistanden mit Rat und Tat, mir stets die Schwierigkeiten zu überwinden halfen und unermüdlich so manche Widrigkeit mit mir ertrugen.‹ Mit ›Stolz und Dank‹ werden die Namen: Richter, Levi, Mottl, Kniese, aber auch Porges und Klindworth angeführt. ›Nannte ich die ältesten unter den ersten, so entspräche es meinem Gefühle nicht, wenn ich des jüngsten, meines Sohnes, nicht gedächte. Im Beginn seiner Laufbahn begegnete er dem mißgünstigen Zweifel, wie er in unserer Welt zu erwarten war; er besiegte ihn, sicherte seine Stellung als Orchester-Dirigent und widmete nun unserem Werke seine Dienste auf der Bühne.‹ ›Es ist meine erhebende Überzeugung, daß, wenn ich heute die Augen schlösse, unser Werk weitergeführt werden und gedeihen, und daß mein Verschwinden kaum bemerkbar sein würde.‹

[787] Wir haben nicht die Absicht, in diesem kurzen Schlußabschnitt eine Geschichte der Bayreuther Festspiele zu schreiben; nur die Gesichtspunkte für eine Erfassung der vollen Bedeutung dieser Entwickelung zu bestimmen, erachten wir hier – im Anschluß an unsere biographische Darstellung – für unsere Aufgabe. Wie die Dinge standen, als der Meister von der Fortführung seiner ihm so lange verwehrten und verzögerten Lebensaufgabe abberufen wurde, das haben wir gesehen: ›Nicht einen Menschen weiß ich, der mir auch nur eine Branche meiner Wirksamkeit für die Aufführungen abnehmen könnte, nicht Einen, der mein richtiges Tempo, richtigen Vortrag, richtige Bewegung, dramatisch, szenisch oder dgl. statt meiner zu geben imstande wäre; ich bin nun siebzig Jahre alt geworden und kann nicht einen einzigen Menschen bezeichnen, der in meinem Sinne irgend einem der bei solch einer Aufführung Beteiligten, sei es den Sängern, dem Orchesterdirigenten, dem Regisseur, dem Maschinisten, dem Dekorateur oder dem Kostümier das Richtige sagen könnte. Ja, ich weiß fast keinen, der auch nur im Urteil über Gelungenes oder Nichtgelungenes mit mir zusammenträfe, so daß ich mich auf das seinige verlassen könnte‹ (S. 695). Er konnte daher keinen anderen Wunsch hegen, als daß es ihm vergönnt sein durfte, noch eine längere Reihe von Jahren seine Leute richtig anzuleiten und zu belehren, und daß einfach hieraus ein Ersatz sich herausstellte. Eine längere Reihe von Jahren, in deren Verlauf es ihm dann auch möglich sein sollte, den eigenen Sohn zu seiner Vertretung nach seinem Tode anzuleiten und seine ›Maturität‹ zu erleben! Und wenn es auch nur zehn Jahre wären: ›denn mit 23 Jahren zeigt einer schon, was er ist!‹ Wir haben all diese Aussprüche schon im einzelnen angeführt und verbinden sie hier nochmals zu einem Ganzen, um zu zeigen, wohin seine Hoffnungen sich richteten, damit sein Leben mit all seinen Kämpfen nicht vergeblich gewesen sei! Nicht einer seiner bisherigen ›Dirigenten‹ wäre dazu von ihm befähigt erachtet worden, außerhalb seines Platzes am Dirigentenpult das geringste für das Gedeihen des Ganzen zu tun!

Man vergegenwärtige sich außerdem die gesamten äußeren Verhältnisse, wie sie damals in Deutschland lagen. Viele Hunderte von Lorbeerkränzen und Tausende von Beileidstelegrammen bewiesen das dumpfe Gefühl davon, daß die Welt mit diesem Verlust plötzlich eines unermeßlichen Wertes beraubt, daß ihr Niveau gesunken sei. In keiner der größeren Städte Deutschlands fehlte es an Veranstaltung von ›Trauerfeiern‹,3 manches wohlgemeinte Dichterwort gelangte dabei zur Anhörung;4 in all diesen poetischen Ergüssen aber [788] handelte es sich doch nur immer um den Meister und das unsterbliche Fortleben seiner Schöpfungen an den gleichen Stätten, an denen diese Aufführungen stattfanden, nie aber mit einem Wort um sein Lebenswerk. Bayreuth, – so daß sie mit all ihrem äußeren Trauerglanz nur als ebensoviele öffentliche Verleugnungen seines wahren Wesens gelten konnten. Für das deutsche Volk existierte Bayreuth noch so gut wie gar nicht. Wer dies heute, nach drei Jahrzehnten, für unmöglich halten sollte, dem wollen wir hier nur zwei Anhaltspunkte zu weiterem Ausmalen des übrigen an die Hand geben. Wir gedachten soeben der Tausende von Beileidstelegrammen aus aller Welt, von denen aber die deutschsprachlichen, soweit sie von Körperschaften, Verbindungen, Vereinen ausgingen, zum kleinsten Teil aus Deutschland selbst, der großen Masse nach vielmehr aus Österreich kamen.5 Amerika war durch Telegramme aus San Franzisko, Boston, Philadelphia, New Orleans vertreten, alles mehr oder weniger schemenhaft, und wir entsinnen uns aus jenen düsteren Trauertagen nur einer solchen Depeschen-Nachricht (aus Hoboken in New-York), die einen Eindruck unter den verwaisten Angehörigen hervorrief, wonach nämlich sechzig fränkische Bauernfamilien, im Begriff nach Kansas zu ziehen, um sich dort anzusiedeln, ihre Niederlassung zu Ehren des Meisters ›Richardsdorf‹ nennen wollten. Was aus diesem ›Richardsdorf‹ später geschichtlich geworden, das entzieht sich unserer Kenntnis; doch ward hier wenigstens eine Berührung mit der Volksseele empfunden. In der Reichshauptstadt Berlin hingegen, wo seit Jahrzehnten Judentum, Professorentum und Reichstagsabgeordnete die herrschende Rolle spielten, konnte es geschehen, daß nicht allein das – nominell – erste musikalische Institut Deutschlands, die Berliner Hochschule für Musik, zu dem erschütterndsten Ereignis sich völlig schweigend verhielt, sondern auch der vornehmste Vertretungskörper der Nation, der deutsche Reichstag, mit vollkommener Gleichgültigkeit daran vorüberging. ›Auch nicht die Spur einer Notiz‹, schrieb damals (27. Februar 1883) A. Wyneken in der ›Königsberger Allg. Zeitung‹, ›hat der deutsche Reichstag von Wagners Tode genommen; die Herren haben sich zu Ehren dieses bedeutenden deutschen Mannes nicht einmal von ihren Sitzen erhoben. Der österreichische Reichsrat, der Wiener Gemeinderat, die kommunale Verwaltung Münchens, das Munizipium Venedigs haben sich, durchdrungen von [789] der Bedeutung des Augenblicks, zu imposanten Kundgebungen herbeigelassen, – der deutsche Reichstag allein hat geschwiegen. Kein Wort des Beileids ist erklungen von der Stelle, in welcher die Nation stolz den natürlichen Sammelpunkt ihrer geistigen Kräfte, ihrer politischen und kulturellen Aufgaben erblickt. Darin muß für einen großen Teil der Bevölkerung etwas Verletzendes liegen. Was würden in Frankreich der Senat, was die Deputiertenkammer getan haben in dem Augenblicke, wo die Todesnachricht, etwa vom Ableben Victor Hugos, sie erreicht hätte? Es konnte sich doch in diesem Augenblick unmöglich um das Für und Wider der Wagnerschen Kunst, sondern nur darum handeln, daß in ihm nicht allein der größte deutsche Künstler unserer Zeit, sondern auch einer der wärmsten Patrioten dahingegangen. Es ist eine durchaus einseitige Sache, in Wagner nur den Musiker sehen zu wollen. Er war mehr als das, war ein Förderer der Kultur. Die Größe, der Glanz, die Neuheit seiner Ideen riefen eine Bewegung hervor auf den meisten Gebieten des geistigen Lebens; beinahe jeder unserer namhaften Denker, Dichter und Künstler ist irgendwie und irgendwann, oft sogar gegen seinen Willen, bei dem um Wagner entbrennenden Kampf der Geister engagiert worden. ... Und daß dieser Mann die Gruft gesenkt worden, ohne daß der deutsche Reichstag ein Wort der Anerkennung, des Beileids gefunden, das – ist ein wunderlich Ding.‹ Es war ein ›wunderlich Ding‹, und ist es auf ferne Zeiten hinaus bei jedem erneuerten Anlaß, bei jeder Gelegenheit geblieben, wenn diese Körperschaft je mit einem Problem zu tun bekam, das irgendwie mit dem Meister und seinem Werke, oder der Wahrung seiner Interessen zusammenhing Jenes äußerste Mindestmaß an allgemeiner Bildung, welches der deutsche Wähler von der Gesamtheit seiner ausschließlich politisch geschulten Fraktionsvertreter verschiedenster Färbung und Richtung verlangt, reichte überhaupt kaum bis zum Begriffe einer nationalen Kunst und Kultur, geschweige denn bis zu der Einsicht, daß es die Anfänge einer solchen deutschen Kunst und Kultur, als das Geschenk eines einzigen überragenden Genius, bereits besaß und ihnen eine Förderung aus allen seinen Kräften schuldig war. Rührte sich in diesen offiziellen Kreisen, wie auch unter Deutschlands Fürsten, Politikern, Gelehrten, auch nur eine Hand, um – Bayreuth zu erhalten, zu pflegen, zu begünstigen? Hatte man hier auch nur eine Ahnung, daß diese Festspiele ein Ruhm und Stolz des deutschen Landes, der deutschen Kunst seien? Hier wurde ›mit Hartnäckigkeit daran festgehalten, daß die Kunst ein Metier sei, welches seinen Mann oder seine Frau zu ernähren habe; der allerhöchst gestellte Hoftheater-Intendant kommt hierüber nicht hinaus, und somit fällt es auch dem Staate nicht ein, sich in Dinge zu mischen, welche mit der Regelung der Gewerbeordnung für abgemacht gelten. Da hält man es mit Fra Diavolo: »es lebe die Kunst, und vor allem die Künstlerinnen«, und läßt die Patti kommen. ... Wenn [790] uns heute ein neuer amerikanischer Krösus, oder ein mesopotamischer Krassus, Millionen vermachte: sicher würden diese unter Kuratel des Reiches gestellt, und auf meinem Grabe würde bald Ballett getanzt werden‹ (S. 288f.). Diese bittere Klage des größten deutschen Genius blieb auch nach seinem Tode trotz aller ›Trauerfeiern‹ gleichmäßig in Kraft. Nicht genug, daß man die materielle Sorge für das Lebenswerk des gewaltigen Abgeschiedenen stumpf und gleichgültig ausschließlich seinen nächsten Angehörigen überließ, die es – keines Dankes von außen gewärtig – mit höchster Selbstaufopferung schweigend weiterführten, das Bayreuther Unternehmen ward in seiner eigenen nationalen Umgebung bei jeder Gelegenheit, wo es ihm schaden konnte, in der deutschen Presse als ›Familienangelegenheit‹ apostrophiert, die das deutsche Volk nichts anginge und bloßen Privatzwecken diene!! Ganz wie es bei seinen Lebzeiten geschehen war.

Als ein internationales ›Friedenswerk‹, nach allen vorausgegangenen Erschütterungen des großen deutsch-französischen Krieges, bezeichneten wir seinerzeit das erhabene Weihefestspiel: ›nämlich als das Symbol der höchsten Feier eines Volkes, das, in der Mitte Europas, vor allem die Aufgabe hat, eine Friedensmacht zu sein, und in welchem daher alle diejenigen Regungen die sorgfältigste Stärkung und Pflege erheischen, welche, allein auf geistige Eroberungen ausgehend, die Keime einer fruchtbaren, wahrhaft deutschen Friedenskultur in sich tragen. Dringe sie von hier aus auch in das Leben des deutschen Volkes; möge zu keiner geringeren Wirkung das Friedensgeläute der Glocken von der heiligen Burg des Grales erschallen!‹6 Auch diese hohe Aufgabe Bayreuths, seine Kulturwirkung auf die Angehörigen fremder Nationalitäten, begann sich zu verwirklichen, durch ein wachsendes Zuströmen gebildeter kunstsinniger Elemente des Auslandes. Ganz wie zu des Meisters Lebzeiten blieb die Aufmerksamkeit von Franzosen, Engländern, Amerikanern auf Bayreuth gerichtet; nicht allein stammverwandte Skandinavier, Holländer, Dänen fanden sich ein, sondern auch Italiener und Spanier: ja die Anmeldungen der Nichtdeutschen zu den angekündigten Aufführungen waren fast immer die frühesten und ihre Liebe und Begeisterung für die Sache um so auffälliger, als das volle Verständnis der kerndeutschen Weltanschauung des Meisters und seiner Kunst ihnen dennoch versagt blieb. Jedes andere Land und Volk wäre auf diese Anziehungskraft seiner eigentümlichsten Kunst stolz gewesen; genau umgekehrt machte es der Deutsche. Vielmehr nahm er gerade aus seiner eigenen üblen Vernachlässigung der Idee seines größten Meisters den Anlaß, aus diesem für ihn schmachvollen Verhältnis noch vollends die hämische Anklage zu formulieren: Bayreuth sei eine Luxuskunst für die Ausländer, die es sich leisten könnten, dazu aus der Ferne herbeizureisen. ›An dem Tage, wo zwanzigtausend [791] Deutsche das Bedürfnis empfinden, den Bayreuther Festspielen beizuwohnen, wird ja ohnehin kein Ausländer dort mehr Platz finden; diesen Tag werde ich freudig begrüßen‹, schrieb einst (1896) H. St. Chamberlain.7 ›Nun, es hat überhaupt‹, fügt Hans von Wolzogen hinzu, ›der Zahl nach niemals mehr Fremde als Deutsche in Bayreuth gegeben; wenn aber die Fremden eher kamen, sollte man sie etwa dafür mit Zurückweisung bestrafen, daß sie den Deutschen vorangegangen sind, daß sie stets unbedingter die Bedeutung von Bayreuth anerkannt, sich oft verständnisvoller und begeisterter darüber geäußert, ihren Dank ausdrücklicher kundgetan haben? Ernstlich aber behaupten, daß Bayreuth für die Ausländer da sei, dürften die Deutschen doch nur dann, wenn eben sie – nicht für Bayreuth dasein wollten! Damit hätten sie selber zwar das Publikum undeutsch gemacht: das Kunstwerk aber bliebe deutsch und einzig deutsch und teilte am Ende auch nicht deutschgebornen Seelen, die innig nach ihm verlangen, etwas vom wahren deutschen Geiste mit.‹8

In diesen, immer wieder erneuten Erfahrungen von Anfeindung und Verdächtigung, Mißtrauen und Abneigung gegen das Große (sobald dafür ein Opfer gebracht werden sollte – denn geschenkt nimmt der Deutsche alles, aus welchen Händen es auch sei!), setzte sich der bis dahin gegen den lebenden Meister geführte Kampf auch nach seinem Tode gleichmäßig fort. Ein merkwürdiges Phänomen, für die gesamte deutsche Bildung und ihr Verhalten zur lebendigen Kunst charakteristisch! Für sie kann kein Künstler, kein Meister tot genug sein; solange noch eine Spur von ihm lebendig wirksam bleibt, verfolgt sie dieses Lebende mit unerbittlichster Bekämpfung. Man würde Richard Wagner alles, sein ganzes Dasein, alle seine Werke verziehen haben, wenn es nur jetzt wirklich mit ihm aus gewesen, seine Kunstschöpfungen als vogelfreies, herrenloses Gut dem ›Wettbe werb‹ jedes Theater- und Konzertinstitutes zu beliebiger Ausnützung, seine Werke und Schriften den Musikalienhändlern und Buchdruckern überlassen geblieben wären, und in jeder größeren Stadt eine Richard-Wagnerstraße, ein Richard-Wagnerplatz, ein steinernes Denkmal als Zeuge dessen dagestanden hätte, daß er – wie all seine Vorgänger – seinem Volke nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu lehren, nichts von ihnen zu fordern hätte. Denn etwas anderes bedeuten ja jene Denkmäler nicht. Als Ersatz dafür jene matten Gemütsregungen, jene lauwarme Begeisterung bei Theater- und Musikaufführungen und eine ausgebreitete Wagner-Literatur und -Philologie, Ausgaben von Werken und Schriften in jeder Gestalt; nur kein Leben, keine Fortführung seines Bayreuther Werkes, das ja von jeher für eitel ›Romantik‹ und die Ausgeburt einer exzessiven Künstlerphantasie erklärt worden [792] war. Daß große deutsche Männer Familienangehörige, insbesondere auch Söhne hinterließen, deren Unfähigkeit ja meist schon durch die Beschaffenheit der entsprechenden Mütter garantiert war, das war schon oft genug begegnet, so daß es schon zum allgemein akzeptierten Dogma werden konnte, diese müßten mißraten, weil die Natur sich bereits an ihrem Vater erschöpft habe. In diesem Sinne würde sich der Deutsche über den Tod Richard Wagners völlig beruhigt, völlig vergebens würde der Meister für ihn gelebt haben, das Bayreuther Festspielhaus würde verödet und zerfallen sein. Es hätte eben eine Ruine mehr auf dem Boden des deutschen Vaterlandes gegeben, anstatt einer Lebensquelle, – nichts weiter!

– ›Denn seht, Euch fehlt der Glaube!‹ –

Aber, der sein langes schweres Leben hindurch den Glauben an sich und seine Kunst als unveräußerliches Eigen in sich gehegt, er hatte auch die Kraft besessen, ihn durch sein Beispiel und Vorbild, den täglichen Verkehr mit ihm, auf die Seinigen, die ihm Nächststehenden zu übertragen. Ohne solchen bergeversetzenden Glauben wäre auch jedes Wollen unfruchtbar gewesen. Ja, ein wahrhaftes Wollen ist ohne diesen Glauben an seine Sache undenklich. Und es gab in der ganzen weiten kalten Welt ein Wesen, das ihn hegte. Wohl lag dieses einzige und einzigartige Wesen nun scheinbar gebrochen auf dem Schmerzenslager einer erhabenen Trauer, aber auch aus dieser düster einsamen Abgeschiedenheit heraus wirkte es auf die gesamte künstlerische Körperschaft, und die nicht versiegende Treue des Verwaltungsrates tat das übrige.

›An den Festspielen des Jahres 1883‹, sagt Chamberlain in seinem bereits erwähnten Rückblick,9 ›ist vor allem die Treue der Künstler zu rühmen. Man nahm allgemein an, mit dem Tod des Meisters sei auch den Festspielen der Lebensnerv abgeschnitten; die Künstler taten, was an ihnen lag, um die Welt vom Gegenteil zu überzeugen. Durch diese moralische Tat rechtfertigten sie das unbegrenzte Vertrauen, welches der Heimgegangene in sie gesetzt hatte. Im übrigen ist es nicht zu verwundern, wenn die, »führerlose Ritterschaft« keine Zunahme jenes nötigen »sorglich gepflegten Bewußtseins vom Richtigen« aufwies‹, – zu welcher die letzten vom Meister selbst geleiteten Aufführungen die Grundlage gelegt hatten. Scaria, der unübertreffliche Gurnemanz des Vorjahrs, hatte die Regie übernommen. ›Das war mutig und schön von ihm; es hätte auch für die Verhältnisse gerade jenes Jahres kein geeigneterer Mann gefunden werden können; galt es doch vor allem durch Kraft und Jovialität und durch ein einigermaßen ungestümes Selbstvertrauen die Künstler [793] vor dem sie umgebenden, ansteckenden Kleinmut zu bewahren! Gerade hierzu eignete sich Scaria, wie kein zweiter: in einem kritischen Augenblick hat er der Sache Bayreuths in selbstloser Weise einen wesentlichen Dienst geleistet; darum verdient sein Name ein ehrendes Angedenken ... Wie weit damals der Kleinmut ging, der Mangel an Glauben und – vor allem – das gänzliche Unverständnis für den Gedanken, aus dem Bayreuth entstanden war, das kann sich eine jüngere Generation schwer vorstellen. Es genüge, die Tatsache zu erwähnen, daß aus dem Meister nahestehenden Kreisen der Vorschlag, die Festspiele nach München zu verpflanzen, allen Ernstes und dringend hervorging; das Fortbestehen der Aufführungen in Bayreuth dünkte unmöglich!!‹ Als diese rückblickenden Zeilen (i. J. 1896) aufgezeichnet wurden, war Hermann Levi noch unter den Lebenden; um ihn, den allezeit freundlich Gesinnten, nicht schmerzlich zu kränken, wurde an dieser Stelle sein Name verschwiegen, wozu heute kein Grund mehr vorliegt. Nicht ein persönlicher menschlich-sittlicher Defekt, eine moralische Schuld der Untreue gegen den Meister, nein, ein tragisches Leiden, ein Stück der Tragik in seiner ganzen, gerade durch Chamberlain so liebevoll bedeutend erkannten und dargestellten menschlichen Natur10 war hierbei mit im Spiele, daß der Treffliche die Kraft des ›Glaubens‹ nicht besaß. ›Mit den Festspielen des Jahres 1883 begann überhaupt eine schwere Zeit für Bayreuth; erst als wieder der bestimmende Einfluß einer überragenden Persönlichkeit überall neues Leben hervorrief, trat eine entschiedene Wendung ein. Das begann aber erst 1886 und drang erst 1888 siegreich durch.‹ Diese überragende, alles durch ihren Glauben an die ›Sache‹ siegreich beherrschende, das Schmerzlichste, Kränkendste überwindende Persönlichkeit hatte den ›Gedanken, aus dem Bayreuth entstanden war‹, aus unmittelbarstem Miterleben besser gefaßt; sie wußte ihn auch durch die moralische und geniale Kraft dieses Glaubens zaglos aufrecht zu erhalten und auf ihm das Königreich des Grales zu begründen, als welches heute Richard Wagners Bayreuther Werk vor uns dasteht, unablässig den vergifteten Pfeilen unserer ganzen Welt der wechselnden ›Moden‹ ausgesetzt und doch von ihnen unberührt durch seine unversiegliche innere Kraft sich erhaltend.

Noch einmal: es muß uns durchaus fernliegen, im engbemessenen Raum dieser unserer Schlußbetrachtung eine Geschichte der Festspiele, wozu auch eine Chronik derselben im einzelnen gehören würde, zu schreiben. Wir übergehen schweigend die Aufführungen von 1884, in denen ganz im stillen eine Arbeit unternommen wurde, deren Resultate schon die nächstfolgenden Festspiele aufwiesen, um dann in schnellem Zuge von einem Triumph deutscher Kunst zum andern zu führen. Mit den Festspielen 1886 aber trat die hohe Frau, [794] die von nun an die Seele aller Bayreuther Leistungen bildete, zwar nicht für das Publikum, aber für die von ihr angeleiteten Künstler aus ihrer unsichtbaren Reserve hervor. Sie hat aus der Kraft der Liebe Bayreuth recht eigentlich der Welt geschenkt, ohne sie wäre es nicht errichtet, ohne sie nicht erhalten, ohne ihre geniale Betätigung nicht bloß in der Konservierung des Vorhandenen, sondern in der noch ausstehenden Neuschöpfung des Stiles die hinterlassenen Pläne und Absichten des Meisters nicht verwirklicht worden. Sie begann ihr großes Neuschöpfungswerk mit der Aufnahme des ›Tristan‹ neben dem ›Parsifal‹ in das Aufführungsprogramm; schon weil die geringere dafür erforderliche Zahl von Künstlern es ihr erleichterte, das durchzusetzen, was die Voraussetzung einer jeden Bayreuther Darstellung ausmacht: die völlige Unterordnung des ausübenden Künstlers unter den Gesamtorganismus des Kunstwerkes, das Aufgeben jeder opernhaften Untugend des Virtuosentums, das minutiöse und doch freie Eingehen auf jede einzelne Absicht des Schöpfers, die Erfahrung einer Aufführung, bei welcher das Kleinste mit ebensoviel heiligem Ernst berücksichtigt wird, wie das Größte. Und dazu vergegenwärtige man sich die zwiefach tragische Bedeutung gerade des Jahres 1886, in welchem zuerst, mitten während der Probenzeit, der königliche Beschützer des Meisters und seines Werkes (13. Juli), dann wiederum, mitten während der Aufführungen, Franz Liszt (31. Juli) durch einen jähen Tod abberufen wurde!11 Man vergegenwärtige sich ferner, daß alles Herrliche, Wundervolle, was hier durch die treibende Kraft einer allesbeseelenden Begeisterung geschaffen wurde, sich auf das Kunstwerk selbst beschränkte, während die meisten dieser Aufführungen nur vor halbgefüllten Häusern vor sich gingen, so daß bereits die Besorgnis sich ergab, was wohl eines Tages geschehen würde, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis etwa politischer Art, eine Kriegserklärung oder dgl., das Zustandekommen einer Aufführung verhindern würde, nachdem bereits alle Kontrakte dafür abgeschlossen waren. Der ganze kleine sog. Festspielfonds wäre dann, da er sich durch kein zahlendes Publikum mehr wieder einbrachte, mit einem Schlage gesprengt gewesen! Der Versuch eines erneuten sog. ›kleinen Patronates‹, auf eine bloß fünfjährige Dauer und nur fünfzig Mitglieder berechnet, von denen ein jedes sich verpflichtete, jährlich die Summe von eintausend Mark als Beitrag zu entrichten, sollte dieser drohenden Sorge durch Schaffung eines Garantie- oder Reservefonds entgegentreten; eine Anzahl deutscher Fürsten, an ihrer Spitze der damalige Kronprinz des deutschen Reiches, der spätere Kaiser Wilhelm II., hatte sich fördernd dazu [795] verhalten; aber selbst dieses bescheidenste aller Patronate gelangte nie zu vollem Abschluß, weder in bezug auf die zu erreichende Anzahl der Beisteuernden, noch auch in bezug auf ein wirkliches Eingehen der in Aussicht gestellten Zahlungen. Inzwischen gestalteten sich die Verhältnisse aus eigener Kraft so weit günstiger, daß die säumigen Mitglieder wenigstens nicht gemahnt zu werden brauchten.

Dies gelang durch die Festspiele von 1888 (›Parsi fal‹, ›Meistersinger‹) und 1889 (›Parsifal‹, ›Tristan‹, ›Meistersinger‹). Gehörte ein bereits sehr kultivierter Kunstsinn, wie er den Deutschen nicht eigen, dazu, um das Unterscheidende und Unvergleichliche einer Bayreuther ›Tristan‹-Aufführung klar zu erkennen; war es hier für den bloß von außen hinzutretenden Apperzipierenden noch schwierig, die Gesamtleistung von der Einzelleistung der zwei Hauptsänger zu trennen, auf denen alles zu beruhen schien: so empfand man hiergegen bei den ›Meistersingern‹, daß keine Bühne der Welt jemals etwas annähernd Ähnliches für dieses Werk geleistet hatte, und erkannte zugleich, daß keine es auch nur versuchen konnte. Von einer ›Nachahmung‹ der Bayreuther ›Meistersinger‹ war nie und nirgend die Rede; hier zum ersten Male mußten auch die Skeptiker und abgehärtetsten Feinde zugeben, daß sie auf offenem Felde geschlagen seien. So haben denn die ›Meistersinger‹ jene traurige Periode des Zweifels und der leeren Bänke überhaupt nicht mitgemacht; sie waren immer vollbesetzt; ja auch der 1886 noch verschmähte ›Tristan‹ ward nun ebenso begehrt, wie der ›Parsifal‹. Von 1882 ab – als eine der traurigsten Bayreuther ›Traditionen‹ – schrieb sich die eigentümliche Erfahrung hinsichtlich des Besuches der Aufführungen her, wonach die kompakte Hauptmasse des Publikums sich zu den jedesmaligen ersten und letzten Aufführungen drängte, die mittleren aber unbesucht ließ, so daß sich die Frequenz der Zuschauer durch eine in der Mitte stark herabsinkende, dann wieder hebende Kurve darstellte; blieb diese Kurve sich tatsächlich fast bis zum heutigen Tage entsprechend, so trat doch mit dem ›Meistersinger‹-Jahre 1888 zuerst die Erscheinung ein, daß sich ihre tiefste Senkung ganz merklich hob, bis es dann im Lauf der Zeiten dazu kam, daß ganz dieselbe Kurve oberhalb des Niveaus der überhaupt möglichen Frequenz sich vollzog und daher auf die größere oder geringere Besetztheit des Hauses ohne praktischen Einfluß ist. Die Aufführungen des Sommers 1889 galten der Befestigung des nach so hartem Kampf errungenen Sieges. Bayreuth mußte künstlerisch, moralisch und finanziell so kräftig werden, daß es, ohne seine Existenz zu gefährden, an die Lösung seiner schwersten Aufgabe herantreten konnte: an die stilistisch korrekte Darstellung der älteren Werke vom ›Holländer‹ bis zum ›Lohengrin‹. Bereits das Jahr 1887, unmittelbar nach dem ›Tristan‹, war dem Willen der hohen Frau gemäß eigentlich für den ›Holländer‹ bestimmt gewesen, und bloß die ungesicherte Lage der gesamten Institution die zwingende Ursache, daß [796] dieses Jahr für die Kunst verloren ging. Es wurde statt dessen ein Pausenjahr, ein Jahr des Sammelns materieller und geistiger Kräfte, der Vorbereitung für jene szenische Verwirklichung der ›Mei stersinger‹, deren siegreiche Vollendung nun auch das Wagnis des ›Tannhäuser‹ ermöglichte. Ein Wagnis! Weshalb ein solches? Seit wir – dank der Belehrung durch Bayreuth – überhaupt erst wissen, was der ›Tannhäuser‹ ist und welche Bewandtnis es mit ihm hat; daß er eigentlich so gut wie ›Parsifal‹ nur in Bayreuth in einer seinem Wesen adäquaten Weise gegeben werden kann: seitdem ist es schwer nachzufühlen, wie es damals im Glauben der Mitwelt, selbst in den Kreisen der sog. ›Wagnerianer‹ (!), mit diesem Werke bestellt war, welches jeder zu kennen glaubte und niemand kannte, da aus den entstellenden opernhaften Aufführungen so wenig, wie daheim am Klavier, eine Kenntnis davon zu gewinnen war. Das aus diesem Nichtkennen und Nichtwissen herangewachsene Vorurteil, die Vorstellung der Inferiorität der ›Oper‹ Tannhäuser gegen das erhabene Bühnenweihfestspiel war so groß, daß selbst altbewährte Gönner und Patrone den Kopf dazu schüttelten und ein Brief nach dem andern bei der Festspielleitung eintraf, um sie anzuflehen, von diesem Vorhaben abzustehen. So war es damals bestellt. Auch hier konnte nur das tief innerste Wissen von der Sache den Glauben stärken, der zur Verwirklichung des zuvor nie Ermöglichten führen konnte.

Mit keiner ihrer bisherigen Leistungen hatten die Bayreuther Festspiele ihre Notwendigkeit so augen scheinlich bekundet, als gerade mit dieser, vom Meister selbst so lange vergeblich ersehnten szenisch-musikalischen Verkörperung des ›Tannhäuser‹. Bis dahin hatte die Welt nur den Tannhäuser Niemanns gekannt, der bis zum schwächsten Tenoristen hinab das allein gültige Vorbild für jeden Darsteller gewesen war, nicht aber den Tannhäuser Richard Wagners; nicht minder wurde, anstatt der bisherigen Primadonnenleistungen zum erstenmal der kindliche und heilige Typus der Elisabeth für immer zweifellos festgestellt. Gleich beim ersten Sich-Auftun des Vorhanges bot sich, anstatt des gewohnten Balletts, ein wirklicher Tanz voll Glut und Leidenschaft, wie ihn der Künstler beim Entwerfen seiner Musik mit geistigem Auge erschaut; und die Versammlung der Wartburggäste zum Sängerkrieg kam in Pracht und Würde einer wirklichen Geistererscheinung aus ferner Vergangenheit gleich. Vor allem aber trat die Idee des Ganzen zum erstenmal in voller Macht und Reinheit hervor, als eine erschütternde Offenbarung des Menschlichen wie des Göttlichen. Zwei Jahre nacheinander (1891 und 1892) wiederholte sich dieses Wunder; bei der Wiederholung im Jahre 1892 zog es auch die bisherigen noch unwiederholt gebliebenen Leistungen nach sich: ›Parsifal‹, ›Tristan‹, ›Tannhäuser‹ und ›Meistersinger‹ erschienen miteinander zu einem großen Zyklus vereinigt. Für die Geschichte der Bayreuther Institution war es bedeutsam, daß in diesem Jahre zum ersten Male auch des Meisters dreiundzwanzigjähriger[797] Sohn, Siegfried Wagner, bei den Festspielen praktisch mitwirkte und seine reichen Gaben zunächst ganz bescheiden in der ›musikalischen Assistenz‹ entfaltete. Bereits zwei Jahre später, bei der ersten ›Lohengrin‹-Aufführung, kam es dann vor, daß er bei einer unvorhergesehenen Abwesenheit Felix Mottls – selbst den Dirigentenstab ergriff, indem er sich für den dritten Akt an die Spitze seiner Musiker stellte und seine Aufgabe so glänzend durchführte, daß das Orchester ihm am Schluß durch einen Tusch eine begeisterte Huldigung darbrachte.

Die ›Lohengrin‹-Aufführung des Jahres 1894 wirkte auf jeden, der sie mit erlebte, als das Vollkommenste, was die Bayreuther Bühne bis dahin geleistet. Noch beim ersten Erscheinen des ›Tannhäuser‹ hatten sich allerlei feindselige Stimmen von außen her zu einer letzten heftigen Bekämpfung vereinigt; ›Lohengrin‹ siegte fraglos, kampflos, widerspruchslos. Es war genau zwanzig Jahre nach dem Augenblick, wo der Meister seinen Freunden erklärte: er müsse sein Bayreuther Unternehmen als gescheitert betrachten; er werde die noch offenen Seiten des Bühnenfestspielhauses mit Brettern verschlagen lassen, damit sich die Eulen nicht darin einnisteten, und bessere Zeiten abwarten;12 genau zehn Jahre nach jenem stillen ernsten ›Parsifal‹-Festspiel, nach welchem die eigentlich leitende Kraft, die Seele dieser Aufführungen, sich aus der Tiefe ihres Schmerzes heraus zu fassen begann und unerschrocken zielbewußt an die aufopferungsvolle, unermüdliche Arbeit schritt, aus welcher die Festspielinstitution erwachsen war und feste Gestalt gewonnen hatte. So war die Erringung des Darstellungsstiles für jedes einzelne der seither aufgeführten Werke allein der einzig genialen Frau verdankt, deren Willenshoheit jeder einzelne der mitwirkenden Künstler von den Trägern der Hauptrollen bis hinab zum letzten Chorsänger und Statisten sich ehrfurchtsvoll unterwarf Ihr Geist war es, der sich mit sicherster Bestimmtheit auf jeden der Dirigenten, jeden musikalischen Assistenten und szenischen Mitarbeiter übertrug; jeder Ton im Orchester, jede Bewegung auf der Bühne war durch sie als einzige lebende oberste Instanz bestimmt und angeordnet; daher die unerhörte Einheit zwischen Musik und Szene, ein Verhältnis der Einzelnen und der Massen; daher die Reinheit und Klarheit der Gesamt-Darstellung in den kompliziertesten Vorgängen auf der Bühne. Es war ein offenes Geheimnis, in wessen Person die ›Festspielleitung‹ sich verkörperte, und die ohnmächtigen Versuche der Feindschaft und des Neides waren in vollem Bewußtsein gegen sie gerichtet, wie umgekehrt jeder begeisterte Dank für erhabene Kunsterlebnisse seitens der Wissenden einzig an ihre Adresse sich richten konnte. In dieser Schule, durch diese tägliche Einwirkung bestimmt, erwuchs auch der künftige Festspielleiter, der vielberufene und beneidete ›Erbe von Bayreuth‹, [798] erwuchs Siegfried Wagner zu der ihm eigenen unfehlbaren Sicherheit in der Beherrschung sämtlicher szenischer und musikalischer Mittel.

Gleich nach Schluß der Aufführungen des ›Lohengrin‹-Jahres wurde mit den Vorbereitungen zur ersten Wiederholung des ›Ring des Nibelungen‹ begonnen. Die Aufgabe der Neubelebung des ungeheuren vierteiligen Werkes war eine um so gewaltigere, umfassendere, als der erstmalige Versuch dazu, im Jahre 1876, in bezug auf die gesamte szenische Darstellung von dem Schöpfer des Werkes als durchaus unzulänglich empfunden war. Hier war demnach nicht nachzuahmen, sondern in jeder Beziehung neu zu erfinden. Von großer Bedeutung war es hierfür, daß die trefflichen Gebrüder Brückner hier durch keine Hoffmannschen Skizzen gebunden waren, sondern sich ihrer eigenen, durch die vorhergehenden Festspiele geschulten Erfindungskraft überlassen durften; vor allem aber, daß ein großer Künstler, wie Hans Thoma, die Entwürfe für die Kostüme übernahm Hierdurch war alles kleinlich Archäologische, welches dem Meister bei der ersten Aufführung seines Werkes bereits in den ihm vorgelegten Figurinen so viele Not bereitet, mit einem Schlage beseitigt und statt dessen die Aufgabe richtig erkannt: anstatt all jenes antiquarischen Kleinkrams in der Ornamentik galt es, durchaus der Dichtung gemäß, eine ideale Tracht für all diese Götter und Helden zu schaffen. Für die Farbenwirkung lautete der Grundsatz: keine halben und gemischten, sondern volle und ausgesprochene Töne, in denen jede Farbe – mit tiefem Gefühl für die Wesenseigentümlichkeit ihres Trägers – in ihrer vollen Potenz und Reinheit zu ihrem Rechte kam. So gelangte die malerisch-bildnerische Sprache des Kunstwerkes zu einer stilistisch einheitlichen Gestaltung, wie man sie zuvor noch nicht erschaut. Für den gesanglich-darstellerischen Teil war es von größtem Gewicht, daß bereits seit einer Reihe von Jahren der ›Festspielleitung‹ in der Persönlichkeit eines Julius Kniese eine Stütze zu Gebote stand, deren vorbildende Wirksamkeit für die schließliche Ausgestaltung im einzelnen die Voraussetzung bot. Auf der Grundlage einer solchen Vorarbeit wurde dann, wie bei allen vorausgegangenen Festspielen, mit jedem einzelnen der zahlreichen Darsteller so anhaltend und unablässig studiert, daß für jeden einzelnen von ihnen daraus der Gewinn eines vollbewußten, immer wieder neu errungenen und befestigten Stilgefühles für Aussprache, Vortrag und Gebärde entstand. Das Ergebnis davon mußte in der schließlichen Aufführung so sehr für sich selbst sprechen, daß, was von seiten einer vorlauten öffentlichen ›Kritik‹ – nach alter Gewohnheit – als Widerspruch gegen die Verkörperung des gewaltigen Werkes sich erhob, fast ausschließlich gegen das positiv Neue in der szenischen und Kostüm-Ausstattung sich richtete. Sehr natürlich, da jedem dieser aus den verschiedenen Großstädten Deutschlands angereisten Herren dieses Neue zugleich etwas gänzlich Fremdes war: es wollte nicht zu dem mitgebrachten Bilde passen, welches in ihrer, am bereits [799] Gesehenen haftenden Vorstellung von ihren lokalen Bühnen, oder gar, wenn es hochkam, von der ersten Bayreuther Aufführung zurückgeblieben war; wobei seltsamerweise gerade Das, was dem Schöpfer des Werkes dort noch als ganz verfehlt gegolten, nun gegen die genialsten, durchaus im Stil gehaltenen Eingebungen als Muster vorgehalten wurde! Wiederum hatte sich Siegfried Wagner an der szenischen Vorarbeit produktiv beteiligt; die erste Szene des ›Rheingold‹ z.B. war mit allen schwierigen Evolutionen ausschließlich ihm übertragen; sie war sein Werk in jeder Bewegung der Schwimmenden, in jeder Nuance der Beleuchtung. Desgleichen in der ganzen Aufführung aller vier Teile die ungemein wesentlich charakteristische Anordnung der Wolkenvorhänge mit ihren unablässigen Verschiebungen und Veränderungen, so ausdrucksvoll entscheidend gerade bei der, fast nie in geschlossenen Räumen, immer unter freiem Himmel spielenden, vielgegliederten Handlung, in welcher die Vorgänge der umgebenden Natur immer mit derjenigen der Personen auf der Bühne im bestimmten Einklang stehen. Auch geschah es zum ersten Male, daß Siegfried Wagner für den ganzen letzten Zyklus an Hans Richters Stelle an die Spitze seines Orchesters trat und selber den Dirigentenstab führte. Für immer war mit diesen Aufführungen des Jahres 1896 der Stil für das große Nibelungenwerk festgestellt, welcher von jetzt ab bei wechselnder Besetzung der einzelnen Rollen – nebst ›Parsifal‹ – einen integrierenden Bestandteil jeder nachfolgenden Festspielaufführung bildete.

Wir gedachten soeben des eigentümlichen Forums für das öffentliche Urteil, mit welchem bis in unsere Tage und noch auf unabsehbare Zeiten hinaus jedes Werk der Kunst als einem unvermeidlichen vermittelnden Faktor zu rechnen hat, der sogenannten ›Kritik‹. War diese mit ihrer anspruchsvollen Unwissenheit und böswilligen Gesinnung und Tendenz nach dem Vorbilde des Meisters von jeher ignoriert und als gar nicht vorhanden betrachtet worden, so kann man doch nicht behaupten, daß sie im Kampf um ihr vermeintliches, in bezug auf jede höhere Kunstleistung rein fiktives Anrecht einer Entscheidung über gut und schlecht, gelungen oder mißlungen, ganz ohne Wirkung gewesen wäre. Zunächst als vermittelnde Stimme nach außen hin für das abwesende Publikum: je größer die Wunder, die sich auf der Festspielbühne entfalteten, je reiner die Offenbarungen einer überlegenen schöpferischen Kraft, desto heftiger der Widerstand jener bloßen Scheinweisheit von außen her; weshalb es so lange dauerte, bis das deutsche Publikum einen annähernden Begriff von der Bayreuther Bühne und dem im nationalen Sinne unschätzbaren Wert ihrer Leistungen gewann. Noch viel schlimmer war die zersetzende und desorganisierende Wirkung nach innen: gewohnt, an ihren heimischen Theatern auf die Stimme der Lokalkritik ein gewisses Gewicht zu legen, waren die einzelnen Mitwirkenden oft erstaunt, gerade wegen des in und für Bayreuth mühsam erlernten und angeeigneten Neuen von übel beratenen, unwissenden [800] Kunstrichtern getadelt, und zum Dank für ihre hingebungsvollsten Leistungen in den größten Blättern kritisiert und heruntergerissen zu werden. Manchem von ihnen konnte man es anmerken, daß er ernstlich dadurch irregemacht worden war. In dieser Beziehung war es entschieden ein errungener Triumph, ein durch die Kunst errungener Sieg, daß bereits um das Jahr 1897, bei der Wiederholung des ›Ringes‹ und Wiederaufnahme des ›Parsifal‹, ein entschiedener Umschwung sich konstatieren ließ: man konnte – mit Verwunderung! – manches der großen Blätter, aus denen der Deutsche sich seine allgemeine Bildung holt, zur Hand nehmen, ohne auf eine tendenziöse, voreingenommene Besprechung großer deutscher Kunsttaten zu stoßen. Der Ton dafür hatte sich sichtlich geändert, und in Bayreuth, an der Stätte des schöpferischen Wirkens, konnte man dies an den einzelnen Mitwirkenden ausdrücklich spüren; die Arbeit mit ihnen, besonders die unablässige Nacharbeit zwischen den Aufführungen, war dadurch unzweifelhaft erleichtert. Auch dies eine Frucht des aufopferungsvollen Ausharrens in der selbstlosen Pflege des Ideales.

Aber, wenn auf der einen Seite das Verhältnis des Bayreuther Werkes zum deutschen Volke sich allmählich soweit zu klären begann, wenn Liebe und Treue es soweit gebracht hatten, daß der Bayreuther Gedanke zum Siege gelangt war, daß nun sämtliche Werke des Meisters vom ›Tannhäuser‹ bis zum ›Parsifal‹ zu erstmaliger würdiger Erscheinung sich verkörpert hatten, – so stiegen auf der anderen neue dunkle Wolken am Bayreuther Horizonte auf. ›Deutsch sein, heißt eine Sache um ihrer selbst willen, nicht wegen eines dadurch zu erringenden Nutzens oder Vorteils willen treiben‹, das war die Lehre des Meisters; in ihr faßt sich alles zusammen, was die Seele seines Bayreuther Werkes bildet. Nur aus dieser selbstlos vornehmen Gesinnung heraus war dieses Werk zum Gedeihen gelangt. Wie wenig aber war diese Gesinnung der gesamten ›deutschen‹ Umgebung noch eigen! Kein Wunder, daß gerade unter diesen Verhältnissen Kunst, Literatur, Musik und Theater mit reißender Zunahme deutschen Händen entwunden und in die Hände der ›Undeutschen‹ übergegangen waren, denen eben nicht die ›Sache um ihrer selbst willen‹, sondern einzig der daraus zu erzielende schnelle und reichliche Vorteil als Endziel all ihres Strebens vorschwebte. Am schlimmsten war dies in der bayerischen Hauptstadt zum Ausdruck gelangt, wo seit Jahren eine methodisch angelegte Täuschung des gedankenlosen Publikums darauf ausging, gewisse in die Sommermonate verlegte Aufführungen der Werke des Meisters durch darauf hinweisende Plakate bis in die entlegensten und kleinsten Badeorte hinein prahlerisch als ›Münchener Festspiele‹ anzukündigen! Unserer Erinnerung nach ist uns dies zum erstenmal im ›Tannhäuser‹-Jahr 1891 aufgefallen. Der betriebsame Leiter der Münchener Hofbühne13 ließ [801] sich daran nicht genügen: da ihm seine bisherigen Manipulationen so wohl geglückt waren,14 schritt er genau um die Zeit, wo die bis dahin vorherrschende erklärte Feindschaft der deutschen ›Öffentlichkeit‹ allmählich in eine Art wohlwollender Bewunderung umzuschlagen begann, zu dem dreisten Plane vor, durch Aussprengung anonymer, sensationeller Gerüchte über die Baufälligkeit des Bayreuther Festspielhauses15 und Errichtung eines eigenen Gebäudes dafür in München, die gesamte Festspielinstitution gleichsam zu eskamotieren. Natürlich nicht ihre tatsächliche Grundlage, welche in der Idee und der durch unablässige Arbeit vermittelten Erziehung der künstlerischen Kräfte wurzelte, wohl aber die gesamte äußere Erscheinung derselben. Es kam zum Bau des Münchener ›Prinzregententheaters‹, mit allem, was sich weiter daran knüpfte! Bereits vor Jahren hatte man sich mit ähnlichen Projekten eines Festspielhausbaues von Paris und London aus an die Hinterbliebenen des Meisters gewandt und ihnen große Vorteile als Entgelt für ihre Einwilligung in Aussicht gestellt, worin zugleich die Anerkennung ausgedrückt lag, daß Haus und Festspielidee durchaus als geistiges Eigentum ihres Schöpfers zu betrachten seien Trotzdem waren diese Anträge maßgebenden Ortes abgelehnt worden. Anders war es in München, wo man sich wohl hütete, die Bayreuther Festspielleitung auch nur mit einem Worte über das Vorhaben des neuen Baues zu unterrichten und in größter Eile und Heimlichkeit an das Werk schritt, um durch ein fait accompli zu überraschen!

Wie es möglich war, daß dem Werke des deutschen Meisters in seinem eigenen Lande immer noch derartige Erfahrungen beschieden blieben, darüber kann, wer sein Leben in seinem ganzen Verlauf sich vor Augen hält, schließlich nicht erstaunt sein. Eben deshalb gehört diese kurze Betrachtung der Schicksale[802] seines Werkes gerade auch an den Schluß seiner Lebensbeschreibung, weil in ihr die unerbittliche Tragik seines Daseins auch über das Grab hinaus sich weiter vollzieht. Dieselben Mächte, die ihn Zeit seines Lebens bekämpft hatten, setzten diesen Kampf auch über die Grenzen seines persönlichen Wirkens und Ringens gleichmäßig fort. Eine gleich betrübende Erfahrung spielte sich am 19. April d. J. 1901 anläßlich der Beratung des Urhebergesetzes im deutschen Reichstag ab. Wer nicht schaffen kann, der – so scheint es – kann auch nicht erhalten; und wer nicht zu erhalten imstande ist, kann schließlich, soweit es an ihm ist, nichts anderes als zerstören oder doch am Zerstörungswerk anderer sich beteiligen. ›Unseren heutigen öffentlichen Zuständen‹, hatte schon vor Jahren der Meister gesagt, ›scheint nichts fernerzuliegen, als die Begründung einer Kunstinstitution, deren Nutzen nicht allein, sondern deren ganzer Sinn nur äußerst wenigen erst verständlich ist. Wohl glaube ich, es nicht daran fehlen gelassen zu haben, über beides mich deutlich kundzugeben: wer hat es aber noch beachtet? Ein einflußreiches Mitglied des deutschen Reichstages versicherte mich, weder er noch irgendeiner seiner Kollegen habe die geringste Vorstellung von dem, was ich wolle.‹ Buchstäblich das Gleiche, wie ein Vierteljahrhundert früher, gab sich bei jener traurigen Beratung der Vertreter des deutschen Volkes kund, als ihnen einmal – zum ersten und einzigen Male – die Gelegenheit geboten war, am bloßen Erhalten dessen sich zu betätigen, was sie nicht geschaffen hatten und nicht zu schaffen fähig gewesen wären. Man hatte wiederum ›nicht die geringste Vorstellung‹ von dem, um was es sich bei Nennung der Bayreuther Festspiele handelte. Und wiederum war es – bei dem allgemeinen ›Nichtwissen‹ – dem Übelwollen ein Leichtes, die führende Rolle zu übernehmen. Hier war, auf Grund der Berner Konvention, die in Frankreich bereits zu Recht bestehende Verlängerung der Schutzfrist für das geistige Eigentum um 20 Jahre ins Auge gefaßt. Der Antrag war dem Deutschen Reichstag von den verbündeten Regierungen als ›Gesetzentwurf, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst‹ vorgelegt, und betraf demgemäß nicht die Werke des Meisters allein, sondern alle unter jener allgemeinen Bezeichnung zusammenzufassenden geistigen Erzeugnisse. In der ganzen Form seiner Behandlung vor dem ebengenannten Forum ward aber klar, daß man bei seiner Ablehnung hauptsächlich Bayreuth und die Schöpfungen Wagners im Sinne hatte. Auf diese bezog sich seinen eigenen Ausführungen gemäß in erster Reihe die Rede des Abgeordneten Eugen Richter, der sich durch diese traurige oratorische Leistung und ihre Wirkung auf seine übel orientierten parlamentarischen Berufsgenossen herostratisch verewigt hat; auf diese die von ihm selbst und seinen Anhängern gebrauchte frivole Bezeichnung für die Urheberrechtsnovelle als einer ›Lex Cosima‹, und des betr. Paragraphen als ›Cosima-Paragraphen‹; ausschließlich ihr entsprach die offene Bezugnahme [803] auf ›Parsifal‹, der durch die Annahme jenes Entwurfes noch auf zwei weitere entscheidende Jahrzehnte hinaus eines gesetzlichen Schutzes gegen eine gierige Ausbeutung gewiß gewesen wäre. ›Die Werke Richard Wagners sollen das Eigentum der Nation werden, und deshalb ist eine künstliche Verlängerung der Schutzfrist abzuweisen‹, das war der Grundsatz, auf welchem seine Ausführungen basierten.16 An dem Händlersinn einer Körperschaft, deren Bildungsstand sie von jeder höheren Betrachtungsweise ausschloß, der die Bedeutung der Bayreuther Festspiele von dem einzigen Standpunkt aus ansah, der ihm zugänglich war, nämlich dem ›geschäftlichen‹ (!!) – mußte in bezug auf das Weihefestspiel ›Parsifal‹ selbst die bloße Achtung vor dem bestimmt ausgesprochenen Willen seines Schöpfers scheitern. ›Wie ist es möglich‹, rief damals ein süddeutsches Blatt,17 ›daß im Deutschen Reichstage bei der Debatte über den Schutz der Werke unseres großen deutschen Meisters auch nicht ein einzi ger Mann sich erhoben hat, um auszusprechen, was das deutsche Volk seinem Richard Wagner schuldig ist, wie unendlich viel dieser Richard Wagner unserer deutschen Kultur gegeben hat?‹ Aber die Tatsache blieb unleugbar bestehen: nicht ein einziger Mann aus dieser Zahl der vom deutschen Volke erwählten Vertreter seiner Interessen hatte von der Bedeutung des deutschen Meisters und seiner Werke auch nur den entferntesten Begriff; teilnahmlos ließ sie die Rede des bewährten ›Finanzmannes‹ Herrn Richter über sich ergehen. Außer ihm hatte in dieser entscheidenden Sache nur noch ein Mitglied des Reichstages, der sozialdemokratische Abgeordnete Dietz, das Wort ergriffen, durchaus im Sinne seines Vorredners. Ja selbst die in diesen Reden unterlaufenden tatsächlichen Unrichtigkeiten wären unberichtigt geblieben, hätte nicht von Bayreuth aus die Stimme der hohen Frau sich erhoben, welche zugleich die Seele und die einzige Beschützerin des von ihr in die Hand genommenen Werkes war. Dies geschah in einer, vom 9. Mai datierten und jedem einzelnen Abgeordneten übermittelten Zuschrift ›An die Mitglieder des deutschen Reichstages‹,18 [804] einem Dokument nicht allein ihrer geistigen Überlegenheit, sondern auch ihres schlichten Stolzes und ihrer wahrhaft künstlerischen Gesinnung.

›Wider Erwarten‹, so heißt es in dem bezeichneten Schriftstück, ›bin ich in der Diskussion des § 33 der Urheberrechtsvorlage nicht nur genannt worden, sondern es wurde erklärt, daß es sich eigentlich in diesem Paragraphen lediglich um die Interessen meiner Familie handle, und damit der Ausschlag zur Ablehnung gegeben. Da diese Behauptung mich unrichtig dünkt und tatsächliche Irrtümer ausgesprochen wurden, erachte ich mich für verpflichtet, diese Irrtümer anzugeben.‹ Mit einer aufklärenden Berichtigung derselben nach allen Seiten hin beschäftigt sich der ganze erste Teil des Schreibens. ›Wenn der Abgeordnete Herr Eugen Richter behauptet, daß von hundert Komponisten nur 50 Prozent die Verlängerung der Schutzfrist zugute kommen würde, so wäre darauf zu erwidern, daß unter diesen 50 Prozent sich vielleicht die hervorragendsten Persönlichkeiten befinden könnten, und daß die Anzahl in solch einer Frage nichts zu bedeuten habe.‹ ›Der unmittelbare Erfolg und die schnelle Verbreitung sind nicht der Maßstab für den Wert eines Werkes, für seine dereinstige Stellung und für das Anrecht seines Autors und dessen Nachkommen auf seine späteren Erträgnisse Gesetzt aber, daß die genannten Werke auch in Zukunft nur spärliche Aufführungen zu gewärtigen hätten, um so mehr erfordert die Gerechtigkeit gegen den Komponisten und seine Nachkommen die verlängerte Schutzfrist.‹ Es wird an einer Reihe kunstgeschichtlich hervorragender Fälle unwiderleglich nachgewiesen, wie gerade die bedeutendsten, schöpferischesten Künstler in bezug auf den augenblicklichen Erfolg ihrer Werke in der allerungünstigsten Lage sich befunden hätten. ›Diese wenigen Tatsachen dürften wohl genügen, um die Rechtfertigung des § 33 einzubringen, wenn nicht von dem Grundsatz ausgegangen wird, daß der Dichter oder der Komponist kein Recht habe, für die Seinigen zu sorgen. Es ist in bezug hierauf die Frage aufgeworfen worden, warum der Komponist oder Dichter nicht für alle Zeiten ein Anrecht auf den Ertrag seiner Werke haben sollte, ebensogut wie Männer anderer Stände. Der Abgeordnete Herr Eugen Richter erklärte: Dichter und Komponisten bezögen ihre Werke vom Volk; dem ist gewiß so. Der Dichter schöpft aus der Volkssage, der Komponist aus der Volksweise. Er gibt es aber in der geschlossenen Gestalt des Kunstwerkes dem Volke zurück; das ist geistiger Austausch. Wenn, sobald sich ein Autor auszeichnet, das Volk durch den Staat ihm die Lebensbedingungen verschaffte, durch welche er mit Muße Werke schrieb, die keine Aussicht auf unmittelbaren Gewinn haben, die aber der Nation zum Ruhme gereichen, so würde es begreiflich sein, wenn der Staat nach einer bestimmten Zeit über einen Teil der Einnahmen zu gemeinnützigen Zwecken [805] verfügte. Dies wäre dann der materielle Austausch zwischen Volk und Künst ler.‹ Nun sind aber auf der einen Seite die hiermit bezeichneten Voraussetzungen zu einem derartigen materiellen Austausch keineswegs gegeben, trotzdem wird durch das Erlöschen des gesetzlichen Schutzes den Nachkommen des Künstlers der materielle Ertrag seines Wirkens entzogen. Diese Folgerungen werden nicht ausgesprochen, sie gehen aber aus dem Gesagten klar hervor.

Es folgt sodann eine ziffermäßige Berichtigung der ungeheuerlichen Irrtümer, in welche der ›Finanzmann‹ Eugen Richter bei seiner von rein materiellen Gesichtspunkten geleiteten Auffassung der Bayreuther Festspiele sich verwickelt hatte. ›Dies der Charakter, dies die Grundzüge einer Unternehmung, welche von allen an der Leitung Beteiligten ohne jeden Vorteil geführt wird, ja deren Verwaltung seit 29 Jahren aufopfernd jedes persönliche Interesse zurückdrängt und Zeit und Kräfte daransetzt, unter den größten Schwierigkeiten das Werk des Meisters zu erhalten und zu fördern. Daher wird es mir wohl nicht als Vermessenheit angerechnet werden, wenn ich hoffte, daß die erste Erwähnung der Bühnenfestspiele im Deutschen Reichstage von einem anderen Gesichtspunkte aus und in anderer Form geschehen würde.‹ ›Überaus peinlich wird es mir, auf persönliche Verhältnisse einzugehen. Da sie aber in das Spiel geführt wurden, und zwar mit der Absicht und dem Erfolg, den Dingen die ablehnende Wendung zu geben, sehe ich mich genötigt, dem Abgeordneten Herrn Dietz zu erwidern, daß er einerseits sehr stark übertrieb, wenn er je eine Million jährlich für uns aus der verlängerten Schutzfrist in Aussicht stellte, andererseits insofern zu wenig sagte, als uns eine Million geboten wurde, wenn wir einem Unternehmer »Parsifal« für fünf Jahre freigäben.‹ Nach Konstatierung und Berichtigung noch fernerer Irrtümer der Herren Richter und Dietz heißt es weiter: ›Ich weiß nicht, ob eine auf irrtümliche Angaben und Annahmen basierte Abstimmung – zumal bei geringfügiger Mehrheit und Abwesenheit eines dritten Teiles des Hauses – zu redressieren ist; aber ich möchte hier – kraft der Bedeutung des Namens, den ich trage, zugunsten aller Künstler, unserer Kollegen, an das Gerechtigkeitsgefühl des Hauses, insbesondere die nun unterrichteten Herren Opponenten mich herzlich wenden!‹

›Die Aufklärung der Irrtümer bildet indes nur die Einleitung meines Schreibens. So deutlich mir die Gerechtigkeit des § 33 ist, so fühle ich mich doch durch die Behandlung der Angelegenheit gedrungen zu erklären, daß es mir vor allem, ja einzig und allein auf den Schutz des Bühnenweihefestspieles »Parsifal« ankam und ankommt. Öffentlich bitte ich um diesen Schutz. Richard Wagners Wunsch und Wille war es, daß sein Theater einzig auf dem Hügel zu Bayreuth stehe, und daß einzig in diesem Hause sein Bühnenweihfestspiel »Parsifal« aufgeführt [806] werde. Dies ist sein Vermächtnis an die deutsche Nation. Ich habe in diesem Schreiben nur flüchtig andeuten können, welche Prüfungen der Meister in seinem Vaterlande zu tragen hatte. Wenn Bach, Mozart, Schubert, Weber gequält lebten und elend starben, so sind dem Meister Verkennung seines Wesens, Verleumdung seines Charakters, verabscheuungswürdige Angriffe nach arger Not zuteil geworden, und ich muß es hier wiederholen, daß ohne den König von Bayern ein Teil seiner Meisterwerke unvollendet geblieben wäre. Daß das Theater, welches er unter unerhörten Drangsalen errichtete und durch seine Aufführungen weihte, von 1876 bis 1882 geschlossen bleiben mußte, drückt nur einen Teil der Leiden des Künstlers aus. Seine Kunst ist ein Bildungsmittel, ein Friedensbote zwischen Deutschland und dem Ausland geworden. Sein eigenes Denkmal hat er sich unter Leiden ohne Zahl in Bayreuth errichtet. Ich wende mich an die Vertreter der deutschen Nation und bitte sie, das geschehene Unrecht auszugleichen und den größten Meister mit der Ausführung seines letzten Willens zu ehren.‹

Wäre der bereits gefaßte Beschluß infolge dieser beredten Mahnung an das Gewissen, das Gerechtigkeits- und Ehrgefühl der darin angeredeten Vertreter der deutschen Nation einer Nachprüfung unterzogen und dementsprechend annulliert worden, so wäre es minder notwendig, das vorstehende kunstgeschichtliche Dokument, wie hiermit geschehen, auszugsweise dem Zusammenhang unseres Berichtes einzuverleiben. Aber der Mahnruf an Ehre, Gewissen, Gerechtigkeit und Anstand verscholl so gut wie ungehört: derselbe Deutsche Reichstag, der den Tod des Meisters, abweichend von ausländischen Körperschaften, nicht einmal durch Erheben von seinen Sitzen oder durch ein ihm gewidmetes Wort geehrt hatte (S. 780f.), ging auch über diesen Appell stillschweigend, oder so gut wie stillschweigend hinweg, indem er sich dahin einigte, ein ›Ausnahmegesetz‹ für ein bestimmtes einzelnes Erzeugnis deutscher Kunst nicht erlassen zu können. In Form eines bloßen Zusatzes zu dem bestimmten Paragraphen des vom Reichstag angenommenen Urheberrechtes wäre dies sogar ein leichtes gewesen. ›Ich bedauere‹, erklärte damals Fr. Dernburg im ›Berl. Tageblatt‹, ›daß keine Stimme im Reichstage für eine Sonderbestimmung zugunsten des »Parsifal« sich erhob. Das wäre ja eine Ausnahmebestimmung gewesen, hört man sagen. Es geht doch nicht, eine Ausnahmebestimmung für Richard Wagner zu machen. Eine törichte Rede! Richard Wagner braucht man nicht erst zu einer Ausnahme zu machen. Er ist eben eine. Die, die sich gegen das Gedächtnis eines solchen vergehen, haben das noch immer im Urteil der Geschichte gebüßt. So wird es auch dem Deutschen Reichstage ergehen.‹

Es ist aber ein anderes um das reinigende oder verwerfende Urteil der Nachwelt und die schmerzlichen Erfahrungen in der Gegenwart, wie sie den Testamentsvollstreckern Richard Wagners nach endlich erfochtenem Siege im [807] Beginn des neuen Jahrhunderts fast Jahr um Jahr beschieden waren. Sie konnten es nicht verhindern, daß in München der reinste und größte künstlerische Gedanke in eine Terrainspekulation und Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Jene ›Teufel vom krummen und geraden Horn‹,19 die einst in Berlin dem Meister zur Verfügung gestellt waren, wenn er sich dazu entschließen wollte, sein geweihtes Festspielhaus in der Reichshauptstadt Berlin zu errichten, und die er um seines Gedankens willen weit von sich abwies, waren hier eigens beschworen, um das Gegenteil seines Willens mühelos zu ermöglichen. Nicht um die überweltlichen Kunstoffenbarungen handelte es sich hier, sondern recht eigentlich um den weltlichen Vorteil; nicht auf deutsche Weise um die Sache, sondern auf undeutsche Weise um ihren bloßen trügerischen Schein. Und durch jede Art von Trug und Vorspiegelung ward dies Werk gefördert. Seinem königlichen Wohltäter zu Ehren und zu Danke hatte Richard Wagner seinerzeit sein der reinen Kunst geweihtes Festspielhaus, das er einst irgendwo in einer ›schönen Einöde‹, ›fern vom Ruß und Qualm der großen Städte‹ errichten wollte, vorübergehend für München bestimmt, München selbst aber in üblem Mißtrauen dem Könige seine hochsinnigen künstlerischen Absichten vereitelt. Nun war der Meister, indem er sich Bayreuth für sein Theater auserkor, zu seinem ursprünglichen Gedanken zurückgekehrt: welchen Sinn sollte jetzt noch ein Münchener Festspielhaus haben? Hier begann die listige Täuschung, als man den guten Münchenern vorspiegelte, es sei ein ›Sühnebau‹, den man hier aufführen wollte. Die einzige Art, wie München sein Vergehen gegen den Meister hätte ›sühnen‹ können, würde darin gelegen haben, das Bayreuther Werk auf jede mögliche Weise zu unterstützen, durch materielle Beihilfe,20 durch Entsendung von Stipendiaten zu den Aufführungen, durch erleichterte Darbietung seiner künstlerischen Kräfte, wo solche verlangt wurden. Ein ganzer Aktenstoß könnte erweisen, wie von allem das Gegenteil geschah. Das Märchen vom ›Sühnebau‹ war daher so durchsichtig in seiner Erfindung, daß sicher niemand in München daran geglaubt hat, außer dem greisen Prinzregenten, der dafür nicht etwa bloß seinen Namen, sondern ungeheuere Beträge zu opfern hatte, während die Erfinder desselben ihre – ganz zufällig – an der von ihnen erkorenen Baustelle liegenden privaten Grundstücke um das Zehnfache im Wert aufschnellen sahen. Trug und Vorspiegelung blieben aber dabei nicht stehen; man war erfinderisch im Ersinnen immer neuer Unwahrheiten. Die ganze weite Welt, diesseits und jenseits des Ozeans, wurde mit anonymen Gerüchten irregeführt, als würden die eigenen Angehörigen Richard Wagners demnächst, zugleich [808] mit den nach München zu verlegenden Festspielen, in die bayerische Residenz übersiedeln, Siegfried Wagner dort künftig die Leitung der Werke seines Vaters übernehmen, wofür ihm die Erhebung in den Adelstand (!!!) angeboten worden wäre usw. usw. Wurde dem einen widersprochen, so wurde doch dem anderen geglaubt. Wie sehr selbst wohlwollende Fernstehende durch diese Gerüchte getäuscht wurden, das bewies u.a. die Äußerung eines liebenswürdigen Franzosen, der im Jahre 1902 im Hause Wahnfried von der besonderen Rührung sprach, mit welcher er den diesjährigen Aufführungen beiwohne, da es doch die letzten sein würden! Auf verwundertes Befragen erklärte er sich dann näher, es sei ja überall die Nachricht verbreitet, Bayreuth beschlösse in diesem Jahre seine Aufführungen, um diese endgültig nach München zu verlegen. Und wurde in den einzelnen Fällen dem Ursprung und Ausgangspunkt jener diplomatischen Aussprengungen nachgeforscht, so war es immer der gleiche! – Dies waren die Erlebnisse und Erfahrungen des immer noch ringenden Bayreuth inmitten des eigenen deutschen Landes, dessen Ruhm und Hort die Festspiele bilden sollten! In seiner angesehensten politischen Körperschaft, dem Deutschen Reichstag, war ja damit begonnen worden, der Pietät für die Bestimmungen des Meisters ins Gesicht zu schlagen, seine Schöpfungen als eine veräußerliche Ware zu betrachten, das Bayreuther Unternehmen aber als eine ›Familien-Angelegenheit‹, nicht als die Sache des deutschen Volkes.

Der durch das gegebene Beispiel einer scheinbar geglückten Spekulation weithin verstreute Same des Verrates am Heiligen ging mehrfach auf und schoß ins Kraut. Daß es sich bei den hier beteiligten Personen regelmäßig um Rassegenossen des Münchener Herrn Hoftheaterintendanten handelte, lag gewiß tief in der Natur der Sache begründet. Festgefügtes zu lockern und aufzulösen, wie jene bohrende Schnecke in den nordischen Schären ganze Felsen im Meere zum Sturz bringt, dem ausgesprochenen Willen des Meisters zuwiderzuhandeln, um sich selbst dabei zu bereichern, war dabei das wiederkehrende Bestreben. Hätte es irgend in Herrn Possarts Macht gestanden, sich auch am ›Parsifal‹ zu vergreifen, so wäre es schwer zu erdenken, aus welchem Grunde der skrupellose moralische Urheber des Prinzregententheaters davon hätte abstehen sollen? Einstweilen konnte es ihm nur sehr willkommen sein, daß sich ein anderer dazu bereit fand. Dies war ein gewisser Herr Conried, der ›als ein mittelmäßiger jüdisch-ungarischer Schauspieler sein Erwerbsleben begonnen, es als Patentinhaber von ingeniösen Manschettenknöpfen und als Klappstuhl-Verleih-Gesellschafter (C. C. C. = Conrieds Chairs Comp. auf den Ozeandampfern) ergiebig fortgesetzt, dann als Importeur deutscher Stücke und Künstler um dieser seiner literarisch-artistischen Verdienste willen den Harvard-Ehrendoktor und Ritter diverser deutscher Orden als Glanz und Schimmer zum materiellen Gute gefügt, bis er endlich, zum Direktor des [809] Aktienunternehmens Metropolitan Operahouse in New-York aufgestiegen, den Gewaltstreich gegen Bayreuths »Parsifal« führen und mit Hilfe amerikanischer Rechtssitten ungestraft fruktifizieren durfte.‹21 Um sich der mitwirkenden Künstler – aus den Kreisen deutscher Sänger, denen doch ein gewisses Ehrgefühl zuzutrauen war – bestimmt zu versichern und ihnen einen moralischen Zwang aufzuerlegen, hatte dieser Herr seinen Kontrakt mit ihnen für die Aufführung sämtlicher Werke Wagners und außerdem noch eines unbekannten Werkes abgeschlossen, dessen Bestimmung er sich einstweilen vorbehielt. Es kam, am Vorabend des Weihnachtsfestes (24. Dezember) 1903, trotz aller energischen Proteste dagegen, unter empörtem Aufsehen in der ganzen übrigen ehrenhaft denkenden Welt zu jener New-Yorker frevelhaft schnöden Prostitution des für Bayreuth geschaffenen Weihefestspiels durch einen gewissenlosen Spekulanten. Es kam aber auch zu jenem berühmt gewordenen ›Gralsraub‹-Prozeß, bei welchem der Herr Intendant Possart nicht umhin konnte zu bekennen, daß, als er seinem Oberregisseur Fuchs einen dreimonatigen Urlaub nach Amerika erteilte, er seinerseits bereits in das Geheimnis eingeweiht, daß es ihm schon bekannt war, daß zu dieser Zeit der ›Parsifal‹ dort zur Aufführung gelange!22 Herr Conried erwies sich somit nur als ein gelehriger Schüler seines großen Münchener Vorbildes, indem er das tat, was jener nicht konnte, ohne gerichtlich daran verhindert zu werden.23 Noch einmal: dies waren die Erfahrungen in unserer modernen Kulturwelt, unter denen Deutschlands größte Frau das Vermächtnis ihres Gatten durchzuführen und sein begonnenes Werk zur herrlichen Vollendung zu bringen hatte! Welche fast unüberwindlichen Schwierigkeiten sich ihr dabei nach allen Richtungen hin in den Weg stellten, wie einsam sie dastand, wenn selbst ihre eigenen Getreuen (wie der obengenannte Regisseur, Fuchs oder die von ihr ausgebildeten Sänger und Darsteller) sie verrieten, um sich für Geld an den geschäftlichen Ausbeuter eines künstlerischen Heiligtums zu verkaufen, – das sind Dinge, die wir hier nur flüchtig andeutend berühren können, indem wir ihre nähere Ausführung dem zukünftigen autoritativen Geschichtschreiber der [810] Bayreuther Bühnenfestspiele überlassen müssen. Über allem umgebenden Dunkel strahlte ihrem hohen Geiste ein einziger Leitstern, der sie ungebeugt und unausgesetzt tätig erhielt im Dienste ihres erhabenen Lebensberufes, bis sie ihr vermächtnismäßiges Wirken in die Hände ihres reichbegabten, von früh auf im Sinne des Meisters für seine Aufgabe gebildeten und erzogenen Sohnes niederlegen konnte.

Ihre letzte gleichsam persönliche Gabe – bei übrigens unausgesetzter Überwachung des Ganzen und Einstudierung im einzelnen – war der ›Tristan‹ von 1906. Ein unvergleichliches Erlebnis! Bei der ›Tristan‹-Aufführung von 1886 und allen ihr folgenden war die männliche Hauptpartie immer noch den Händen Heinrich Vogls anvertraut gewesen, der sich – bei allen hohen künstlerischen Verdiensten – schon früh im dritten Akte manchen pathologischen Übertreibungen hingab und bei zunehmendem Alter diese Eigenschaft noch weniger abzulegen imstande war. Neben ihm stand dagegen Frau Sucher als Isolde, die in hingebendem Studium die von ihr darzustellende hoheitsvolle Gestalt so einzig verkörperte, daß man in jeder Gesangsphrase, jeder Bewegung das Vorbild der großen Meisterin zu erkennen vermochte! Ein gleiches eindringendes Studium hatte diesmal Dr. v. Bary dazu befähigt, daß er in entsprechender Weise unter den Augen der hohen Frau und unter ihrer genauesten Anleitung seine Partie so zur Darstellung brachte, daß er einzig mit Schnorr zu vergleichen war, zu dessen voller Größe er heranwuchs. Im übrigen lag die gesamte Inszenierung der in den Jahren 1901/02, 1904 und 1908/09 teils zum ersten Male gebrachten, teils in völlig neuer Einstudierung wiederholten drei Werke: ›Der fliegende Holländer‹, ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹ ausschließlich in den Händen Siegfried Wagners, der nun im Jahre 1911 uns die erneute Bayreuther Darstellung der ›Meistersinger‹ verheißt. Bereits sein ›Holländer‹ wies, als völlige Neuschöpfung, eine nie geahnte Vollendung der gesamten szenisch-musikalischen Erscheinung auf; u.a. auch dadurch, daß er zuerst es wagte, dem Willen seines Vaters gemäß das ursprünglich bloß in einem Akt gedachte Werk wirklich auch – gleich dem ›Rheingold‹ – in einem Aufzug zu bringen, und nicht in der überlieferten, der ursprünglichen Intention seines Schöpfers widersprechenden Zerteilung in drei Akte. Zum ersten Male ward es dabei deutlich, weshalb der jedesmalige Aktschluß und das Vorspiel des ihm folgenden Aktes eine identische Musik aufwiesen, was man bisher gedankenlos etwa als zur ›musikalischen Einheit‹ des Werkes gehörig hingenommen hatte.24 Wenn ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹ allen Denen, die das Glück hatten, daß ihnen noch die Aufführungen von 1891 und [811] 1894 deutlich in jedem Zuge vorschwebten, als noch größer und mächtiger herangewachsen erschienen, so lag dies in der Natur der Bayreuther Kunst begründet, welche nur lebt und gedeiht, indem sie über sich selbst hinaus wächst, nicht in Glanz und Pracht der äußeren Erscheinung, sondern in der inneren Entfaltung ihres Wesens, in der immer vollendeteren Durchführung des Stiles dieser Schöpfungen. Möge eine gütige Gottheit den guten Genius des Bayreuther Werkes, die edle Frau, die es in glühender Begeisterung auf sich nahm, das unvollendet hinterlassene Lebenswerk des größten deutschen Künstlers und Meisters in kühnem Mute unverzagt seiner hehren Vollendung zuzuführen, Trotz bietend jenen unreinen Nachtgeistern, die sich immer nur bestrebt zeigten, es durch ihre selbstsüchtig spekulativen Bestrebungen in den Staub des Gewöhnlichen, äußerlich Blendenden herabzuziehen, – möge eine gütige Gottheit sie, die Hüterin des Grales, die Schöpferin des Stiles im Sinne Richard Wagners dem deutschen Volke und Bayreuth noch lange erhalten! Als Besiegerin jener Nacht- und Lägengeister kann sie dann in den von ihr geschaffenen hellen Tag einer deutschen Kunst hineinblicken Sie, die dem Meister das Leben erhielt und bewahrte, die in schwerster Stunde ihm liebend an die Seite trat: sie allein hat durch ihre geniale Tatkraft das an die Allgemeinheit gerichtete Wort des Reformators:


Wollen Sie, so haben wir eine Kunst!‹


zur Erfüllung gebracht. Sie hat gewollt und gekonnt und dem einzig dastehenden Künstler für sein verwaistes Werk nun auch den wollenden und könnenden Erben geschenkt.

Wer dankbar zu Richard Wagner aufblickt, wem sollte er mehr Dank und Verehrung weihen, als ihr, die ihm diesen Dank erst ermöglicht hat? Vergegenwärtigen wir uns nur die Möglichkeit, die über seinem ganzen Leben schwebende Tragik wäre, anstatt in der immer noch fortdauernden Bekämpfung durch betriebsame Vertreter der Unkunft unserer modernen Theater, in ihrer bittersten Gestalt zur Wirklichkeit und das Bayreuther Haus zur Ruine geworden, die Nacht hätte den Sieg über den Tag davongetragen, – um den Abgrund zu erkennen, vor dem wir durch das erhabene Beispiel der Aufopferung für die Idee bewahrt geblieben sind. Und wem vollends die von jener Seite her noch so viel angefochtene junge deutsche Volkskunst in den Werken Siegfried Wagners in seinen eigenen Schöpfungen als eine der reinsten unmittelbarsten Blüten der Bayreuther Kunst sich offenbarte, wem sie ein genesungsreicher Jungbrunnen, ein Quell der Erneuerung geworden ist, – der erkennt in ihr zugleich, solange deutsches Volk und deutsche Kunst noch besteht, auch ein freudiges Zeugnis für die Wahrheit des Meisterwortes: im Kunstwerk der Zukunft werde ewig neu zu erfinden sein! Doch aber nur, solange der Quell und Ausgangspunkt rein und unverschüttet bleibt, den der [812] große deutsche Meister seinem Volke erschlossen, solange am rechten Platz das rechte lebendige Beispiel gegeben wird, was deutscher Darstellungsstil sei, und das Geheimnis des Zusammenwirkens aller Künste unter dem Zauber der Musik aller Welt sich offenbar macht!

So möge denn der über allem waltende gute Genius deutscher Kunst auch ferner dem großen reformatorischen Lebenswerke des Künstlers seinen Schutz nicht entziehen, mit dem er es bisher gegen allen Andrang von Neid und Mißgunst kräftig erhalten hat. So möge das ihm geweihete Haus, dort auf dem lieblichen Hügel bei Bayreuth, noch ferner ›als ein Mahnzeichen in die deutsche Welt hineinragen, welcher es darüber nachzusinnen gebe, worüber Diejenigen sich klar geworden waren, deren Bemühung und Aufopferung es seine Errichtung – und Erhaltung – verdankt‹. Kein deutscher Reichstag zwar wird sich seiner annehmen; es wäre denn vielleicht in fernsten Zeiten, wo es dessen nicht mehr bedarf. Aber im deutschen Volke selbst dürfte sich doch allmählich noch manches dafür regen, wenn ihm erst die verschleiernde Binde von den Augen fällt, die ihm noch heute das Bild seines Meisters verdeckt. Und schon heute ist aus mancherlei Anzeichen wahrnehmbar, daß es endlich zu ahnen beginnt, was Bayreuth ihm sein kann und sein soll.

Wie die monumentale Verkörperung des gewaltigen Wollens seines Schöpfers steht das Festspielhaus vor uns da, groß, feierlich und würdig schon in seinen äußeren Maßen und Proportionen; und in seinem Innern vollzieht sich in treuer Arbeit immer wieder, was einst diesem schöpferischen Willen vorschwebte: die Gestaltung des künstlerischen Ideales, das den Künstler auf allen seinen Daseins- und Leidensstationen begleitet hat. Für nichts anderes hat er gelebt, gekämpft und gerungen, als daß dieser seiner deutschen Kunst nun auch eine entsprechende deutsche Kultur die Hand reiche, so daß Leben und Kunst in wechselseitigem Austausch ihre Kräfte steigern und zu immer höherem Fluge sich erheben, aus den dumpfen Niederungen eines würdelosen Nützlichkeitskultus in den freien Äther einer reineren Sittlichkeit, wie sie dem Geiste seiner hohen geistigen Führer entspricht.

Wir stehen im Zeichen einer verheißungsvollen Morgendämmerung. Wird der helle Tag einer künstlerischen Kultur uns anbrechen? ›Ich arbeite‹, so sprach der Meister, ›für die Erwachenden.‹

Fußnoten

1 Erst durch jüdisch-neuplatonischen Einfluß (Philo v. Alexandrien) trat schließlich in der kirchlich rezipierten Trinitätslehre, zur Erzeugung des ›Sohnes‹ (als Logos) der ›heilige Geist‹ an die Stelle der weiblichen Gottesmutter (Sophia), wogegen die ägyptische Triade: Gottvater, Gottmutter, Gottsohn (Theos, Sophia, Logos) schon drei Jahrhunderte vor Christus bestand, und demnach in keiner Weise eine originelle Schöpfung des Christentums ist.


2 Es gelangte in den ›Bayreuther Blättern‹ 1896, S. 358/63 zum Abdruck.


3 Die sinnvollste Trauerfeier veranstaltete die Stadt Triest, indem sie am 14. Februar und den zwei folgenden Tagen ihre Theater geschlossen hielt!


4 Vgl. die Gedichtsammlung: ›Richard Wagner im Liede‹, Verse deutscher Dichter, herausgegeben von Erich Kloss (Buchschmuck und Illustration von Franz Stassen), Berlin, Verlagsgesellschaft Harmonie, 1908.


5 Man vergleiche dazu die Zusammenstellung ihres Wortlautes (aus den Zeitungen) in der Broschüre: ›Er innerungsblätter aus dem Trauerkranze der deutschen Presse zu Richard Wagners Tod und Bestattung‹ (Bayreuth, C. Schröder, 1883). Wir treffen daselbst auf die akadem. Burschenschaft ›Libertas‹ in Wien, den Verein deutscher Studenten in Wien, den Verein deutscher Studenten Böhmens in Wien, das deutsche Casino in Prag, den Gesangverein von Reichenberg in Böhmen, den Männergesangverein in Graz, den deutschen Leseverein der Bergakademie zu Leoben (Kärnten), den deutschen Turnverein Schluckenau in Böhmen, den deutschen Klub in Brünn, den akademischen Gesangverein zu Brünn usw.


6 Band II, S. 544 des vorliegenden Werkes in seiner zweiten Ausgabe (1882).


7 ›Die ersten 20 Jahre der Bayreuther Bühnenfestspiele‹, S. 41.


8 H. v. Wolzogen, ›Bayreuth‹ (5. Bändchen der Monographiensammlung: ›Die Musik‹), S. 19.


9 ›Die ersten 20 Jahre der Bayreuther Bügnensestspiele‹ (1876–96). Von Houston Stewart Chamberlain. Bayreuth 1896 (Druck und Verlag von Lorenz Ellwanger). Sonderabdruck aus den ›Bayreuther Blättern‹, Jahrgang 1896.


10 Siehe die meisterliche ›Einführung‹ Chamberlains in die ›Briefe Richard Wagners an Hermann Levi‹, ›Bayreuther Blätter‹, 1901, S. 13/17.


11 Zwischen beide unvergleichlich erschütternde Trauerfälle fiel dann noch, weniger gewaltige Wellen des Schmerzes aufwühlend, der Tod Scarias (22. Juli), den eine geistige Umnachtung, die ihre Schatten bereits sichtbar vorausgeworfen, schon das Jahr zuvor in das Irrenhaus geführt hatte.


12 Vgl. Band V des vorliegenden Werkes, S. 121.


13 Zu seiner Charakteristik vergleiche man Band IV dieses vorliegenden Werkes, S. 447, auch wohl S. 404 des gegenwärtigen Bandes!


14 Erst eine spätere wirkliche Geschichte der Bayreuther Festspiele in ihrer Entwickelung wird im einzelnen auch ein Licht darauf werfen, welche unwürdige Rolle – neben den wirklichen ›Festspielen‹ zu Bayreuth, d.h. der Stilbildungsschule, wie sie Richard Wagner begründet, und wie sie mit aufopfernder Arbeit und genialem Verständnis in Bayreuth gepflegt wurde – durch Verfälschung des zugrundeliegenden Gedankens und Aneignung fremder Verdienste die gleichzeitigen Münchener Sommeraufführungen unter dem angemaßten gleichen Namen gespielt haben! Im ›Lohengrin‹-Jahr 1894 waren dabei buchstäblich die für Bayreuth bestimmt gewesenen, nach genau ausgearbeiteten Originalzeichnungen in München angefertigten Kostüme um die Zeit, da sie an ihren Bestimmungsort abgeliefert werden sollten, bereits für eine – durch weitreichende Reklame angekündigte – Münchener ›Lohengrin‹-Aufführung ausgenutzt worden, so daß weder die bestellten Kostüme vorhanden, noch auch nur die dafür angeschafften Stoffe mehr vorrätig waren!


15 Unter den ›Telegrammen‹ der Tageszeitungen des In- und Auslandes las man damals: ›München, 29. Dezember. Das Wagnertheater auf dem Festspielhügel in Bayreuth ist seitens einer staatlichen Baukommission (!!) für baufällig erklärt worden: es ist daher bereits für die nächstjährigen Festspiele nicht mehr zu verwenden.‹ Eine Kommission war allerdings dagewesen, auf eine bösartige Denunziation hin, und das Ergebnis ihrer Untersuchung hatte gelautet: das Bayreuther Haus sei ein Musterbau (Siehe: H. v. Wolzogen, ›Bayreuth‹, S. 62).


16 ›Wer ist hier das »Volk«, dem diese Werke freigegeben werden sollten?‹ fragte damals mit Recht der ehemalige württembergische Generalintendant Dr. Julius v. Werther. ›Meine ehemaligen Kollegen, die Herren Intendanten und Theaterdirektoren, sind dieses »Volk«. Denen wurden die Werke Richard Wagners in zwölf Jahren freigegeben werden, d.h. sie brachten dann keine Tantiemen mehr dafür zu zahlen! Sind die Herren Parlamentarier so naiv, zu glauben, daß die Eintrittspreise alsdann großmütig von diesen Geschäftsleuten heruntergesetzt würden? Ebensowenig, wie die Bäcker das Brot billiger geben, wenn die Getreidepreise heruntergehen. Soweit ich meine Herren Kollegen kenne, werden sie darum nicht einen Pfennig herunterlassen, solange das Publikum den Wagner-Vorstellungen zuströmt. Also in der en Taschen wandert das rechtmäßige Eigentum der Erben des großen Kunstschöpfers, um den uns die anderen Nationen beneiden! Kein Wunder, daß diese Interessenten die Werke frei haben wollen!‹


17 Die ›Münchener Neuesten Nachrichten‹ vom 17. Mai 1901.


18 Abgedruckt u.a. in den ›Bayreuther Blättern‹, 1901, S. 221/26.


19 Vgl. Gesammelte Schriften X, S. 167f.


20 Wir verweisen hier nur beispielsweise auf Band V des vorliegenden Werkes, S. 246/47, um zu zeigen, wie das Münchener Hoftheater sich einer solchen Verpflichtung vielmehr in jeder Weise zu entziehen bestrebt war.


21 Siehe Dr. M. G. Conrads flammende Schrift ›Wagners Geist und Kunst in Bayreuth‹ (2 Aufl., München, 1906), S. 96/97.


22 Entnommen dem offiziellen gerichtlichen Aktenstück des Kgl. Bayer. Oberlandesgerichts zu München in der eben genannten Schrift Dr. M. G. Conrads, S. 84.


23 Als ein gelehriger Schüler beider Herren folgte dann jener holländische Musikdilettant mit dem echt ›holländischen‹ Namen Viotta, der im Mai 1905 in Amsterdam eine vollständige szenische Aufführung des ›Parsifal‹ veranstaltete. Als rechtskundiger Advokat von Fach wußte er sehr genau, bis zu welcher Grenze er sich vorwagen durfte, und berief sich darauf, diese Aufführungen seien bloß für den ›geschlossenen Kreis‹ des dortigen Wagnervereins bestimmt; die Mitgliedskarten dieses Vereins konnte sich aber jedermann aus dem Publikum noch in letzter Stunde ebensogut käuflich erwerben, wie ein gewöhnliches Theaterbillett!


24 Man vergleiche hierzu die Entstehung des Werkes (Band I des vorliegenden Werkes, S. 381), wonach es in den ersten Unterhandlungen mit dem Direktor Leon Pillet durchaus auf einen Einakter, als sog. ›lever de rideau‹ abgesehen war.


Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 6, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 786-814.
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