7.

Bereichert mit Erfahrungen für seine Kunst wie für das Leben und mit außerordentlichen Ehren überhäuft kam Wolfgang wieder heim, reifer und fertiger, aber so unschuldig und bescheiden, so kindlichen Sinnes als er fortgegangen war. Der nächste Erfolg des großen Beifalls, welchen die Oper gefunden hatte, war ein neuer Contract mit der Impresa in Mailand für die erste Oper im Carneval 1773, – deren Honorar auf 130 gigliati erhöhet wurde –, den sie noch während[219] ihres Aufenthalts in Mailand abgeschlossen hatten1. Und kaum in Salzburg angekommen erhielten sie, wie es ihnen schon angedeutet worden war, ein Schreiben vom Grafen Firmian, welcher im Namen der Kaiserin Maria Theresia Wolfgang beauftragte zur Vermählung des Erzherzogs Ferdinand mit der Prinzessin Maria Ricciarda Beatrice, Tochter des Erbprinzen Ercole Rainaldo von Modena, eine theatralische Serenata zu componiren. Die Vermählung sollte im October des Jahrs 1771 Statt finden, voraussichtlich war also der Aufenthalt in Salzburg nicht von langer Dauer. Ungenutzt wird er diese Zeit für seine musikalische Fortbildung nicht gelassen haben; bestimmt nachweisbar sind nur eine Litanei und ein Regina coeli, welche er im Mai und eine Symphonie, welche er im Juli dieses Jahrs componirte2; wodurch er auch seinen Pflichten als Concertmeister genügte. Indeß scheint es nicht, als ob er bei dem Erzbischof sonderlich in Gnaden gewesen sei; mindestens bezweifelte L. Mozart es später, daß der große Beifall, welchen die Serenata [220] in Mailand fand, den Erzbischof bewegen würde Wolfgangs eingedenk zu sein, wenn eine Besoldung ledig werden sollte. Darum wird steh wahrscheinlich Wolfgang weniger gekümmert haben als sein Vater; er benutzte aber diese Zeit um sich zum erstenmal zu verlieben. Seine Briefe an die Schwester aus der nächsten Zeit sind reich an Hindeutungen auf eine namenlose Schönheit, auf unaussprechliche Gefühle, und da wir erfahren, daß die junge Dame sich um dieselbe Zeit verheirathete, so fehlt kein Zug zu einer schwärmerischen Liebe, wie sie sich für einen sechszehnjährigen Jüngling schickt, die übrigens seinen natürlichen guten Humor nicht beeinträchtigte.

Am 21. August kamen sie wieder in Mailand an3, die Vermählung war auf den 15. October festgesetzt, das Textbuch zu der Oper aber noch nicht angelangt; man rechnete damals darauf daß ein Maestro auch darin seine Meisterschaft bewähre, daß ihm seine Kunst jederzeit zu Gebote stehe4. Die Biographien der damaligen Componisten sind voll von Zügen dieser Schnellfertigkeit, die an steh freilich nur ein zweifelhaftes Verdienst hat, aber jedenfalls ein Beweis von einer sicher und fest ausgebildeten Kunstübung ist, welche, so gewiß sie allein den Künstler nicht ausmacht, doch nie ungestraft von ihm verachtet wird. Auch trug der Charakter der [221] Italiäner, welche das Prompte und Schlagfertige in der Kunst und in jeder Geistesbildung vor Allem hoch schätzen – man darf nur an ihre Improvisatoren denken – das Seinige bei diese Richtung zu fördern. Wolfgang war deshalb auch unbekümmert; er erfreute sich des ungemein gnädigen Empfanges bei der Prinzessin Braut, ließ sich das treffliche Obst schmecken, davon er aus brüderlicher Liebe für die Schwester mitaß, und als das Buch endlich angekommen und mancher Veränderungen wegen noch einige Tage vom Dichter zurückbehalten worden war, machte er sich Anfang September mit einem Eifer aus Componiren, daß der Vater am 13. September, wo die Recitative und Chöre fertig waren, meinte, in zwölf Tagen werde wohl die Oper mit dem Ballet fertig sein, was auch so ziemlich eintraf: kein Wunder, wenn er sich beklagt, daß ihm die Finger vom Schreiben weh thaten. In dem Hause, wo sie wohnten, war über ihnen ein Violinist, unter ihnen ein anderer, nebenan ein Singmeister der Lectionen gab, gegenüber ein Oboist. Wie mancher hätte unter solcher Umgebung auf alles Musiciren verzichtet; Wolfgang aber meinte (Beil. V, 36): »Das ist lustig zum Componiren, das giebt Gedanken.« Der Tenorist Tibaldi kam fast täglich gegen 11 Uhr zu ihnen und blieb am Tisch bis 1 Uhr sitzen, während Wolfgang fortfuhr zu componiren. Auch Manzuoli, der diesesmal wirklich engagirt war5, besuchte sie öfters. Ueberhaupt war jetzt der Verkehr mit den Künstlern, die »lauter gute und berühmte Sänger und vernünftige Leute« waren, angenehm und durch keine Intrigue und Cabale gestört6. Wolfgangs bereits befestigte Stellung [222] im Publicum sowie die Gunst, welche er beim kaiserlichen Hofe genoß, mochten dazu auch das Ihrige beitragen.

Auch das Verhältniß zu Hasse, der MetastasiosRuggiero als Festoper7 componirte, war das beste. Es war keine geringe Auszeichnung daß Männern wie Hasse und Metastasio, welche den Höhepunkt bezeichneten, den die italiänische Oper erreicht hatte, der junge Mozart als bereits ebenbürtiger Meister zur Seite gestellt wurde. Es ist ein merkwürdiges [223] und bedeutsames Zusammentreffen, wie wir sie mitunter in der Kunstgeschichte finden, daß der Mann, der wie Wenige ein langes Leben hindurch die Bühne beherrschte hatte, gleichsam persönlich das Scepter dem Jüngling übergab, der bei Lebzeiten seinen Ruhm freilich nicht erreichen aber ihn dauernder der Nachwelt übergeben sollte. »Mir ist leid«, schreibt L. Mozart »die Serenada des Wolfgang hat die Oper des Hasse so niedergeschlagen, daß ich es nicht beschreiben kann.«8 Und Hasse selbst soll ausgerufen haben: »Der Jüngling wird Alle vergessen machen«9! Es sieht ihm gleich, daß er einsichtig und neidlos die künftige Größe Mozarts erkannte und pries. Sanft und gutmüthig wie er war, fanden ihn auch junge Künstler frei von Anmaßung und Scheelsucht, stets bereit fremdes Verdienst anzuerkennen und zur Anerkennung zu bringen, so Quanz10, Naumann11 und Mozart selbst, da er als Knabe in Wien mit der Künstlercabale zu kämpfen hatte (S. 89)12.

Das Festspiel vom Abbate Parini, welches Mozart componirte, hieß Ascanio in Alba und bestand aus zwei Acten, welche durch ein Ballet verbunden waren. Es war darauf eingerichtet scenische Pracht zu entwickeln, weshalb auch die Tänze eine große Rolle darin spielten und dies gab Gelegenheit mehr Chöre anzubringen als sonst gewöhnlich war. Die [224] Ballette von Pick und Fabier wurden sehr gerühmt. Vielleicht trug auch diese glänzende Ausstattung zu der günstigen Aufnahme bei; genug der Beifall war außerordentlich. Die hohen Vermählten gaben durch Klaischen, Bravorufen und Verneigen gegen den jungen Maestro das Beispiel, dem das übrige Publicum folgte; zwei Arien mußten regelmäßig wiederholt werden, die Oper erfuhr eine Reihe von Aufführungen, und der Copist hatte wieder die Partitur mehrmals abzuschreiben. Auch die Belohnung blieb diesmal nicht aus, außer dem Honorar erhielt Wolfgang eine mit Diamanten besetzte Uhr.

Nachdem die Oper vollendet war, schrieb Mozart im November noch eine Symphonie und ein Divertimento13, vielleicht für eine Akademie oder sonst auf Bestellung.

Während des Aufenthalts in Mailand war auch ein Contract mit dem Theater S. Benedetto in Venedig zu Stande gekommen, durch welchen Wolfgang beauftragt wurde für das Carneval 1773 die zweite Oper für dieses Theater zu schreiben14. Wie dies möglich war, da der Contract dieselben [225] Verpflichtungen rücksichtlich des Aufenthalts in Venedig festsetzte, welche durch den früheren schon für Mailand übernommen waren, ist schwer zu begreifen, wenn nicht etwa einige Nachgiebigkeit von Seiten des venetianischen Impresario zu erwarten, vielleicht auch versprochen war15. Indeß kam dieser Contract nicht zur Ausführung; Mozarts Stellvertreter wurde Naumann, der auf seiner zweiten Reise nach Italien grade rechtzeitig nach Venedig kam, um die zweite Oper zu übernehmen, die noch unbesetzt war, während alle anderen bereits vergeben waren. Er schrieb dann den Soliman von Migliavacca, der außerordentliches Glück machte16.

Fußnoten

1 Der Contract lautet:


Resta accordato il Sign. Amadeo Mozart per mettere in musica il primo dramma che si rappresenterà in questo Regio Ducal Teatro di Milano nel Carnovale dell' anno 1773 e le si assegnano per onorario delle sue virtuose fatiche Gigliati cento trenta, dico 130re. ed allogio mobigliato.

Patto che il sudd°. Sign. Maestro debba transmettere tutti li recitativi posti in musica entro il Mese di 8bre dell' anno 1772 e ritrovarsi in Milano al principio del susseguente mese di 9bre per comporre le arie ed assistere a tutte le prove necessarie per l'opera suddetta. Risservati le soliti infortunj di teatro e fatto di Principe (che Dio non voglia).

Milano 4 Marzo 1771.


Gl' Associati nel Regio Appalto del Teatro.

Federico Castiglione.


2 André Verzeichn. 10. 11. 111.


3 Unterwegs hielten sie sich, wie gewöhnlich auf diesen Reisen, in Alla bei den Gebrüdern Pirini (nicht Piccini, wie bei Nissen gedruckt ist) und in Verona bei Luggiati auf. Im Original steht, wie ich später gesehen habe, allerdings Piccini.


4 So schreibt Naumann am 12. Oct. 1773: »Nunmehro habe Zeit auszuruhen und mich zu präpariren vor S. Benedetto, welche den zweiten Feiertag in diescena geht; ich wünschte nur bei Zeiten das Buch zu bekommen, damit ich ruhig arbeiten kann, es ist aber hier nichts anders zu thun, eine Oper muß in einem kleinen Monat gemacht, gelernt und aufgeführt sein.«


5 Eine Probe von seinem Hochmuth erzählt Wolfgang seiner Schwester (Beil. V, 43).


6 Auch die berühmte Gabrielli, welche während dieser Zeit nach Mailand kam, lernten sie nun kennen (Beil. V, 40). Ein Urtheil Mozarts über sie, das er zwar erst später ausgesprochen hat, das sich aber auf dieses Zusammensein gründet, ist bemerkenswerth. Er schreibt (Mannheim 19. Febr. 1778) an seinen Vater: »Wer die Gabrielli gehört hat sagt und wird sagen, daß sie nichts als eine Passagen- und Rouladenmacherin war; und weil sie sie aber auf eine so besondere Art ausdrückte, verdiente sie Bewunderung, welche aber nicht langer dauerte, als bis sie das viertemal sang. Denn sie konnte in der Lange nicht gefallen; der Passagen ist man bald müde, und sie hatte das Unglück daß sie nicht singen konnte. Sie war nicht im Stande eine ganze Note gehörig auszuhalten, sie hatte keine messa di voce, sie wußte nicht zu souteniren, mit einem Wort: sie sang mit Kunst, aber keinem Verstand.«


7 Metastasio schreibt 10. Oct. 1771 (opp. post. III. p. 116f.): A dispetto della giusta mia determinazione di lasciar finalmente in pace le muse, l'adorabile mia sovrana mi a nuovamente mandato in Parnaso a mettere insieme un nuovo dramma per festeggiar le nozze dell' augusto suo figliuolo l'arciduca Ferdinando, e non è stata mai tanto meritoria la ubbidienza. Me ne a in vero largamente ricompensato l'onore ch'ella mi fa mostrandosi non ancor annojata delle mie cantilene, e dandomi sempre pubbliche prove del suo clementissimo gradimento; ma non vorrei vedermi finalmente una volta costretto ad informar tutto il mondo con qualche mia troppo debole produzione, che il zelo d'ubbidirla, che nel mio cuor sempre cresce, non basta a sostener le veci del vigor della mente che sempre scema. Il titolo del nuovo dramma è Il Ruggiero ovvero l'Eroica Gratitudine, soggetto tratto dai tre ultimi libri del Furioso di Lodovico Ariosto, e non alieno dalle nozze che si celebrano, poichè gl' eroi del dramma sono dal mio autore annoverati fra gli avi illustri della sposa reale. Nicht eine Dose, sondern eine Uhr bekam Mozart, welche später ein Kaufmann Jos. Strebl erwarb (süddeutsche Mus. Ztg. V S. 4).


8 Metastasio äußert sich unmuthig in einem Briefe an Gamera, daß er es mit aller Mühe, die er sich mit dem Ruggiero gegeben habe, doch den Theaterdirectoren nicht habe recht machen können (opp. post. III. p. 164).


9 Carpani Le Haydine p. 83. Kandler Cenni int. alla vita del G.A. Hasse p. 27: Questo ragazzo ci farà dimenticar tutti!


10 Marpurg krit. Beitr. I S. 227ff.


11 Meißner Biographie Naumanns I S. 120ff. 227. 283.


12 Misliweczeck traf hier wieder mit ihnen zusammen, da er die erste Oper für den Carneval zu schreiben hatte.


13 André Verz. 112. 138. Das letztere, welches ursprünglich achtstimmig war, hat er später vierzehnstimmig bearbeitet.


14 Der Contract lautet:


A dì 17 del mese di Agosto 1771. Venezia.


Con la presente privata scrittura, quale voglion le parti che abbia forza e vigore, come se fatta fosse per mano di Pubblico Notaro di questa ed altra Città, il Sign. Michel dall' Agata conduttore dell' opera eroica, che si dovrà rappresentare nel venturo Carnevale dell' anno 1773 principiando le recite il giorno di S. Steffano nel magnifico teatro nobile di S. Benedetto, ferma e stabilisce il Sign. Wolfgang Amadeo Mozart maestro di cappella per scrivere la seconda opera, che sarà data in detto Carnevale con obbligo di non dover scrivere in alcun altro teatro della capitale, se non ha prima eseguito la presente scrittura. Con obbligo di ritrovarsi in Venezia per li 30 Novembre 1772 per esser pronto a tutte le prove e rappresentazioni, che si doveranno fare nel detto tempo. Ed in ricompensa delle sue virtuose fatiche li viene accordato dal Sign. dall' Agata Zecchini num. settanta o sua giusta valuta, onde promette il suddetto di pontualmente adempire senza riservo di nessun' altra respettiva parte, salvo soli li patti soliti riservarsi in materia de' teatri, ed in fede vale Zecchini num. 70.


Michele dall' Agata.


15 In einem Briefe an Breitkopf (7. Febr. 1772) schreibt L. Mozart: »Wir sind den 15. December aus Mayland zurück angelanget, und da mein Sohn sich abermahlen durch Verfertigung der theatralischen Serenate vielen Ruhm erworben, als ist er abermahlen beruffen die erste Carnevals Opera des künftigen Jahres in Mayland und gleich darauf in dem nämlichen Carneval die zweyte Opera auf dem Theater S. Benedetto in Venedig zu schreiben. Wir werden demnach bis Ende kommenden Septembers in Salzburg verbleiben, dann und zwar zum drittenmahl nach Italien abgehen.«


16 Meißner Biographie Naumanns I S. 279ff.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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