XI.

Maria Anna Mozart, Wolfgangs Bäsle, die Tochter eines Bruders von Leopold Mozart, der Bürger und Buchbinder in Augsburg war1, ist geboren am 14. Jan. 1758. Sie war also zwei Jahre jünger als ihr Vetter, und ihre Bekanntschaft wurde, als er im Herbst 1777 nach Augsburg kam, rasch eine ebenso vertrauliche als lustige. Davon legen auch mehrere Briefe Wolfgangs Zeugniß ab, aus denen ich hier Auszüge mittheile, weil sie auf das lebendigste eine Seite Mozarts zur Anschauung bringen, die man nicht übersehen darf, wenn man sein ganzes Wesen verstehen will.

Es ist eine Lustigkeit, eine Neigung zu Späßen und Scherzen, die zu lachen machen, und nichts als zu lachen machen, die wir im kindlichen Alter natürlich finden, weil dort die Anstrengung des Geistes zu dieser Art demselben Erholung und Erfrischung zu geben im angemessenen Verhältniß steht. Dieser Hang zu albernen und kindischen Späßen, wie man sie bei Erwachsnen nennen muß, blieb Mozart auch in späteren Jahren eigen und hat sich nie ganz verloren. Sein Schwager Jos. Lange theilt folgende Beobachtung über ihn mit (Selbstbiogr. S. 171f.): »Nie war Mozart weniger in seinen Gesprächen und Handlungen für einen großen Mann zu erkennen als wenn er grade mit einem wichtigen Werk beschäftigt war. Dann sprach er nicht nur verwirrt durch einander, sondern machte mitunter Späße einer Art, [499] die man an ihm nicht gewohnt war; ja er vernachlässigte sich sogar absichtlich in seinem Betragen. Dabei schien er doch über nichts zu brüten und zu denken. Entweder verbarg er vorsätzlich aus nicht zu enthüllenden Ursachen seine innere Anstrengung unter äußerer Frivolität; oder er gefiel sich darin die göttlichen Ideen seiner Musik mit den Einfällen platter Alltäglichkeit in scharfen Contrast zu bringen und durch eine Art von Selbst-Ironie sich zu ergetzen.« Schwerlich ist hier eine beabsichtigte Selbstironie zu erkennen, vielmehr eine Art von unbewußter Selbsthülfe der geistigen Natur, welche der inneren Aufregung und Arbeit um das Gleichgewicht herzustellen eine solche Thätigkeit entgegenstellte, die von jener ableitete ohne selbst einen neuen bedeutenden Reiz oder eine eigentliche Anregung zu bieten. Verwandt damit ist es, daß gewisse körperliche Bewegungen und Uebungen, wie das Billardspiel, das Mozart leidenschaftlich liebte, die den Körper beschäftigten ohne ihn zu ermüden und bis auf einen gewissen Grad auch eine geistige Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, durchaus geeignet waren ihn im Gleichgewicht zu halten, so daß er seinen musikalischen Ideen und ihrer Verarbeitung innerlich sich hin geben konnte, ohne dadurch aufgerieben zu werden. Daß es grade eine Neigung zum Possenhaften ist, durch welche er sich für die ideale Thätigkeit frei macht, das was man als den Salzburger Hanswurstgeist bezeichnete, ist freilich nicht ohne Bedeutung bei einem Componisten, der in der komischen Oper das Höchste geleistet hat. Allein um so schärfer muß es hervorgehoben werden, daß in seinen künstlerischen Leistungen das Possenhafte nirgend hervortritt, daß er vielmehr alle Elemente des Komischen zum wahrhaft Künstlerischen veredelt in eine höhere Sphäre erhebt; weshalb manche Kritiker ihm sogar den eigentlichen Sinn für das Komische abgesprochen haben. Die Aeußerungen auch der geistigen Natur des Menschen, welche gewissermaßen nur aus den Bedürfnissen ihrer realen Existenz hervorgehen, sind daher von den künstlerischen Leistungen derselben wesentlich unterschieden, wenn sie gleich in einer gemeinsamen Quelle ihren Ursprung haben, und deshalb sind auch jene unserer Betrachtung nicht unwerth.

Die Briefe nur im Auszug mitzutheilen war gerathen sowohl um nicht zu ermüden, als auch weil diese Späße zum Theil in einer schon (I S. 138) berührten Richtung sich bewegen, daß sie das Schicklichkeitsgefühl und den Geschmack unserer Zeit verletzen, nicht [500] aber die Sittlichkeit. Diese Auszüge werden auch genügen um das worauf es ankommt erkennen zu lassen, die ausgelassene Lustigkeit Wolfgangs und die Gewandtheit, mit welcher er diese improvisirten Scherze rasch hinwirft. Es zeigt sich in diesen Reimereien, Wortverdrehungen und Versetzungen, in den refrainartigen Wiederholungen, so wenig Anspruch auf Witz und Gehalt sie machen können, ein gewisser Formensinn, ein lebhaftes Gefühl für die Wirkung von Klang und Rhythmus in der Sprache, wie sie auch in den Sprüchen und Liedern welche im Munde der Kinder und des Volks fortleben, häufig auf Kosten oder auch wohl gar mit Verzicht auf allen Sinn vorherrschen.

Bald nach seiner Ankunft in Mannheim schreibt Mozart:


»Allerliebstes Bäsle, Häsle!«


»Ich habe dero mir so werthes Schreiben richtig erhalten – falten, und daraus ersehen – drehen, daß der Herr Vetter – Retter und die Frau Bas–Has, und Sie wie recht wohl auf sind – Rind; wir sind auch Gott Lob und Dank recht gesund – Hund. Ich habe heute den Brief – schief von meinem Papa – haha! auch richtig in meine Klauen bekommen – strommen. Ich hoffe, Sie werden auch meinen Brief – trief, welchen ich Ihnen aus Mannheim geschrieben erhalten haben – schaben. Desto besser, besser desto! Nun aber etwas Gescheutes. Mir ist sehr leid daß der Hr. Prälat – Salat schon wieder vom Schlag getroffen worden ist – fist, doch hoffe ich, mit der Hülfe Gottes wird es von keinen Folgen sein – Schwein, Sie schreiben mir – Stier, daß Sie Ihr Versprechen, welches Sie mir vor meiner Abreise von Augsburg gethan haben, halten werden, und das bald – kalt; nu, das wird mich gewiß reurn. Sie schreiben noch ferners, ja Sie lassen sich heraus, Sie geben sich bloß, Sie lassen sich verlauten, Sie machen mir zu wissen, Sie erklären mir, Sie geben deutlich am Tage, Sie verlangen, Sie begehren, Sie wünschen, Sie wollen, Sie mögen, Sie befehlen, Sie deuten mir an, Sie benachrichtigen mir, Sie machen mir kund, daß ich Ihnen auch mein Portrait schicken soll – scholl. Eh bien, ich werde es Ihnen gewiß schicken – schlicken. Ob Sie mich noch lieb haben? Das glaub ich. Desto besser, besser desto! Ja, so geht es auf dieser Welt, der eine hat den Beutel, der andere hat das Geld; mit wem halten Sie es? mit mir, nicht wahr? Das glaub ich. Jetzt wunsch ich eine gute Nacht. – Morgen werden wir uns gescheut [501] sprechen – brechen; ich sage Ihnen eine Sache Menge zu haben, Sie glauben es nicht gar können, aber hören Sie morgen es schon werden. Leben Sie wohl unterdessen! – Was ist das? – ists möglich! – ihr Götter! – mein Ohr, betrügst du mich nicht? – nein, es ist schon so – welch langer trauriger Ton!«

»Heut den schreiben fünfte ich dieses. Gestern habe ich mit der gestrengen Frau Churfürstin gesprochen und morgen als den 6 werde ich in der großen Galla-Accademie spielen und dann werde ich extra im Cabinet, wie mir die Fürstin-Chur selbst gesagt hat, wieder spielen. Nun was recht Gescheutes! es wird ein Brief oder es werden Briefe an mich in Ihre Hände kommen, wo ich Sie bitte daß – was? – ja, ein Fuchs ist kein Haas – ja, daß – nun, wo bin ich denn geblieben? ja recht, beim Kommen, ja, jetzt fallt mirs ein, Briefe, Briefe werden kommen – aber was für Briefe? je nun, Briefe an mich halt; die bitte ich mir gewiß zu schicken, ich werde Ihnen schon Nachricht geben, wo ich von Mannheim weiters hingehe. Jetzt Numero 2! Ich bitte Sie – warum nicht? ich bitte Se, allerliebster Fex – warum nicht? daß, wenn Sie ohnedem an die Mad. Tavernier nach München schreiben ein Compliment von mir an die zwei Mllen Freysinger schreiben – warum nicht? curios, warum nicht? und die jüngere, nämlich die Frl. Josepha bitte ich halt recht um Verzeihung – warum nicht? warum sollte ich sie nicht um Verzeihung bitten? curios, ich wüßte nicht, warum nicht? ich bitte sie halt recht sehr um Verzeihung, daß ich ihr bishero die versprochne Sonate nicht geschickt habe, aber ich werde sie sobald es möglich ist übersenden – warum nicht? was, warum nicht? warum soll ich sie nicht schicken? warum soll ich sie nicht übersenden? warum nicht? cürios, ich wüßte nicht, warum nicht? Nu also diesen Gefallen werden Sie mir thun? – warum nicht? curios, warum nicht? ich wüßte nicht, warum nicht? Vergessen Sie auch nicht von mir ein Compliment von mir an Papa und Mama von die zwei Fräulein zu entrichten, denn das ist grob gefehlt, wenn man Vater und Mutter vergessen thut sein müssen lassen haben. Ich werde hernach, wenn die Sonate fertig ist, selbe Ihnen zuschicken und einen Brief dazu und Sie werden die Güte haben selbe nach München zu schicken. Nun muß ich schließen und das thut mich verdrießen. Herr Ritter, gehen wir geschwind zum heil. Kreuz und schauen wir, ob noch wer auf ist! Wir halten uns nicht auf, nichts als anläuten, sonst nichts. – [502] Nun leben Sie recht wohl, ich küsse sie 1000mal und bin wie allzeit der alte junge.


Von uns ReisendenSauschwanz Wolfgang

tausend ComplimentsAmade Rosenkranz

an Hrn. Vetter und Fr.an alle meine guten Freund

Base. Michunam ned– heunt meinen Gruß –

net5 rebotco2Fuß! addio Fex–Hex bis

7771.ins Grab, wenn ichs Leben

hab.«


Die Correspondenz war lebhaft im Gange, wie der folgende Brief vom 14. Nov. 1778 beweist.


»Ma très chère Nièce! Cousine! Fille! Mère, Soeur et Epouse!«


»Potz Himmel tausend Sakristei Kraterschwerenoth! Teufel, Hexen, Truden, Kreuzbattaillon und kein End! potz Element, Luft, Wasser und Feuer, Europa, Asia, Africa und Ameriea! Jesuiter, Augustiner, Benedictiner, Kapuziner, Minoriten, Frauziskaner, Dominikaner, Karthäuser und heil. Kreuzherren, Canonici regulares und irregulares, und alle Bärenhäuter, Spitzbuben, Hundsfötter, Cujonen übereinander, Esel, Büffel, Ochsen, Narren, Dalken und Fexen! Was ist das für eine Manier! vier Soldaten und drei Bandelier! so ein Paket und kein Portrait! Ich war schon voll Begierde – ich glaubte gewiß – denn Sie schrieben mir ja unlängst selbst, daß ich es gar bald, recht gar bald bekommen werde. Zweifeln Sie vielleicht, ob ich auch mein Wort halten werde? Das will ich doch nicht hoffen, daß Sie daran zweifeln! Nu, ich bitte Sie, schicken Sie mir es je ebender, je lieber. Es wird wohl hoffentlich so seyn, wie ich es mir ausgebeten habe, nehmlich im französischen Aufzuge.«

»Wie mir Mannheim gefällt? – so gut einem ein Ort ohne Bäsle gefallen kann. – Ich hoffe auch, Sie werden im Gegentheil, wie es auch so ist, meine Briefe richtig erhalten haben; nemlich einen von Hohenaltheim, und zwey von Mannheim, und dieser, wie es auch so ist, ist der dritte von Mannheim, aber in allen der vierte, wie es auch so ist. Nun muß ich schließen, wie es auch so ist, denn ich bin noch nicht angezogen und wir [503] essen jetzt gleich, wie es auch so ist. Haben Sie mich noch immer so lieb, wie ich Sie, so werden wir niemalen aufhören uns zu lieben. – Wenn auch der Löwe ringsherum in Mauern schwebt, wenn schon des Zweifels harter Sieg nicht wohl bedacht gewesen und die Tyrannei der Wütherer in Abweg ist geschlichen, so frißt doch Codrus, der weis' Philosophus, oft Rotz für Habermuß, und die Römer, die Stützen meines A –, sind immer, sind stets gewesen und werden immer bleiben – kastenfrey.«

»Adieu, j'espère que vous aurez deja pris quelque lection dans la langue française, et je ne doute point, que ... écoutez: que vous saurez bientôt mieux le français que moi; car il y a certainement deux aus, que je n'ai pas écrit un môt dans cette langue. Adieu cependant. Je vous baise vos mains, votre visage ... afin, tout ce que vous me permettez de baiser. Je suis de tout mon coeur


votre

trés affectioné Neveu et Cousin

Wolfg. Amadé Mozart.«


Das Leben in Mannheim mit seinen neuen Eindrücken und den Verhältnissen, welche Mozart lebhaft beschäftigten, besonders die Neigung zu Aloysia Weber, ließen die Correspondenz mit dem Bäsle etwas ins Stocken gerathen; indessen ist von dort an sie kurz vor der Abreise noch der folgende Brief geschrieben, und wenn man sich vergegenwärtigt, in welcher Lage und Stimmung Mozart damals (28. Febr. 1778) war, wird man darüber erstaunen, wie es ihm möglich war diesen Ton anzuschlagen und den Scherz mit sichtlichem Behagen an der Ausführung so im Detail zu behandeln, wie er etwa ein Musikstück ausführte. Allerdings sind dergleichen scheinbare psychologische Widersprüche tief in der Natur des Menschen begründet, jeder Aufmerksame wird sie in den verschiedensten Lebenslagen an sich und an Anderen wahrnehmen; bei einer so ungemein leicht und heftig erregbaren Natur wie Mozarts mußten auch diese Reflexe der Laune lebhaft sein. Bezeichnend für sein ganzes Wesen ist es, daß er, so wenig der harte Kampf mit seiner Neigung ihn gegen den Vater, wie ernst und streng ihn dieser auch an die Pflicht mahnt, erbittert oder überhaupt störrig und verbissen macht, sich auch den natürlichen Regungen seiner Heiterkeit unbefangen hingiebt, was auch von dieser Seite wesentlich beitrug ihn im Gleichgewicht [504] zu halten. Daß wir ihn in jeder Lage, in jeder Stimmung so durchaus einfach und wahr, immer sich selbst getreu finden, wie ihn alle seine Briefe und Aeußerungen zeigen, ist nicht allein ein Beweis, daß wir einen bedeutenden Menschen vor uns haben, sondern wir erkennen die Harmonie seiner künstlerischen Natur in seiner gesammten geistigen Organisation.

Der bezeichnete Brief lautet:


»Mademoiselle, ma trés chère Cousine!«


»Sie werden vielleicht glauben oder meinen, ich sey gestorben! – ich sey crepirt? – oder verreckt? – doch nein, meinen Sie es nicht, ich bitte Sie – wie könnte ich denn so schön schreiben, wenn ich todt wäre? wie wäre das wohl möglich? – Wegen meinem langen Stillschweigen will ich mich gar nicht entschuldigen, denn Sie würden mir so nichts glauben, doch was wahr ist bleibt wahr, ich habe so viel zu thun gehabt, daß ich wohl Zeit hatte an das Bäsle zu denken, aber nicht zu schreiben, mithin habe ich es müssen lassen bleiben. Nun aber habe ich die Ehre Sie zu fragen, wie Sie sich befinden und sich tragen? ob Sie noch offenes Leibes sind? ob Sie gar etwa haben den Grind? ob Sie mich noch können ein bischen leiden? ob Sie öfters schreiben mit einer Kreiden? ob Sie noch dann und wann an mich gedenken? ob Sie nicht zuweilen Luft haben sich aufzuhenken? ob Sie etwa gar böse waren auf mich armen Narren? ob Sie nicht gutwillig wollen Fried machen? – doch, Sie lachen – Victoria! Ich dachte wohl daß Sie mir nicht länger widerstehen könnten, ja ja, ich bin meiner Sache gewiß, obwohl ich in 14 Tagen gehe nach Paris. Wenn Sie mir also wollen antworten aus der Stadt Augsburg dorten, so schreiben Sie mir balde damit ich den Brief erhalte, sonst wenn ich etwa schon bin weg, erhalte ich statt einen Brief einen Dreck. – Na, um auf etwas Anderes zu kommen, haben Sie sich diese Fastnacht schon brav lustig gemacht? in Augsburg kann man sich dermalen lustiger machen als hier; ich wollte wünschen, ich wäre bei Ihnen, damit ich mit Ihnen recht herumspringen könnte. Meine Mama und ich, wir empfehlen uns beide dem Hrn. Vater und der Frau Mutter nebst dem Bäsle und hoffen, daß sie alle drey recht wohl auf sein mögen. Desto besser, besser desto ! Apropos, wie steht es mit der französischen Sprache? darf ich bald einen ganz französischen Brief schreiben? von Paris aus, nicht wahr?«

[505] »Nun muß ich Ihnen doch bevor ich schließe, denn ich muß bald endigen, weil ich Eile habe, denn ich habe jetzt just gar nichts zu thun, und dann auch weil ich keinen Platz habe, wie Sie sehen, das Papier ist schon bald gar, und müd bin ich auch schon, die Finger brennen mich ganz vor lauter Schreiben, und endlich auch wüßte ich nicht, wenn auch wirklich noch Platz wäre, was ich noch schreiben sollte als die Historie, die ich Ihnen zu erzählen im Sinn habe. Hören Sie also, es ist noch nicht lange daß es sich zugetragen hat, es ist hier im Lande geschehen, es hat auch hier viel Aufsehens gemacht, denn es scheint ohnmöglich; man weiß auch unter uns gesagt den Ausgang von der Sache noch nicht. Also kurz zu sagen, es war etwa vier Stunden von hier, das Ort weiß ich nicht mehr, es war halt ein Dorf oder so etwas – nu, das ist wirklich ein Ding, ob es Triebstrill oder Burmsquiek war –, es war halt ein Ort. Da war ein Hirt oder Schäfer, der schon ziemlich alt war, aber doch noch robust und kräftig dabey aussah; der war ledig und gut bemittelt und lebte recht vergnügt – ja, das muß ich Ihnen noch vorher sagen, ehe ich die Geschichte auserzähle, er hatte einen erschrecklichen Ton, wenn er sprach, man mußte sich allezeit furchten, wenn er sprach. Nu, um kurz von der Sache zu reden so müssen Sie wissen, er hatte auch einen Hund, den er Bellot nannte, einen sehr schönen großen Hund, weiß mit schwarzen Flecken. Nu, eines Tages ging er mit seinen Schafen daher, deren er elftausend unter sich hatte, da hatte er einen Stock in der Hand mit einem schönen rosenfarbnen Stockband, denn er ging niemalen ohne Stock – das war schon so sein Gebrauch. Nun weiter! Da er so eine gute Stunde ging, so war er müde und setzte sich bey einem Fluß nieder. Endlich schlief er ein; da träumt ihm, er habe seine Schaf verloren – und in diesem Schrecken erwacht er, und sahe aber zu seiner größten Freude alle seine Schafe wieder. Endlich stund er auf und ging wieder weiter, aber nicht lang, denn es wird kaum eine halbe Stunde vorbeygegangen sein, so kam er zu einer Brücke, die sehr lang war, aber von beyden Seiten geschützt war, damit man nicht hinabfallen könne. Nun, da betrachtete er seine Heerde, und weil er denn hinüber mußte, so fing er an seine elftausend Schafe hinüberzutreiben. Nun haben Sie nur die Gewogenheit und warten bis die elftausend Schafe drüben sind, dann will ich Ihnen die ganze Historie erzählen. Ich habe Ihnen vorher schon gesagt daß man den Ausgang noch [506] nicht weiß, ich hoffe aber daß bis ich Ihnen schreibe sie gewiß drüben sind – wo nicht, so liegt mir auch nichts daran, wegen meiner hätten sie herüber bleiben können. Sie müssen sich unterdessen schon so weit begnügen; was ich davon gewußt habe, das habe ich geschrieben und es ist besser daß ich aufgehört habe, als wenn ich etwa dazu gelogen hätte; da hätten Sie mir etwa die ganze Historie nicht geglaubt, aber so glauben Sie mir doch – die halbe nicht.«

»Nun muß ich schließen, ob es mich schon thut verdrießen; wer anfängt muß auch aufhören, sonst thut man die Leute stören. An alle meine Freunde mein Compliment, und wers nicht glaubt der soll mich küssen ohn End, von nun an bis in Ewigkeit, bis ich einmal werd wieder gescheit; da hat er gewiß zu küssen lang, mir wird dabei schier selbsten bang. Adieu, Bäsle! Ich bin, ich war, ich wäre, ich bin gewesen, ich war gewesen, ich wäre gewesen, o wenn ich wäre, o daß ich wäre, wollte Gott ich wäre; ich werde seyn, ich würde seyn, wenn ich seyn würde, o daß ich seyn würde, ich würde gewesen seyn, ich wäre gewesen, o wenn ich gewesen wäre, o daß ich gewesen wäre, wollte Gott ich wäre gewesen – was? – ein Stockfisch! Adieu, ma chère Cousine! wohin? – ich bin der nämliche wahre Vetter


Wolfgang Amade Mozart.«


Ob von Paris aus die Unterhaltung zwischen ihnen fortgesetzt wurde, ist mir nicht bekannt; wenigstens sind keine Briefe aus dieser Zeit aufbewahrt. Als aber Mozart auf der Heimreise begriffen war lud er das Bäsle, weil es nicht gewiß war daß er Augsburg besuchen könne, durch folgenden Brief von Kaisersheim (23. Dec. 1778) zu einem Stelldichein nach München ein.


»Ma très chère Cousine!«


»In größter Eyl und mit vollkommenster Reu und Leid und, steifem Vorsatz schreibe ich Ihnen und gieb Ihnen die Nachricht daß ich morgen schon nach München abreise. Liebstes Bäsle, sei kein Häsle! ich wäre sehr gern nach Augsburg, das versichere ich Sie, allein der Hr. Reichsprälat hat mich nicht nach Augsburg gelassen und ich kann ihn nicht hassen, denn das wäre wider das Gesetz Gottes und der Natur, und wers nicht glaubt ist –; mithin ist es halt einmal so. Vielleicht komme ich von München [507] auf einen Sprung nach Augsburg, allein es ist nicht so sicher; wenn Sie so viel Freude haben mich zu sehen wie ich Ihnen, so kommen Sie nach München in die werthe Stadt. Schauen Sie daß Sie vorm neuen Jahr noch drinnen sind, so will ich Sie dann betrachten vorn und hint, will Sie überall herumführen, doch nur eins ist mir leid daß ich Sie nicht kann logiren, weil ich in keinem Wirthshaus bin, sondern wohne bey – ja wo? das möchte ich wissen3. Nun Spassus a part – just dessentwegen ist es für mich sehr nothwendig daß Sie kommen – Sie werden vielleicht eine große Rolle zu spielen bekommen – also kommen Sie gewiß; ich werde alsdann in eigener hoher Person Ihnen complimentiren, Sie embrassiren, Ihnen was ich Ihnen etwa alles schuldig haarklein bezahlen und einen wackern lassen erschallen. Nun Adieu, mein Engel, mein Herz, ich warte auf Sie mit Schmerz


Votre sincère Cousin

W. A


»Schreiben Sie mir nur gleich nach

München poste restante ein kleines

Briefchen von 24 Bögen, aber schrei-

ben Sie nicht hinein, wo Sie logiren

werden, damit ich Sie und Sie mich

nicht finden.«


Sie kam auch in der That dorthin und Mozart lud sie ein mit ihm auf einige Zeit zum Besuch nach Salzburg zu kommen, worüber er seinem Vater Mittheilung macht (8. Jan. 1779): »Mein Bäsle ist hier – warum? ihrem Vetter zu Gefallen? – das ist freylich die bekannte Ursache! allein – nu, wir werden in Salzburg davon sprechen, dessentwegen wünschte ich sehr daß sie mit mir nach Salzburg gehen möchte. Sie geht gern; mithin wenn Sie Vergnügen haben Sie bei sich zu sehen, so haben Sie die Güte und schreiben gleich Ihrem Herrn Bruder daß die Sache richtig wird – Sie werden, wenn Sie sie sehen und kennen, gewiß mit ihr zufrieden seyn, alle Leute haben sie gern.« Auf der Rückseite des Blattes läßt sich nun das Bäsle selbst vernehmen, und da sie in Mozarts Gegenwart schreibt, so mischt dieser sich hinein, so daß folgendes komische Duett herauskommt.

»Monsieur, mon très cher Oncle! Ich hoffe Sie werden sich [508] nebst der Mademoiselle Cousine wohl befinden. Ich hatte die Ehre den Herrn Sohn recht gesund in München anzutreffen; sein Will ist, ich sollte mit nach Salzburg, noch weiß ich aber nicht, ob ich die Ehre haben werde Sie zu sehen«


[Hier ist ein Dintenfleck, dazu hat Wolfgang geschrieben: »das Portrait meiner Base, sie schreibt in Hemdärmeln«; darauf fährt sie fort]


»aber mein Vetter ist ein rechter Narr, das sehen Sie. Ich wünsche Ihnen, mon cher oncle, recht wohl zu leben, der Mademoiselle Cousine 1000 Compliment.Je suis de tout mon coeur


[Monsieur, setzt Wolfgang hinzu,

votre invariable cochon]

M.A. Mozartin.«


Die Eltern hatten gegen diesen Besuch nichts einzuwenden und das Bäsle hielt sich zu Anfang des Jahres 1779 mehrere Wochen in Salzburg auf; nachdem sie wieder heimgekehrt war, schrieb ihr Mozart noch folgenden Brief, den letzten der erhalten ist.


»Liebstes, bestes, schönstes,

liebenswürdigstes, reizendstes,

von einem unwürdigen Vetter

in Harnisch gebrachtes

Bäschen oder Violoncellchen!«


»Salzburg den 10 May 1779ni

blas mir hinteini!

gut ists, wohl bekomms!«


»Ob ich Johannes Chrysostomus Sigismundus Amadeus Wolfgangus Mozartus wohl im Stande sein werde, den Ihre reizende Schönheit (visibilia und invisibilia) gewiß um einen guten Pantoffelabsatz erhöhenden Zorn zu stillen, mildern oder zu besänftigen ist eine Frage, die ich aber auch beantworten will. Besänftigen will 1mo soviel sagen als Jemand in einer Sänfte sanft tragen – ich bin von Natur aus sehr sanft und einen Senft esse ich auch gern, besonders zu dem Rindfleisch – mithin ist es schon richtig mit Leipzig, obwohl der Mr. Feigelrapee durchaus behaupten oder vielmehr beköpfen will, daß aus der Pastete nichts werden soll, und das kann ich ja ohnmöglich glauben; es wäre auch nicht der Mühe werth daß man sich darum bückte; ja, wenn es ein Beutel voll Conventionskreuzer wäre, da könnte man so etwas endlich aufklauben, heben oder langen – darum wie ich gesagt habe, ich könnte es nicht anders geben. Das ist der nächste Preis, handeln lasse ich nicht, weil ich kein Weibsbild bin und [509] hiemit holla! Ja, mein liebes Violoncellchen, so gehts und stehts auf der Welt, der eine hat den Beutel und der andere das Geld, und wer beides nicht hat, hat nichts, und nichts ist soviel als sehr wenig und wenig ist nicht viel, folglich ist nichts immer weniger als nicht viel, und viel immer mehr als wenig, und – so ist es, so war es und so wird es sein. Mach ein End dem Brief, schließ ihn zu und schick ihn fort an End und Ort


Dero gehorsamster unterthänigster Diener.


Latus, hinüber, V. S.


P.S. Ist die Böhmische Truppe schon welck – sagen Sie mirs, meine Beste, ich bitte Sie ums Himmelswillen – ach! sie wird nun im Ueben sein, nicht wahr? O überzeugen Sie mich dessen, ich beschwöre Sie bei allem was heilig ist – die Götter wissen es, daß ich es aufrichtig meine! Lebts Thüremichel noch? wie hat sich Prost mit seiner Frau vertragen? haben sie sich schon gekriegt beim Kragen? lauter Fragen!«


»Eine zärtliche Ode.


Dein süßes Bild, o Bäschen,

schwebt stets um meinen Blick;

allein in trüben Zähren,

Ich seh' es, wenn der Abend

mir dämmert; wenn der Mond

mir glänzt, seh ichs – und weine,

Bei jenes Thales Blumen,

die ich ihr lesen will,

bei jenen Mvrthenzweigen,

die ich ihr flechten will,

beschwör ich dich Erscheinung:

auf und verwandle dich:

und werd – o Bäschen selbst!


Finis coronat opus

S.V.

P.T.

Edler von Sauschwanz.«


»Mein und unser aller Empfehlung an Ihren Hrn. Hervorbringer und Frau Hervorbringerin. Adieu Engel! Mein Vater giebt ihm seinen onkelischen Segen und meine Schwester giebt ihm tausende cousinische Küssen. Adieu – adieu – Engel!«

[510] »Mit nächster Ordinaire werde ich mehr schreiben und zwar etwas recht Vernünftiges und Nothwendiges. Und bei diesem hat es sein Verbleiben bis auf weitere Ordre. Adieu – Adieu – Engel!«4

Das Bäsle scheint die Courmacherei ihres Vetters ernstlicher genommen zu haben als dieser; wenigstens glaubte später ihre Umgebung in der Art, wie sie von ihm sprach, etwas von getäuschten Erwartungen hindurchklingen zu hören. Sie sprach nicht gern und nicht viel von dieser Zeit; musikalisch war sie nicht und hatte daher von Wolfgangs künstlerischer Bedeutung keinen eigentlichen Eindruck bekommen können, seine Lebhaftigkeit und Hastigkeit bei musikalischen Aufführungen war ihr komisch vorgekommen. – Von ihren weiteren Lebensschicksalen ist mir nichts bekannt; sie lebte später bei dem Postdirector Streitel in Bayreuth und starb dort am 25. Jan. 1841 in dem hohen Alter von 83 Jahren.


Als ein Beleg dafür daß Mozart auch in späterer Zeit einen solchen spaßhaften Ton im Verkehr mit nahe befreundeten Personen, die dafür geeignet schienen, anzuschlagen liebte, mag hier noch ein Brief an die Baronesse von Waldstetten Platz finden, die zu Mozarts eifrigsten Gönnerinnen gehörte und, wie wir sehen werden, ihm besonders die Schwierigkeiten bei seiner Verheirathung überwanden half. Ihre eigenthümliche Persönlichkeit rechtfertigte den Ton dieses Briefes5.


»Allerliebste, Allerbeste, Allerschönste,

Vergoldete, Versilberte und Verzuckerte

Wertheste und schätzbarste

Gnädige Frau Baronin!«


»Hier habe ich die Ehre Euer Gnaden das bewußteRondeau, sammt den 2 Theilen von den Comedien, und dem Bändchen Erzählungen zu schicken. Ich habe gestern einen großen Bock geschossen! – [511] es war mir immer als hätte ich noch etwas zu sagen – allein meinem dummen Schädel wollte es nicht einfallen! und das war, mich zu bedanken daß sich Euer Gnaden gleich so viele Mühe wegen dem schönen Frack gegeben – und für die Gnade mir solch einen zu versprechen! – allein, mir fiel es nicht ein; wie dies dann mein gewöhnlicher Fall ist; – mich reuet es auch oft daß ich nicht anstatt der Musik die Baukunst erlernt habe, denn ich habe öfters gehört daß derjenige der beste Baumeister sey, dem nichts einfällt. – Ich kann wohl sagen, daß ich ein recht glücklicher und unglücklicher Mensch bin! – unglücklich seit der Zeit da ich Euer Gnaden so schön frisirt auf dem Ball sah! – denn – meine ganze Ruhe ist nun verloren! – nichts als Seufzen und Aechzen! – die übrige Zeit die ich noch auf dem Ball zubrachte, konnte ich nichts mehr tanzen – sondern sprang – das soupee war schon bestellt 150; ich aß nicht – sondern ich fraß – die Nacht durch anstatt ruhig und sanft zu schlummern – schlief ich wie ein Ratz, und schnarchte wie ein Bär! – und (ohne mir viel darauf einzubilden) wollte ich fast darauf wetten daß es Euer Gnaden à proportion eben auch so gieng! – Sie lächeln? – werden roth? – o ja – ich bin glücklich! – mein Glück ist gemacht! – doch ach! wer schlägt mich auf die Achseln? – wer guckt mir in mein Schreiben? – auweh, auweh, auweh! – mein Weib! – Nun in Gotts Namen; ich hab sie einmal, und muß sie behalten! was ist zu thun? – ich muß sie loben – und mir einbilden, es sey wahr! – Glücklich bin ich, weil ich keine Auerhammer brauche um Euer Gnaden zu schreiben wie Hr. v. Taisen, oder wie er heist! (ich wollte er hätte gar keinen Namen!), denn ich hatte an Euer Gnaden selbst etwas zu schicken. – Und auch außer diesem hätte ich Ursache gehabt Euer Gnaden zu schreiben; doch das traue ich mir in der That nicht zu sagen; – doch warum nicht? – also Courage! – Ich möchte Euer Gnaden bitten, daß – pfui Teusel, das wäre grob! – A propòs; kennen Euer Gnaden das Liedchen nicht? –


Ein Frauenzimmer und ein Bier

wie reimt sich das zusamm? –

Das Frauenzimmer besitzt ein Bier,

davon schickt sie ein' Bluzer6 mir,

so reimt es sich zusamm.«


[512] »Nicht wahr das hätte ich recht sein angebracht? – Nun aber senza burle. Wenn mir Euer Gnaden auf heute abends einen Bluzer zukommen lassen könnten, so würden sie mir wohl eine große Gnade erweisen. – Denn, meine Frau ist – ist – ist und hat Gelüste – und aber nur zu einem Bier welches auf englische Art zugerichtet ist! – nun brav, Weiberl! – ich sehe endlich daß du doch zu etwas nütze bist! – Meine Frau, die ein Engel von einem Weibe ist, und ich der ein Muster von einem Eheman bin, küssen beyde Euer Gnaden 1000mal die Hände und sind ewig dero


getreue Vasallen

Mozart magnus, corpore parvus

et

Constantia, omnium uxorum pulcher-

rima et prudentissima


»Wien den 2ten October

1782

an die Auerhammer bitte kein Kompliment.«


Die Leichtigkeit komische Situationen und Einfälle aufzufassen und festzuhalten um ihnen eine bestimmte Darstellung zu geben veranlaßte Mozart noch zu manchen kleinen Leistungen. An Gelegenheitsgedichten mit ziemlich losen und lockeren Reimereien, wie sie damals üblich waren, ließ er es nicht fehlen – es sind davon schon einige Beispiele mitgetheilt worden (I S. 138. 142). Bei Redouten entwarf er die Pläne zu kleinen Pantomimen und schrieb dann die Musik dazu7; ja, er machte verschiedene Ansätze zu Lustspielen oder vielmehr Possen, die aber, wie begreiflich, nicht über die ersten Anfänge hinauskamen; es wäre auch Schade gewesen, wenn Mozart mehr Zeit darauf verwendet hätte. Da Reliquien der Art sich erhalten haben, so mögen sie hier auch ihren Platz finden.

[513] Die eine Posse führt den vielversprechenden Titel Der Salzburgerlump in Wien, und es war damit vielleicht auch auf eine Satire abgesehen. Erhalten ist davon nur der folgende Ansang eines Entwurfs.8


»Erster Ackt.

Erster Auftritt.

Hr. Stachelschwein liest eben einen Brief, den er von Salzburg von seiner Mutter erhalten hat, welche ihm den Tod seines Vaters berichtet. – er bezeuget Schmerz über seinen Verlust, freuet sich aber zugleich über seine Erbschaft. – Dazu kommt


2ter Auftritt.

Hr. Intriguant – freuen sich beide einander zu sehen. – Hr. Intriguant erzählt ihm was ihm alles seit der Zeit als sie mit einander im Polizey-Haus saßen, begegnet ist. – Hr. Stachelschwein sagt seinem Freund daß er nun durch den Todesfall seines Vaters bald in bessere Umstände kommen werde; – er wolle ihm nächstens das mehrere erzählen, dermalen müsse er eilen – Hr. Intriguant fragt ihn, ob er vielleicht zum Fiata oder Scultettj gienge – Hr. Stachelschwein antwortet zu keinem aus beyden, sondern zum Kitscha – und so gehen sie auseinander.


3ter Auftritt.

Frau v. Scultetti und ihr Tochter.

Fr. v. Scult. beklagt sich, daß, da es schon 10 uhr ist, Hr. Stachelschwein noch nicht erscheint. – Die Tochter sagt, sie seye froh, so erspare sie einen Rauch zu machen. – Sie reden von unterschiedlichen Sachen; endlich wird gepocht.


4ter Auftritt.

Hr. Stachelschwein und Vorige. –

Hr. Stachelschwein sagt: unterthänigster Diener. – Man spricht von verschiedenen Sachen, unter andern von der neuen Oper. – Hr. v. Stachelschwein frägt sie, ob sie darinnen war, und ob sie ihr gefallen habe. – Fr. v. Sculteti sagt sie habe ihr gar nicht gefallen. – auf die Frage warum? – sagt sie, es wäre ihr zu warm. –«

Hier bricht der Entwurf zu Anfang der zweiten Seite ab; [514] man sieht, er ist so liegen geblieben. Weiter gekommen war er mit einem Lustspiel in drei Aufzügen Die Liebesprobe, von welchem ein Bogen erhalten ist und da derselbe ganz beschrieben ist und mitten im Dialog abbricht, so kann wohl noch mehr von Mozart niedergeschrieben sein; daß er das Stück vollendet habe ist kaum anzunehmen. Dieser Anfang lautet folgendermaßen9.


Die Liebes-Probe.

Ein Lust Spiel in Drey Aufzügen.


Personen:


Hr. von Dumkopf

Rosaura, seine Tochter

Trautel, dessen kammer Mädchen

Leander, Liebhaber der Rosaura.

Wurstl, sein bedienter.

Hr. von knödl, Liebhaber der Rosaura.

kasperl, Hausknecht des Hr. von Dumkopf.

Die Hexe Slinzkicotinzki.

Eine Zwergin.

Eine Riesin.


Erster Aufzug.

Erster Auftritt.


Das Theater stellt eine angenehme Gegend vor. – links und rechts sieht ein ähnliches Haus.

Man hört schnalzen und Posthorn blasen. Wurstl fährt den Leander auf einem schubkarrn heraus. – bläst und schnalzt.


Wurstl leert den schubkarrn aus.


Da sind wir.


Leander Der sich von dem boden aufricht.


Du ungeschickter kerl, was hast du denn gemacht.


Wurstl.


Allons. ausgespannt.


Leander.


Du verdamter Esel! – wirst man denn seinen Herrn so hin! – es wäre kein Wunder wenn ich mir arm und bein gebrochen [515] hätte ich hätte herzlich lust dich wacker herum zu Prügeln. – Doch – Dein glück daß die begierde, meine geliebteste Rosaura wie eher wie lieber wieder zu sehen, und zu umarmen, zu gros ist, als daß ich mich weiters mit einem solchen lassen, wie du mein sauberer Herr von Wurstl bist, länger aufhalten sollte. –


Wurstl.


Lieber Herr Poltron ...


Leander.


Was sagst du, flegel? – Poltron! – Patron wirst du sagen wollen.


Wurstl.


Nun Ja: Patron, ich habe mich nur veredet. – Nun also, liebster, bester Herr Pol-Patron Sprech' ich; nemmen sie mirs nicht übel, ich hab' es Ja nicht aus unschicklichkeit sondern mit fleis gethan; und mein Eyfer sie bald und geschwind hieher zu bringen war so Eyfrig und geschwind, Daß ich aus lauter Eyfer und geschwindigkeit nicht wußte soll' ich sie herwerfen oder herschmeißen.


Leander.


Du bist halt sammt deinem Eyfer und geschwindigkeit der größte Esel den ich in meinem leben gesehen; – Je nun, für diesmal will ich es dir noch verzeihen, aber ein andermal ...


Wurstl.


Ein andermal will ichs schon besser machen.


Leander.


Was? – noch besser willst du es machen? –


Wurstl.


Natürlich! – wenn ichs heut schlecht gemacht hab, muß ichs Ja ein andermal besser machen.


Leander.


Ja so wohl; – Nun gehe, und mache Daß ich bald das glück wieder genüssen kann meine geliebteste und anbetungswürdigste Rosaura zu Sprechen. – Allons: frisch; klopfe an. – Der teufel – welches Haus ist es wohl? – Dies rechts, oder Jenes links? – es sind nun schon Drey volle Jahre daß ich abwesend bin, und es ist mir nicht möglich unter diesen beyden Häusern zu unterscheiden welches Das rechte seye. –


[516] Wurstl.


Poz Sackel voll Mehl; ich auch nicht; – Quod est faciendi, was ist zu machen?


Leander.


Das weis ich selbst nicht; – ich möchte nicht gerne an unrechte leute kommen. – weist du was Wurstl – horche ein wenig an beyden Häusern ob du nicht eine Weibliche Stimme vernemmen kannst, welche mit der bezaubernden Stimme meiner schönen Rosaura eine ähnlichkeit hat. –


Wurstl.


Das ist g'scheid. – wenn meine trautel redt, die kenn ich gewiß gleich – die hat eine Stimme wie eine kuhklocken. – Nun wollen wir das Werk mit freuden ergreifen. Er geht an beyde Häuser und schmeckt.


Leander.


O Rosaura! wie sehne ich mich nicht nach dem glücklichen augenblick dich wieder zu sehen – zu umarmen. – Nun Wurstl – hörst du was? – was teufel machst du denn? – warum schmeckts du denn so herum? –


Wurstl.


seyens doch still. – wenn Meine trautel in einem von diesen beyden Häusern ist, so schmeck ich sie gewis; – ich kenn ihren geruch noch ganz gut; aber seyens Mäusel Still, das sag ich ihnen, sonst verlier ich den geruch, und dann ....


Leander.


Nun so mach nur hurtig.


Wurstl schmeckt an dem Hause rechts.


Pfui, Pfui .... das ist ein gestank! – Da ists nichts. Schmeckt an dem Hause links. a ha! – welch himmlisch-süßer geruch! – Ja, Ja, du kommst von meiner lieben trautel; – Nu – geschmeckt hab ich dich, izt möcht ich dich auch gern sehen. Er klopft an. trauterl, komm heraus; – liebs trauterl.


Zweiter Auftritt.

Eine Riesin; und die Vorigen.


Riesin.


Da bin ich, was will der Herr? –


[517] Wurstl zurückprellend.


Poz tausend, die ist gewachsen! – (zur Riesin) Ja. – bist es, – oder bist es nicht? –


Riesin.


Ja, mein liebs Wursterle, ich bin es; – ich bin dein liebs treues trauterle; – komm laß dich umarmen. Umarmt ihn.


Wurstl.


Auweh! – hab mich nur nicht gar zu lieb: du erdrückst mich ja ganz. – Du warst sonst so ein artiges kleines Ding, so kurz beysamm, und izt bist eine völlige Heygeigen; sag mir doch, wie ist den das zugegangen daß du auf einmal so aufgeschossen bist? –


Riesin.


Ja, das will ich dir gleich erzehlen, mein Herzenswursterl. – höre.


Leander.


Gute trautel – es kömmt mir zwar etwas schwer dich also zu nennen, da es mir fast ohnmöglich scheint, daß du die trautel das kammer Mädchen meiner angebettenen Rosaura seyest – Doch will ich mir alle Mühe geben es zu glauben, und dich – trautel nennen; – ich bitte dich also, liebe trautel, Spare deine Erzehlung auf eine gelegenere zeit, und mache lieber daß meine schöne Rosaura herauskömmt, denn ich muß sie sehen, Sprechen, umarmen, und – was weis ich alles.


Riesin.


gut, die sollen sie gleich sehen; – o Das wird eine freude seyn! – Doch – Da kömmt sie selbst schon.


Dritter Auftritt.

Eine Zwergin, und die Vorigen.


Riesin zu Leander.


Nun, so gehen sie ihr entgegen.


Leander.


wo Denn? – ich sehe nichts.


Wurstl.


ich auch nicht.


[518] Riesin.


Nun, da; – geben sie acht – Ey, izt haben sie sie getreten.


Die Zwergin weint und schreyt wie ein kleines kind.


Leander.


Es thut mir leid – aber – bei Gott, Das kann Ja nicht meine Rosaura seyn –


Wurstl.


Das ist Ja gar ein fatschenkind.


Zwergin.


Und Doch bin ich es, mein Liebster; – Ja ich bin deine getreue – weis aber nicht ob ich noch deine geliebte Rosaura bin!


Leander.


Ach, nun erkenne ich dich! – wenn du schon in deiner äußerlichen gestalt nicht mehr das bist, was du warst; – so bist du doch in deinen gesinnungen noch die nemliche.


Wurstl zu Leander.


Herr Patron; die ihrige ist weniger worden, und die meinige mehrer, folglich ist die meinige auch vornemer.


Leander zu Wurstl.


Ja, die deine ist aber zu viel worden.


Wurstl zu Leander.


und die ihrige zu wenig.


Zwergin.


Ich kann es ihnen, bester Leander, zwar nicht verdenken, daß sie befremdet sind mich in dieser kleinen gestalt zu sehen; Doch wünschte ich daß sie ihrer Verwunderung endlich ein ziel setzen, und sich wieder als der verliebte und zärtliche Leander gegen mich betragen möchten.


Leander.


Englische Rosaura; sie thun mir im höchsten Grade unrecht; – Erlauben sie daß ich zum beweise meiner unverbrüchlichsten treue und liebe ihre schöne Hand oder vielmehr Handerle küssen darf. Er knieet nieder und küßt ihr die Hand. – – – –

Fußnoten

1 Im Kirchenbuch wird der Vater Joseph Ignaz genannt, während Leopold nur von seinem Bruder Franz Aloys spricht.


2 Verschrieben statt November.


3 Er wohnte dort bei Webers.


4 Diese Worte sind rund um eine flüchtig hingezeichnete Caricatur eines Gesichts geschrieben.


5 Das Original besitzt Hr. Aug. Artaria in Wien. Der Brief ist, wenn ich nicht irre, in einer Berliner Zeitung abgedruckt und sogar, sehr mit Unrecht, seine Authenticität bezweifelt worden.


6 Blutzer ächt wienerisch für Krug, Steinkrug.


7 Von einer solchen Pantomime, welche im Fasching 1783 aufgeführt wurde, berichtet er seinem Vater (12. März 1783). Die Erfindung wie die Musik war von Mozart, der den Arlechino vorstellte, Colombina war die Lange und deren Mann Pierot, ein alter Tanzmeister Merck, der die Darsteller einübte, machte denPantalone, der Maler Grassi den Dottore. Der Spaß gelang; »ich sage Ihnen,« schreibt er »wir spielten rechtartig.«


8 Das Original war im Besitz von Al. Fuchs, bei dem ich es abgeschrieben habe.


9 Das Original besitzt Dr. H. Härtel; es ist veröffentlicht A. M. Z. XLIII S. 17ff.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon