II.

Ich stelle hier noch eine Anzahl von Lobgedichten zusammen, welche auf Mozart als Wunderkind verfaßt worden sind; sie sind charakteristisch für die Zeit und bei allem Unterschied zwischen Deutschland und Italien versetzen sie uns unmittelbar in den damaligen Zustand der Bildung und des Geschmacks, in die geistige Atmosphäre des Zopfs und Reifrocks, aus welchem das angesungene Genie sich herausarbeiten mußte.


1. Sinngedicht


zur Ehre des Herrn Wolfgang Mozart.


Es hatte die Natur der alten Dichter Träume

mit Ekel lang genug geduldig angehört:

bald wenn ein Orpheus die Thiere, Felsen, Bäume

auf seiner Lauten Schall entzückt zu tanzen lehrt;

bald läßt sich ein Apoll dort auf die Erde nieder,

wenn von dem Göttersitz ihn seine Schuld verbannt,

und als verstellter Hirt macht er die ersten Lieder

bey seiner Lämmer Schaar den Sterblichen bekannt;

bald muß Mercurs Gesang den Argus schläfrig machen,

der für die schöne Kuh mit hundert Augen wacht.

Gedichte, Fabelwerk, ein Chaos seltner Sachen,

ein eitles Hirngespinst der schlafelosen Nacht,

gelehrte Mißgeburt, die oft bey freyen Stunden

des Dichters leichter Geist in seiner Hitz' gebar,

zum Trotze der Natur, zum Scherze nur erfunden,

womit das dumme Volk selbst gern geäffet war.

So überstieg der Mensch durch frevelndes Erfrechen

die Ordnung der Natur, die dieser Schimpf verdroß,

und um den kühnen Stolz mit gleicher Art zu rächen,

ein neues Wunderwerk zu schaffen sich entschloß.

[146] Da, wo der Salzastrom aus finstern Klippen eilet,

wo er das flache Land mit reiner Fluth begrüßt

und dem beglückten Ort die schöne Stadt vertheilet,

die sich jetzt eine Burg von dessen Namen heißt,

ließ die Natur ein Kind des Tages Licht betreten,

ein Kunststück ihrer Hand, ein wundervolles Kind,

durch dessen Fähigkeit die Fabeln der Poeten,

die man mit Recht verlacht, Geschichten worden sind.

O Knab'! dein edler Geist hat dich so weit erhoben,

daß mein zu schwacher Kiel von dir nur niedrig spricht;

ja! soll man deinen Werth, wie du verdienest, loben,

so halt die Nachwelt doch den Ruhm für ein Gedicht.

Wer glaubte daß ein Kind sogar mit sieben Jahren

schon in der Musik-Kunst den ersten Meistern gleicht?

daß, was kaum Wenige durch langen Fleiß erfahren,

statt eitlem Kinderspiel dein früher Trieb erreicht?

Doch nein! der schnelle Ruf, der Lohn so seltner Gaben,

hat deinen Namen schon der ganzen Welt geweiht,

die Proben deiner Kunst, so fremde Völker haben,

verkünden deinen Ruhm der späten Ewigkeit.

Mit dir hat die Natur die Gränzen überschritten,

die Häupter dieser Welt erkennen deinen Werth:

der Deutsche, der Franzos', der tiefe Sinn der Britten

sind stolz auf den Besuch, mit dem du sie beehrt;

sie preisen jenes Land, so dich der Welt geboren,

und deiner Vaterstadt beneiden sie das Glück;

sie klagen, daß sie dich bald wiederum verloren

und denken noch entzückt auf deine Kunst zurück.

Der Zufall gönnte mir die Ehre dich zu kennen,

und dein belebter Geist nahm mich gleich Andern ein:

du würdigtest dich gar mich deinen Freund zu nennen,

mein Wolfgang, könnt' ich doch bey dir noch länger seyn!

Ich wünsche dir (darf ich noch meinen Wunsch beyfügen)

nur die Unsterblichkeit, sie ist dein Eigenthum.

Ja! wärst du doch, mein Freund, den Eltern zum Vergnügen,

die deiner würdig sind, unsterblich wie dein Ruhm!


Salzburg den 2. März.


Ergebener Diener und Freund

Christoph v. Zabuesnig, von Augsburg,

als Durchreisender1.


[147] 2. Amadeo Mozart


dulcissimo puero

et elegantissimo lyristae


Antonius Maria Meschini Veronensis.


Si rapuit silvas Orpheus, si Tartara movit,

nunc tu corda, puer, surripis, astra moves.


Così come tu fai,

suonando il biondo Apollo

colla sua cetra al collo

spandea celesti rai.

Ma no, che col suo canto

teco perdeva il canto.


Das lateinische Distichon gab zu folgenden Versen von Ignaz Anton Weiser Veranlassung2:


Kann Wald und Hölle dort ein Orpheus bewegen,

so kannst du Wunderknab! Sinn, Herz, ja Sterne regen.


Beweget Orpheus die Hölle, Wälder, Bäume,

so zeigest du, o Knab! mehr Wahrheit jener Träume.


Des Orpheus alte Ley'r konnt' Holz und Steine regen:

was wird dein neuster goût, o Knabe! nicht vermögen?


So hoch die Tönekunst des Orpheus ist gestiegen,

so tief muß er sich nun vor dir, o Knabe! schmiegen.


Daß man in dir, o Knab! den Orpheus hört und sicht,

erhellt durch Ohr und Aug, und nicht mehr durch Gedicht.


Dort weiß den Orpheus nur Griechenland zu loben,

die ganze Kennerwelt hat dich, o Knab! erhoben.


Orphev! wenn dieser Knab auf Saiten spielt und singet,

so glaub, daß deine Ley'r noch unvollkommen klinget.


Laß Orphev! nicht zu hoch dein Ruhmgetöne steigen,

hör dieses Knaben Stimm und Klang, so wirst du schweigen.


[148] Sieh vor die Wunder ein, die dieser Knabe thut,

dann, Orphev! sag, ob auch sey deine Zither gut.


Lern Orpheus! wer itzt der Töne Künstler seyen,

dann lasse dich in Streit mit unserm Knaben ein.


Es flößet Orpheus den Steinen Leben ein,

wenn er dich hört, o Knab! wird Orpheus zu Stein.


Sieht man den Zeitenlauf der beiden Künstler an,

ist Orpheus ein Knab, und unser Knab ein Mann.


3.


Al Signore Amadeo Mozart

giovenetto ammirabile

Sonnetto estemporaneo.

Se nel puro del ciel la cetra al canto

desta fra dolci carmi il divo Amore,

onde quanto è quaggiù col vario errore

al conosciuto son responde intanto;

Bene, o amabil garzon, darti puoi vanto,

che tu reformi l'armonia migliore;

poi che natura in te scolpi nel core

tutte le note di quel plettro santo.

Voi, che tant' anni in sù le dotte carte

per isfogar l'armonico desio

l'opra chiedete, ed il favor dell' arte,

Voi sapete s'egli erra il pensier mio;

che al dolce suon delle sue note sparte

ite dicendo: se la fè sol Dio.


In argumento di maraviglio e di amore

Zaccaria Betti3.


4. Al Signor Amadeo Wolfgango Mozart


Anacreontica4.


Genietti lepidi,

genietti gai,

quà presto rapidi,

ch' io v'invitai,

fate corteggio

al dolce arpeggio.


No, non ingannomi,

voi siete quelli

vezzosi, amabili,

cortesi e belli,

che à danze liete

sempre siedete.


[149] E Grazie e Venere

vengon con voi,

piacer vi deggiono

i pregi suoi:

genietti ei v'ama,

suona e vi chiama.


A sei bell' indole

ai capei d'oro,

quasi uno sembrami

del vostro coro:

come furbetti

son quelli occhietti!


Non v'innamorano

le vermigliozze

guancie mollissime

e ritonduzze?

stiansi librate

l'ali dorate.


Non v'innamorano

que' vivi accenti,

che in note or languide,

ora vementi

ghorgeggia spesso

con Febo istesso?


Vè come tremola

le dita e vibra,

al docil cembalo

tenta ogni fibra;

e a voi fà parte

dell' agil arte.


Europa videlo

in fresca etade

di se riempiere

le sue contrade;

guai, se l'udiva

la Cipria diva.


Dunque a chè noiavi

tardare un puoco?

elli può accendervi

del suo bel fuoco;

genietti ei v'ama,

suona e vi chiama.


E se la nobile

santa Armonia,

che i pensier torbidi

da l'alma obblia,

che desta in petto

l'astro e l'affetto,


Tanto dilettavi,

rallegra e piace,

frenato il celere

volo fugace;

mà nò, se udite,

più non partite.


Picciol fascielo

di scelti fiori

le tempie tenere

intanto onori,

voi giel recate,

genii e n' andate.


Di me tacceteli

qual io mi sia,

assai più nobile

e grata sia

questa corona

che il genio dona.


5. Per la partenza del Sigr. A.W. Mozart


da Firenze5.


Da poi che il fato t' ha da me diviso,

io non fò che seguirti col pensiero,

[150] ed in pianto cangai la gioja e il riso,

ma in mezzo al pianto rivederti io spero.


Quella dolce armonia di paradiso

che da un estasi d'amor mi aprì il sentiero,

mi risuona nel cuor e d'improvviso

mi porta in cielo a contemplare il vero.


Oh lieto giorno! o fortunato istante

in cui ti vidi e attonito ascoltai

e della tua virtù divenni amante!


Voglian li Dei che dal tuo cuor giammai

non mi diparta! Io ti amero costante,

emul di tua virtude ognor mi avrai.


In segno di sincera stima ed affetto

Tommaso Linley.

Fußnoten

1 Als Wolfgang nach Paris reiste, schrieb ihm sein Vater (25. Sept. 1777): »Den Herrn Christoph von Zabuesnig, der die schöne teutsche Poesie in Salzburg über dich gemacht, mußt du auch besuchen; er ist ein Kaufmann und ein Gelehrter. In Augsburg kann was Schönes und Nachdrückliches durch diesen Herrn in die Zeitung kommen.«


2 Nach einer Abschrift bei Alois Fuchs.


3 Verona, Januar 1770.


4 Von Signora Sartoretti in Mantua (Jan. 1770).


5 Anfang April 1770.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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