[324] Neun und dreyßigstes Schreiben.

Anmerkungen über die genuesische Seeküste und die Stadt Livorno.

Die Reise von Genua nach Lucca ist zu Lande sehr beschwerlich und mißlich, sowohl wegen der schlimmen Wege als elenden Wirthshäuser, wozu noch öfters die Unsicherheit der Straßen kömmt, und thut man daher am besten, im Falle man Mayland schon besehen hat, daß man mit einer Felucke von Genua nach Livorno gehe, sonderlich im Herbste und zur Winterszeit, da sich die barbarischen Raubschiffe nicht so sehr der italienischen Küste nähern, und der Wind gemeiniglich vom fußfesten Lande wehet, also daß man vermittelst dieser Tramontana den Hafen von Livorno leicht in zween Tagen erreichen kann. Rand rechts: Beschwerlichkeit der Landreise. Rand rechts: Reise zu Wasser. Der Paß eines Consuls, dessen Nation mit den africanischen Raubnestern in Frieden steht, kann zwar nicht schaden, ist aber doch nicht so nöthig, als der Gesundheitspaß, womit man sich versehen muß. Rand rechts: Pässe der Consul. Bey jenen habe ich zu verschiedenen malen bemerkt, daß die Consul sichNos schreiben und auf dem Pitschaft ihr Namen mit um das Wapen ihres Königs gesetzet sey. Beydes thun auch die kaiserlichen Residenten zu Konstantinopel.

Von Genua bis Livorno werden hundert und zwanzig italienische Meilen gerechnet, und zahlet man bis dahin für eine besondere Felucke drey bis vier Pistolen. Dieses Fahrzeug ist eine Art von leichten und schmalen Brigantinen, so sich nicht weit vom Ufer entfernet, und bringt man dannenher die Nächte, wenn der Wind nur ein wenig unsicher oder einige Gefahr von Räubern obhanden ist, in einem an der See gelegenen Orte zu. Man ist in einer Felucke ohne Verdeck, und führet sie zehn bis zwölf Personen. Bey günstigem Winde bedienet man sich nebst den Rudern auch der Segel.

Von Genua bis Capo fino oder Punto fino werden funfzehn italienische Meilen gerechnet, und fährt man vor Nervi und Camogli vorbey. Rand rechts: Felucke. Diese Küste ist mit verschiedenen andern Dörfern und zerstreueten einzelnen Häusern besetzet; Capo fino aber ein langer unfruchtbarer Fels, auf dessen Spitze gegen Morgen ein Castel angeleget ist, und nimmt daselbst der Golfo oder Seebusen von Rapallo, der als ein Amphitheater artig bebauet ist, seinen Anfang. Zwischen Rapallo und Lavagna liegt an der Küste ein großer und weitläuftiger Ort, Giaveri genannt, welchen viele Landkarten auslassen. Von Lavagna an ist das Ufer nicht mehr so gut bebauet.

Sestri di Levante ist ein kleiner Ort, der dreyßig italienische Meilen von Genua liegt, und von Sestri di Ponente, so auf der Abendseite sechs Meilen von Genua entlegen ist, unterschieden werden muß. Rand rechts: Sestri di Levante. Wenn man vor Sestri di Levante vorbey ist, sieht man die am Ufer gelegenen Plätze Framula, Bonaciota, Levanto, Monte Rosso, Vernazza, Corniglia, Menarola und Rimagione. Die letztern fünf Orte liegen vom Capo del Mesco oder di S. Antonio bis Capo oder Porto di Venere nahe bey einander und werden le cinque terre genennt. Rand rechts: Le cinque terre. Von Capo di Venere hat man noch fünf Meilen über den Golfo della Spetia nachLerici, von welchem Orte man sechszig Meilen nach Genua und eben so viele nach Livorno rechnet. Rand rechts: Unfruchtbares Ufer. Außer denen obgedachten Orten ist das Ufer von Lavagna an bis Capo Venere[325] ein bloßer unbebaueter Fels, worauf weder Getraide noch Wein, Gras oder Holz wächst, und müssen die Einwohner ihre Nahrung allein von der Fischerey nehmen.

Il Punto di Venere ist mit zweyen Castelen befestiget, und fährt man bey dem letzten durch eine Enge, so etwan zweyhundert Schritte in der Breite und zur Rechten die felsichte Insel Palmaria hat, in den sehr angenehmen Seebusen von Spetia, welcher mit vielen Städtchen, Flecken, und einer Menge von Oelbergen oder Oelgärten umgeben ist. Rand links: Il Punto di Venere. Rand links: Golfo di Spetia. Der Oelbaum gleicht einer Weide, ist von schlechtem Anse hen und selten gerade gewachsen. Rand links: Anmerkungen vom Baumöle. Er bleibt durchs ganze Jahr grün, und wird sehr groß, ohne einiger Wartung nöthig zu haben. Wenn die Frucht reiset, wird ihre äußere Schale schwarz, unter derselben ist etwas rothes, der Saft und das Fleisch aber sind weiß. Je reifer die Beeren oder Früchte sind, desto mehr Oel geben sie, und geschieht es dannenher, daß sie auf den Boden der Häuser eine Hand hoch aufgeschüttet noch einige Zeit liegen bleiben, um überreif zu werden; das Oel aber ist alsdann nicht so gut. Es ist zu verwundern, daß ein so süßer Saft aus einer so bittern Frucht, als die Oliven sind, auch wenn sie zu ihrer besten Reise gelanget, kann gepresset werden. Nicht weniger fremd kömmt es Ausländern vor, wenn sie sehen, daß das gemeine Volk sich allhier von Jugend auf gewöhnet, diese bittern Beeren, wenn sie reif sind, sowohl trocken, als in anderes gutes Oel eingetauchet, als etwas wohlschmeckendes zu essen. Die Vögel sollen einen viel bessern Geschmack als sonst haben, wenn sie von diesen Früchten und ihren Kernen fressen. Die Kälte macht, daß die Früchte ein wenig zusammen schrumpfen, allein es schadet ihnen solches nicht, und so bald das Wetter warm wird, füllet sich alles wieder mit Saft und Mark an. Die Zeit ihrer Reifung selbst von einem einzelnen Baume ist nicht einerley. Etliche kommen zu ihrer Vollkommenheit, sobald die Weinlese vorbey ist, nämlich schon im September und October, bey andern verzögert es sich länger und wohl gar bis in den May, da die Blüte, welche weiß und so klein als der Knopf einer großen Nadel ist, wieder hervor bricht, und man sodann bisweilen Blüte und reife Früchte beysammen findet. Wenn man den Baum schüttelt oder an seine Aeste schlägt, fallen die reisen Beeren ab, da man sie dann aufsammelt, und unter großen Steinen, welche vom Wasser oder von Eseln herum getrieben werden, mit samt ihren Kernen zermalmet, in einer Art von Körben unter große Pressen bringt, mit heißem Wasser begießt und vermittelst einer Arbeit von drey bis vier starken Kerlen, die mit Hebebäumen die Presse zusammen zwingen, einen röthlichen Saft herausbringt, welcher unten in ein Loch zusammen läuft und das Oel obenauf schwimmend hat. Die ausgepreßten Hülsen werden zur Feuerung gebraucht und geben auch ungetrocknet ein schönes Licht. Das weiße durchsichtige Oel ist das beste, und wenn die Farbe sehr goldgelb ist, kann man daraus abnehmen, daß das Oel entweder aus überreifen Früchten gepresset worden, oder schon lange liege und alt sey. Das gute Oel muß auch ohne allen Geruch und dicke Fettigkeit seyn.

L'Oglio Vergineo wird sowohl aus grünen und unreifen Beeren, als aus reisen Früchten gemacht, jedoch mit diesem Unterschiede, daß kein heißes Wasser, oder sehr wenig davon, bey der Auspressung gebrauchet wird, und dadurch die Beeren weniger angegriffen, auch wenigere Herbigkeit und Cruditäten heraus gezwungen werden. Rand links: L'Oglio Vergineo. Auf solche Art bekömmt man zwar weniger Oel, allein dasselbe ist weißer, angenehmer und allem andern mit Rechte[326] vorzuziehen. Die Alten nennten es grünes Oel, vermuthlich von den grünen und unreifen Beeren, woraus es bereitet wurde, und wird hiedurch eine Stelle SVETONII erläutert, welche andeutet, daß Julius Cäsar aus bloßer Höflichkeit altes und verdorbenes Oel an statt des grünen gegessen, um demjenigen, der ihn zu Gaste gebethen hatte, keinen Vorwurf einer Unhöflichkeit oder Nachläßigkeit zu machen1. Es erklären etliche Ausleger der h. Schrift nicht unbillig von diesem grünenals dem besten Oele, wenn der Psalmist die Glückseligkeit, womit ihn Gott gesegnet hatte, im eilften Verse des zwey und neunzigsten Psalms mit folgenden Worten ausdrücket: Ich bin gesalbet mit grünem Ocle. Es hindert nicht, daß COLVMELLA an einem Orte, und SERVIVSad Georg. lib. II, v. 86 das grüne Oel vom süßen unterscheiden, und jenes als bitter beschreiben; weil solches daher kommen muß, daß in manchen Orten die Gewohnheit gewesen, aus den unreifen Beeren vermittelst des heißen Wassers, das man bey der Presse gebrauchet, das Oel zu erzwingen.

Das sicilianische, griechische und levantische Oel ist zu dick oder fett, und daher nicht so gut, als das italienische. Dieses ist aber auch nicht so gut, als dasjenige, so aus der Provence kömmt, als wovon eine gute Partey jährlich selbst nach Rom und Neapolis gesandt wird, um bey vornehmen Tafeln zu Salat und andern Speisen gebraucht zu werden. Was man von häßlichen Badecuren erzählet, ist vermuthlich eine Fabel: ich erinnere mich aber dabey, daß eine sichere vornehme Dame die Gewohnheit gehabt, sich wöchentlich zweymal in Milch zu waschen2, um eine desto weichere und weißere Haut zu bekommen, und daß nach solchem Gebrauche die Milch als ein Almosen unter die Armen ausgetheilet worden, welches mit Rechte hieß: Una fidelia duos dealbare parietes.

Der gelehrte Medicus und Professor Matheseos zu Utrecht, D. Muschenbroeck, behauptet, daß bey stürmiger See, da die Winde sich zwar geleget, die Wellen aber dessen ungeachtet noch hoch gehen (wie solches in der spanischen See zu geschehen pfleget), ein gutes Mittel zur Besänftigung der Fluthen sey, wenn Oel in das Meer gegossen würde, und gründet er seine Muthmaßung auf die gemachten Anmerkungen, daß in einem Wasser, es möge solches noch so sehr als es wolle kochen, die gewaltigen Aufbrudelungen und in die Höhe steigenden Blasen aufhören, sobald Oel darauf kömmt, imgleichen daß das Oel selbst zu keinem aufwallenden Sieden könne gebracht werden, sondern eher im Feuer auffliege. Rand rechts: Nutzen des Oels bey Meerstürmen. Diesem könnte noch beygefüget werden, daß, wenn bey der Zubereitung des Zuckers oder Honigs diese Materien in ihren Kesseln allzusehr kochen, man nur ein wenig Olivenöl darein zu schütten hat, um das starke Aufwallen zu dämpfen, und daß das Oel auch bey Dissolutionen den größten Theil der sauren und metallischen Dünste unterdrücket und zurück hält. Allein ich zweifele, daß die obgedachte Probe bey einem Sturme gelingen würde, und daß das Oel die ungeheuern Wellen überwältigen könnte, wie seine Fette die in einem Gefäße aufsteigenden Blasendes siedenden Wassers zu unterdrücken vermag. Wenigstens hat mich ein englischer Seeofficier neulich in Genua versichert, wie er gesehen, daß ein Sturm eine nicht geringe Anzahl mit Oele beladene Schiffe auf der Küste von Barcelona zerschmettert, und bey solcher Gelegenheit das Meer an verschiedenen Orten handhohe Flecken von obenauf schwimmendem Oele gehabt, ohne daß deswegen die Bewegung des Wassers bald nachgelassen.[327]

Etliche Meilen von Lerici endigt sich das genuesische Gebieth an den Gränzen des kleinen Fürstenthums Massa, bey dessen Hauptstadt Carrara aus dem Gebirge treffliche Marmor gegraben werden. Rand links: Carrara. Marmorbrüche. Allem Ansehen nach sind diese Brüche die Lapidicinæ Lunensium, deren Marmor von PLINIO (Hist. Nat. lib. XXXVI, c. 5.) an Schönheit der weißen Farbe demjenigen noch vorgezogen wurde, den man aus der Insel Paro brachte. Die rudera der alten Stadt Luna sind noch in der Nachbarschaft des Flusses Magra zu sehen. Rand links: Alte Stadt Luna. Andere machen aus dem Portu Lunæ: dessen STRABOlib. V, und andere gedenken, denGolfo di Spetia.

Die sechszig kleinen Meilen, welche man von Lerici nach Livorno rechnet, legt man bequem in einem Tage zurück, weil man wenigern Krümmen und Meerbusen zu folgen hat, auch die Berge nicht gar nahe an der See liegen, und daher der Wind vom Lande stärker wehen kann. Rand links: Viareggio. Viareggio, ein kleines am Meer gelegenes und der Republik Lucca zuständiges Städtlein, wird für den halben Weg gerechnet, und entfernen sich hernach die Berge mehr und mehr vom Ufer, also daß man endlich nichts weiter davon zu sehen bekömmt. Die Küste aber wird dadurch nicht schöner, weil sie an den meisten Orten nur mit schlechtem Buschwerke bewachsen ist.

Ehe man in den Hafen von Livorno einläuft, läßt man die Insel Gorgonia mit ihren hohen Felsen, und hernach den Felsen Maloria oder Meloria mit seinem Thurme zur rechten Hand in der See liegen. Rand links: Inseln Gorgonia. Maloria. Die letztgenannte Insel scheint der Alten Lamellum zu feyn.

Livorno (vor alters Liburnus portus) war ehedem ein schlechter und ungesunder Ort, welcher den Genuesern zugehörte, und durch einen Tausch gegen die bischöfliche Stadt Sarzana, so an den genuesischen Gränzen bey Lerici liegt, an den Großherzog Cosmus den ersten gelangte. Rand links: Livorno ehemals gegen Sarzana vertauschet. Dem damaligen Ansehen nach war aller Vortheil des Tausches auf der Seite von Genua; allein der Großherzog hatte schon seine Absichten und Anschläge, Livorno besser, als bis dahin geschehen war, zu gebrauchen, und ist kein Zweifel, es werde nachmals der Handel die Genueser öfters gereuet haben. Rand links: Verbesserung des Bodens und der Luft. Die Canäle, welche man hie und da gezogen, haben das Land zum Feldbaue geschickt gemacht, und von ungesunden aufsteigenden Dünsten einigermaßen gereiniget, also daß die Luft um ein gutes Theil gesunder worden, wozu die Menge der Einwohner, die durch die freye Handlung hieher gezogen worden, kein geringes beyträgt. Indessen fehlet es der Stadt sonderlich noch an recht gutem Wasser, welches man von Pisa kommen lassen muß. Rand links: Mangel an gutem Wasser. Der Hafen und die Handlung stehen jedermann frey, und werden alle Religionen geduldet, obgleich die römischkatholische, griechische, jüdische und einigermaßen die türkische allein die öffentliche Uebung ihres Gottesdienstes haben. Rand links: Duldung aller Religionen. Die öftere Anwesenheit der englischen, holländischen, dänischen etc. Schiffe giebt denen hier wohnenden Protestanten Gelegenheit, ihre Kinder taufen zu lassen, das heil. Abendmahl zu genießen und andere Handlungen ihres Gottesdienstes zu verrichten, ohne zu gedenken, daß die englische Nation beständig einen ihrer Kirche zugethanen Geistlichen in Livorno unterhält. – Die Imposten, welche der Großherzog auf die zu Wasser eingehende Waaren leget, sind so geringe, daß niemand dadurch von der Handlung nach diesem Hafen abgeschrecket wird. Rand links: Freye Handlung. Man zahlet für jeden Ballen, er mag klein oder so groß seyn, daß ihn kaum acht Personen fortbringen können, zween Piastri oder Scudi, ohne darauf zu sehen, aus was er bestehe. Rand links: Abgebung des Schießgewehrs. Den Reisenden fällt man mit keiner Visitirung der Bagage schwer; die Pistolen und das Schießgewehr aber müssen sie bey ihrer Ankunft abgeben, bis sie vom Gouverneur die Erlaubniß erhalten, solches wieder abholen zu lassen, welches keine Schwierigkeiten findet. Rand links: Handlung der Engländer. Von auswärtigen Nationen ist die englische diejenige, so die stärkste Handlung allhier[328] treibt, und haben sich von derselben sechs und dreyßig Familien in Livorno niedergelassen, Ihre Vereinigung ist von großem Nachdrucke, und sieht man seit einen Jahre, daß sie einen reichen Kaufmann, Huygens genannt, dem wegen der Bälle, die von den Engländern in der Karnavalszeit des vorigen Jahres gegeben worden, anzügliche Reden entfallen waren, nicht nur öffentlich übel tractiret, sondern auch, da der Ausspruch einer großherzoglichen Commission nicht nach ihrem Willen ausgefallen, durch seine gänzliche Ausschließung von aller ihrer Handlung an Waaren und Wechseln solchergestalt herunter gebracht haben, daß er itzt mit vielen Zeichen der Demuth seine Aussöhnung suchen muß.

Die Anzahl der hiesigen Juden wird auf achtzehn tausend geschätzet, und nennt man Livorno ihr Paradies, weil sie aller Freyheit hier genießen, auch durch kein äußerliches Zeichen der Tracht von andern Leuten unterschieden sind, ob sie gleich in einer besondern Gegend der Stadt beysammen wohnen müssen. Rand rechts: Anzahl der Juden. Ihre Handlung ist sehr stark, und nimmt zu grosem Nachtheile der christlichen Kaufleute täglich zu. Die zu Livorno aufgerichtete Inquisition mischet sich nicht in der Juden Händel, sondern bleibt im Bezirke der geistlichen Sachen von ihren römischkatholischen Glaubensgenossen. Die Synagoge ist groß, wohl eingerichtet und mit vielen metallenen Kronenleuchtern versehen. Wegen der Arbeit, welche die Juden an ihren Sabbathern in ihren Häusern verrichten lassen müssen, pflegen sie Mägdchen von mohrischen Sclaven an sich zu kaufen, und kostet eine solche Mohrinn nach Beschaffenheit ihrer Jugend und anderer Umstände vierzig bis sechszig Scudi.

Die Zahl der sämmtlichen Einwohner von Livorno, die Juden mit darunter begriffen, wird auf vierzig tausend geschätzt, welche Rechnung aber meines Erachtens zu hoch für einen so kleinen Ort ist. Rand rechts: Anzahl der Einwohner. Die meisten Straßen sind breit und in einer geraden Linie angelegt. Wenn man auf dem großen Markte steht, sieht man durch die beyden Stadtthore hinaus. Rand rechts: Straßen der Stadt. Von den andern zwoen Seiten dieses viereckichten Platzes sieht die eine gegen das Frontispicium der Domkirche, und die andere gegen drey schöne einander gleichende Gebäude, so von englischen Kaufleuten aufgeführet worden. Der nordliche Theil der Stadt ist am besten bebauet, und heißt eine mit verschiedenen Canälen zur Reinlichkeit und zum Vortheile der Handlung durchschnittene Gegend derselben Neu-Venedig.

Der Wall ist wegen der Aussicht sowohl gegen das Meer als die umliegenden Landhäuser sehr angenehm. Rand rechts: Fortification. Die Stadt ist auch wohl befestiget, und an der Seite gegen die See mit zwo kleinen Fortreffen, gegen das Land aber mit einer Citadelle versehen. Alle diese Werke sind itziger Zeit etwan mit dreyhundert meist metallenen Gestücken besetzet, und die Besatzung besteht aus sechshundert Mann.

Linker Hand bey der Einfahrt in den Hafen sind zween Thürme zu sehen, welche noch Ueberreste eines Hafens, den die Pisaner daselbst gehabt, seyn sollen. Rand rechts: Hafen. Der Hafen wird in den äußern und innern eingetheilt. Dieser führt den Namen von Darse oder Darsena, und dienet nur denen vier oder fünf Galeeren, die der Großherzog unterhält, und unter der Anführung der Ordensritter St. Stephani bisweilen wider die Corsaren auslaufen läßt. Die Gestalt des Hafens ist auf der florentinischen Münze, Livorninen genannt, so neun Paoli gilt, vorgestellet, und liest man die Worte darüber: Et patet & favet. Rand rechts: Molo. An dem äußersten Molo ist eine schwere Vorlage von sehr großen Steinen, die noch immer vermehret werden, und deren jeder dem Großherzoge zehn Scudi kosten soll. Dieser Molo ist wohl gepflastert, und in der Mitte mit einer Scheidewand versehen, dergestalt daß man allezeit auf einer Seite vor dem Winde sicher seyn kann. Seine Länge erstrecket sich auf sechshundert gemeine Schritte, die Breite des Hafens aber begreift etwan fünfhundert. Der Molo dienet auch[329] zur Spazierfahrt der Kutschen. Rand links: Fehler des Hafens. Ein großer Fehler des Hafens ist, daß seine Mitte allzuseicht für große Schiffe ist, und diese fast sicherer außen vor dem Molo, an dessen Seulen und eisernen Ringen die Schiffe befestiget werden können, als in dem Hafen selbst, liegen. Obgleich diese Rhede auf eine oder zwo italienische Meilen weit hinaus sehr gut ist, so sind doch die Schiffe der Gefahr sowohl von Seeräubern als von Winden unterworfen: und ist es gewiß, daß der Pabst der Handlung von Livorno einen großen Stoß geben könnte, wenn er Cività Vecchia für einen freyen Hafen erklären wollte. Rand links:(Cività Vecchia.) Der ungesunden Luft dieses letztgedachten Ortes könnte leicht auf eben diese Art, wie zu Livorno geschehen, abgeholfen, und frisches Wasser dahin geleitet werden. Schon etliche Päbste haben die Wichtigkeit dieses Werkes und den daraus fließenden Vortheil ihres Landes eingesehen: allein die florentinisch-gesinneten Kardinäle oder vielmehr die an rechten Orten angebrachten Livornini, nebst der Begierde der päbstlichen Verwandten, vielmehr für sich als für andere zu sorgen, haben bisher noch allezeit die Ausführung der Sache zu hintertreiben gewußt.

An der Seite von der Stadt findet man in dem Hafen zu Livorno folgende Inscription an einem Gebäude, worinnen die Großherzoge bisweilen gewohnet haben: Rand links: Inscription.


Mercatores

Huc alacres advolate,

Hic sacer annonæ copiæque locus

Commoditate ac decore vos allicit,

Atque hisce in ædibus habitans

Comiter invitat Hetrusca felicitas

COSMVS III. M. D. Etr. VI.

Ædes Salanas a Ferd. I. Proavo suo conditas

Aucta a se munitaque Vrbe

Laxlores ut essent magnisicentioresque

A fundamentis erexit

A. S. MDCXCV.


Der Pharus oder Thurm, auf welchem bey dunkeln Nächten zur Sicherheit und Anweisung der Schiffe etliche und dreyßig Lampen brennen, liegt außer dem Hafen auf einem freyen Felsen in der See, und kann man bey hellem Wetter nicht nur Corsica, sondern auch Sardinien von seiner Höhe erblicken. Rand links: Pharus. Die erste Insel sieht man auch schon vom Molo ab. Rand links: Lazareth. Nicht weit vom Pharo ist auf dem fußfesten Lande das Lazareth angeleget, worinnen die Personen und Waaren, so von Orten, die wegen der Pest verdächtig sind, kommen, ihre Quarantaine halten müssen.

Die türkischen Sclaven und andere Ruderknechte sind des Nachts in einem weitläuftigen und mit Mauern eingeschlossenen Gebäude verwahret, welches man li Bagni nennet, in Nachahmung der Türken, welche die Gefängnisse ihrer christlichen Gefangenen mit diesem Namen belegen. Rand links: Türkische Sclaven und andere Ruderknechte. Li Bagni. Des Tages über können sie frey in der Stadt herum gehen, und durch Arbeit oder andere Handthierung etwas zu verdienen suchen; des Nachts aber darf keiner aus den Bagni bleiben, und liegen sie da in langen Galerien und einzelnen Betten, welche fünf bis sechsfach über einander als Repositoria befestiget sind, also daß man mit Strickleitern hinauf steigen muß. Eine sehr harte Strafe erfolget, wenn zween in einem Bette angetroffen werden, und ist man aus eben derjenigen Ursache so scharf über diesem Artikel, aus welcher auch in vielen Klöstern verordnet ist, daß kein Mönch in des andern[330] Zelle kommen darf. Zu kräftigerer Verhütung aller Unordnung werden brennende Lampen und eine beständige Wache in obgedachten Galerien unterhalten. Die freywilligen Ruderknechte haben ihre besondere Galerie; die auf die Galeeren zur Strafe verurtheilten gleichfalls; und den gefangenen Türken ist nicht weniger ihr besonderer Aufenthalt angewiesen. Uebrigens aber werden sie alle überein tractiret, und haben sie ihre gemeinschaftliche Krankenküche und Apotheke. Ihre Anzahl erstrecket sich gemeiniglich auf zwey tausend, worunter sich acht bis neunhundert Türken befinden. Rand rechts: Freye Türken. Es wohnen auch freye Türken in der Stadt, denen man ihre Wohnungen nahe bey dem Quartiere der Juden angewiesen hat. Ihre Moschee ist in den Bagni und zur meisten Zeit verschlossen. Rand rechts: Moschee. Mein Führer berichtete, es sey solches eine kleine Kammer, worinnen nichts sonderliches zu bemerken; wenn die Türken versammelt, wasche sich nach einigen Gebethen der Pfaffe, diesem folgeten die andern, und dann sey ihre Messe aus. Von andern Umständen des türkischen Gottesdienstes wußte er so wenig, als eine gewisse Standesperson, welche vor etlichen Jahren in guter Meynung fragte: ob die Türken das heil. Abendmahl unter beyderley Gestalt empfingen3?

Auf dem Platze vor der Darsena ist die marmorne Statue des Herzogs Ferdinands des ersten zu bemerken auf einem Piedestal, an dessen Ecken vier türkische gefesselte Sclaven von bronzo in Riesengröße zu sehen sind. Rand rechts: Statue Ferdinands des ersten. Wie man vorgiebt, so stellen diese einen Vater mit seinen dreyen Söhnen vor, welche sich einer Galeere bemächtiget und dadurch aus der Gefangenschaft zu entfliehen gesuchet haben, zu rechter Zeit aber wieder erwischet worden sind. So albern ein solches Unternehmen für vier Personen gewesen wäre, so wenig Ursache sieht man, warum man diese vier Flüchtlinge zu Triumphszeichen einer herzoglichen Statue hätte brauchen wollen: und verdienen dannenher diejenigen mehrern Beyfall, welche erzählen, daß diese Türken vier verwägene und berühmte Seeräuber von ungemein großer Statur gewesen, welche der florentinischen Küste unsäglichen Schaden zugefüget, bis endlich obgedachter Herzog sie in seine Gewalt bekommen und hinrichten lassen. Der Mangel einer Inscription läßt die Sache noch in Ungewißheit; inzwischen ist die schöne Arbeit an den Statuen zu bewundern, und soll der Meister davon Pietro Tacca seyn, der auch das metallene Pferd auf dem Pont neuf zu Paris verfertiget hat. Andere schreiben diese fünf Statuen, oder wenigstens die obere marmorne dem Donatello zu.

In den Kirchen zu Livorno kömmt nichts merkwürdiges für einen Reisenden vor. Rand rechts: Kirche der Griechen; Die Griechen, so ihren öffentlichen Gottesdienst hier haben, sind nur Græco-Latini, die des römischen Pabstes Gewalt erkennen, und sich fast in allen der römischen Kirche unterworfen haben. Es tragen auch die römischkatholischen Christen kein Bedenken, in diese Kirche zu kommen, und daselbst ihre Andacht zu verrichten. Den Unterschied zwischen beyden bemerket man am Niederknieen, als welches die Griechen nicht thun. Griechen, so ihren alten Sätzen anhangen und von der römischen Kirche noch alsSchisimatici angesehen werden, haben keine öffentliche Religionsübung in Livorno.

Die Armenier, denen hier eine Kirche verstattet worden, sind gleichfalls fast gänzlich den römischen Satzungen zugethan, und wußte mir ihr Priester, den auch die Catholici zu seinem Dienste befördert hatten, nicht einmal zu sagen, worinnen der Unterschied seiner und der römischkatholischen Lehre bestünde. Rand rechts: der Armenier. Dieses einzige führte er an, daß die Armenier in ihrem Lande keine Bilder der Heiligen in den Häusern aufgestellet hätten, um den Türken keinen Anstoß zu geben. Gleichwie den Juden und Türken besondere Gegenden der Stadt zu[331] ihrer Wohnung angewiesen sind; also haben auch die öffentlichen lüderlichen Frauenspersonen ihr eigenes Quartier von etlichen Gassen, aus welchen sie ohne Wissen ihres Commissarii und ohne vorhergegangene Zahlung von etlichen Sols nicht gehen dürfen. Rand links: Besonderes Quartier der lüderlichen Frauenspersonen.

In Livorno ist theuer zu leben, weil der Großherzog von vielen vom Lande kommenden Waaren große Imposten nimmt, und selbst mit vielen Dingen ein Monopolium treibt. Rand links: Monopolia des Großherzogs. Unter diese letzten gehöret insonderheit der Branntewein, Toback und das Salz. Das Salz wird unraffinirt in die Magazine gebracht, auch öfters am Meerstrande gefunden: allein wenn bey jemanden nur eine halbe Unze solches Salzes angetroffen würde, müßte er ohne Ansehen der Person auf die Galeeren. ADDISSON bemerket, daß zu seiner Zeit derjenige, so das Privilegium gehabt, Eis in Livorno zu verkaufen, mehr als tausend Pfund Sterling dafür bezahlet, woraus man von den andern Auflagen urtheilen kann.

Täglich gehen zwo Barken von Livorno nach Pisa auf einem Canale, der sechszehn italienische Meilen lang ist, und sowohl zur Bequemlichkeit der Handlung, als Austrocknung verschiedener Moräste dienet. Rand links: Reise von Livorno nach Pisa zu Wasser; Die Fracht kostet nur sechs Sols, wird aber des Winters oftmals durch den Frost verhindert. Zu andern Zeiten ist diese Unbequemlichkeit dabey vermacht, daß allerley schlechte Gesellschaft mit untermischet ist. Das Fahrzeug wird von Menschen gezogen, und braucht sechs Stunden von einem der obgedachten Orte zum andern. Der Weg zu Lande geht in einer beständigen Ebene vermittelst steinerner Brücken über viele Canäle, wodurch der Acker fruchtbarer und die Luft gesunder gemacht worden ist, obgleich noch vieles fehlet, daß Livorno unter die gefunden Städte gerechnet werden könnte. Rand links: zu Lande. Die Gegend ist meistentheils sandig, und mit Buschwerke, Eichen und Ulmen bewachsen, unter welchen die schwarzen Büffel, derer man sich in hiesigen Landen häufig bedienet, ihrer Weide nachgehen. Rand links: Abtey S. Pietro d'ingrato. Sechs Meilen vor Pisa liegt die Abtey S. Pietro d'ingrato, von deren Ursprunge verschiedene Fabeln erzählet werden. Von dieser Abtey an ist das Land fruchtbarer und zum Feldbaue vollkommen eingerichtet.

Fußnoten

1 SVETON. inIVL. CAESAREc. 53: Circa victum C. Oppius adeo indifferentem docet, ut quondam ab hospite conditum oleum pro viridi adpositum, adspernantibus cæteris, solum etiam largius dicat appetisse, ne hospitem aut negligentiæ aut rusticitatis videretur arguere. Conf. CATOde re rust. c. 3 & 65. PALLAD. Octob. Tit. X.


2 Wie Poppea des Kaisers Nero Gemahlinn allezeit fünf hundert trächtige Eselinnen unterhalten, um durch das Baden in ihrer Milch eine desto feinere Haut zu erlangen, zeiget PLINIVSlib. XI, c. 41, undIVVENALISSat. VI.


3 Von denen Bagni zu Livorno und den auf türkische Art eingerichteten Badstuben kann Labbat in seiner italienischen Reise, Tom. II, p. 98, ff. gelesen werden.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 332.
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