[405] Fünf und vierzigstes Schreiben.

Reise von Florenz nach Siena, nebst einigen Nachrichten von dieser letzten Stadt.

Die alten Römer hatten von Florenz nach Siena, und von dannen ferner nach Rom eine gepflasterte Heerstraße angelegt, so Via Cassia genennt wurde, und davon man noch viele Merkmaale findet, ob sie gleich nicht so gut als die Via Appia, welche von Rom nach Neapolis geht, unterhalten worden ist. Rand links:Via Cassia.

Siena ist von Florenz vier Posten oder zwey und dreyßig italienische Meilen entfernet. Rand links: Gegend zwischen Florenz und Siena. Man fährt zwar immer einen Hügel hinauf und den andern wieder herab, es ist auch das Land nicht mehr so schön, als man es zwischen Pisa und Florenz gefunden; indessen sind die Gegenden dennoch angenehm wegen ihrer guten Aussichten, des vielen Weinwachses und der häufigen Oelbäume. Der Weg ist allenthalben gepflastert.

Drittehalb italienische Meilen vor Siena gegen Poggibonzi findet man auf einem Berge eine Menge verschiedener Arten von Petrefactis, worunter insonderheit die Turbinitæ, Strombi und Trochi in großer Menge sind. Rand links: Petrefacta.

Die Ostrea silvestris oblonga ist gleichfalls allhier anzutreffen, und zwar viel weißer als man sie zu Mousson, nicht weit von Montpelier, hat.

Alles dieses versteinerte Muschelwerk liegt auf solchen hetrurischen Gebirgen wohl erhalten im Sande, und ohne in andere Steine verwachsen zu seyn.

Kurz vor der Stadt Siena läßt man linker Hand auf einem Hügel ein schönes Landhaus, so dem Marchese di Pesco gehöret, liegen. Rand links: Villa di Pesco.

Siena liegt auf drey Hügeln, und können daher die Straßen nicht anders als sehr ungleich seyn. Rand links: Lage der Stadt Siena. Hingegen hilft diese Lage zu angenehmen Aussichten und einer sehr gefunden Luft. Die Einwohner sind höflich und von munterm Geiste; das Frauenzimmer ist wohlgestalt, und weniger eingeschränket, als in vielen andern Orten Italiens. Rand links: Lebensart daselbst Sprache. Man hält dafür, daß allhier die italienische Sprache in ihrer größten Vollkommenheit und Reinigkeit geredet werde. Karl der fünfte hat in Siena eine Akademie aufgerichtet und den daselbst studirenden Deutschen in Ansehung der Jurisdiction, Auflagen und des Schutzes, welchen sie mancherley Handwerksleuten deutscher Nation angedeihen lassen können, viele Freyheiten verliehen. Rand links: Privilegia der allhier studirenden Deutschen. Es werden solche so weit getrieben, daß man auch behauptet, wenn ein deutscher Studiosus jemanden erstochen habe, so könne er noch vier und zwanzig Stunden frey herum gehen, ohne daß ihn jemand anhalten dürfe. Es sind solche Privilegien aber einzig und allein von Deutschen, die auf der Universität leben, zu verstehen, und keinesweges von denjenigen, so sich etwan bey den Jesuiten oder in andern Stiftungen und Collegiis aufhalten. Gedachte Akademie ist anitzt in schlechtem Zustande, und erstrecket sich die Anzahl derer auf selbiger studirenden Deutschen nicht über zehn bis zwölfe. Die Stadt selbst ist arm an Einwohnern, und zählt man derselben in allen kaum siebenzehntausend. Rand links: Zahl der Einwohner. Die besten Häuser scheinen der Piccolominäische und des Marchese Zondadari Pallast zu seyn. Rand links: Viele Thürme. Die übrigen alle sind von schlechter Baukunst, obgleich die Stadt wegen der vielen Thürme, die an den Privathäusern[406] gebauet sind, und noch aus den innerlichen Unruhen der gibellinischen und guelfischen Parteyen ihren Ursprung haben, von weitem ein gutes Ansehen von sich giebt.

Die Sienenser bilden sich ein, noch eine Art von Freyheit zu haben, indem sie ihren Senat, deraus neun Personen (so Ecclesi genennt werden) besteht, wählen dürfen. Rand rechts: Regierungsform. Das Haupt davon führet den Namen vom Capitaneo del Popolo. Allein dieses ist nur ein äußerlicher Schein, und ist die Gewalt des gedachten Raths dergestalt von den Großherzogen zu Flo renz eingeschränket, daß die Stadt nichts von Wichtigkeit vor sich unternehmen darf.

In dem Rathhause ist nichts sonderliches zu besehen. Rand rechts: Platz, der unter Wasser gesetzt werden kann. Der vor demselben sich befindende große Platz, so la Branda genennet wird, gleicht einer Schüssel oder vielmehr einer Muschel, und kann (wie man vorgiebt) bey Feuersgefahr, oder wenn man Schauspiele mit kleinen Schiffen geben wollte, vermittelst der vielen Brunnen, die man in der Stadt antrifft, unter Wasser gesetzt werden. Meines Erachtens kann solches nicht anders geschehen, als wenn vorherdie vier Thüren des Rathhauses, nebst zwoen Straßen, welche sich zu dessen Seiten finden, hoch vermauert oder sonst wohl verstopfet werden, denn die größte Vertiefung ist nicht in der Mitte des Platzes, sondern auf der untern Seite beym Rathhause. Diese Ungleichheit des Bodens machet, daß man mit schlechter Bequemlichkeit auf demselben geht. Zur Seite des Rathhauses steht ein Thurm, la Mangiana genannt, dessen künstliches Uhrwerk nur bey außerordentlichen Gelegenheiten sich hören läßt. Rand rechts: Thurm la Mangiana. Die Benennung des Thurms soll von einem Bildhauer, Mangia genannt, der die an demselben befindliche Statue verfertiget hat, ihren Ursprung haben.

Die Kinder Romulus und Remus, so an einer Wölfinn saugen, sind das Wapen der Stadt Siena, welches man an vielen Orten, insbesondere an einer Seule von Ophir, die dem Rathhause gegenüber steht, bemerket. Rand rechts: Wapen der Stadt. Siena rühmet sich eine Pflanzstadt oder Colonie der obgedachten Brüder zu seyn, die Beweise dieser Meynung aber sind noch nicht zum Vorscheine gekommen.

Auf dem großen Platze vor dem Rathhause ist auch ein schöner marmorner Springbrunnen, woran der sienische Bildhauer Giacomo della Quercia seine Kunst hat sehen lassen. Rand rechts: Fontaine. Das Castel, welches die Großherzoge an dem einen Ende der Stadt anlegen lassen, um die Einwohner desto besser im Zaume zu halten, ist in schlechtem Stande und von keiner sonderlichen Festigkeit. Rand rechts: Castel. Nahe dabey ist die Reitschule der Universität. Rand rechts: Reitschule.

Ueber der Pforte gegen Florenz zeiget sich eine Krone nebst dem mediceischen Wapen und der Ueberschrift: Rand rechts: Ueberschrift einer Pforte.


Cor magis Tibi Siena pandit.


Außer dem camnilischen Thore deutet eine marmorne Seule den Platz an, woselbst der Kaiser Friedrich der dritte seine Braut, die portugiesische Prinzeßinn Eleonora empfangen hat. Rand rechts: Denkmaal des Kaisers Friedrichs des dritten. Das Andenken der Sache erhält folgende an dem Denkmaale befindliche Schrift:


Cæsarem Fridericum III. Imper. & Leonoram sponsam Portugalliæ Regis filiam, hoc se primum loco, lætis inter sese consalutavisse auspiciis, marmoreum posteris indicat monumentum. An. D. MCCCCLI. VI. Kal. Martius.


Unter den geistlichen Gebäuden ist die bischöfliche Kirche das vornehmste. Rand rechts: Domkirche. Ihr Mauerwerk besteht sowohl außen als innen aus weißem und schwarzem Marmor, welche schicht- oder lagenweise mit einander abwechseln.

In den zweyen Gefäßen des Weihwassers, so beym Eingange der Kirche einander gegenüber stehen, sind Fische von Marmor lehr künstlich gebildet, also daß sie darinnen herum zu schwimmen scheinen. Ferner bemerket man die schönen marmornen Statuen der aus[407] Siena gebürtigen Päbste, Alexanders des dritten, Pius des andern, Pius desdritten, Marcellus des andern, Paulus des fünften und Alexanders des siebenten, desgleichen die von etlichen Discipeln des Bernini gearbeitete zwölf marmorne Apostel an den Pfeilern, und hundert und siebenzig hin und wieder durch die Kirche vertheilte Köpfe von Päbsten aus Gipse. Ehemals soll auch das Bildniß der Päbstinn Johanna darunter gewesen seyn, mit dem beygefügten Namen, Johannes VIII. Femina de Anglia, wie Mabillon bezeuget; anitzt aber suchet man solches vergeblich. Rand links: Bildniß der Päbstinn Johanna. Nach des itztgedachten Autors Berichte ist solches verändert und der Pabst Zacharias daraus gemacht, nach Baronii Zeugnisse aber gänzlich zerschlagen worden.

An der Kanzel sind verschiedene geistliche Vorstellungen in weißem Marmor von Nicolai Pisani vortrefflich gearbeitet. Rand links: St. Bernhardini Kanzel. Die schlechte hölzerne Kanzel, deren sich der h. Bernhardinus allhier bedienet, steht linker Hand gegenüber, mit folgender Nachricht:


Fulgurantibus pro Jesu vocibus,

Quas admirante patria

Cœlesti misit ex ore

BERNHARDINVS

Suggestum hoc olim resonans

Spectator si pius

Recolenti animo

Venerare.


Auf dem Hauptaltare sind zwölf Engel von Metalle, nebst vier großen maßiven Leuchtern aus Silber zu sehen.

In der Cappella del Battisterio, welche von dem großen unterirdischen Taufgewölbe zu unterscheiden ist, steht die metallene Statue Johannis des Täufers. Rand links: Cappella del Battisterio. Die Kapelle selbst ist schön verguldet und mit einer artigen Cuppola versehen. Nächst dabey ist ein kostbares Denkmaal eines Zondadarii in Augenschein zu nehmen. Gegenüber findet man die schöne Kapelle, welche von Alexander dem siebenten ihrem Erbauer den Namen führt, und in derselben zwo von Chevalier Bernini verfertigte marmorne Statuen, deren die eine eine meist nackende und bethende Frauensperson, die andere aber einen alten Mann, der sich auf ein Kreuz leget und dasselbe küsset, sehr wohl abbildet. Rand links: Cappella Alexandrina. Vermuthlich bedeutet die erste die im Evangelio beschriebene bußfertige Sünderinn, die andere aber den h. Hieronymum. Zwo andere hier zu sehende Statuen sind von Lehrlingen des Bernini, und zwey Gemälde vom Carlo Maratti. Das eine davon stellt die Heimsuchung Mariä vor, das andere aber ihre Flucht nach Aegypten. Der Grund oder die Wand des Altares ist mit Lazuli von der Dicke eines rheinischen Guldens überzogen. Die Decke der ganzen Kirche ist himmelblau und mit goldenen Sternen gleichsam besäet. Das schönste, was hier zu betrachten, ist der Fußboden, welcher mit kostbarem Marmor und Steinen aufs künstlichste eingeleget ist. Absonderlich ist der Platz unter der Hauptcuppola und noch mehr das Estrich vor dem großen Altare unvergleichlich wohl gerathen, und stellet das letzte den Erzvater Abraham vor, wie er seinen Sohn Isaac schlachten will. Rand links: Fußboden der Kirche. Die Figuren dieses Opfers sind in Lebensgröße, anstatt daß die übrigen Stücke viel kleiner eingerichtet worden. Die künstlichsten Maler sollten Mühe haben, die Geschichte mit Farben so wohl auszudrücken, als es hier mit eingelegter Arbeit geschehen. Den Meister davon nennen etliche Maccarino, andere geben vor, daß Duccio di Siena es angefangen und Domenico Beccafumi vollendet habe. Zu mehrerer[408] Erhaltung des Werkes sind die Plätze unter der Cuppola und vor dem Altare maggiore mit Brettern beleget, welche man jedoch Fremden zu Gefallen wegnimmt.

Unter den Heiligthümern der Domkirche wird der rechte Arm Johannis des Täufers, nebst dem Schwerte, womit Petrus dem Malchus ein Ohr abgehauen, verwahret. Rand rechts: Reliquien. Petri Schwert. Obgleich der Nomen eines Heiligthums diesem letzten Stücke nicht eigentlich zukömmt, auch der Sacristeybediente versicherte, daß man ihm keine Ehrerbiethung erweise, sondern es nur als ein curiöses Alterthum ansehe; so wird es doch mit sonderbarer Sorgfalt in Acht genommen, und haben drey vornehme Herren von Siena drey besondere Schlüssel dazu. Das Heft ist von weißem Elfenbeine, und die Klinge als ein großes Messer, so anderthalb Spannen in der Länge hat.

Durch eine Oeffnung des Fußbodens im Chore kann man hinunter in die Kirche St. Johannis sehen, welche gerade darunter liegt, und unten am Berge ihren Eingang hat. Rand rechts: Unterirdische Kirche St. Johannis. Auf diese Art machet die unebene Lage der Stadt, daß man eine Kirche über der andern hat. An dem Taufsteine dieser St. Johanniskirche oder vielmehr des zum Dome gehörigen Battisterio stellen zwey vom Laurentio Guibert verfertigte bas-reliefs aus bronzo die Taufe Christi und die Gefangennehmung Johannis des Täufers vor.

Ueber dem einem Eingange des Frontispicii von der Domkirche liest man die Worte, so auf Bonifacium den achten zu zielen scheinen:


Annus centenus Romæ semper est Jubilenus

Crimina laxantur, cui pœnit & ista donantur,

Hæc declaravit Bonifacius & roboravit


Aus der Kirche geht man in die Bibliothek oder Libraria vecchia, in welcher auf vier langen Tafeln dreyßig sehr große Choralbücher, welche mit unvergleichlichen Mignaturgemälden gezieret sind, liegen. Rand rechts: Bibliothek. Der Pabst Pius der zweyte hatte eine gute Anzahl von auserlesenen Manuscripten hieher geschaffet; allein davon ist nichts mehr vorhanden; und sind solche zu Karls des fünften Zeiten theils nach Florenz, theils nach Spanien gebracht worden. An den Wänden sind die vornehmsten Begebenheiten des Pabstes Pius des zweyten in zehn Stückenà fresco vorgestellet. Rand rechts: Gemälde. Die Zeichnungen davon hat man dem weltberühmten Raphael d'Urbino zu danken, die Malerey aber dem Bernardino Pinturicchio da Perugia, welcher nebst dem Raphael ein Lehrling des Pietro Perugino war. An dem ersten Stücke, so man rechter Hand beym Eingange findet, soll Raphael selbst mit Hand angeleget haben. Der Kardinal Franciscus Piccolomini hat dieses unvergleichliche Werk zu Ehren seines Oheims, Pius des zweyten verfertigen lassen. Von desselben Freygebigkeit kommen auch die drey antiquen marmornen Gratien, so in der Mitte des Saals stehen, und bey deren einer zu bedauern ist, daß sie den Kopf verlohren hat.

Obgedachter Pinturicchio starb im Jahre 1513, im neun und funfzigsten Jahre seines Alters, und zwar aus Gram und Verdruß, daß er fünfhundert Scudi doro, welche in einem Schranke der Kammer, worinnen er arbeitete, verborgen waren, nicht gefunden, und sich solche zu Nutze gemacht hatte. Rand rechts: Vom Maler Pinturicchio.

Der bischöflichen Kirche gegenüber ist ein weitläuftiges und wohlbegütertes Hospital, welches ein Schuster hat bauen lassen. Rand rechts: Hospital von einem Schuster gestifte. Dieser Stifter ist, wie billig, als ein halber Heiliger in der dazu gehörigen Kirche begraben. Ueber der Statue, welche man ihm aufgerichtet, stehen die Worte:


Sutor ultra crepidam.
[409]

Unter denen verschiedenen Heiligthümern, so man allhier verwahret, ist auch einer von denen eisernen Nägeln, womit der Heiland aus Kreuz geheftet gewesen seyn soll. Rand links: Nagel vom Kreuze Christi.

An dem erzbischöflichen Pallaste, der nahe bey der Domkirche liegt, ist nichts sonderliches zu sehen.

Die Jesuiterkirche ist schön und mit vielen marmornen Statuen gezieret.

Bey den Augustinern ist der Hauptaltar wegen seiner schönen Marmorarbeit zu besehen. Rand links: Augustinerkirche. Nächst dem Ciborio oder Tabernakel stehen zweene Engel aus weißem Marmor, welche brennende Wachslichter halten.

In der Dominicanerkirche sind viele Deutsche, so zu Siena studiret haben, begraben. Rand links: Dominicanerkirche. Von der h. Katharine aus Siena. Das Haupt der heil. Katharine von Siena, welches einer ihrer Landsleute, da sie zu Rom gestorben war, ihr aus heiligem Eifer abgehauen und nach Siena gebracht, wird allhier mit großer Ehrerbiethung aufgehoben, und jährlich nur zweymal gezeiget. In einem Schranke zeiget man ihr Bildniß, welches von einem Maler, als sie einsmals in einer Entzückung gelegen, verfertiget worden, und viele Wunder thut; desgleichen sieht man unter einem Gehäuse vor diesem Schranke auf dem Fußboden in Stein eingedrückte Fußstapfen des Herrn Christi, welche er daselbst hinterlassen, als er einsmals bey der besagten Katharine eine Besuchung abgeleget hatte. Rand links: Fußstapfen Christi. Auf dem Hauptaltare zeigen sich zwo treffliche marmorne Statuen, deren die eine St. Magdalenen, die andere Katharinen von Siena abbildet. Die Gemälde von der Kapelle dieser letztern hat Sodorno verfertiget. Man hätte viel zu thun, wenn man den Lebenslauf dieser Heiliginn genau untersuchen wollte. Die hiesigen Dominicaner besitzen noch den Trauring, welchen ihr der Heiland gegeben, als er sich öffentlich und mit vielem Gepränge, wobey auch David auf der Harfe spielen müssen, mit ihr vermählet. Rand links: Trauring der h. Katharine. Das Haus, so sie nebst ihren Aeltern zu Siena bewohnet hatte, ist in ein Oratorium und ihre besondere Kammer in eine Kapelle verwandelt, in welcher die Stuccatur-Bildhauer-Malerarbeit und Vergoldnung nicht gesparet sind. Rand links: Fenster, wodurch Christus gegangen. Insbesondere zeiget man daselbst das Fenster, wodurch der Herr Christus oftmals zu ihr gekommen. Was man von den fünf Wundenmaalen, welche ihr der Heiland eingedrückt haben soll, erzählet, ist bekannt genug, und sind von dergleichen Dingen eine Menge Bücher mit Vorwissen und Gutfinden der obern Geistlichkeit von der römischen Kirche in Druck gegeben worden. Rand links: Warum die Scotisten wider die h. Katharine sind. Die einzigen Scotisten machen nicht viel Wesens aus dieser Heiliginn, weil sie nach einer diesfalls gehabten Offenbarung ausgesaget hat, wie Maria, die Mutter Christi, gleich andern Frauen, in der Erbsünde empfangen sey, wodurch dann der Offenbarung, welche die heil. Brigitte für die unbefleckte Empfängniß der Mariä erhalten, und welche die Thomisten mit vielem Eifer für ihre Meynung anzuführen wußten, kein geringes Gegengewicht gegeben worden ist1.

Bey der Dominicanerkirche ist noch eines alten Gemäldes, das Mariam mit ihrem Kinde auf den Armen vorstellet, Erwähnung zu thun. Rand links: Unterschrift unter einem Marienbilde. Die darunter befindliche Schrift saget zwar geradedas Gegentheil von dem, was des Verfassers Meynung mag gewesen seyn,


Me Guido de Senis diebus depinxit amœnis,

Quem Christus lenis nullis nolit agere pœnis.

Anno D. MCCXXI.


Allein dieses ist nicht die Hauptsache, wodurch dieses Stück eine Aufmerkung erwecket hat; sondern weil solches nach den damaligen Zeiten nicht übel gerathen, so nehmen die Sienenser[410] daher Gelegenheit, den Florentinern die Ehre, daß ihr Maler Giovanni Cimabue der eigentliche Vater und Hersteller der neuen Malerkunst sey, in Zweifel zu ziehen. Rand rechts: Dispüte über dieses alte Gemälde. Vom Cimabue. In verschiedenen Kirchen der Stadt Bologna zeiget man gleichfalls Gemälde, die älter als Cimabue sind, und daher obgedachten Ruhm den Florentinern streitig machen sollen. Cimabue war im Jahre 1240 in Florenz gebohren, und starb daselbst im Jahre 1300. Seine Malerkunst lernete er von etlichen Griechen, welche er aber innerhalb wenig Jahren übertraf. Nach seiner Landsleute Meynung ist er der erste, so die Artà fresco zu malen erfunden hat. Diesen Ruhm muß man ihm wenigstens lassen, daß er angefangen, die Zeichnung zu verbessern, welche bey den Malern, die vor ihm in Italien waren, meistentheils gar schlecht gerieth.

Die bergichte Lage der Stadt bringt mit sich, daß man nicht weit von der Dominicanerkirche vermittelst einer Brücke über eine andere darunter hinlaufende Straße geht. Rand rechts: Brücke über eine Straße. Diese Brücke aber ist nicht sonderlich hoch, und kein Gebäude darunter befindlich, wie man beydes in Genua bemerken kann.

Die Franciscanerkirche hat viele schöne Gemälde, worunter die von Sodorno verfertigte Abnehmung des Heilandes vom Kreuze, die Auferweckung Lazari vom Franc. Vanni, und verschiedene Stücke vom Beccafumi sind. Rand rechts: Franciscanerkirche. In dem Garten des Klosters steht ein Baum von einer Art Eichen, die stets grün bleibt und Leccio genennt wird, welcher aus dem Stabe des heil. Francisci, als man denselben allhier in die Erde gesteckt, hervorgewachsen seyn soll. Rand rechts: Bäume, so aus Stäben der Heiligen gewachsen; Nach dem Berichte des SPONII in seiner Reise durch Griechenland (Tom. I. p. 232) ist bey der alten Festung zu Smyrna ein großer wilder Kirschbaum zu sehen, von welchem die der griechischen Religion zugethanen Einwohner des Landes glauben, daß er aus dem Stabe des heil. Polykarpi, ersten Bischofs zu Smyrna, einen Augenblick hernach, als man ihn in die Erde gesteckt, hervor gegrünet sey. Rand rechts: im gleichen aus Herkules Keule. Herkules Keule, so von Oelbaumholze war, hat gleichfalls wieder Wurzel in der Erde geschlagen, und sich nochmals in einen Baum verwandelt, wie hievon PAVSANIÆ Zeugnißlib. II, pag. 74 nachgesehen werden kann. Von dem wunderbaren Dornbusche, welchen der Herzog von Würtemberg, Eberhard der bärtige, auf dem Jagdhause Einsiedel bey Tübingen gepflanzet, ist anderwärts schon Erwähnung geschehen.

Siena hatte sich bey Gelegenheit des deutschen Interregni in Freyheit gesetzet: bey welcher sie jedoch wegen der innerlichen Zwistigkeiten ihrer vornehmsten Familien, worunter die Malatesta und Petruzzi die bekanntesten sind, schlechter Ruhe genoß. Rand rechts: Wie Siena um ihre Freyheit gekommen. Im Jahre 1554) brachte sie der Kaiser Karl der fünfte völlig unter seine Gewalt, und theilte sie bey seiner 1556 erfolgten Abdankung seinem Sohne Philipp dem zweyten Könige in Spanien zu, von welchem hernach dieses Gebieth an den Herzog von Florenz Cosmum den ersten, wegen der großen vorgestreckten Geldsummen, und damit er sich nicht auf die französische Seite wenden möchte, abgetreten wurde. Hievon aber waren die an der See gelegenen Oerter Piombino, Orbitello, Telamone, Porto Hercole, Porto St. Stefano, Portolongono, nebst der Insel Elva, unter dem Namen vom Stato de gli presidii ausgenommen, als welche die Spanier für sich behielten etc.


Siena, den 3 Februar.

1730.

Fußnoten

1 Conf.MISSON, T. II, p. 310.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 411.
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