Acht und siebenzigstes Schreiben.

Nachrichten von etlichen merkwürdigen Höhlen des Herzogthums Crain, und dem Cirknizersee.

[1188] Um von Fiume nach Adlsberg zu kommen, mußte ich vier Stunden weit wieder zurück auf den Weg, den ich von Trieste gekommen war, nämlich bis nach Scaliz, woselbst ich das Nachtlager vorher gehabt hatte. Rand rechts: Weg und Gegend von Fiume nach Adlsberg. Der Ort ist schlecht und besteht nur aus etlichen Häusern, die ganze Gegend ist steinigt und wenig zu nutzen, insonderheit aber leidet sie Mangel an gutem Wasser, welches nicht nur hier, sondern auch noch etliche Stunden weiter so wenig zu haben ist, daß man es von Fiume holen muß. Weil aber auch dieses in Fässern, worinnen Wein gewesen, geschieht, so ist einem Reisenden wenig damit geholfen. Von Scaliz an bessert sich der Grund und Boden, und nimmt solches immer zu, je mehr man sich Adlsberg nähert. Die Sprache des Landes bis nach Laubach ist Sclavonisch; Leute von etwas vornehmen Stande sprechen außer derselben auch Italienisch und Deutsch. Rand rechts: Sprachen des Landes.

Adlsberg, im Sclavonischen Postoina genannt, liegt sieben deutsche Meilen von Fiume, und vereinigen sich daselbst die Triester und Fiumer Landstraßen. Rand rechts: Höhle bey Adlsberg. Auf der halben Höhe des Berges bey der Mühle vor Adlsberg geht man in eine Höhle, die sich in viele weitläuftige Gänge vertheilet. Die Decke derselben ist wegen der vielen abhängenden Zierrathen und gleichsam Eiszapfen, welche sich aus dem abtropfenden Wasser formiret haben, schön anzusehen, und ihr Gewölbe von großer Breite. Auf den Seiten erscheinen auch allerley Figuren, denen des neugierigen Anschauers Einbildungskraft diejenige Gestalt völlig geben kann, welche ihnen vielleicht die Natur eines Theils noch versaget hat, und ist es kein Wunder, wenn etliche Leute Pferde, Drachen, Tygerköpfe und andere Ungeheuer darinnen finden. Die häufig an den Seiten zu sehende Seulen entstehen von zwo Seiten zugleich. Auf dem Boden, wo das Wasser hintropft, mehret sich nach und nach der Tropfstein, dergleichen geschieht auch oben an der Decke der Höhle, wo die Feuchtigkeit abträufelt, bis beyde Enden in der Mitte zusammen reichen und eine vollständige Seule ausmachen. Rand rechts: Wie die Seulen darinnen entstehen. Wer sich die Mühe geben will, kann über zwo deutsche Meilen in dieser Höhle und ihren Abwegen herum wandern. Das besonderste erachte ich zu seyn, daß der Fluß Poig, welcher eine deutsche Meile von Adlsberg aus dem Berge hervorkömmt, hier auf einmal nahe beym Eingange der Höhle wieder in diesen Berg fällt, und lange Zeit unten in der Tiefe der Höhle wegfließt, wie man aus seinem Geräusche und aus dem Lärmen, welchen die von oben hinabgeworfene Steine verursachen, deutlich abnehmen kann. Rand rechts: Der Fluß Poig verliehrt sich etliche mal. Bey Planina kömmt dieser Fluß wieder an das Tageslicht, verliehrt sich aber bald wieder in einen Felsen, und erscheint endlich zum dritten und letzten male unter dem Namen der Laubach.

Etwan zwo Stunden von Adlsberg gegen Nordwesten sind gleichfalls etliche merkwürdige Höhlen, in deren einer ein großer Theil des Schlosses Lueg, das dem Grafen von Cobenzl gehöret, als unter einer Decke steht. Rand rechts: Höhle hey Lueg. Dieser Ort heißt im Crainerischen oder Sclavonischen Jamma, und beyde Namen bedeuten ein Loch oder eine Höhle.[1189]

Drey Stunden von Adlsberg, nämlich zu Prestari, hat der Kaiser eine gute Stuterey; dergleichen findet sich auch zu Lipiza, fünf Stunden davon gegen Trieste. Rand links: Stutereyen. In beyden werden anitzt viele neapolitanische Pferde gehalten.

Drey Vierthelstunden von Adlsberg liegt die Höhle St. Maria Magdalena, wohin man nicht anders als zu Pferde kommen kann. Rand links: Treffliche Höhle St. Maria Magdalena. Der Weg ist wegen des Buschwerkes und steinigten Bodens sehr schlimm, die gehabte Beschwerlichkeit aber wird durch das Vergnügen, so man aus dem Anschauen der Höhle schöpfet, genugsam ersetzet, und ob sie gleich der adisbergischen Grotte in der größten Höhe dieser letztern nicht gleich kömmt, so übertrifft sie solche doch in vielen andern Dingen, und ist eine von den schönsten, die ich jemals gesehen habe. Man geht erstlich als in einen Erdfall hinunter bis auf zehn Schritte vor dem Eingange, allwo von beyden Seiten die Felsen, als durch ein Erdbeben von einander gerissen, anzusehen sind. Allhier zündet man die mitgebrachten Fackeln an, ohne welche in der Höhle nichts zu thun ist. Sie ist in viele Säle und Kammern vertheilet; die häufigen Seulen; so ihr eine sonderliche Zierde geben, sind trefflich schön, weiß als Schnee, und sehen dem candirten Zucker nicht unähnlich; auf gleiche Weise ist es mit dem Fußboden beschaffen, und meynt man nicht anders, als gienge man in dem verfallenen Mauerwerke eines alten prächtigen Pallastes herum, von welchem noch die theils unbeschädigten, theils abgebrochenen Pfeiler und Seulen in die Augen fallen. Der Tropfstein hat sich allenthalben als gefrorne Eiszapfen an die Decke gehängt, welche an etlichen Orten als große Bünde Wachslichter beysammen hängen, und durch ihre glänzende Weiße das Auge sehr vergnügen. Schade ist es dabey, daß wegen des ungleichen Bodens gar übel in dieser Höhle fortzukommen, und urtheile ich aus den hie und da über einander liegenden Stücken, daß vielleicht noch immer Erdfälle sich eräugen, zu welchen die unter den Höhlen wegströmenden Flüsse Anlaß geben.

Anderthalb Stunden von dieser Hohle liegt das Dorf und Posthaus Planina, in deutscher Sprache Alben genannt. Rand links: Planina. Auch allhier findet sich eine Höhle, die aber der itztbeschriebenen nicht beykömmt. Rechter Hand bey Planina liegt das Schloß Hasberg, an dessen Erbauung der Graf von Cobenzl vieles Geld wendet. Rand links: Hasberg. Die Gegend herum ist noch sehr bergigt und steinigt. Zu Planina versehen sich neugierige Reisende wieder mit Pferden, um nach Cirkniz, so zwo Stunden entfernet ist, zu reiten. Rand links: Beschreibung des Cirknizersees. Dieser Ort ist klein, und verdienet an sich nicht besehen zu werden; allein der eine halbe Stunde davon gelegene See ist desto berühmter und werth, daß geschickte Naturkündiger ihre Untersuchungen auf ihn wenden.

Man saget insgemein, in dem Cirknizersee könne man innerhalb eines Jahres säen, erndten, jagen und fischen; allein dieses ist am wenigsten sonderbar an ihm, und kann von jedem Orte, der im Winter oder Frühlinge unter Wasser steht, gesagt werden. Rand links: Wie man darinnen säe, erndte, jage und fische. Zudem wird selbst in dem Cirknizersee gar selten gesäet, weil man nicht sicher ist, wie lange das Wasser, nachdem es abgelaufen, wegbleiben werde, und es geschehen kann, daß wenige Tage nach der Saat der Platz wieder gänzlich unter Wasser zu stehen komme. Zur Winterszeit läuft der See weit an, und überschwemmet einen guten Theil der an seiner Ebene gelegenen Felder, welche zur Sommerszeit trocken liegen, und zum Ackerbaue gebraucht werden. Wenn nun diese zum See selbst gerechnet werden, so kann man zwar sagen, daß im See jährlich gesäet und geerndtet werde, allein alsdann hat er solches mit vielen an Flüssen liegenden Gegenden gemein. Wenn er vom Wasser entlediget ist, mähet man die darinnen häufig wachsende Binsen zur Dunge und Streu für das Vieh ab, steht er lange trocken (welches bisweilen von Petri und Pauli Tage bis Michaelis geschehen ist), so wächst auch anderes dem Viehe zum Futter dienendes Gras auf seinem festen Boden. Das bewundernswürdigste ist die[1190] Art und Weise, wie dieser See an- und abläuft. Rand rechts: Wunderbarer An- und Ablauf des Sees. Das letztere geschieht bey großer Trockene, es mag solche im Sommer oder Winter einfallen. Im vorigen Jahre ist das Wasser zweymal verlaufen, einmal des Sommers und das andere mal zur Winterszeit. Wenn es anfängt zu fallen, so läuft der See durch die Gruben, die fast als Kessel anzusehen und achtzehn an der Zahl sind, in fünf und zwanzig Tagen ab. Diese Löcher halten nicht einerley Zeit in ihrem Ablaufen, sondern die Grube Kamine wird leer in fünf Tagen; über fünf Tage hernach das Loch Vodonos; wieder über fünf Tage Reschetto; abermals nach fünf Tagen Koten und nochmals über fünf Tage Levische. Auf diese Art wird in fünf und zwanzig Tagen der ganze Boden trocken, und in solcher Zeit verseiget auch das Wasser in den übrigen dreyzehn Gruben. Wenn es im Sommer nur vierzehn Tage recht trocken ist, fängt der See an abzulaufen, und zween oder drey Tage von starkem Regenwetter füllen ihn wieder. Man hat Exempel, daß er in einem Jahre dreymal ausgetrocknet.

Die Grube Vodonos hat drey Durchbrüche oder Schlundlöcher, die das Wasser mit großem Brausen verschlingen. Rand rechts: Sonderbare Art zu fischen in einer Grube. Nach Valvasors Berichte fischet man in der Grube Ribescajama auf eine gar besondere Art: nämlich wenn das Wasser ganz verseiget oder in das unterirdische verborgene Behältniß abgelaufen, steigt man durch das Grundloch, so durch einen harten Felsen geht, drey bis vier Klaftern tief hinunter in die Erde mit brennenden Fackeln, da man dann auf einen Platz kömmt, da das Wasser zwar auch durch kleine subtile Löchlein als durch ein Sieb sich verliehrt, allein die Fische kommen nicht mit durch, sondern werden in diesem von der Natur verfertigten Netze, so einen festen Boden hat, gefangen. Etliche von den oberwähnten achtzehn Gruben laufen in gar kurzer Zeit, nämlich in etlichen Stunden ab, und wenn dergleichen bey Nacht geschieht, so fischet man bey angezündeten Fackeln. Sobald der See anfängt zu fallen, so wird in Cirkniz mit der Glocke ein gewisses Zeichen gegeben, nach welchem sich die umliegenden Dörfer und Herrschaften richten, und pflegt man nicht lange zu säumen, weil die Fische meistentheils mit dem ersten Wasser fortgehen, und nicht warten, bis dasselbe stark abgelaufen ist.

Eigentlich sind sechserley Herrschaften, die das Recht haben, in diesem See zu fischen: 1) Hasberg; 2) Steegberg; 3) Auersperg; 4) Laas; 5) Schneeberg und 6) das Kloster Sittich. Rand rechts: Herrschaften die das Recht zu fischen haben. Der vorige Graf von Cobenzl, als Herr von Hasberg, hat seinen Antheil nebst einem andern Fischwasser (wo ich nicht irre) für eilftausend rheinische Gulden an die benachbarten weißen Geistliche oder Karthäuser zu Freudenthal, die kein Fleisch essen dürfen, und ihre eigene Fischer haben, versetzet. Itztgedachte Herrschaften fischen mit großen Netzen nach gewisser Art und Ordnung, welche schon längst unter ihnen ausgemachet ist. Rand rechts: Emtio spei. Etliche Gruben überläßt man den Fischern für ihre Mühe, und diese verhandeln die Hoffnung ihres Gewinnes, wenn jemand unter den Anwesenden zu diesem Glücksversuche Luft und Belieben hat. Der Herr von Stemberg, kaiserlicher Verweser und Gouverneur von Ydria, erzählte mir, wie er einsmals die Fischerey einer solchen Grube auf gerathe-wohl für dreyßig Gulden gekauft, und so glücklich gewesen, daß er vierzehn Wagen voll Fische daraus bekommen.

Jeder Bauer, der drey Siebenzehner oder ein und funfzig Kreuzer zahlet, hat Erlaubniß in dem See, wo und wenn er will, zu fischen, bis das Wasser aufhört zu fallen. Rand rechts: Freyheit der Bauern zu fischen. So oft also der See wieder angelaufen, muß dieses Recht aufs neue bezahlet werden. Es sind aber von dieser Erlaubniß ausgenommen die Gruben, wenn das Wasser im Fallen ist, wie auch der Bach, so durch den See läuft. Sie dürfen auch nicht anders als mit kleinen Hamen fischen, und weil solches Instrument in der Landessprache Pern heißt, so nennt man auch davon diese[1191] Fischer Perner. Bisweilen giebt man etliche schlechte Gruben Preis. Wenn die Gruben abgelaufen, wird von dem Küster zu Cirkniz mit der Glocke ein Zeichen gegeben, und alsdann läuft jeder zu, um Nachlese zu halten, von welcher nur etliche Löcher ausgenommen sind. Die Fische, so man nicht verzehren oder verkaufen kann, werden am Feuer gedörret. Diese Gelegenheit machen sich mehr als hundert Bauern zu nutze; es läuft aber alsdann bey der Fischerey alles ohne Scham unter einander, Manns- und Weibspersonen, wie sie auf die Welt kommen. Rand links: Die fischenden veyderley Geschlechtes nackend. Die Obrigkeit und Clerisey hat etliche mal gesucht, solche Gewohnheit abzubringen, vornehmlich wegen der jungen Mönche in den zur Fischerey berechtigten Klöstern, welche sichalsdann nicht gern in ihren vier Mauern eingeschlossen wollen halten lassen, sondern desto mehr begierig sind, einer Augenweyde zu genießen, je seltener und verbothener ihnen solche ist; allein man hat es noch nicht dazu bringen können, daß beydes Geschlecht auch nur in leichter Kleidung dabey erschienen wäre. Wahr ist es, daß dieses gemeine Volk kein Arges daraus machet, und keine Versuchung von einer Sache empfindet, die ihnen ganz gewöhnlich ist; man höret auch nicht, daß bey solcher Gelegenheit mehr Böses vorgehe, als bey andern, wo man noch so wohl mit Kleidungen bedeckt ist: allein die fremden Anwesende bekommen Gelegenheit zu manchem üppigen Gelächter und vielerley Anmerkungen; den Mönchen gereichet in solcher Materie ein geringer Anblick zur starken Versuchung, und obgleich das hiesige weibliche Geschlecht von gemeinem Stande ihrer Schönheit nach nicht also beschaffen ist, daß es in manchen andern Ländern große Liebesgluten entzünden könnte, so ist doch auch bisweilen das häßliche nicht unangenehm, wo man von nichts schönerm weis. Rand links: Keuschheit des hiesigen gemeinen Volkes. In den Gruben Narte und Pianze halten sich viele Blutigel auf, von welchen man allhier glaubt, daß sie sich häufig zu den Menschen versammlen; wenn man ruft: Pii mene pjauka, das ist, sauge mich Igel. Rand links: Blutigel. Sie sind sehr beschwerlich, wann sie sich einmal fest angesetzt haben, und müssen die hiesigen Einwohner nicht wissen, daß sie freywillig abfallen, sobald man nur Salz auf sie streuet, oder es kann seyn, daß sie dieses Mittel zu theuer halten, und wohlfeiler dazu gelangen, indem s. v. sie ihren Urin auf diese Blutigel lassen. Zu mehrerer Bequemlichkeit tragen bisweilen die fischenden etwas von solchem herrlichen Elixir in einer Scherben mit sich herum, um sichdessen im Fall der Noth bedienen zu können. Man erzählt aber auch, daß einer Weibsperson in diesem ihren Berufe eine dergleichen Bestie an einem solchen Orte sich zu nahe gemacht, da sie selbst, in Ermangelung eines mitgenommenen Vorraths in einem irdenen Gefäße, sich nicht habe helfen können, daher sie ihren nächsten Nachbar, der ein starker Bauerlümmel gewesen, zu Hülfe gerufen, welcher aber, weil er auch mit keinen Vorrathsscherben versehen gewesen, den Entschluß fassen müssen, ihrex tempore etwas auf den Schaden zu distilliren. Rand links: Lächerliches Mittel dawider. Man versichert, daß dergleichen Gelegenheiten und Curen nicht vermögend wären, böse aufsteigende Lüfte weder bey dem einen noch andern Theile allhier zu erwecken, und halten sie sich an das Principium: Naturalia non sunt turpia.

Rechter Hand des Sees, wenn man von Planina kömmt, beym Dorfe Jesser (welches Wort int Sclavonischen überhaupt einen Fluß bedeutet) ist der See am tiefsten, und dennoch läuft er allhier am baldesten ab, den Bach ausgenommen, welcher aus acht kleinen Wassern, die in den See fließen, entsteht, seinen Hauptursprung aber aus einem Felsen an dem oftlichen Theile des Sees hat. Rand links: Bach Jessero. Sein Namen ist auch Jessero, und verliehrt er sich, nachdem er die Länge des Sees durchstrichen, durch zween Ausgänge, welche horizontal mit dem See in die Felsen gehen. Der kleinere heißt Mala Karlouza und der größere Velka Karlouza. Dieser letztere Abfluß oder Arm des Baches kömmt nicht weit von dem Orte, wo er sich verlohren, auf der Seite gegen St. Cantianus wieder zum Vorscheine, und nach einer Rand links: Sein Lauf unter der Erde.[1192]

Entfernung von einer halben Vierthelmeile verschlupft er sich abermals in einen Felsen oder Berg bey St. Cantianus. In diesem läuft er einen guten Musketenschuß weit zwischen lauter Felsen und Grotten, bis er auf der andern Seite des Berges wieder heraus ans Tageslicht bricht, jedoch nur um eines starken Musketenschusses weit sich wieder sehen zu lassen, weil er bald aufs neue in eine hohe und weitläuftige Grotte fällt. Bis hieher kann man ihm in Kähnen folgen, weiter aber nicht, weil er sich in engere Gänge ergießt. Besagter Bach hilft eigentlich nichts zum Ab- oder Anlaufe des Sees, weil er seine gewöhnliche Menge und Maaße Wassers stets behält. Unter dem Berge, woraus er inden Cirknizersee fließt; muß ein reiches Behältniß von Fischen seyn, weil sie häufig und von ansehnlicher Größe mit heraus kommen. Es ist aber verbothen, in diesem Bache zu fischen. Die Gruben Narte und Pianze verseigen oder vertrocknen niemals, sondern bleiben eine Art von Pfützen, in welchen man wegen der Brut, die sich meistens darinnen befindet, gleichfalls nicht fischen darf.

Man fängt im See Hechte, Forellen, Aschen, Aale, Schleyen, Karpen, Parsen und große Hechte; die Krebse, so man in etlichen Gruben findet, sind zwar groß, aber mager, und von keinem guten Geschmacke. Rand rechts: Fische des Sees. Wenn gleich der See oftmals und gleich hinter einander vertrocknet, also, daß außer der Brut in Narte und Pianze, nebst dem was in dem tiefen Bache Jesser sich aufhält, so zu sagen keine Grate in dem See zurück bleibt; so ist er doch bey seinem erfolgenden neuen Anlaufe eben so fischreich wieder, als er vorher gewesen, und fängt man immer wieder große Fische, absonderlich Hechte von funfzig bis siebenzig Pfunden: woraus man schließen kann, wie fischreich die Behältnisse sind, woraus, wie ich bald melden werde, der See wieder mit Wasser angefüllet wird. Rand rechts: Unterirdischer See. Es wünschen indessen doch allezeit die Nachbarn, daß der See nicht allzu oft, sondern nur alle drey oder vier Jahreeinmal abfließen moge, weil alsdann die großen Fische in mehrerer Menge und Anzahl sich finden.

Der See bleibt keine gewisse Zeit von Wasser frey, sondern solches kömmt auf ein einfallendes starkes Regenwetter, ja nur auf heftige Donner und Gewitter an. Der See liegt hoch in Ansehung der Gegend von Planina; das ganze Land ist durchlöchert und mit vielen Hohlen versehen. Hieraus beurtheilet man leicht, wie es kommen könne, daß der See bey anhaltender Trockne, da er keinen Zufluß vom Wasser hat, leer und ledig werde. Weil er aber auf seinen übrigen Seiten mit hohen Bergen umgeben ist, so kann es nicht mangeln, als daß in denselben bey anhaltendem Regen vieles Wasser in Höhlen und Behältnissen sich sammle, welches durch seine Last das unter den sichtbaren Boden des Sees sich befindende Wasser dergestalt drücket, daß es gegen die Superficiem und Fläche des Sees in die Höhe steigen muß. Denn daß unter dem Cirknizersee unbeschreiblich große Höhlen oder vielmehr ein anderer unterirdischer See, der vielleicht noch größer, als derjenige, den wir anitzt bey Cirkniz sehen, verborgen liege, zeigt die Menge des Wassers, das sich vermittelst der obgedachten Gruben in die Tiefe verliehrt, und durch einen Theil dieser Löcher auch wieder hervorbricht. Wenn man hiebey die Communication der über einander liegenden Grotten und eine Art von Siphonibus sich einbildet, so kann man sich leicht einen Begriff machen, nicht nur, wie die in den obern Bergen gesammleten Wasser auf den unterirdischen See ihre Wirkung ausüben, sondern auch wie die durch die Donnerwetter bewegte und zusammengedrückte Luft in den unterirdischen vielen Höhlen eine große Gewalt gegen das in der Tiefe verborgene Wasser gebrauchen könne. Zu Erläuterung dieses Satzes, und wie sich auch der Schall in den tiefsten Canälen der Erde verschlägt, können die zwo Gruben Malabobnarza oder die kleine Trummelschlägerinn, und Velkabobnarza die große Trummelschlägerinn dienen,[1193] welche ein starkes Brummen, als von einer alten Trummel, von sich geben, wenn es am Himmel donnert1. Rand links: Wirkung des Donners an zwo besondern Gruben. Es ist schade, daß noch niemand, der in der Hydraulik erfahren gewesen, eine genaue Untersuchung der unterirdischen Canäle des Cirknizersees angestellet hat. Der Herr von Stemberg zu Ydria, einin der Mechanik geübter Mann, hat mich zwar versichert, er habe das ganze Wesen in ein solches System gebracht, daß er sich getraue, den Zu- und Ablauf dieses Sees in einer Maschine solchergestalt vorzustellen, daß man die unterirdischen Siphones, Vortices und Behältnisse der Wasser nicht nur deutlich wahrnehmen, sondern auch die Probe machen könne, wie der See verseige, und so gar, wie er durch einen starken Schall, z. E. einer Trummel (welche im Kleinen diejenige Wirkung thun sollte, welche der Donner im Großen verrichtet) zu Anlaufe könne gebracht werden2. Die vielen Amtsgeschäffte aber dieses geschickten Mannes und der Mangel eines tüchtigen Vorschusses machen mich zweifeln, daß gedachtes Werk jemals zum Stande kommen werde.

Wenn es anfängt stark zu regnen, so spritzet das Wasser aus den Gruben Koten, Jenslenza und Treffez, zwo bis drey Klaftern hoch heraus. Rand links: Natürliche Jets d'eau. Vermehrt sich der Regen und es donnert stark dabey, so kömmt das Wasser aus allen Löchern, wo es eingeflossen, Velka und Malakarlauza ausgenommen, und alsdann ist der See in vier und zwanzig ja wohl gar in achtzehn Stunden wieder mit Wasser angefüllet. Etliche Löcher geben nur Wasser, und nehmen keines wieder weg, die andern thun beydes. Es kommen auch nicht aus allen Löchern Fische mit heraus, vielleicht weil die Enge der Canäle oderSiphonum solches verhindert. Rand links: Enten, so mit heraus kommen. Bisweilen werden lebendige Enten mit ausgeworfen, welche grünes Kraut und kleine Fische im Magen haben, zum deutlichen Beweise, daß unten ein weitläuftiger See verborgen seyn müsse. Der obere sichtbare See überschreitet bisweilen seine gewöhnliche Höhe des Wassers mit vier bis sechs Schuhen.

Auf den Seiten des Sees, aber ein gutes Theil höher, als er selbst ist, sind am Berge zwey weit von einander entlegene Löcher, Urajna jamma und Sekadulze zu sehen, aus welchen bey entstandenem Donnerwetter das Wasser mit großer Gewalt und vielem Ungestüme heraus stürzet. Rand links: Wunderbare Ströme aus den Felsen. Wenn solches im Herbste geschieht, so kommen viele schwarze, fette und blinde Enten mit heraus, welche anfänglich fast ganz nackend sind, nach vierzehn Tagen aber, oder im October, Federn bekommen, sehend werden und davon fliegen. Jede von diesen zwo Oeffnungen der Felsen ist eine Klafter hoch, von gleicher Breite, und in eben dieser Dicke stürzt das Wasser als ein Strom heraus. Man kann weit hinein und fast aufgerichtet fortgehen, es hat aber noch niemand sich so weit wagen wollen, daß er von der Beschaffenheit der innern Grotten und Wasserbehältnisse, zu welchen diese Oeffnungen führen, genauere Nachricht hätte einziehen wollen, weil man kaum auf einen Augenblick versichert ist, daß die Gewalt des Wassers, so gleichsam aus einer Feuerspritze dringet, den neugierigen Wandersmann nicht überfalle.

In der Frühlingszeit und im Herbste giebt es eine große Menge wilder Enten auf dem Cirknizersee, sonderlich im Frühlinge, da sie Junge haben. Rand links: Jagden auf dem See. Den Bauern ist nicht erlaubt zu schießen, allein sie dürfen in ihren Kähnen ihnen nacheilen und sie mit Ruderstangen todtschlagen. Einer von den Ruderern, der mich auf dem See herumführte, versicherte, daß er nebst einem Cameraden in einem Tage dreyßig Stücke Enten auf solcher Jagd bekommen. Der benachbarte Adel machet sich alsdann auch eine Ergötzung mit Schießen auf dem See. In den Mägen der dreyßig- bis vierzigpfündigen Hechte finden sich öfters ganze[1194] Enten. In den Wäldern und Gebüschen der daran liegenden Berge, halten sich Hafen, Füchse, Wolfe, Hirsche, ja bisweilen auch Bäre auf, wie denn Seine Kaiserliche Majestät noch erst vor zwey Jahren auf des Grafen Cobenzl Herrschaft einen großen Bär selbst geschossen haben.

Der See hat drey schöne Inseln und eine Halbinsel. Rand rechts: Inseln. Seine Länge erstrecket sich auf eine starke deutsche Meile, und die Breite ist halb so groß. Die Landeseinwohner nennen ihn Zirknisku Jefern. Das letzte Wort bedeutet (wie schon gedacht worden) einen Bach oder Wasser, und Zirkniza eine kleine Kirche. Rand rechts: Namen und Größe des Sees. Seine größte Tiefe (außer den Gruben) ist von vier Klaftern oder vier und zwanzig Werkschuhen. Strabo nennet ihn Lugeam paludem, vielleicht von dem nicht weit abgelegenen Orte Lueg, oder weil ihm die Alten wegen seines löcherichten Bodens diesen Namen gegeben hatten. Rand rechts: Lugea Palus.

Ich bin – – –

Planina den 5 Jun. 1730.

Fußnoten

1 Diese zwo Gruben nebst noch einer andern haben wenig Fische und sind nicht mit begriffen unter den achtzehn obgedachten Löchern.


2 Dieses ist gewiß. daß der Schall einer Trummel nahe an einem stillen Wasser auf der Fläche desselben merkliche vibrationes, so von der Bewegung der Luft entstehen, verursache.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1195.
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