[1178] Sieben und siebenzigstes Schreiben.

Reise von Venedig nach Trieste, Fiume, Buccari und Porto-Re etc.

Wenn man den kürzesten Weg von Venedig nach Wien nehmen will, geht man nach Padua zurück, und machet daselbst, so gut man kann, seinen Accord mit einem Vetturino. Rand links: Einrichtung der Reise von Venedig nach Vien. Insgemein zahlt die Person für Fuhrlohn und Kost zwölf bis vierzehn Ducaten: weil man aber auf solcher Reise zwölf bis dreyzehn Tage zubringt, ohne sonderliche Merkwürdigkeiten anzutreffen; so nahm unsere Gesellschaft den Entschluß, die anitzt in Ruff kommende Handelsstädte Trieste und Fiume, nebst den natürlichen Seltenheiten des Herzogthums Crain in Augenschein zu nehmen. Rand links: Von Venedig nach Trieste. Wer der See nicht viel trauet, kann diese Reise also einrichten, daß er erstlich mit einer Barke, wofür man einen Zecchino zahlet, nach Fossete geht; von dar bezahlet man eine Sedia bis Palma mit drey Zecchinen. Von Palma bis Montefalcone ist eine starke Post, und kostet die Sedia fünf und zwanzig Lire. Von[1178] Montefalcone nimmt man wieder eine Barke bis Trieste, welche nur zwölf Lire kostet. Auf diesem erwähnten Landwege besieht man zwischen Monta und Ontagnia den Pallast und Garten der venetianischen Familie Magnini. Rand rechts: Palazzo Magnini.

Ehe man nach Montefalcone kömmt, läßt man rechter Hand etliche alte Mauern und einen Thurm als den Ueberrest der ehemals berühmten Stadt Aquileja, deren Alterthümer der gelehrte Bischof Philippus a Turre vortrefflich erläutert hat1. Rand rechts: Aquileja.

Wegen der guten Jahreszeit erwählten wir den kürzesten Weg, nämlich zur See von Venedig bis Trieste zu gehen, und versahen uns deswegen mit benöthigten Gesundheitspässen, welche in einem großen Gebäude, das der Salz-Doüane gegenüber liegt, umsonst ausgetheilet werden. Rand rechts: Gesundheitspässe. In solchem Zeugnisse wird des Reisenden Namen, Alter, Statur und Farbe der Haare oder Perrücke genau angemerket. Weil auch diejenigen, so erst ankommen, allhier examiniret werden, so thut man wohl, sich nicht lange an diesem Orte ohne Noth aufzuhalten, weil gar leicht ein Fremder, der hieher geführet und hernach verurtheilet wird, noch vierzig Tage Quarantaine in der See oder einem Lazareth zu halten, durch sein Anstossen oder Anfassen verursachen kann, daß man einer gleichen Probe mit ihm unterworfen wird. Rand rechts: Vorsicht so bey ihrer Abholung zu beobachten. Vor kurzer Zeit geschah es, daß ein reisefertiger Passagier seine Fede di Sanità hier abholete, beym Weggehen aber einem seiner guten Freunde, der von einem Schiffe kam, begegnete. Die Freude, so beyde über ihre unvermuthete Zusammenkunft hatten, machte, daß sie einander umarmeten unddie Hände drückten; woraus aber dem ersten, der seinen Gesundheitspaß schon abgeholet hatte, der Verdruß entstund, daß er dem neuen Ankömmlinge, welcher von einem Orte, für dessen gesunde Luft man besorgt war, kam, vierzig Tage lang Gesellschaft in der Quarantaine oder Contumatia leisten mußte.

Für funfzig bis sechszig Lire miethet man eineBracera oder große Barke von Venedig nach Trieste, und wenn der Wind gut ist, legt man diesen Weg von neunzig italienischen Meilen in zwölf bis achtzehn Stunden zurück. Wegen widrigen Windes kamen wir weit gegen Süden, allwo das Ufer von Istria ganz platt und eben ist. Rand rechts: Küste von Istrien. Näher gegen Trieste, von Pirano und Capo d'Istria an, erhebt es sich hinter einer schmalen Ebene mit Hügeln und kleinen Bergen, so dem Lande das Ansehen eines Theaters geben. In der Gegend von Pirano sind viele Olivenwälder. Gedachter Ort, sowohl als Isola, Capo d'Istria und die Fortresse Muglia gehört nach St. Marco oder zum venetianischen Gebiethe. Es zeigten sich allhier in der See zu verschiedenen malen Delphine oder Tonnen, ohne daß stürmiges Wetter darauf erfolgte, wie man in der Ost- und Nordsee aus ihrem Hervorsteigen über die Fläche des Wassers zu fürchten pflegt; von welcher Anmerkung aber die hiesigen Schiffer nichts wissen wollen. Rand rechts: Observation wegen der Delphinen.

Trieste hat eine angenehme Lage an Bergen und ist in einem halben Zirkel mit Weinbergen umgeben. Rand rechts: Trieste. Die Stadt ist klein, und das auf der Höhe gelegene Castell zwar mit etlichen Gräben umgeben, übrigens aber in schlechtem Stande und nur mit fünf und vierzig Mann besetzt. Auf beyden Seiten des engen Einganges in den innern Hafen werden itzt einige Befestigungswerke angelegt. Die Haupteinfahrt des großen Hafens hat eine Tiefe von sechszig bis acht und siebenzig Schuhen. Rand rechts: Hafen. Itziger Zeit lagen etwan vierzig Kauffartheyschiffe vor der Stadt nebst dem kaiserlichen Kriegesschiffe St. Elisabeth, so fünf und sechszig Canonen führet und noch nicht aus dem Hafen gekommen ist. Bey dem Lazareth hielt eine türkische Tartane, so rothe Flaggen mit drey weißen Monden und Sternen führte, Quarantaine.[1179] Der äußere Hafen ist gut und könnte viel vergrössert werden, wenn mm die Halbinsel, worauf dieses Lazareth steht, zum Anfange eines neuen Mole oder Dammes nehmen wollte. Man sieht noch in der See die alten Fundamente eines solchen Werkes, welches vermuthlich von den Römern angeleget worden.

Die Einwohner von Trieste behaupten, ihr Hafen sey sicherer als der von Fiume, weil dieser letzte Ort mit so steilen Bergen umgeben, daß der Wind sich da selbst fange und wieder einwärts gegen den Hafen schlage. Rand links: Parallele zwischen Trieste und Fiume in Ansehung ihrer Lage zur Handlung. Wegen der vorliegenden Inseln Perosina, Cherso und Veglia sey der Einlauf nach Fiume schwer, und öfters, wenn in der offenbaren See der beste Wind wehe, könne man doch wegen des Sirocco oder Südwindes nicht aus der fiumischen Rhede kommen. Ueber dieses sey Trieste wegen seiner Lage bequemer zur Handlung zwischen Deutschland und Italien etc.

Diejenigen, so für die Aufrichtung der Handlung zu Fiume sind, behaupten, der Hafen zu Trieste sey zu klein, und weil nicht so vieles frisches Wasser, wie zu Fiume, daselbst in die See komme, so finde sich in der Rhede von Trieste eine Art Würmer, welche das Holz der Schiffe angreifen und verderben, wie solches an dem Kriegesschiffe Elisabeth offenbar zu sehen sey. Denn dieses sey seit fünf Jahren, da es gebauet worden, solchergestalt zugerichtet worden, daß über funfzehn tausend Gulden zu seiner Ausbesserung würden erfodert werden, ehe es das erstemal in die See gehen könnte. Dieser Anklage wegen der Würmer sind die Triester nicht geständig, und ich habe nicht Gelegenheit gehabt, die Sache so genau zu untersuchen, daß ich entscheiden könnte, welcher Theil in diesem Stücke recht oder unrecht habe. Ferner giebt die fiumische Partey vor, die Rhede zu Trieste sey nicht so sicher, als die von Fiume, allwo ein Schiff den ganzen Winter durch, vermittelst eines einzigen Kerls und eines Jungen bey allen Stürmen sicher könne regieret werden, anstatt daß man vor Trieste zehn bis zwölf Menschen dazu nöthig habe; der Bora oder Nordostwind sey zwar beyden Häfen öfters schädlich und gefährlich, am meisten aber dem Triester. Aus diesen und mehrern Vorwürfen, die beyde Orte einander machen, sieht man wohl, daß an jedem etliche wichtige Stücke auszusetzen sind; allein der Kaiser, so die Handlung seiner an der mittelländischen See gelegenen Lande gern in Aufnehmen bringen will, hat in diesem Stücke nicht viele Plätze zu wählen. Die privilegirte levantische Compagnie hatte sonst ihre Niederlage und Comptoir in Trieste, anitzt aber in Fiume.

Die Landeseinwohner von Trieste werden beschuldigt, daß sie faul und hochmüthig sind, sich auf nichts appliciren, aus Neid aber den Fremden alle mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg legen. Rand links: Naturell der Triester.

Die See vor Trieste und Fiume hat gute Fische, allein auch die Fischer sind so faul und verwöhnet, daß sie entweder nicht fischen, bis sie es höchst nöthig haben, oder die besten Fische selbst wieder verschmausen. Rand links: Fischereyen zu Trieste und Fiume. Findet sich ja hie und da noch ein fleißiger Mann unter ihnen, so kömmt doch der Fischfang denen in der Stadt sich aufhaltenden Leuten wenig zu gute, sondern alles wird nach Venedig, da es theuerer bezahlt wird, gebracht.

Außer den neuangelegten großen Jahrmärkten besteht die ordentliche Handlung zu Trieste in Salz, Oel, Mandeln, Eisen und Mineralien, die über Laubach hieher kommen. Rand links: Handlung zu Trieste.

In der Einbeugung des Hafens, wo die See gar seichte ist, hat man etliche Salzwerke angelegt, und besteht die ganze Sache darinnen, daß man bey zunehmender Sonnenhitze und[1180] hoher Fluth diese Fläche Landes, so in kleine viereckigte Plätze vertheilet ist, mit salzigem Seewasser, dem der Zurück- und Ausfluß hernach verstopfet wird, überlaufen läßt. Rand links: Salzwerke. Indem es hernach viele Wochen lang steht, verzehret die Luft und Hitze das darunter befindliche wilde Wasser, das Salz setzet sich auf den Grund, und wird alle Vormittage herausgenommen; das übrige Wasser aber mit leichter Mühe zu Salze gesotten. Wenn ein heißer Sommer und wenig Regenwetter einfällt, so ist vieler Vortheil hiebey zu machen, und haben die Venetianer eine noch größere und einträglichere Salzmacherey von dieser Art bey Muglia nicht weit von Trieste angelegt. Allein dieser Profit zieht auch viele Beschwerlichkeiten darinnen nach sich, daß durch das lange Stehen und Faulen des Wassers die Luft an solchen Orten sehr ungesund wird, welches zu Trieste desto mehr sich äußert, weil ohnedem die See daselbst einen morastigen Grund hat, und daher zur Zeit der Fluth (welche hier größer als in der Nachbarschaft und oftmals von vier bis fünf Fußen ist) ein garstiger Gestank verspüret wird. Rand rechts: Ungefunde Luft. Das Salz, so in oberwähnten Werken verfertiget wird, ist gar grob und schwarz, wird aber weißer, wenn es gekochet, dabey fleißig umgerühret, und wieder eingesotten wird.

Die Jesuiterkirche zu Triesteist gut gebauet, aber mit schlechten Gemälden versehen und auch übrigens ohne sonderliche Zierrathen. Rand rechts: Jesuiterkirche. In der Kirche oben beym Castel ist in zwo Kapellen auf den Seiten des Hauptaltars viele alte mosaische Arbeit angebracht. Die Stadt ist übrigens gar enge und ungleich, den einzigen Markt ausgenommen, woselbst man einen bequemen Platz zum Spazierengehen findet.

Von Trieste bis Fiume giebt man für ein Reitpferd und dessen Fütterung drey rheinische Gulden. Rand rechts: Weg von Trieste nach Fiume. Will man fahren, so muß man den Weg über Adlsberg nehmen, und da braucht man zween Tage zu solcher Reise, anstatt daß man zu Pferde die fünf und vierzig italienische oder neun deutsche Meilen, welche man über das sehr steinigte und ungleiche istrische und crainische Gebirge (Monti della Vena genannt) rechnet, gar bequem in anderthalb Tagen zurückleget.

Eine halbe Sunde hinter Trieste wachsen in einer schönen Gegend zween berühmte Weine, deren der eine Vino del Ré, der andere di Santi Martiri genennt wird. Rand rechts: Treffliche Weine. Dieser hält sich kaum ein halbes Jahr, jener aber bleibt vier bis fünf Jahre gut.

Vor Alters war ein Wein, welcher aufder andern Seitevon Trieste gegen Aquileja zu rechnen, wuchs, sehr berühmt, undschrieb ihm die Julia Augusta ihr zwey und achtzigjähriges Alter zu2. Rand rechts:Vinum Pucinum der Alten. Seinen Namen führte er vom Castel Pucino; wo dieses aber heutiges Tages zu suchen sey, iß nicht so leicht fest zu stellen. Etliche machen das Castel Duino daraus. andere aber Prosecho oderProsecio. Der letztere Ort gehöret dem Hause Oesterreich, und die daselbst wachsende Weine, welche außer dem Namen von Prosegner, auch Rainfall genennt werden, haben ein großes Lob wegen ihres angenehmen Geschmackes und der guten Wirkung in Ansehung dcr Gesundheit, indem er nicht zu Kopfe steigt, und sich solchem nach desto besser für ein Frauenzimmer geschicket hat.

Drittehalb Stunden von Trieste liegt das Schloß St. Servulo auf einem hohen Berge, von welchem mon einer angenehmen Aussicht genießt. Rand rechts: Höhle bey St. Servulo. Nahe dabey ist die Oeffnung einer berühmten Höhle, worinnen der weiße und graue Tropfstein viele große Seulen und mancherley Figuren an den Wänden und der Decke formiret hat. Diese Höhle ist von[1181] einem weitläuftigen Umfange, der Eingang in der Ebene auf dem Berge, und hat man solchen mit etlichen und dreyßig steinernen Stuffen den Liebhabernder natürlichen Merkwürdigkeiten bequem gemacht. Die innern Gänge aber sind hie und da verschüttet, und muß man sich drey bis vier mal hinab lassen, wenn man alles in Augenschein nehmen und die vielen Kammern oder Eintheilungen besehen will. Es sammlet sich an vielen Orten helles Wasser, so aus den subtilen poris des harten Steins gleichsam hervorschwitzet. In dem ersten oder vordersten Gewölbe wird zu gewissen Zeiten Messe gelesen, und hat man zu solchem Ende einen Altar darinnen aufgerichtet.

Gleich unter dem Schlosse St. Servulo ist eine andere Oeffnung in einem hohen Felsen, in welche man vermittelst einer Zugbrücke gelangen kann. Der Eingang ist enge, das Innerste aber geräumig. Rand links: Sicherheit wider die Feinde in einer andern Grotte.

Ehemals brachte die Nachbarschaft in Kriegesunruhen ihre Haabe und Gut in diese Grotte, welche ihnen nach aufgezogener Brücke benöthigte Sicherheit vor den streifenden Parteyen verschaffte.

Das Rindvieh in dieser Gegend ist gar klein, wie es an den meisten gebirgigten Orten zu seyn pflegt. Rand links: Unfruchtbarer Boden. An vielen Plätzen wächst die einfache sowohl rothe als weiße Pœnia in der Wildniß. Uebrigens ist das Land gar schlecht, un eben, steinigt und wenig bebauet.

Razaza liegt auf halbem Wege zwischen Trieste und Fiume. Etwan zwölf bis sechszehn italienische Meilen von dieser letztern Stadt kömmt man auf einen sehr guten und mit Kunst verfertigten Weg. Rand links: Razaza.

Das Städtlein Castua, so von den häufig daselbst wachsenden Kastanien den Namen führet, bleibt rechter Hand liegen, und ist eine den Jesuiten in Fiume zuständige Herrschaft, welche nebst andern in Crain gelegenen Gütern durch eine Schenkung der Gräfinn Ursula von Thomhausen an itztgedachte Geistliche gekommen ist. Rand links: Castua.

Fiume liegt im Thale an dem Meere in einer schmalen Ebene, die gute Weine, Feigen und andere Früchte hervorbringt. Rand links: Fiume. Die Feigen tragen jährlich zweymal, die letzte Frucht aber ist nicht so groß als die erste. Rand links: Fruchtbarkeit der Gegend. Ueberhaupt würde diese Gegend das trefflichste Obst geben, wenn der Regen und Sonnenschein allhier öfters abwechselten und nicht jedes gemeiniglich gar zu lange anhielte. Rand links: Witterung.

Die Stadt ist sehr volkreich, und wohnen mehr begüterte Leute darinnen, als zu Trieste. Auf der Seite des Arsenals und des Hafens, der vom Flusse Fiumara (in sclavonischer Sprache Ricca oder Reka genannt) formiret wird, findet man gute Spaziergänge. Ueber dem innern Thore nach dem Meere stehen die Brustbilder der Kaiser Leopold und Karl des sechsten mit der Nachricht, daß jener im Jahre 1684, und dieser 1728 allhier gewesen. Ueber dem äußern Thore liest man die Worte: Rand links: Inscription über dem einen Thore.


Magno Leopoldo Primo Cæsari

Suo clementi flumini inexhausto

&

Josepho Primo Romanoram, Ungariæ, Regi

Patris, Orbis & Urbis delicio

Fidelissima hæreditaria civitas flumini Liburniæ

Consecravit Octavio Lib. Bar. Terzi Capito

Joh. Bapt. Zanchi & ... Bon judicibus

Ann. MDCXCV.
[1182]

Das Lazareth liegt rechter Hand etwas entfernt von der Stadt an der See und ist ein schönes weitläuftiges Gebäude, so im Jahre 1724 fertig worden. Rand rechts: Lazareth. Ein besonderer Theil desselben wird anitzt zur Niederlage für die Waaren der levantischen Compagnie gebraucht, und sind von selbigem die Gebäude unterschieden, worinnen die verdächtigen Kaufmannsgüter Quarantaine halten. Rand rechts: Quarantaine. Ein anderer nahe gelegener Platz dienet zur Wohnung derjenigen Christen, welche aus Furcht der Pest nicht gleich ans Land gelassen werden. In dem Hofe steht ein schöner marmorner Altar, worauf täglich Messe gelesen wird. Hinter diesem Gebäude logiren die Juden und Türken, so wegen ansteckender Krankheiten verdächtig sind, beysammen.

Etliche von unserer Gesellschaft, die von diesen Quarantainen nichts wußten, hätten allhier leicht eine verdrüßliche Begebenheit haben können, indem sie diese Kammern, welche sie für ledig hielten, besehen wollten. Rand rechts: Vorsicht sy hier zu gebrauchen. Die Ehrlichkeit einer von diesen eingeschlossenen Personen, welche ihnen eifrig zuruste, sich nicht ferner zu nähern, befreyete sie von der Gefahr, auf gleiche Art zwey und vierzig Tage lang allhier den andern Gesellschaft zu leisten, und wurden wir durch die Zurückkunft unsers Führers, welcher zu gar unrechter Zeit ein wenig auf die Seite gegangen war, erst deutlich von der Ungelegenheit, worein wir durch unsere übereilte Neugierigkeit hätten gerathen können, unterrichtet. Denn mit solchen verdächtigen Leuten ist aller Umgang verbothen, und bringt man ihnen das benöthigte Essen und Trinken nur bis an eine gewisse Gegend des Hofplatzes, von welcher sie es hernach, wenn diejenigen, so es geliefert haben, weggegangen sind, selbst abholen.

Den fiumischen Meerbusen machen sehr angenehm die vielen starken Quellen, so kaum etliche Schritte von der salzigen See entspringen, und wegen ihres süßen Wassers zur Probe dienen, daß die Brunnen und Quellen nicht aus dem Meere durch unterirdische Gänge und Adern kommen, sondern aus dem süßen Wasser, das in den Gebirgen, theils aus dem Regen, theils aus den Nebeln sich sammlet, entstehen. Rand rechts: Süße Quellen an der See. Die Domkirche der Stadt ist zwar noch nicht gänzlich fertig, allein wegen der trefflichen marmornen Statuen und Seulen, womit sie gezieret ist, auch schon anitzt sehenswürdig. Rand rechts: Domkirche. Es sind bey derselben sieben Domherren, durch deren Wahl die Plätze der absterbenden ersetzet werden. Fiume steht in geistlichen Sachen unter dem venetianischen Bischofe von Pola, welchem man aber die unmittelbare Visitation nicht einräumet, sondern durch den Archipresbyterum von Fiume verrichtenläßt, und muß der Bischof ausdrücklich vorher bey dem Kaiser um die dazu gehörige Erlaubniß anhalten.

Die Jesuiterkirche ist gleichfalls noch nicht ausgebauet, wird es auch vielleicht niemals werden, weil das Collegium reiche Stiftungen und Vermächtnisse zu genießen hat, so lange der Bau fortgesetzet wird. Rand rechts: Jesuitercollegium und Kirche. Sie ist ganz rund angelegt, oben mit einer Oeffnung und einer kleinen Cuppola. Hinter einem beweglichen Gemälde auf dem Hauptaltare ist das wunderthätige Crucifix zu bemerken, welches von einem erboßten Menschen mit einem Steine in die linke Seite getroffen worden, da denn das Blut häufig herausgeflossen ist. Rand rechts: Wunderthätiges Crucifix. Die Sache soll schon vor mehr als vier hundert Jahren sich zugetragen haben, und weis ich nicht, wie weit der Beweis, den man desfalls führen möchte, reichen würde. Dieses ist gewiß, daß sin Stein hinter einem Glase gezeiget wird, mit welchem der Wurf geschehen seyn soll, und daß man noch heute zu Tage in der Domkirche zu Fiume Blut zeiget, wovon man vorgiebt, daß es bey oberwähnter Gelegenheit aus dem Crucifixe geflossen sey.

Die levantische Handlungsgesellschaft hat itzt ein Comptoir in Fiume, und handelt von hier stark nach Portugall mit Honig, Wachs, Oel, Metallen, Mineralien, Leinwand[1183] und andern Sachen, diesie aus Ungarn, Schlesien, Mähren und Oesterreich bekömmt. Rand rechts: Comptoir der levantischen Compagnie. Nahe an der Stadt hat diese Compagnie eine Wachsbleiche mit großem Vortheile angelegt indem sie die Freyheit bekommen, von dem Wachse, welches die Venetianer aus Ungarn über Buccari bringen lassen, so viel, als sie nöthig hoben, zu nehmen, ohne ein mehreres ds, für zahlen zu dürfen, als was solches Wachs den Venetianern selbst im Ankaufe nebst den Unkosten bis Buccari zu stehen kömmt. Rand links: Wachshandlung.

Die Venetianer lassen jährlich für mehr als fünf hundert tausend rheinische Gulden Wachs allein aus Ungarn kommen, wovon der größte Theil in ihrer Stadt verbraucht wird, und gehen sie unter andern mit einer Art von Gasconade so weit, daß sie vorgeben, am Charfreytage, da außer andern Kirchen, Häusern und Plätzen, insbesondere die Kirche St. Marci und der dazu gehörige Platz mit großen Wachsfackeln erleuchtet wird, gehe in Venedig so viel Wachs auf, als in Rom währenden eines ganzen Jahres. Rand links: Menge des Wachses so zu Venedig verbrauchet wird.

Der Golfo di Carnero oder der Quarner hat seinen Namen von dem Volke der Carnorum, deren Plinius und andere Geschichtschreiber öfters gedenken, und von welchen auch das Herzogthum Crain seine Benennung herleitet. Rand links: Seebusen von Fiume. Sinus Polanus heißt er von der benachbarten kolchischen Colonie und Stadt Pola, deren MELAlib II, c. 3.PLIN. lib. III, 19 und AMMIANVS MARCELLINVS lib. XIV Erwähnung thun. Vielleicht kömmtdaher auch durcheine Verderbung der Worte der Sinus Flanaticus, wie ihn PLINIVSl. c. und c. at nennet, wo man diesen Namen nicht lieber von dem Volke derFlanatum und der Stadt Flanona oder Flamona (welche beym PLINIO l. 3, c. 21 und PTOLEMAEO in der Beschreibung von Liburnia vorkommen) ableiten will. Die Deutschen haben Flaum daraus gemacht, indem sie die Stadt Fiume, Sanct Veit am Flaum nennen; Wiewohl auch in diesem Stücke alles nur auf ungewisse Muthmaßungen ankömmt, und es eben so leicht seyn kann, daß derletztgedachte Nomen vonFano S. Viti Flomonienfis oder ad Flumen seinen Ursprung genommen, weil nahe bey der Stadt die Fiumara oder il Fiume di Carnero, welche der AltenOeneus oder vielmehr Titius gewesen zu seyn scheint, in die See fällt.

Die Fiumara hat außer andern guten Fischen schöne Lachsforellen, deren Fleisch ganz roth ist. Rand links: Fisch, Gatto. Il Golfo di Carnero ist gleichfalls fischreich und unter andern ein Fisch, Gatto genannt, darinnen anzutreffen, der zu einer starken Größe anwächst, und dessen Haut als eine Art von Chagrin zu Ueberziehung der Futterale von Uhren, Kästchen, Perspectiven und dergleichen gebraucht wird. Rand links: Ueberschiffung der Truppen nach Neapolis. In drey bis fünf Tagen kömmt manzu Schiffe von Fiume in das Königreich Neapolis. Diese Bequemlichkeit ist bey den itzigen Unruhen und da man einen Krieg in Italien befürchtet, den Crainern, und insonderheit der Stadt Fiume wegen der vielen Durchmärsche und Einquartierungen derer Truppen, die aus den österreichischen Erblanden nach Italien übergebracht werden, nicht allzuangenehm. Die Neapolitaner, so mit ihren Barken und Tartanen die Ueberfahrt thun müssen, sind nicht weniger misvergnügt, daß sie wegen widrigen Windes oft viele Wochen vor Fiume liegen, und bey solcher Gelegenheit das Geld, so sie verdienen, wieder verzehren müssen, indem sie nur so lange auf des Kaisers Kosten unterhalten und bezahlet werden, als sie hin und her auf der See sind. Etliche Tage vor meiner Ankunft waren drey Bataillons abgefahren, so aber bey den Inseln Perosina und Cherso (die nebst Veglia)3, Arbe, Pago und Osora vor dem[1184] Golfo di Fiume liegen) mit großer Ungelegenheit wegen der angehenden Hitze, durch den Sirocco oder Südostwind über acht Tage lang aufgehalten wurden.

Bey Fiume können keine Schiffe gebauet werden, weil die See weit hinein seicht ist und die Scala (oder Brücke, auf welcher die Schiffe in das Wasser ablaufen) von allzugroßer Länge angelegt werden müßte, wenn die Schiffe alsbald ihre gehörige Tiefe finden sollten, wie dieses letzte in Porto-Re bewerkstelliget wird.

Der bey Fiume in die See fallende Fluß Fiumara dienet allhier zur Gränze zwischen Deutschland und Croatien, also daß der kaiserliche Befehlshaber von Fiume jenseit desselben nichts zu sagen hat. Rand rechts: Gränzfluß Fiumara. Fiume wird von einigen zu Deutschland, von andern aber zu Italien gerechnet; eigentlich aber hat es zu dem alten Lande Liburnia, von welchem auch das daran liegende Meer Mare Liburnicum benennet wird, gehöret. In dem Erdreiche dieser Gegend werden hin und wieder alte Münzen, Stücke von mosaischer Arbeit und andere Alterthümer gefunden. Allhier fängt auch die treffliche und kostbare Landstraße an, welche Se. Kais. Majestät aus ihren Kammerrenten zum Besten der Handelschaft anlegen lassen. Sie erstrecket sich itzt schon auf acht deutsche Meilen und soll innerhalb drey Jahren bis Karlstadt fortgeführet werden. Rand rechts: Schöne Landstraße. Von diesem letzten Orte ist ohnedem ebenes Land, und wenn das ganze Werk zu Stande kömmt, hat man von Belgrad zehn bis eilf Tage weniger mit den Frachtwagen zu fahren, als bisher nöthig gewesen.

Eine starke Vierthelstunde von Fiume gegen Nordost auf einem Berge liegt das alte Castrum Tersactense oder heutige berühmte Kloster Tersato, so von vierzig Franciscanermönchen bewohnt wird. Rand rechts: Kloster Tersato. Es ist solches im Jahre 1431 von Martino Grafen von Frangipani (welcher Familie ehemals diese Gegend zuständig war) gestiftet, und daher nicht zuverwundern, daß man hin und wieder in dem Kloster zween Löwen, die ein Brodt zerbrechen, als das Wapen dieses berühmten Geschlechtes antrifft. Der Stifter ist gleichfalls nebst seinem Bruder allhier begraben.

Der Fußsteig von Fiume nach dem Kloster geht über viele steinerne Tritte, von welchen man vorgiebt, daß ihre Zahl niemals übereinkomme, ob man sie gleich öfters zähle. Rand rechts: Fabeln von den Stuffen des Berges. Es war indessen doch einer von den Patribus Franciscanis so ehrlich und offenherzig, daß er mir sagte, die Ursache, warum die Zahl oftmals unterschieden herauskomme, sey seines Erachtens keine andere, als daß die Reisenden währenden Ganges auf diesen Treppen, welche nicht in einem Striche aneinander hängen, gemeiniglich plauderten, und habe er seines Orts die Zahl von vier hundert und achtzehn durch wiederholte Proben richtig gefunden. Die Hauptkapelle der Kirche soll ehemals der Platz gewesen seyn, worauf die Casa Santa oder das Wohnhaus der h. Mutter Mariä, ehe es im Jahre 1294 von den Engeln nach Italien und Loreto gebracht worden, drey Jahre und sieben Monate lang gestanden, und hat Nicolaus Frangipani nach vorher eingeholter päbstlichen Erlaubniß solches Gebäude aufführen lassen. Man giebt auch vor, die Fundamente dieser Kapelle passeten so genau zu dem kleinen Häuschen, das in Loreto als Casa Santa verehret wird, daß man offenbar überzeugt sey, diese zween Theile hätten ehemals ein ganzes ausgemacht und zusammen gehöret. So leicht dieses gesaget ist, so wenig wird sich jemand, der beyde Kapellen besehen hat, dessen überreden lassen. Rand rechts: Platz, wo vor Zeiten die itzige loretanische Casa Santa gestanden. Das Haus zu Loreto ist breiter und auch der heiligste Platz davon, nämlich der Ort hinter dem Altare, woselbst die Küche der Mariä war, geräumiger als zu Tersato, wie desfalls der Augenschein nicht den geringsten Zweifel übrig läßt. Die ganze Länge ist von vier und vierzig, die Breite über zwanzig, und die Höhe von acht und zwanzig geometrischen Fußen. Rand rechts: Wowider der Augenschein streitet.[1185]

Auf dem Altare ist das Bildniß der h. Mariä, wie solches von dem Evangelisten Lukas im Original auf eine Tafel von Cedernholze gemalt, und im Jahre 1362 vom Pabste Urban dem fünften hieher geschenkt worden, zu sehen. Rand links: Bildniß der h. Maria vom Lukas gemalt. Die Reisenden bekommen zum Andenken einen Kupferstich, der dasselbe vorstellt, mit den darunter gesetzten Worten:


Coronata Mater Dei,

Tu Solamen cordis mei,

Spes es & refugium,

Hic in sede gratiarum

Monstra nobis pignus charum

Jesum tuum Filium.

Huc cum domo advenisti

Ut qua pia Mater Christi

Dispensares gratiam,

Nazarethum tibi ortus,

Sed Tersactum primus portus

Petenti hanc patriam.


Ædem quidem hunc tulisti,

Attamen hic permansisti,

Regina Clementiæ,

Nobis inde gratulamur,

Digni quod hic habeamur

Maternæ præsentiæ4.

Quæ hic coronata sedes

Ante tuos flexi pedes

Adoramus Filium,

Dum tenellum sinu lactas,

Tunc pro nobis preces jactas

Triadis Triclinium.


℣. Domum tuam Domine decet Sanctitudo.

77. Schreibenin longitudinem dierum.


Oremus:


Deus, qui Beatæ Mariæ Virginis Domum per incarnati verbi mysterium misericorditer consecrasti, eamque in sinu Ecclesiæ tuæ mirabiliter collocasti, concede, ut segregati a tabernaculis peccatorum digni efficiamur habitatores domus sanctæ tuæ, per Christum Dominum nostrum. Amen.

O Maria! esto mihi Mria5, nunc & in hora mortis meæ. Amen.


Auf dem Berge von Tersato sowohl als auf dem andern um Fiume liegenden Gebirge wächst viele wilde Salbey, welche dem Fleische der hier weydenden Ziegen und Schafe einen sehr guten Geschmack giebt6. Rand links: Gebrauch der wilden Salbey. Man gebraucht sich dieses Krautes auch zum Getränke an statt des Thee, sonderlich in den Klöstern. Rechte Waldungen habe ich in dieser ganzen Gegend von Trieste aus nirgends angetroffen, und wächst in den steinigten Gebirgen von Fiume längst den Küsten von Croatien und Dalmatien nur kleines Buschwerk, zwischen welchem die Bauern hie und da kleine Plätze ein wenig von Steinen gereiniget und zum Ackerbaue geschickt gemacht haben. Rand links: Bergigte Gegenden. Die Ebene an der Küste ist allenthalben gar schmal, und kann man zum Exempel zu Zeng (welches ein Ort von der Größe der Stadt Fiume ist) kaum zwanzig Schritte außerder Stadt gehen, ohne einen Bergzu steigen.

Wir mietheten für drey rheinische Gulden eineCaica von sechs Rudern und fuhren damit nach Porto-Re, wohin man zu Wasser gemeiniglich in zwo Stunden kömmt. Zu Lande ist der Weg etwas näher, allein man muß alsdann dennoch zu Buccari eine Barke nehmen und sich nach Porto-Re, so eine halbe Stunde davon entfernet ist, übersetzen lassen. Buccari[1186] Buccari ist ein guter Handelsplatz, der dem Kaiser an Zoll, Licent und Accise über siebenzig tausend Gulden jährlich einbringt, da Fiume an solchen Einkünften nur auf vier und dreyßig tausend Gulden, und die ganze Grafschaft Göriz nur auf dreyzehn tausend Gulden steigt. Rand rechts: Buccari. In der Historie der Kriege mit den Uskoken wird des Ortes Buccari häufig gedacht, weil die itztgemeldte unruhige Nation sich desselben öfters als eines Schlupfwinkels gebrauchte. Er gehörete ehemals nebst vielen andern benachbarten Gütern dem Hause Serini, sie wurden aber alle zusammen im Jahre 1671 wegen der Verrätherey, deren Petrus, Graf von Serini beschuldiget worden, eingezogen. Man rechnet von Buccari bis Tersato zwölf tausend und bis Zeng vier und zwanzig tausend geometrische Schritte. Die Stadt Buccari liegt an einem felsigten Gebirge, und war der Weg nach der Landseite ehemals so steil und schlimm, daß man kaum ein Pferd von dem Fiumer-Wege hinunter führen konnte, anstatt daß itzt große Lastwägen auf- und abgehen. Rand rechts: Verbesserung des Landweges. Es ist weder Mühe noch Geld gesparet worden, dieses Werk in Stand zu bringen, und hat itztgedachte Straße allein in einer Länge von einer Vierthelstunde bey zwanzig tausend Gulden gekostet. Der Hafen oder vielmehrGolfo von Buccari ist gut und sicher, leidet aber indessen doch bisweilen von dem Südostwinde. Man fängt in demselben und bey Porto Re eine Art von FischenTonina und im Lateinischen Tinus genannt, die von trefflichem Geschmacke gehalten werden und zu einer Länge von fünf bis sechs Schuhen anwachsen. Die Fischer bringen sie gemeiniglich nach Venedig, allwo das Pfund mit neun bis zwölf Sols bezahlt wird, anstatt daß es hier nur drey Sols oder zween leichte Kreuzer gilt.

Das merkwürdigste, so an dieser ganzen Küste zu sehen, sind die Anstalten, welche der kaiserliche Hof zu Porto-Ré machet, um einen Schiffbau daselbst anzulegen. Rand rechts: Porto. Re. Es ist nicht ohne, daß zur Vertheidigung der Insel Sicilien und der in Italien gelegenen Länder dem Hause Oesterreich eine Flotte nöthig genug wäre, und ist der Kaiser schon seit zehn Jahren mit großem Eifer darauf bedacht gewesen. Rand rechts: Von der kaiserlichen Flotte und dem angefangenen Schiffbaue. Allein dergleichen Unternehmen erfodert viele Millionen: und obgleich Se. Kaiserliche Majestät anfänglich einen großen Theil der Einkünfte des Königreichs Neapolis dazu gewidmet hatten, so fanden sich doch selbst im kaiserlichen Ministerio hie und da Schwierigkeiten, welche machten, daß das Werk nicht mit dem angefangenen Eifer fortgesetzt wurde. Der Erzbischof von Valenza sah nicht gern, daß die Fonds von Neapolis, die zur Flotte angewiesen waren, seiner fernern Verwaltung entzogen würden, und vielleicht muthmaßete er, daß der Marquis de Rialp, so damals noch im Misverständnisse mit dem Erzbischofe lebte, nur Gelegenheit suche, diese obgedachten Einkünfte seiner Administration zu entziehen, ohne daß sie hernach zu dem Gebrauche, welchen Mylord Forbes in Vorschlag gebracht hatte, angewendet würden. Der Graf von S – – – so in diesen Handel vermischt war, wollte es weder mit dem Erzbischofe von Valenza noch mit dem Marquis de Rialp verderben, und also gerieth die Sache ins stecken, obgleich schon so viele Fonds vorhanden waren, daß man davon sechs bis sieben Kriegesschiffe hätte ausrüsten und unterhalten können. Wäre die Sache nur einmal in Gang gekommen, so hätte es hernach mit der Verbesserung und Vermehrung der Marine wenigere Schwierigkeiten gegeben. Diese Dinge giengen schon in den Jahren 1720, 1721 und 1722 vor. Mylord Forbes hätte seinen Privatvortheil gar wohl dabey machen können; allein er blieb dabey, niemals das Com. mando der Flotte zu übernehmen, ehe sie sich in einem Stande befände, der ihm Ehre brächte. Rand rechts: Redlichkeit des Mylord Forbes.[1187]

Hiedurch machte er sich den Erzbischof und den Marquis zu Feinden: und was bey diesen Uneinigkeiten vornehmlich litte, war das kaiserliche Interesse.

Seit einem Jahre hat man bey Porto-Ré einen Hafen und Schiffstapel angefangen, der unvergleichlich seyn würde, wenn er völlig zum Stande käme. Rand links: Itzige Anstalten zum Schiffbaue. Der Viceadmiral Deichmann, ein Däne von Geburt, dessen Wissenschaft in solchen Dingen sehr gerühmt wird, hat die Aufsicht darüber, und verhoffet in drey Jahren damit fertig zu seyn7. Man sieht die unsägliche Arbeit, welche man desfalls übernehmen muß, nicht ohne Erstaunen an. Indem Meere und am Ufer sind nichts als harte Felsen, und werden jene mit vieler Mühe aus dem Grunde des Wassers heraus gearbeitet, damit die neuerbaueten Schiffe, so von der Scala oder ihrem Baugerüste ablaufen, alsbald eine Tiefe von drey Klaftern oder achtzehn Fuß finden mögen. Längst um den Hafen wird ein ebener, allein gegen das Meer etwas abhängiger Weg, sechs Klaftern breit aus dem Felsen gehauen, und an der Wasserseite mit großen Quaderstücken aufgeführet. An diesem Werke arbeiten anitzt täglich vier bis fünfhundert Croatier, die wegen des armseligen Zustandes, worinnen sie zu leben gewohnt sind, mit einer geringen Bezahlung vorlieb nehmen. Rand links: Gutes Naturell der Croatier. Deichmann giebt ihnen das Zeugniß, daß es eine stille und arbeitsame Nation sey, welche des Abends, wenn sie von ihrer mühsamen Arbeit geht, noch aus gutem Muthe zu singen pflegt. Der Hafen ist breiter, als er beym ersten Anblicke scheint, und werden sechs und dreyßig Kriegesschiffe in einer Linie darinnen liegen können. Der Eingang ist enge, und kann von den schon vorhandenen Batterien vollkommen vertheidiget werden. Es soll aber an der Spitze des fußfesten Landes gegen Mittag auf der Höhe noch ein regulares Castell angeleget werden, welches den ganzen Eingang des Meerbusens, der sich sowohl nach Buccari als dem Schiffstapel erstrecket, beschießt.

Diesem Castell gegenüber liegen zwey Schlösser, welche ehemals dem unglücklichen Serini nebst dieser ganzen Gegend zugehöret haben. Rand links: Serinisches Schloß. Das neue ist ein großes viereckigtes Gebäude mit vier runden Thürmen, unten gewölbt und auf die Dauer gebauet. Unter den obern Gebäuden ist eine tiefe Cisterne, deren Umfang fast so groß als das ganze Schloß ist, mit doppelten Seulen auf den Seiten. Sie giebt so viel süßes Wasser, daß zehntausend Mann damit versorget werden können.

Ich muß noch einer natürlichen Merkwürdigkeit gedenken, welche mir der Viceadmiral zeigte, als etliche große Steine aus der Tiefe des Hafens herausgebracht wurden. Rand links: Lebendige Muscheln in Marmor. Denn als man dieselben mit schweren Hämmern nach vieler Mühe in Stücke zerschmissen, fanden sich in diesen harten Klumpen (die eine Art von braunem Marmor waren) hier und da lebendige Muscheln, die von denen Dattali del mare (wovon ich aus Ancona berichtet habe) nicht nur an Farbe und Gestalt, sondern auch an Härte unterschieden sind. Denn diese vonPorto-Ré sind glatt, von brauner Farbe und den Dattelkernen an Größe und Gestalt mehr ähnlich als die von Ancona, welche außenher rauh und von weißer Farbe sind. Ohne zu gedenken, daß die hiesigen in einem harten Marmor, die Anconitaner aber in einer weichlichen Art von Thone liegen. Was die Erzeugung solcher Muscheln anlanget, beziehe ich mich auf dasjenige, was ich ehemals von den anconitanischen angemerket habe. Man findet dergleichen Muscheln in löcherichten Steinen auch beym Schlosse Duyno am venetianischen Meere, drey Stunden von Trieste gegen Montefalcone zu.

Ich bin – – –

Fiume, den 1 Jun. 1730. Acht

Fußnoten

1 In der Disscrtation de Beleno & aliis quibusdam Diis Aquilejensibus, welche er seinen Monumentis Veteris Antii beygefüget hat.


2 PLIN. Hist. Nat. lib. III, e. 19: amnis Timavus, costellum nobile vino Pucinum, Tergestinus sinus – – und lib. XIV, c. 6: Julia AugustaLXXXII. annos vitæ Pucino (vino) retulit acceptos, non alio usa. Gignitur in sinn Adriatici maris non procul a Timavo fonte, saxeo colle, maritimo afflatu paucas coquente amphoras. Nec aliud aptius medicamentis judicatur.


3 Veglia, Viglia, Vegium scheint des PLINI (lib. III, cap. 21) Insel Curictæ zu seyn, weil die Sclavonier sie noch heute zu Tage Kirk nennen, und hat sie mit der Zeit den neuen Namen von der auf dem benachbarken fußfesten Lande gelegenen Stadt Vegium, deren gleichfalls PLINIVSl. c. gedenket, bekommen.


4 Die Syntaxis leidet zwar hier Noth,A1 allein her Text lautet, wie er hier gesetzt ist.


5 Mria, so fast alle Buchstaben des Wortes Maria hat, wird mit Fleiße zusammengezogen seyn aus Misericordia.


6 Man hält insgemein die spanischen Hamel für die besten, weil sie in ihrer Weydevielen Thymian, Majoran und Serpolet finden.


7 Vielleicht giebt sein im Jahre 1731 erfolgtes Absterben dem Werke abermals einen Stoß und Anstand. Seine Stelle ist indessen mit einem Italiener, Pallavicini genannt, ersetzt worden.


A1 Diese kunstrichterische Anmerkung scheint unnöthig zu seyn. Die ältesten und bewährtesten römischen Schriftsteller verbinden dignus mit dem genitivo. Z. E. CICERO ep. ad Attic. I. 8. ep. 15. Auch Plautus und Virgilius scheinen nicht gesündiget zu haben, wenn sie den genitivum bey indignus setzen, weil es die Griechen eben so mit ἄξιος machen.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1188.
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