V

Nachrichten über die Familie Weber

[170] mit einer Stammtafel[171]


Die Familie Weber stammt, soweit nachweisbar, aus dem Breisgau. Der Name kommt im 17. und 18. Jahrhundert häufig in den Freiburger Kirchenbüchern vor. »Unter den fast 250, in den Jahren 1605 bis 1780, teils als Gemeindeangehörige teils als Gemeindebürger, verzeichneten Webers fallen bereits 1623 solche mit Vornamen auf, wie sie in Konstanzens Familie üblich waren; namentlich Franz ohne und in Verbindung mit anderen Vornamen wie Anton, Joseph, Xaver, sowie Maria allein oder in Verknüpfung mit Anna, Magdalena, Franziska, Theresia, Aloysia, Konstanze. Einige davon gehören dem Wehrstande an; andere dagegen betrieben Gewerbe, namentlich als Maurer und Metzger. Im 18. Jahrhundert springen von den in Freiburg i. Br. nachweisbaren Webers solche ins Auge, die – außer der Ähnlichkeit und sogar Übereinstimmung der Vornamen mit Blutsverwandten Konstanzens – durch ihre berufliche und gesellschaftliche Stellung als Beamte der vorder-österreichischen Regierung, der Stadt Freiburg i. Br., der Universität dort, oder als Geistliche am Freiburger Münster, einen Zusammenhang unter sich vermuten lassen.«1

Möglich, aber kaum wahrscheinlich: »ist die breisgauische Familie, der Konstanze Weber angehört, am Ende des 17. oder zu Anfang des 18. Jahrhunderts als Beamte (in Diensten des habsburgischen Gesamtstaates) durch Versetzung aus dem heutigen [Deutsch-]Österreich in den damals zu den österreichischen Vorlanden gehörenden Breisgau gelangt«.[173]

Der angebliche Adel2 der Familie ist urkundlich nicht bewiesen. Die österreichischen Beamten rechneten sich zum Adel und eigneten sich das Prädikat vielfach eigenmächtig an. Vermutlich hat erst Konstanzens Vater, der Amtmann Fridolin Weber ebenso wie sein Bruder Franz Anton infolge einer Ordensauszeichnung eine gewisse Berechtigung zu dem »von« gehabt. Daß dem Großvater der erbliche Adel verliehen worden wäre, ist schwerlich anzunehmen; und Uradel ist gänzlich ausgeschlossen. Das k.k. Adelsarchiv in Wien hat i.J. 1888 »keine Anhaltspunkte für den Adel der Webers« zu finden vermocht3. Somit ist der Adel lediglich durch den Gebrauch in die Familie gekommen. So nebensächlich diese Frage in einer Künstlerfamilie ist, so sei sie wenigstens gestreift. Der wahrhaftigste Adelsbrief der Webers ist doch derFreischütz (1820).

Als Stammvater der Familie hat (bis auf weitere Forschungsergebnisse) zu gelten: Fridolin Weber (Konstanzens Großvater). Er war ursprünglich Schmied, später Beamter, also so etwas wie Zeugmeister, und zwar am Kaiserlichen Zeughaus zu Freiburg i. Br. Wann er schließlich Amtmann (receptor) im Dienste der Freiherren v. Schönau geworden ist, bleibt ungewiß. Sein Amtssitz war Zell im Wiesental (im südlichen Breisgau). Er wird als »pflichtgetreu, erfahren und tüchtig« geschildert. Daneben war er musikliebend, spielte Geige und Orgel und war imstande, seine Söhne darin sowie im Gesang zu unterrichten4. Er hatte einen Bruder namens Xaver Weber, von dem nichts weiter bekannt ist.

Fridolin war zweimal verheiratet, in erster Ehe mit Katharina Baumgartner, deren Herkunft nicht berichtet wird; in zweiter Ehe mit Maria Eva Schlar, deren Familie auch sonst nachweisbar ist. Der einzige Sohn aus erster Ehe war: Josef Anton Weber, geboren 1720 in Freiburg i. Br. Kinder der zweiten Ehe sind: Fridolin Weber (1733–1779), Konstanzens Vater, undFranz Anton Weber, der Vater von Karl Maria von Weber (1786–1826), dem bekannten Komponisten. Gestorben ist Fridolin am 25. Februar 1754 in Freiburg i. Br.; sein Grab ist nicht erhalten.[174]

Konstanzens Vater, Fridolin Weber, ist 1733 in Zell im Wiesenthal geboren. Er hat in den Jahren 1750–54 an der Freiburger Universität die Rechte studiert, ohne den Doktorhut erworben zu haben. Vermutlich beendete der Tod seines Vaters (1754) seine Studien. Er wurde sein Amtsnachfolger (1754 bis 1764). Warum er seine angesehene und gewiß auch einträgliche Stelle als Amtmann nach elf Dienstjahren aufgegeben hat, liegt im Dunkel der Vergangenheit. Er war Musikliebhaber und Schöngeist, und vermutlich steckte in ihm wie auch in seinem Bruder Franz Anton ein unruhiger, wanderlustiger Geist. 1765 sehen wir ihn mit einem Male als Hofmusikus (Bassist) in der Mannheimer Kapelle. Alsbald nahm er seinen unwiderruflichen Abschied aus Schönauschem Dienst, den man ihm als consiliarius intimus et supremus satrapa, d.h. mit dem Charakter eines Geheimrats und Oberamtmanns bewilligte.

Eine glänzende Künstlerlaufbahn war Fridolin Weber nicht beschieden. Zunächst war er Kirchensänger, und bis 1777 hatte er das klägliche Gehalt von 200 Gulden im Jahre. Nebenbei machte er öfters den Souffleur; auch kopierte er Partituren und Kompositionen. Mit der Verlegung der Hofhaltung des Kurfürsten Karl Theodor nach München im Sommer 1778 kam auch Weber, etwas später als die meisten andern, von Mannheim weg, hauptsächlich weil man seine Tochter Aloysia an der Münchner Oper brauchte. Man bewilligte ihr 1000 Gulden und dem Vater 200 Gulden als Sänger sowie 200 Gulden als Souffleur. Damit hatten die Webers ihre Lage erheblich gebessert. Doch das Glück ward ihnen nicht hold.

Anfang Oktober 1778 fand die Übersiedlung statt; aber die Webers blieben nicht lange in München. Aloysia hatte das Glück, als Primadonna an die Wiener Hofoper zu kommen. Wohl Ende September 1779 geschah der abermalige Umzug. Fridolin gab seine Münchner Stelle auf, da er in der Gefolgschaft seiner Tochter, deren Gönner der damalige österreichische Kriegsminister Graf Hadik war, einen besseren Posten erhoffte. Am 23. Oktober 1779 traf ihn in Wien ein tötlicher Schlaganfall.

Verheiratet war Fridolin Weber mit einer Mannheimerin, Maria Cäcilia Cordula geb. Stamm. Der Hochzeitstag ist der 4. September 1756. Die Eheschließung erfolgte in Freiburg; Cäciliens Geburts- and Todestag sind unbekannt. Eine Silhouette von ihr ist im Mozartmuseum zu Salzburg erhalten.[175]

Der Ehe sind sechs Kinder (ein Sohn und fünf Töchter) entsprossen; i.J. 1778 lebten noch vier Töchter: Josepha, Aloysia, Konstanze und Sophie.

Josepha Weber ist 1758 in Zell im Wiesenthal geboren. Mithin kam sie mit sieben Jahren nach Mannheim und mit zwanzig Jahren nach München. Wann und wie sie ihre Laufbahn als Theatersängerin begonnen hat, ist nicht erforscht. Wir kennen nähere Umstände aus ihrem Dasein erst von 1788 an. Am 21. Juli d.J. heiratete sie den Hofmusiker (Violinisten) Franz de Paula Hofer (geboren am 9. Januar 1755 in Wien als Sohn des Musikers am Stefansdom Markus Hofer). Am 29. August 1790 kam das einzige Kind aus dieser Ehe zur Welt: die spätere Sängerin Josepha Hofer. Am 14. Juni 1796 starb Franz Hofer mit Hinterlassung von nichts denn einiger Schulden. Er war mit W.A. Mozart herzlich befreundet. Am 23. September 1797 heiratete die Witwe zum zweiten Male: den Sänger und Schauspieler Friedrich Sebastian Mayer (1773–1835). Da der Bräutigam um 14 Jahre jünger war, verjüngte sich auch Frau Josepha, insofern sie im Traubuch sieben ihrer Jahre unterschlug. Sie war seit 1788 am Theater Schikaneders, dem »Theater auf der Wieden«, das zuerst bekanntlich im Hofe des Starhembergschen Freihauses seine Stätte hatte. (In diesem riesigen Hause wohnten Franz und Josepha Hofer auch als Jungvermählte.) Bis 1802 sang sie die ihr zukommenden ersten Rollen; dann trat sie langsam zurück, und 1805 schied sie ganz vom Theater. Am 29. Dezember 1819 ist sie in Wien am Schlagfluß arm und unbeachtet gestorben. Sie war keine große, doch auch keine unbedeutende Sängerin; als Schwägerin W.A. Mozarts und als erste Königin der Nackt trägt sie auf ihrem Haupte eine leuchtende Perle, deren glücklicher Schein ihre bescheidene Gestalt vor der Vergessenheit bewahrt.

Berühmter als sie ist ihre Schwester Aloysia (Luise Weber.) Sie ist um 1762 geboren und debütierte 1778 an der Münchner Hofoper. Im Oktober 1779 kam sie an die Wiener Hofoper, wo sie zuerst als Hannchen im »Rosenfest von Salenci« auftrat. Am 31. Oktober 1780 heiratete sie den Hofschauspieler Joseph Lange (1751–1831)5. Bis 1788 sang sie an der[176] Italienischen Oper. Von 1791–1795 war sie abermals in Wien engagiert. Geschieden von ihrem Manne, ging sie nach Hamburg; von 1798 bis 1801 sang sie in Amsterdam, darauf in Bremen, schließlich in Frankfurt a.M. Im Jahre 1808 verließ sie die Bühne und lebte fortan erst in Wien, schließlich in Salzburg, wo sie am 8. Juni 1839 gestorben ist.

Die jüngste der vier Schwestern ist Sophie Weber, geboren 1767 in Mannheim. Von ihr ist wenig bekannt. Sie heiratete im Herbst 1806 den Organisten Jakob Haibel in Diakovár in Slavonien, der bis 1805 in Wien gelebt hatte. Wittwe geworden (1826), zog sie nach Salzburg, wo sie den Haushalt ihrer Schwester Konstanze teilte. Sie ist am 26. Oktober 1846 in Salzburg gestorben.

Franz Anton Weber (Fridolin Webers jüngerer Bruder, Konstanzens Onkel) ist 1734 in Freiburg i.B. geboren. In der dortigen Matrikel von 1754 steht er als Student beider Rechte; alsbald zieht ihn der Siebenjährige Krieg in seinen Bann. Als Leutnant bei Rossbach (am 5. November 1757) verwundet, nimmt er seinen Abschied, behält aber die kleine Beamtenstelle, mit der man ihn versorgt, nicht lange. Das Theater fesselt ihn ungleich stärker. So wird er Stadtmusiker, Kapellmeister, Schauspieldirektor. Gleich seinem Bruder Fridolin war er Sänger und Violinist. Gestorben ist er 1812. Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Maria Anna Fumetti (gestorben 1783), sodann mit der Sängerin Genoveva Brenner (1767–1798). Der zweiten, offenbar wenig glücklichen Ehe entstammt Karl Maria v. Weber. Das Grabmal seiner jugendlichen Mutter befindet sich zu Salzburg; der auf dem Grabstein verzeichnete Adel der Genoveva Brenner ist legendär.

Erwähnt sei, daß die Patin von Konstanze Weber, eine Verwandte ihres Vaters, Theresia von Weber, Edle von Felsenblühe, war, geboren 1733, gestorben als Witwe des k.k. Appellationsrates von Löwenburg 1812 in Freiburg[177] i. Br., deren Grabstein im Alten Friedhof daselbst erhalten ist. Sie war eine Tochter des Kriegszahlmeisters Johann Joseph Weber von Felsenblühe und seiner Gattin Maria Josepha Konstanzia Heyberger von Pankirchen (gest. 1763).

Über Karl Maria von Weber (1786–1826), zuletzt Kapellmeister der Dresdner Hofoper, findet man alles Nähere in der Biographie, die sein Sohn Max Maria von Weber (1822–1881), ein vielseitiger und hochbefähigter Mann, geschrieben und 1864 ff. veröffentlicht hat (drei Bände; neuerdings herausgegeben von Rudolf Pechel, 1912). Dazu sind mehrere Briefsammlungen erschienen. Webers Schriften hat der allzufrüh verstorbene Dresdner Musikschriftsteller Georg Kaiser i.J. 1908 ff. herausgegeben.

Die Webersche Familie hat ihren Sitz noch heute in Dresden.

Fußnoten

1 Vgl. Freiburg im Breisgau, der Geburtsort der Gemahlin W.A. Mozarts und des Vaters Karl Maria von Webers von Dr. jur. Rudolf Blume (in Freiburg i. Br.) in der: Zeitschrift Schau-ins-Land, Freiburg i. Br., 44. Jahrgang (1917).


2 Vgl. Max Maria v. Weber: C.M.v. Weber, Bd. I, S. 6 f.


3 Blume, S. 4.


4 Blume, S. 5.


5 Joseph Lange war in erster Ehe (seit 1775) verheiratet gewesen mit der Schauspielerin Anna Maria Elisabeth Schindler (geb. in Wien 1757), Tochter des Miniaturmalers und k.k. Porzellanfabrikdirektors Philipp Ernst Schindler (1723–1793) und seiner Frau Anna Maria geb. Leithner. Lange verlor seine junge Frau am 14. März 1779. Der Ehe entstammten drei Kinder, von denen zwei am Leben blieben: Gabriele Lange (geb. 1776; gestorben als Schauspielerin an der Wiener Burg 1802) und Anton Lange (geb. 1778; Landschaftsmaler). Eine Stiefschwester von Anna Maria Leithner ist die als Sängerin bekannte Katharina (Leithner genannt) Schindler (1755–1788), die Ph. E. Schindler adoptiert hatte; sie heiratete im April 1777 den Schauspieler Johann Baptist Bergopzoomer (1742–1804).


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 180.
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