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[18] Original: wie in Nr. 10


An Breitkopf & Härtel

(Auszug)


Wien, den 28. August 1799.


Ich sende Ihnen zugleich die erste Abtheilung von Briefschaften, von Demjenigen zu lesen und zu benutzen, dem Sie die Biographie auftragen. Es ist immerhin allerhand daraus zu lernen für seine Charakteristik. Sein Maß von Bildung, seine übergroße Zärtlichkeit für mich, seine Gutmütigkeit, seine Erholungen, seine Liebe zur Rechenkunst und zur Algebra (wovon mehrere Bücher zeugen), seine Laune, die bisweilen wahrhaft shakespearisch war (wie Herr Rochlitz einmal von seiner musikalischen Laune gesagt hat und wovon ich Ihnen Proben senden werde), sind darin und in den folgenden Papieren sichtbar. Sie beweisen ferner die Ehren, die ihm und mir seinetwegen späterhin erwiesen sind. Die freilich geschmacklosen, aber doch sehr witzigen Briefe an seine Base1 verdienen auch wohl eine Erwähnung, aber freilich nicht ganz gedruckt zu werden.

Ich hoffe, Sie lassen gar nichts drucken, ohne es mich vorher lesen zu lassen.

Fußnoten

1 Die berühmten Bäsle-Briefe! Sie sind gerichtet an Maria Anna Thekla Mozart (1758–1841). Einen findet man ungekürzt in: Arthur Schurig, W.A. Mozart, Neudruck, Bd. I. Rudolf Genée (1824–1914) besaß Abschriften sämtlicher – zur Erkennung der Erotik Mozarts nicht unbedeutender – »Bäsle-Briefe«. Am 24. Februar 1913 schrieb er mir: ».... Was zunächst Ihren Wunsch betrifft, zu Ihrer Mozart-Biographie die Briefe Mozarts an das Augsburger Bäsle einzusehen, so muß ich bedauern, die Erfüllung dieses Wunsches aus besonderen Gründen abzulehnen, Ich habe dieselben im Jahre 1894 von einem Herrn Wagner aus Mailand erhalten, der damals seit einigen Jahren seinen Wohnsitz in Berlin genommen hatte. Der Vater dieses Herrn Wagner war in Mailand mit dem älteren Sohne Mozarts Karl, der bekanntlich Steuerbeamter in Mailand war († 1858), befreundet worden und war nach dem Tode desselben in den Besitz vieler Karl Mozarts Eigentum gewesener Briefe und andrer Handschriften gelangt. Da ich die Briefe Mozarts an das Bäsle eine Woche lang in den Händen hatte, konnte ich mir buchstabengetreue Kopien davon machen und dabei ersehen, wie sehr viel davon in der Wiedergabe bei Jahn und bei Nohl weggelassen wor den ist. Wahrscheinlich hatte Karl Mozart den Genannten die Briefe nur auszüglich mitgeteilt, denn sowohl der Sohn Karl wie auch der alte Herr Wagner waren lange unschlüssig gewesen, ob sie diese Briefe nicht lieber ganz vernichten sollten. Was in diesen Briefen so überaus anstößig ist, daß es niemals veröffentlicht werden darf, ist weniger erotischer Art, sondern es sind dermaßen erschreckend unästhetische Dinge, wie sie in den Briefen eines einundzwanzigjährigen Jünglings an ein Mädchen rätselhaft erscheinen. In meinen Aufsätzen – in der damaligen Nationalzeitung und im 17. Heft der Mitteilungen der Berliner Mozart-Gemeinde (1904) – habe ich Andeutungen versucht, aber es widerstrebt mir, die Briefe selbst mitzuteilen, und ich werde sie vor meinem Tode dem Feuertode überliefern ...« Der in Genées Brief genannte alte Herr A.F. Wagner war Salzburger, von Beruf Kaufmann. Nach dem Tod seiner Frau ist er von Mailand wieder nach Salzburg gezogen. Ob Genée seine Abschriften der Bäsle-Briefe in der Tat vernichtet hat, habe ich noch nicht feststellen können.

Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 18.
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