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[27] Original: in Privatbesitz


An Breitkopf & Härtel in Leipzig


Wien, den 2. Juni 1802.


Aus der Rezension des Requiems in der Musikalischen Zeitung1 sehe ich, welche Zweifel noch über die Trennung des Antheils an demselben von Mozart und von Süßmayer obwalten. Nur ich bin im Stande, alles, was darüber räthselhaft ist, aufzulösen, und wenn diese Auflösung Werth für Sie, den Rezensenten oder Ihren künftigen [Mozart-] Biographen hat, so steht sie Ihnen zu Befehl.

Ich fange damit an, Ihnen zu sagen, daß alles bis auf den Anfang des Dies irae von Mozart allein ist und daß diese seine Handschrift im Besitz des anonymen Bestellers ist, wie ich voriges Jahr selbst gesehen habe. Alles übrige, was Mozart selbst gemacht und daher selbst geschrieben hat, ist in meiner Verwahrung und mein Eigenthum. Süßmayer ist so brav gewesen, mir es vor geraumer Zeit unerwartet zu geben; ich hatte nicht daran gedacht, daß er es haben müßte. Dieses Manuskript geht bis an das Ende von Confutatis. Ein großer Theil der Mittelstimmen und vielleicht mitunter etwas mehr[27] darin sind nicht von Mozart; aber alles, was nicht von Mozart ist, ist mit einer Bleyfeder eingezirkelt, wie es überdem für einen guten Handschriftkenner kenntlich wäre. Der Rezensent wird darin seine scharfsinnige Bemerkung begründet finden, daß eine gewisse Stelle (ich glaube inTuba mirum) nicht von Mozart den Flöten, sondern dem trombone bestimmt gewesen ist.

Wenn Sie dies Exemplar, wie gesagt, brauchen können, so will ich es Ihnen sehr gern leihen. Nur bitte ich dem Herrn Traeg oder sonst Jemandem den Auftrag zu geben, es bey mir abzuholen und späterhin mir es wieder zuzustellen, damit ich keine Postausgaben habe.

Sie werden, glaube ich, die Mittelstimmen anders finden, als sie in der Copie waren, die ich Ihnen mitgetheilt habe. Auch muß ich Ihnen sagen, daß Süßmayer, der offenbar mir nur Mozarts Arbeit geben wollte und nur diese mir zu geben sich einigermaßen schuldig glauben konnte, mir auch das Sanctus gegeben hat, worin keine Note und kein Wort von Mozarts Handschrift ist. Beyde Punkte verlohnten wohl einer Untersuchung, aber ich habe schon lange ihn schriftlich vergebens um letzten Punkt befragt, und, da ich ihn nur selten sehe, nicht darüber gesprochen.

[Anmerkung Konstanzens:] NB. Nach diesem Exemplar wird ohne Zweifel Andrés Klavierauszug gemacht seyn; er hat es von mir geliehen gehabt.

Fußnoten

1 Allgemeine Musikalische Zeitung IV, S. 1–11, 23–31.

Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 27-28.
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